Barış Müstecaplıoğlu
DIE LEGENDEN VON PERG
Teil 2: Merderans Geheimnis
www.legenden-von-perg.de
Aus dem Türkischen von Monika Demirel
Wieder dankt die Übersetzerin Hulki Demirel für seine tatkräftige Unterstützung.
Die Originalausgabe erschien 2002 unter dem Titel
Merderan’ın Sırrı
© Barış Müstecaplıoğlu
© Kalem Lit. Agency
Mit freundlicher Unterstützung durch das TEDA-Projekt
des Kulturministeriums der Republik Türkei
Deutsche Erstausgabe
© 2014 binooki OHG, Berlin
www.binooki.com
Alle Rechte vorbehalten
1. Auflage 2014
Lektorat: Erhard Waldner
Satz: Erhard Waldner
Umschlaggestaltung: Josephine Rank
Druck und Bindung: CPI books GmbH, Leck
Printed in Germany
ISBN 978-3-943562-31-6
Ob jemand gut ist oder böse, erkennst du nicht an seinem Äußeren.
Du musst in sein Herz sehen.
Und wenn du den Rat eines alten Mannes hören willst …
Glaube sogar nicht einmal gleich das, was du dort siehst!
Ferm-ob Loun, Väter – Vers 7
Zur Aussprache des Türkischen
cwie dsch in Dschungel
çwie tsch in Kutsche
ğweiches, nicht hörbares g; es verbindet den voranstehenden Vokal mit dem nachfolgenden Buchstaben
ıkurzes i wie das e in Katze
sstimmloses s wie in Maus
şwie sch in Schmaus
zstimmhaftes s wie in Hase
PROLOG
KAPITEL I EIN ALTER FREUND
KAPITEL II DIE ÜBRIGGEBLIEBENEN
KAPITEL III HÄSCHER
KAPITEL IV NELA
KAPITEL V VERSCHOLLENE ZAUBER
KAPITEL VI BEGEGNUNG
KAPITEL VII DIE GEJAGTEN
KAPITEL VIII DIE JAGENDEN
KAPITEL IX DIE MERDERAN-STATUE
KAPITEL X GESTÄNDNISSE
KAPITEL XI DIE KÖNIGIN DES HUNSA
KAPITEL XII KENNENLERNEN
KAPITEL XIII BRENNENDE WÄNDE
KAPITEL XIV AIS’ PLAN
KAPITEL XV ZWEI HERRSCHER
KAPITEL XVI MARKIERTE WEGE
KAPITEL XVII DIE GESCHICHTE DES VERRÄTERS
KAPITEL XVIII LICHTTOR
KAPITEL XIX DURKGADOR
KAPITEL XX ARENA
KAPITEL XXI MERDERANS GEHEIMNIS
KAPITEL XXII ABSCHIED
Die Taube spannte ihre Flügel und glitt auf die Steinmauer zu. Müde von der langen Reise ließ sie sich nieder und hatte nur noch den Wunsch, sich auszuruhen. Mit kleinen, zögernden Schritten inspizierte sie den fremden Ort. Als sie sich in Sicherheit fühlte, nahm sie beruhigt Platz. Während eine leichte Brise durch ihre Federn strich, fühlte sie sich wie im siebten Himmel.
Erst spät war ihr aufgefallen, wie weit sie sich von ihrer Stadt entfernt hatte. Aus Angst, sich in dem Wald voller wilder Tiere niederzusetzen, war sie stundenlang ohne Ruhepause geflogen. Hier nun, auf diesen Mauern, die dem Platz ähnelten, wo sie ihr Nest hatte, hätte sie in einen friedlichen süßen Schlaf sinken können. Doch da tauchte ein alter Mann auf und ließ sie panisch hochflattern.
Bernak sah eine Weile hinter dem Vogel her und seufzte, betrübt, weil er das arme Tier erschreckt hatte. Dann aber dachte er, dass die Taube mehr Glück hatte als er, weil ihr die nahende Apokalypse erspart bleiben würde.
Er wandte den Kopf und betrachtete seine Stadt lange mit traurigen Augen. Sein Blick schweifte von den hohen Gebäuden, die den Palast einrahmten, zu den Armenvierteln hinter dem Marktplatz. Beinahe sechzig Jahre waren vergangen, seit er dort als schmächtiges Waisenkind ohne Zukunft herumgestreunt war. Wenn der Oberzauberer Farsaten nicht seine Begabung erkannt hätte, hätte Bernak seine Jugend kaum erlebt; wahrscheinlich wäre er entweder verhungert oder einem streitsüchtigen Strolch zum Opfer gefallen. Aber die Dinge entwickelten sich anders, als er oder die, die ihn kannten, erwartet hatten, denn plötzlich fand er sich unter der Obhut des Zaubererrats wieder. Farsaten hielt ihn für etwas ganz Besonderes. Er hatte Bernaks Gesicht im Traum gesehen, in den Straßen nach ihm gesucht und ihn schließlich gefunden. Alle Möglichkeiten sollte er haben und zum Beschützer der Stadt erzogen werden. Eines Tages würde Gefahr über Artek hereinbrechen, und Bernak würde die Stadt retten. Von dieser Prophezeiung war Farsaten zutiefst überzeugt, wobei seine Prophezeiungen den Rat ohnehin noch nie getäuscht hatten. Nachdem die Zaubererlords überzeugt worden waren, hatte aus dem Volk niemand zu widersprechen gewagt. Ganz im Gegenteil – sie nahmen Bernak liebevoll und verzückt auf und bereiteten ihm ein Leben, von dem er nie zu träumen gewagt hätte. Der eine oder andere Adlige behauptete, dieser Straßenjunge sei die Frucht einer verbotenen Liebe Farsatens, und deswegen hätte der alte Zauberer ihn unter seine Fittiche genommen. Sicher störten sich diese taktlosen Lügner daran, die Pracht des Palastes mit einem aus dem Volk zu teilen. Wenn sie Bernak in den prunkvollen Fluren begegneten, tuschelten sie miteinander, und sie lachten laut auf, wenn er sich entfernte. Offensichtlich unterschätzten sie die Macht des Rats im Palast. Als manche von ihnen ihre Zungen der Klinge des Henkers darbieten mussten, hörte das Gerede mit einem Mal auf.
Im Gegenzug erwartete man von Bernak nur, dass er fleißig studierte, um ein großer Zauberer zu werden. Dazu war er mehr als bereit. Er verbrachtete seine Zeit damit, neue Zauberformeln zu lernen und das Gelernte in seiner Stube auszuprobieren. Wann immer er Sturmwind erzeugte oder als Vögel ihm zum ersten Mal gehorchten, schallte sein freudiges Jubeln durch den Palast. Kein Zweifel, dass eine Kraft in ihm schlummerte. Und weil die Ratsmitglieder seine Erziehung intensiv verfolgten, wurde aus ihm in kurzer Zeit ein einmaliger Zauberer. Als Farsaten ihn auf Nimmerwiedersehen verließ, war Bernak so stark, dass er niemandes Obhut mehr bedurfte.
In seiner Umgebung konnte es keiner mit ihm aufnehmen. Mit jedem teuflischen Wesen und jeder Naturkatastrophe wurde er fertig. Er konnte Krankheiten heilen, Dürren beseitigen und dem kargen Boden Leben einhauchen. Dennoch war er nicht unbedingt glücklich. Seine reiche und mächtige Stadt hatte nämlich nur selten Bedarf an seinen Fähigkeiten. Seine magischen Kräfte dienten meist bloß dazu, dem Volk und den Palastangehörigen während Zeremonien spannende Augenblicke zu bescheren. Bis zu dem Moment, als über den Stadtmauern jener Mann auf seinem Riesenvogel auftauchte …
Niemand hatte ihn je zuvor gesehen. Niemand kannte seinen Namen. Er drehte einige Kurven über den Gebäuden, landete außerhalb der Mauern, ging zu Fuß ans Eisentor und verkündete, er sei gekommen, um die Herrschaft über die Stadt zu übernehmen. Die Wachposten waren zwar von dem Vogel beeindruckt gewesen, hatten aber angesichts dieses ungebührlichen Begehrens nur mit Spott reagieren können. Einige von ihnen meinten, dieser Verrückte würde einen prima Hofnarren für Ihre Lordschaft abgeben, und traten vor die Mauern, um ihn einzufangen. Selbstsicher gingen sie auf ihn zu und hielten es nicht einmal für nötig, ihre Schwerter zu ziehen. Als sie sich, bei dem Mann angekommen, jedoch in Steine verwandelten, verspürten die übrigen Wachposten zum ersten Mal reelle Angst.
»Ich gebe euch eine Frist von drei Tagen«, hatte der Fremde gesagt. »Wenn die Sonne dreimal aufgegangen ist, kehre ich zurück, um mir die Schlüssel der Stadt zu holen. Ich bin gekommen, um euch auf ein faszinierendes Zeitalter vorzubereiten. Das ist euer Schicksal, genauso wie meines. Euch zu wehren bringt nur Leid.«
Dann bestieg er den Vogel und flog davon.
Die Ratsmitglieder hatten versucht, ihren Lord von der Belanglosigkeit dieses Ereignisses zu überzeugen. Menschen in Steine zu verwandeln war atemberaubendes Teufelswerk, aber Bernak war ausgebildet, weitaus grässlichere Gefahren abzuwenden. Falls dieser Fremde wie angekündigt zurückkehrte, würde ihn eine böse Überraschung erwarten. Am besten vertrauten sie auf die Prophezeiung. Farsaten hatte sich bislang noch nie geirrt. Natürlich war Lord Kurm nicht begeistert davon, seine Stadt einem Fremden zu überlassen. Seit vielen Jahrhunderten wurde Artek von Menschen seines Blutes regiert. Alle seine Vorfahren waren hier beerdigt. Allerdings würde ein in Stein verwandelter Lord seinem Volk nicht viel nützen. Schließlich entschied er, Bernak die Chance zu geben, den Fremden aufzuhalten. Sollte er scheitern, schien ihm nichts anderes übrigzubleiben, als dieser Satansbrut zu gehorchen. Denn dass er von seinen Nachbarn, die er fast jedes Jahr bekriegte und denen er bei jeder Gelegenheit eins auszuwischen versuchte, keine Hilfe erwarten konnte, wusste er nur allzu genau.
Und an diesem Tag war die Frist vorüber, die der Fremde ihnen gegeben hatte.
Alle, auch Bernak, hielten den Atem an, als der Riesenvogel am Himmel auftauchte. Bernaks einzige Sorge war, nicht zu wissen, womit er es zu tun hatte. Selbst aus dieser Distanz hätte er dem geflügelten Reittier des Fremden tödliche Verletzungen zufügen können. Ein kleiner Blitz oder ein paar große Feuerwellen schienen dazu mehr als genügend. Zunächst aber wollte er sich gedulden, die Kräfte seines Gegners abschätzen und sich dann für die passende Strategie entscheiden.
Die imposanten Flügel ausgebreitet, glitt der adlerähnliche Vogel heran und landete etwa fünfzehn Schritt von den Mauern entfernt auf dem Boden. Ruhig setzte er sich hin und zog die mächtigen Krallen unter den Körper. Bernak war zutiefst erstaunt, als er die Blicke aus seinen großen, strahlenden Augen sah, so ausdrucksvoll, als begriffe er das Geschehen. Der Fremde in dem dünnen roten Umhang rutschte an einem Flügel hinab auf die Erde. Er schien dem Vogel etwas zu sagen und ging dann in kleinen, selbstsicheren Schritten auf die Stadt zu.
Um nicht das Schicksal ihrer versteinerten Kameraden zu erleiden, machten die Wachen keine Anstalten, den Fremden vor den Toren zu empfangen. Sie warteten, bis er nahe genug herangekommen war, und spannten dann ihre Bogen. Während Hunderte von Pfeilen auf den Fremden zuflogen, beobachtete Bernak gespannt das Geschehen. Mit magischen Gesten und Formeln konnte der Fremde eine Schutzaura um sich herum schaffen und so die tödlichen Pfeilspitzen aufhalten. Natürlich ginge das auch noch auf andere Weise, aber für einen wirklich guten Zauberer wäre dies die vernünftigste Art der Verteidigung. Eigentlich glaubte Bernak kaum, dass der Pfeilregen den Gegner aufhalten würde. Für jemanden, der Menschen in Steine verwandeln konnte, stellten von Menschenhand gefertigte Waffen keine ernste Gefahr dar. Bernak hatte sich mit diesem Vorgehen eher erhofft, die Kraft seines Gegners auszuloten. Was nun geschah, sollte ihm auf entsetzliche Weise vor Augen führen, dass der Fremde sehr viel stärker war, als er vermutet hatte.
Einige Fuß vor ihrem Ziel änderten die Pfeile plötzlich ihre Flugbahn. Sie öffneten sich wie ein Fächer, drehten um und flogen zurück zu ihrem Ausgangspunkt. Zunächst waren die Wachposten irritiert und ratlos. Dann flohen sie panisch nach unten. Was keiner von ihnen erwartet hatte, war, dass die Pfeile wie vernunftgesteuerte Wesen die Stadtmauern überwanden und sich ihnen an die Fersen hefteten. Die meisten Männer waren nicht schnell genug und stürzten tödlich getroffen zu Boden. Jene Handvoll Soldaten, die eine gute Deckung gefunden hatten, verfügte nach diesem Wettlauf offensichtlich nicht mehr über den Mut, ihr Glück noch einmal zu versuchen.
Bernak stand zitternd auf der Mauer. Das war die spektakulärste Magie, die er je gesehen hatte. Trotz seines profunden Wissens hatte er keine Ahnung, wie man diesen Zauber ausführte. Der bevorstehende Kampf würde sehr viel härter werden, als er angenommen hatte. Was ihn mehr als irritierte, war, dass sein Gegner keinerlei Handbewegung benötigt hatte. Er war nicht einmal, wenn auch nur kurz, stehengeblieben, um sich auf den Zauber zu konzentrieren. Das war einfach unbegreiflich.
Die Stadtmauern dehnten sich, blähten sich auf wie Ballons und platzten. Überall regnete es menschenkopfgroße Steine, Ziegel und Eisenteile. Nur wenige Schritte von Bernak entfernt wurde ein Marktwagen von einem riesigen Felsbrocken zertrümmert. Hätte Bernak sich nicht in letzter Sekunde hinter einer Wand versteckt, wäre er den herumfliegenden Holzsplittern hilflos ausgeliefert gewesen. Als der todbringende Regen nachließ, hatte die Mauer einen Riss, der breit genug war für mehrere Pferde. Die Soldaten stoben wie Hühner auseinander und überließen den Kampf gegen diesen Satan dem Beschützer der Stadt. Der Fremde trat durch die Öffnung in der Mauer und traf auf den alten Zauberer, der sich allein vor ihm aufbaute.
»Und so jung«, murmelte Bernak verblüfft. »In dem Alter schon einen Umhang zu besitzen ist erstaunlich. Er hatte höchstens ein paar Jahre, um seine Zauberkünste zu vertiefen. Aber woher nimmt er diese verfluchte Kraft?«
Der junge Mann machte ein paar Schritte auf ihn zu, blieb stehen und verneigte sich, als wollte er sich für die Vorkommnisse entschuldigen.
»Das alles hätte nicht passieren müssen«, sagte er mit sanfter Stimme. »Aber wenn es sein muss, schrecke ich nicht davor zurück, jeden, inklusive dich, in die Finsternis des Nichts zu schicken. Gegen mich könnt ihr nicht kämpfen. Mir könnt ihr euch nicht widersetzen. Im Namen der Mächte der Vorzeit: Übergebt mir eure Stadt, auf dass ich sie mit Tugend und Güte umarme.«
Bernak zitterte am ganzen Leib. Dass dieser Fremde, wer immer er auch war, entspannt nach seiner geliebten Stadt verlangte wie nach einem Glas Wasser, war eine unerträgliche Dreistigkeit. Er, Bernak, war der Beschützer Arteks und seiner Bewohner. Auf diesen Moment hatte er sich sein Leben lang vorbereitet. Sollte er nicht bis zu seinem letzten Atemzug um die Stadt kämpfen, wären seine ganze Existenz, sein Streben, die Opfer, die die Menschen gebracht hatten, um ihm ein neues Leben zu schenken, so wertlos wie eine Handvoll Staub und Farsatens Prophezeiung nur mehr ein lächerliches Märchen.
»Ich bin zu alt, um mich vor dem Tod zu fürchten, Junge«, meinte er spöttisch. »Selbst wenn ich mich in meine Ecke verkrieche, kann ich das Unausweichliche nicht vermeiden. Es macht mich nur traurig, dass ich jemand so jungen wie dich töten muss. Aber ich fürchte, du lässt mir keine andere Wahl.«
Dann trat er einen Schritt zurück, legte die Hände aneinander und reckte sie gen Himmel. Nur wenige Augenblicke würden ihm genügen, um sich von Perg zu abstrahieren und alle die in ihm schlummernden Kräfte zu mobilisieren. Als die magischen Formeln aus seinem Mund zu fließen begannen, breitete er die Arme aus und brüllte aus voller Kehle. Flammen schienen aus seinen Augen zu lodern, sein Blick war irr.
»Im Namen Derneols! Im Namen Hivers! Im Namen Yulgarmans! Hiermit gebe ich dir die letzte Möglichkeit, diesen Boden, den du mit deinem Fluch beschmutzt hast, friedlich zu verlassen!«
Der Fremde zuckte nur kurz mit den Schultern. In seinem Gesicht stand aufrichtige Trauer.
»Ruf deine Götter nicht umsonst«, erwiderte er gelassen. »Sie können dich nicht hören. Selbst wenn sie dich hören könnten, würden sie dich nicht beachten. Und selbst wenn sie kämen, glaube ich nicht, dass ich mich vor ihnen fürchte.«
Das war der Tropfen, der das Fass zum Überlaufen brachte. Man musste diesen unverschämten Teufel, der es wagte, die Götter herauszufordern, in die Schranken verweisen. Bernak wusste, dass er nur eine einzige Chance zum Angriff hatte. Er musste die Sache erledigen und durfte den anderen nicht zum Zug kommen lassen. Er streckte die Arme nach vorne und sprach das letzte Wort aus. Seine ganze Kraft konkretisierte sich in seinen Fingerspitzen als gleißende Lichtsäule und richtete sich auf seinen Gegner. Der Zauber war stark genug, um damit ein kleines Heer auszurotten; er würde die Seele seines Opfers zum Schmelzen bringen und bloß noch einen leblosen Haufen aus Fleisch und Knochen zurücklassen. Kein Schild und keine Rüstung in ganz Perg konnten dieser Magie standhalten. Doch beim Blick durch die Lichtsäule sah Bernak, dass der Fremde sorglos dastand, als wehte eine sanfte Brise über ihn hinweg. Noch wütender geworden, steigerte Bernak die Intensität des Zaubers bis aufs höchste Maß. Die Prophezeiung musste sich erfüllen. Artek zu retten war sein Schicksal.
Als Bernak erschöpft auf die Knie sank, liefen zwei dünne blutige Rinnsale vom Mund über sein Kinn. Der junge Mann stand bewegungslos vor ihm und musterte ihn mit einer Mischung aus Fürsorge und Mitleid.
»Du hast dich zu sehr verausgabt, alter Mann«, sagte er beinahe betrübt. »Von nun an kann nicht einmal ich dich noch retten. Wenn ich dich dir selbst überlasse, wirst du noch mehr leiden. Ich möchte nur, dass du dir über eins ganz im Klaren bist: Deine Stadt wird in sichereren Händen sein, als sie es je zuvor war.«
Bernak wusste, dass er den Kampf verloren hatte. Trotzdem war das nicht der Grund für seine jämmerliche Miene. Sein Leben lang hatte er geglaubt, die Zukunft Arteks würde von ihm abhängen. Aber nun, während er seinen letzten Atem aushauchte, wurde ihm klar, dass Farsatens Prophezeiung eine Lüge gewesen war. Nur einmal hatte er um die Stadt gekämpft und diesen Kampf auch noch verloren. Vielleicht hatten diese geschwätzigen Adligen doch recht. Vielleicht war er ja wirklich die Frucht einer verbotenen Liebe. Inzwischen aber wollte er das gar nicht mehr wissen. Bevor seine Seele seinen Körper verließ, interessierte ihn nur noch, wer dieser Fremde war, der alle seine Überzeugungen zunichte gemacht hatte.
»Wer bist du?«, stöhnte Bernak mit letzter Kraft. Seine Lippen zitterten vor Anstrengung. »Sag es mir, im Namen der Götter … Selbst wenn du nicht an die Götter glaubst, sag es mir als Preis für mein Leben und meine Stadt … Du bist kein Zauberer. Was du getan hast, war keine Magie. Es war etwas viel Größeres, viel Erhabeneres … Wer bist du?«
Der junge Mann trat langsam heran. Mit seinem langen roten Umhang warf er einen Schatten über Bernak. Betrübt seufzte er auf. Mit einer Hand strich er dem greisen Zauberer freundlich über die schweißnasse Stirn. Bernak spürte, wie alle seine Schmerzen nachließen und dass er nie wieder Qualen erleiden würde, wenn die Finsternis seine Augen überzog.
»Sollten wir uns in einer anderen Welt, in einer anderen Zeit und unter anderen Bedingungen, bei denen wir Seite an Seite stehen, wieder begegnen, du mutiger Mann«, murmelte der Fremde, »wäre es mir eine Ehre, wenn du mich ›mein Freund Merderan‹ nennst.«
»Wir müssen uns endlich ein wenig ausruhen, Leofold!«, brummelte Guorin. Seine Beine schmerzten, als wären sie völlig zerkratzt. Er fühlte sich, als schleppte er einen riesigen Felsbrocken auf dem Rücken. Nachdem sie Leofolds Geheimnis erfahren hatten, hatten sie nichts dagegen einzuwenden, ihn so schnell wie möglich in sein Dorf zu bringen. Aber weder Guorin noch der greise Nume konnte es mit der Ausdauer der riesigen Bestie aufnehmen.
»Guorin hat recht«, stimmte Nume ärgerlich zu. Er hasste es, sich zu beschweren, aber allmählich ging ihm die Luft aus. »Ich verstehe deine Aufregung, aber du musst auch uns verstehen. Seit Tagen marschieren wir ohne Pause. Wenn wir gemeinsam unterwegs sind, müssen wir unser Tempo dem Langsamsten anpassen. Und der bist du mit Sicherheit nicht!«
Leofold ließ den dicken Ast fallen, den er vom Weg aufgehoben hatte, und drehte sich verdrossen um. Mit reuigen Augen betrachtete er nacheinander den schnaufenden Guorin, der sich die Knie massierte, und das gorillaartige Wesen, das an einem Baum lehnte und ihn missmutig beobachtete.
»Tut mir leid«, bat er aufrichtig. »Die Pferde sind wohl mit mir durchgegangen. Der Gedanke, so nahe bei Ermira zu sein, raubt mir den Verstand. Dabei vergaß ich, wie schwer die letzten Tage waren.«
Er verstummte und blickte seine Gefährten aufmerksam an.
»Ihr seht beide abgekämpft aus«, meinte er lächelnd mit einem Kopfschütteln. »Ich glaube, es ist höchste Zeit, eine Rast einzulegen.«
Guorin dankte allen guten Göttern, die er kannte, für die Ruhepause und setzte sich nieder. Mühsam entledigte er sich seines Hemds, das an seinem verschwitzten Körper klebte. Er lehnte sich an einen dickstämmigen Baum und begann seine brennenden Füße zu massieren. Er zwinkerte Nume lächelnd zu, der in der Nähe auf dem Boden hockte, und musterte lange und schweigsam Leofolds rindenüberzogenen Körper, die scharfen Pranken und das furchterregende Gesicht. Dass diese schaurige Kreatur einstmals ein junger Ritter gewesen sein sollte, hatte nur schwer akzeptieren können. Er konnte ihn sich nicht auf einem Fest beim Tanz mit den Frauen vorstellen oder auf einem der Pferde, die neben ihm nun winzig wirkten. Leofolds Geschichte vom Verlust seines menschlichen Äußeren war ihm zuerst unglaublich erschienen. Die schmerzerfüllten Tage im Tunnel, der Fluch, den das Wesen, das seine Familie abgeschlachtet hatte, vor seinem Tod über ihn ausgesprochen hatte, waren unvorstellbar. Aber die Abenteuer und die Reise, die Guorin mit Leofold erlebt hatte, hatten ihn gelehrt, dass es ›Unvorstellbares‹ nicht gab.
Gleich nach ihrer Rückkehr nach Perg, unterwegs auf dem Schiff, das sie von Kruzeran nach Kadi bringen sollte, erfuhren sie von Leofolds Geheimnis. Leofold hatte gewollt, dass sie seine Pläne kannten, sollten sie gemeinsam ihren Weg fortsetzen: Er musste herausfinden, was aus seiner jungen Verlobten geworden war, die er hatte verlassen müssen, nachdem das teuflische Wesen ihn mit seinem Gift in eine Bestie, in seinen todbringenden Hüter verwandelt hatte. Nur deshalb hatte er die Jenseitswelten verlassen, in denen er mit seinem Aussehen sehr viel sicherer hätte leben können. Er würde sich erst dann beruhigt fühlen, wenn er sähe, dass sie glücklich und in Sicherheit war.
Guorin würde Leofold niemals verlassen. Als sein Selbsthass am größten gewesen war, hatte die riesige Bestie ihn unter ihre Fittiche genommen und seinem Leben wieder einen Sinn gegeben. Außer ihm und Nume hatte er niemanden in Perg. Der riesige Prom wiederum hatte es nach dem merkwürdigen Verhalten des Schiffseigners, wenn auch widerwillig, vorgezogen, sich im Hintergrund zu halten und, so weit es ging, nicht allein umherzugehen.
Amüsiert erinnerte Guorin sich an Numes Gesichtsausdruck, als der dicke Seemann plötzlich verkündete, er würde keinen bewaffneten Prom an Bord seines Schiffes nehmen. Als er dann auch noch hinzufügte, es genügte allein schon, dass er ein Prom war, um sich von ihm fernzuhalten, begann der stolze Krieger vor Wut zu schnauben. Hätte Leofold nicht den Umhang abgeworfen – den er angelegt hatte, um ohne größeres Aufsehen den Hafen zu erreichen –, wodurch all seine Grässlichkeit zutage trat, hätte der Seemann den Prom endgültig auf die Palme gebracht und dies womöglich mit seinem ohnehin wenig wertvollen Leben bezahlt. Leofolds hässliches Gesicht und die scharfen Krallen aber hatten dem Seemann mehr als genügt, um seine Meinung zu änderen. Von da an widersprach er keinem seiner Wünsche mehr.
In ihrem geliebten Kadi waren sie nun nur noch einige Stunden von Leofolds Dorf entfernt. Auf diesem von Rudiy-Bäumen überschatteten, vertrauten Boden fühlten sie sich weitaus sicherer als in den Jenseitswelten. All die Abenteuer, die Hurgen, die Götter, die Gerf-Katzen, die Piraten, ja sogar Geryan, der alte Zauberer und Freund, der sich für Perg geopfert hatte – all das war hinter einem Nebelschleier der Vergangenheit verschwunden. Vor ihnen lag eine ungewisse Zeit.
Leofold hatte sich an einen Baumstamm gelehnt und verfolgte abwesend die Ameisen, die daran entlangeilten. Er beneidete die winzigen Kreaturen, in deren Leben es weder Chaos noch Ungewissheit gab, um ihre Gelassenheit. Sie wussten genau, was sie zu tun hatten. Niemals gerieten sie in einen Zwiespalt. Ihn jedoch quälte die Sorge, seine Freunde seines eigenen Problems wegen in Gefahr zu bringen. Er war unschlüssig, ob er sie verlassen sollte. Ameisen, die um ein Loch herummarschierten, baute er eine Brücke, indem er seine Pranke über dem Loch platzierte. Mit großem Vergnügen beobachtete er die Tierchen, die über seine Pranke hinweg die andere Seite erreichten. Vor seinen verschwommenen Augen tauchten in der Baumrinde unwillkürlich seine Vergangenheit und die Abenteuer auf, die er gemeinsam mit seinen Gefährten erlebt hatte.
An den Tag, an dem Geryan ihn und Guorin überredet hatte, in die Jenseitswelten zu reisen, erinnerte er sich, als wäre es gestern gewesen. Kadis vom Ehrgeiz getriebener Lord hatte den Satan namens Tshermon geweckt und geplant, mit seiner Hilfe Herrscher über ganz Perg zu werden. Geryan kannte Tshermon und wusste, dass der einzige Weg, ihn aufzuhalten, über die Jenseitswelten führte. Nachdem sie zahlreiche Gefahren überstanden hatten, fanden sie schließlich diesen Weg und schickten den Satan, auch wenn es Geryan das Leben kostete, wieder dahin zurück, wo er hingehörte. Unterwegs waren allerdings viele verblüffende Dinge passiert. Jede Menge Vorkommnisse, die er nicht hatte entschlüsseln können, gingen Leofold durch den Kopf. Die merkwürdigen Muster in Tshermons Tempel und die Magie, von der Liddek gesprochen hatte, hüteten immer noch ihr Geheimnis. Leofold hatte auch nie verstanden, warum Srenah ihm gesagt hatte, er hätte nur auf ihn gewartet, und warum er Leofold verboten hatte, sich wieder in einen Menschen zu verwandeln. Sobald er sich davon überzeugt hatte, dass Ermira in Sicherheit war, musste er diesen Geheimnissen auf den Grund gehen. Und dabei sollten der liebe Guorin und der alte Nume ihn besser nicht begleiten.
In der Vergangenheit versunken, bemerkte Leofold nicht, dass Guorin sich neben ihn gesetzt hatte. Er zuckte unwillkürlich zusammen, als der junge Mann ihm ins Ohr flüsterte: »Wir können aufbrechen, mein Freund. Wir haben uns genug ausgeruht.«
Hastig zog Leofold seine Pranke zurück und schleuderte dabei manche Ameisen auf die Erde und manche dem armen Guorin ins Gesicht. Während dieser sie abzuschütteln versuchte, konnte er sich eines Vorwurfs nicht erwehren: »Was ist los mit dir?«
»Entschuldige, ich war ganz woanders«, reagierte Leofold beschämt. »Ich muss gestehen, dass ich ziemlich durcheinander bin. Der Gedanke, Ermira wiederzusehen, bringt mich um den Verstand.«
»Ich meine immer noch, dass wir ihr die Wahrheit sagen sollten«, murmelte Guorin. Er hatte noch mehr auf den Lippen, doch Leofold warf ihm einen irren Blick zu.
»Niemals!«, brüllte er aufgebracht. »Sie darf die Wahrheit über mich nie erfahren. Sie muss mich stets als eleganten und hübschen Ritter in Erinnerung behalten!«
Als er Guorins verängstigte Miene sah, wurde seine Stimme ruhiger. Trauer umwölkte sein Antlitz.
»Ich ertrage ihr Mitleid beim Anblick meines Gesichts nicht, das jedem, der es sieht, das Blut in den Adern gefrieren lässt«, fuhr Leofold murmelnd fort. »Lieber bin ich ewig einsam, als diesen Schmerz zu ertragen.«
Er hielt kurz inne, dann schüttelte er entschieden den Kopf. »Und ich werde sie auch nicht daran hindern, einen Mann zu finden, der sie ebenso lieben und glücklich machen kann wie ich.«
»In Ordnung«, gab sich Guorin verdrossen geschlagen. Er fühlte sich unendlich hilflos. »Wie du willst. Wir werden sie nichts merken lassen. Aber du sollst wissen, dass mir das Ganze nicht behagt.«
Der riesige Prom, der ihr Gespräch schweigsam verfolgt hatte, trat zu ihnen und räusperte sich. Als er sicher war, ihre ganze Aufmerksamkeit zu haben, zeigte er auf die untergehende Sonne und meinte: »Wenn ihr euch geeinigt habt, sollten wir uns schleunigst auf den Weg machen. Es wäre gut, etwas zu erledigen, bevor es dunkel ist.«
Leofold nickte bestätigend.
»Wie ich bereits gesagt habe«, erwiderte er, an beide gewandt. »Wenn wir ganz nah am Dorf sind, wird Guorin sich von uns trennen und vorausgehen. Ich darf mich ja keinesfalls zeigen. Nume sollte sich ebenfalls nicht blicken lassen, bis wir herausgefunden haben, was es mit dem Verhalten des Schiffsbesitzers auf sich hat. Es lässt sich nicht bestreiten, dass sein unsinniges Benehmen recht beunruhigend ist. Guorin könnte mit Ermira sprechen und sich als ein alter Freund von mir ausgeben. Ich war viel unterwegs und habe überall neue Menschen kennengelernt. Deshalb wird niemand Verdacht schöpfen.«
Er atmete tief durch und meinte dann zu Guorin: »Vergiss nicht, verwundert und traurig zu reagieren, wenn sie dir erzählt, ich sei im Krieg gefallen. Ermira ist eine kluge Frau, du musst deine Rolle gut spielen. Versuch alles über sie herauszufinden, vor allem, ob sie Sorgen hat oder ob jemand sie belästigt. Danach komm so schnell wie möglich wieder zurück. Du könntest Verdacht erwecken, wenn du zu lange dort herumschleichst. Und das ist das Letzte, was wir wollen.«
Wieder hielt er inne. Er lächelte ein wenig. »Und außerdem werde ich ungeduldig auf deine Neuigkeiten warten.«
Mit einem Kopfnicken deutete Guorin an, dass er das viele Male wiederholte Szenario verstanden hatte. So kompliziert war es ja nicht. Gleichzeitig fiel sein Blick auf Leofolds Pranken, die er sorgenvoll öffnete und wieder schloss. Sollte tatsächlich jemand Ermira belästigen, so wollte er nicht in der Haut jenes Taugenichts stecken.
»Sperr die Ohren auf, was sie über die Prome sagen«, fügte Nume hinzu. Er nahm den Bogen von der Schulter und klemmte ihn zwischen seine Beine. Das Kinn auf ein Ende des Bogens gestützt, blickte er geistesabwesend auf den Boden. »Mich interessiert besonders, warum kein einziger Prom zu sehen ist. Es wäre gut, wenn du etwas über diesen Unsinn, den der Schiffer von sich gegeben hat – dieses verdammte Verbot, Waffen mit sich zu führen –, in Erfahrung bringen könntest.«
Nach kurzer Rast und einem längeren Marsch trennte sich Guorin von seinen Freunden und ging allein weiter. Obwohl ihm diese Gegend Kadis völlig unbekannt war, meinte er doch, das Dorf mithilfe Leofolds Beschreibung zu finden. Allein zu sein bereitete ihm höchstes Unbehagen. Welche Gefahren jene erdrückende Stille wohl in sich bergen mochte? Mit größtmöglichen Schritten marschierte er voran. An dem Brunnen mit der zerbrochenen Winde, der seit Jahren unbenutzt zu sein schien, bog er ab in Richtung Norden. Er ließ die Hecke hinter sich, die ein ausgetrocknetes Flussbett kreuzte. Als er zwischen den Rudiy-Bäumen hindurchging, stellte er erleichtert fest, dass die Wegbeschreibung haargenau stimmte. Ohne Zweifel würde er jenseits der Bäume auf die hübschen Häuser von Sertuk treffen. Er war aufgeregt, denn zum ersten Mal seit seiner Flucht aus seinem Dorf Nios würde er seinen Fuß in ein kadisches Dorf setzen. Seit Langem war er nicht mehr mit Menschen zusammen gewesen, die er normal nennen würde. Er versuchte, sein zerlumptes Hemd ein wenig zurechtzuzupfen.
Tatsächlich tauchte das Dorf vor ihm auf, als er den Wald hinter sich ließ und das Tal erreichte. Doch als hübsch konnte man die Häuser kaum noch bezeichnen.
Mit zögernden Schritten näherte Guorin sich dem Dorf. Fast alle Gebäude lagen in Schutt und Asche. Die Scheiben waren zerbrochen, die Dächer eingestürzt. Manche Häuser zeigten deutliche Spuren eines Großfeuers. In den Gärten lagen Trümmer, überall verstreut. Die Mauern des Tempels, der den Dorfplatz fast völlig ausfüllte, waren zerstört. Gleich vor der Ruine lag ein zerschmetterter Pferdewagen. Mit angehaltenem Atem ließ Guorin seinen Blick über das Trümmerfeld schweifen. Alles wies darauf hin, dass die Katastrophe das Dorf vor langer Zeit heimgesucht hatte.
Die Gegend kontrollierend, trat Guorin zu einem der Häuser. Er beugte sich an eines der Fenster und warf einen bangen Blick nach drinnen. Herumliegende Gegenstände waren von Spinnweben überzogen. Als er unter einem zerbrochenen Tisch ein Skelett entdeckte, fuhr er erschrocken zurück.
Er fühlte sich unwohl, allein zwischen diesen Trümmern, und so kehrte er in den Wald zurück. Er formte seine Hände zu einem Trichter und rief seine Freunde. Schießlich gab es in der Umgebung offenbar kein einziges Augenpaar, vor dem sie sich hätten verstecken müssen.
Wenig später kamen Nume und Leofold zwischen den Bäumen hervor und betraten niedergeschlagen das zerstörte Dorf. Keiner brachte mehr die Kraft auf, zu sprechen. Am enttäuschtesten war natürlich Leofold, der hier aufgewachsen war, viele Jahre hier gelebt hatte, Ritter geworden war und die glücklichsten Momente seines Lebens als Mensch genossen hatte.
Schweren Schritts begab er sich zum Dorfplatz und ließ die anderen zurück. Nacheinander betrachtete er den erbärmlichen Zustand der Häuser, der Gärten und Felder. Seine Pranken, die er so sehr geballt hatte, dass es schmerzte, zitterten. Dann hob er den Kopf gen Himmel und begann zu heulen, dass es selbst dem Abgebrühtesten das Blut in den Adern hätte gefrieren lassen. Leofold litt nicht nur, weil er sein Dorf verloren hatte, sondern weil Ermira, das Wichtigste in seinem Leben, womöglich unter diesen Trümmern lag.
Guorin eilte zu seinem Gefährten und fasste ihn freundschaftlich an seinen stämmigen Armen. Wie sehr hätte er sich gewünscht, Leofold zu trösten, der im Flüsterton greinte: »Ich werde sie nie wieder finden, niemals.«
Aber er hatte keine Ahnung, wie er das anstellen sollte.
Während die beiden versuchten, sich der unerbittlichen, leidvollen Realität zu stellen, war es Nume, der die Bewegung in den Zweigen bemerkte und mit dem Instinkt eines Kriegers geistesgegenwärtig einen Pfeil in seinen Bogen spannte. Seine Sorge entpuppte sich jedoch als unbegründet, als er ein Pferd entdeckte, bei dem man sich nur wundern konnte, wie es sich überhaupt noch auf den Beinen hielt.
Ohne das geringste Zögern torkelte das Pferd an Nume vorbei und auf Leofold und Guorin zu. Bei Leofold angekommen, rieb es seine Nase sanft an dessen panzerartigem Körper. Die Bestie drehte sich um und erlebte eine der größten Überraschungen ihres Lebens.
»Dranos!«, schrie er und vergaß dabei seine Niedergeschlagenheit.
Glücklich, einen alten Freund wiederzusehen, schlang er seine Arme fest um den Hals des Pferds. Hätte er sich nicht beherrscht, hätte er dem ohnehin hinfälligen Tier mit seinen scharfen Krallen tiefe Wunden zugefügt. Dieses Pferd war kein anderes als seine geliebte Stute, die er bei seinem letzten Kampf als Mensch auf der Flucht vor Tshermons Monstern hatte zurücklassen müssen.
Leofold nahm den Kopf zurück und blickte der Stute aufmerksam in die großen Augen. Dass sie ihn auch in seinem jetzigen Zustand noch erkannte, bedeutete, dass zumindest sein Geruch noch derselbe war. Dennoch erstaunte es ihn, dass sie so unvermittelt vor ihm aufgetaucht war. Und dann auch noch in diesem verlassenen Dorf.
Nume bemerkte ein weiteres Beben der Zweige und führte den Pfeil, den er schon in den Köcher hatte zurückschieben wollen, erneut an seinen Bogen. Als er jedoch sah, dass ihr neuer Gast mindestens ebenso jämmerlich und harmlos wirkte wie das Pferd, stellte er den Bogen mit einem Achselzucken auf den Boden.
Der alte Mann, der aus dem Wald hervorsprang, war ein gewöhnlicher Bauer, wie man ihn überall hätte antreffen können. Auf dem mittelgroßen, leicht untersetzten Körper trug er einen mächtigen Schädel. Mit dem völlig zerfetzten Hemd und dem bis auf die Brust reichenden verdreckten Bart erinnerte er an einen versoffenen Landstreicher. Sein Gürtel hing nur noch an einem Faden, darin steckte ein winziges Schwert, mit dem er höchstens wilden Hunden Angst einflössen konnte.
Der Greis rannte wie ein Irrer zwischen Guorin und Nume hindurch. Die beiden sahen ihn an, unschlüssig, was er vorhatte. Bei Leofold angekommen, packte der Mann plötzlich die Mähne des Pferdes und versuchte das Tier mit aller Kraft in den Wald zu ziehen. Gleichzeitig schrie er, so laut er konnte: »Tut ihm nichts!«
Die Stute hatte allerdings nicht die Absicht, sich von ihrem gerade wiederentdeckten Besitzer zu trennen, und schüttelte den Alten ab. Als dieser sich noch einmal an ihre Mähne klammerte, stemmte sie sich mit ihren kraftlosen Beinen dagegen.
Schweigend beobachtete Leofold eine Weile das Gezerre zwischen den beiden armseligen Kreaturen. Er wirkte unentschlossen. Guorin hätte seinen Kopf verwettet, dass die riesige Bestie einen inneren Kampf ausfocht. Schließlich packte Leofold den alten Mann mit einem Seufzen fest an den Armen. Dieser erstarrte, als er die scharfen Pranken spürte. Beinahe ohnmächtig blickte er still in das grauenvolle Gesicht.
Leofold schüttelte den Kopf. Seiner Miene war zu entnehmen, dass er den Alten kannte. Die Trauer in seinem Gesicht zeigte allerdings, dass er sich über dieses Zusammentreffen keineswegs freute.
In seiner Stimme schwang Hilflosigkeit mit, als er in sanftem Ton sagte: »Lieber Fernal. Ich hätte niemals gewollt, dass du mich so siehst. Lass Dranos in Frieden, du erwürgst das arme Tier noch. Und wenn du weiter so herumstrampelst, tust du dir noch selbst weh. Du wirst es kaum glauben, aber ich bin zurück.«
Liebevoll betrachtete er den Greis, der ihm mit wechselndem Mienenspiel zuhörte, und seufzte. Der Alte zuckte zusammen, als er Leofolds menschliche Stimme vernahm, und riss die Augen weit auf, als er seinen Namen und jenen des Pferds hörte. Doch was er nun erfahren sollte, würde ihn endgültig aus der Fassung bringen.
Denn Leofold nannte, mit so weicher Stimme wie möglich, seinen Namen.
»Und was waren Ermiras Lieblingsblumen?«, fragte Fernal mit hochgezogenen Augenbrauen. Mit angehaltenem Atem wartete er gespannt auf die Antwort.
»Götterblumen«, erwiderte Leofold lächelnd. »Die ganz bunten. Du und ich sind nicht wenig umhergewandert, um diese Blumen zu finden. Wir haben sogar welche aus Hantons Privatgärten gemopst. Akzeptiere endlich, alter Mann. Du verhörst mich nun schon eine ganze Weile. Ich bin tatsächlich Leofold.«
Der Greis legte die Hände in den Nacken. Zusammengesunken saß er auf einem Stein und hielt eine Zeit lang inne. Als er den Kopf hob und Leofold ins Gesicht blickte, leuchteten Tränen in seinen Augen.
»Ihr seid es wirklich, Herr … Nicht wahr? Anders kann es nicht sein.«
Der Alte sprach in die Leere hinein, doch es schien, als wolle er nur sich selbst überzeugen. Eigentlich glaubte er an Verwünschungen und schwarze Magie. Welch seltsame Geschichten er von den Reisenden gehört hatte, die in ihr Dorf gekommen waren! Asubers Monster hatte er mit eigenen Augen gesehen. Dennoch fiel es ihm schwer, zu akzeptieren, dass all das seinem Herrn widerfahren sein sollte. Wie schön es gewesen wäre zu glauben, es handle sich um eine Lüge! Doch diese hässliche Kreatur gab auf alle seine Fragen, ohne lange nachzudenken, die Antworten, die nur sein Herr kennen konnte. Sie waren allein gewesen, als sie Hantons Garten betreten hatten. Und um ihre Haut zu retten, hatten sie davon auch niemandem erzählt.
Geistesabwesend betrachtete er das Pferd, das der Bestie nicht von der Seite wich. Seit sein Besitzer verschwunden war, hatte es keinerlei Zuneigung gezeigt. Das war das erste Mal.
Nachdem Fernal eine Weile Unverständliches vor sich hingemurmelt hatte, erhellte sich plötzlich sein Gesicht.
»Ich habe noch eine letzte Frage«, sagte er aufgeregt. »Wenn du auch darauf die Antwort kennst, werde ich glauben, dass du trotz deines grässlichen Gesichts und dieser scharfen Pranken mein Herr bist. Denn Leofold würde dies niemals erzählen, weder seinen Freunden noch seinen Feinden, selbst wenn es ihn das Leben kosten würde.«
Er hielt inne und holte tief Luft. Er schien sich vor der Antwort zu fürchten. Dann hob er den Kopf und schaute dem Hüter direkt in die Augen. Gerade als er den Mund öffnete, kam Leofold ihm mit einem Seufzer zuvor.
»Das Mädchen, das Hermin im Wald fand, war eigentlich eure gemeinsame Tochter. Aufgrund ihres Alters hätten alle herausgefunden, dass du mit Hermin zusammen warst, als ihr Mann noch lebte. Das habt ihr dem ganzen Dorf verheimlicht. Nur mir nicht. Ich habe dich getröstet, als sie von den Yedeç-Räubern ermordet wurden. Gemeinsam gingen wir des Nachts zu ihren Gräbern und weinten. Ich wusste, dass du das fragen würdest, Fernal. Ich kenne dich so gut …«
Fernal war wie versteinert. Doch nur kurz. Er sprang auf, schlang die Arme fest um Leofolds Bauch und heulte laut los.
»Beruhige dich, alter Mann«, versuchte Leofold ihn zu besänftigen. Zart strich er mit der Pranke über Fernals weißes Haar. »Wenn ich eine andere Wahl gehabt hätte, hätte ich nie gewollt, dass du mein Geheimnis erfährst. Mein Leid zu teilen, lindert es nicht. Aber ich muss wissen, was hier passiert ist. Und nur du kannst mir davon berichten.«
Dann wandte er sich an seine Freunde, die neugierig und erstaunt ihr Gespräch verfolgten, und erklärte: »Er ist mein Hofverwalter. Das heißt, er war es früher einmal.«
Nachdem Fernal sich gefasst hatte, setzte er sich wieder auf den Stein und begann atemlos zu erzählen.
»Als ich Euch ins Dorf kommen sah, versteckte ich mich mit Dranos im Wald. Einen bewaffneten Prom und eine furchterregende Bestie gleichzeitig … ach, verzeiht mir, Herr, aber Ihr saht wirklich furchterregend aus; ich dachte schon, Asubers Monster seien zurück. Weil ich neugierig war, warum Ihr an diesen jämmerlichen Ort gekommen seid, habe ich Euch aus der Distanz still beobachtet. Ehrlich gesagt hatte ich den Verdacht, dass Ihr etwas Teuflisches vorhabt. Dann wurde Dranos mit einem Mal unruhig und riss sich von mir los. Eigentlich war es immer ein braves, folgsames Tier. Ich konnte nicht begreifen, warum es so etwas tat. Als ich sah, dass Ihr es umarmtet, hatte ich große Angst, ihm würde etwas zustoßen. Ich geriet außer mir und stürzte mich auf Euch. Es war meine Pflicht, das Pferd für meinen Herrn Leofold zu beschützen. In dem Moment hatte ich natürlich keine Ahnung, dass Ihr es seid, Herr.«
Einen Augenblick lang musterte er Leofold, dann wimmerte er mit leidvoller Miene: »Aber was für ein Teufelswerk ist das, Herr? Ihr wart der schönste Mensch, der mir je im Leben begegnet ist. Die Bauern erzählten einander gern von Eurer Schönheit. Die anderen Ritter blickten eifersüchtig hinter Euch her. Welcher Dämon hat Euch so zugerichtet?«
»Das ist eine lange Geschichte«, erwiderte Leofold knapp. »Und ehrlich gestanden erzähle ich sie nicht gern. Vergiss mein früheres Aussehen, denn es wird niemals zurückkehren. Du wirst niemandem sagen, dass du mich gesehen hast, weil du mich nicht gesehen hast. Du hast nicht deinen früheren Herrn gesehen, sondern den Hüter eines verdammten Monsters.«
Vorsichtig strich er seiner treuen Stute durch die Mähne. Liebevoll blickte er in ihre großen Augen. Sie war auch damals schon alt gewesen, aber nun wirkte sie, als stünde ihr Ableben kurz bevor. Ob es wohl nur die Sehnsucht gewesen war, die sie derart hatte altern lassen?
Mit einem Mal bemerkte er mit Schrecken, dass der Hofverwalter Fernal weitaus älter aussah als bei seinem Weggehen. Doch bevor er die Frage stellen konnte, die ihm durch den Kopf ging, ergriff Nume mit einem Stöhnen das Wort.
»Was ist nur mit diesem armen Dorf passiert? Als hätte es den Zorn der Götter auf sich gezogen. Lebt hier niemand außer dir?«
»Nur ich und Dranos sind übrig geblieben«, antwortete Fernal mit gesenkter Stimme. Die Worte seines Herrn schienen ihn sehr mitgenommen zu haben.
»Nachdem Asubers Monster alles dem Erdboden gleichgemacht hatten, flohen die Menschen in alle Himmelsrichtungen. Einige zogen in die fernen Welten, manche sogar noch weiter weg. Bloß ich, und das lag an Dranos, konnte die Ruinen nicht verlassen. Mein Herr hatte die Stute derart gut erzogen, dass sie, egal wohin ich sie brachte, ausbüchste und immer wieder hierher zurückkehrte. Niemand wollte sich des Pferds annehmen. Denn wer aufzusteigen versuchte, der hatte nichts zu lachen.«
»Wir sind zu spät gekommen«, meinte Guorin geknickt und schlug sich mit der Faust in die Handfläche. Für die Rettung Pergs hatten sie sich in den Jenseitswelten beeilt, so weit es ging. Aber sie waren offensichtlich nicht schnell genug gewesen. Dann fiel ihm sein eigenes Dorf Nios ein und er fragte aufgeregt: »Wann waren sie hier? Ist das ein paar Wochen her? Wahrscheinlich hatten sie nicht genügend Zeit, ganz Perg einzunehmen. Ist dir etwas über Nios zu Ohren gekommen?«
Fernal sah den jungen Mann verblüfft an.
»Ich glaube, ihr seid schon lange weg aus Perg«, murmelte er mit gekräuselten Lippen. »Nios wurde zerstört, aber wieder aufgebaut. Und es ist nicht nur ein paar Wochen her, dass diese verdammten Monster hier durchzogen, sondern beinahe fünf Jahre.«
Guorin, Leofold und Nume … Sie hatten so viel für Menschen und Prome Unvorstellbares erlebt, dass sie geglaubt hatten, nichts könnte sie mehr erschüttern. Wer allerdings nun in ihre Gesichter blickte, hätte darin bestimmt mehr als Erschütterung gelesen.
Der Erste, der seine Sprache wiedergewann, war Nume.
»Tausend Drachen! Zehntausend Drachen! Ich schwöre, dass es höchstens einen Monat her ist, als die Jungs in die Jenseitswelten kamen. Entweder ist der Kerl völlig senil, oder wir müssen ganz schön lange geschlafen haben!«
»Einen Monat?«, fragte Fernal mit hochgezogenen Augenbrauen. »Aber wir haben nach dem Verschwinden meines Herrn jahrelang gekämpft. Alle Länder leisteten höchstmöglichen Widerstand, aber trotzdem zwangen Asubers Armeen eins nach dem anderen in die Knie. Bevor sie in Turayfor von dem ruhmreichen Durtemen vernichtet wurden, hatten sie beinahe ganz Perg unter ihrer Gewalt.«
Er hielt inne, um seine Gedanken zu ordnen, dann fuhr er fort: »Eigentlich dauerten die Kämpfe gar nicht so lang. Die Monster und Asubers Magie waren unseren Armeen weit überlegen. Die Satansbrut zog aber erst in neue Schlachten, wenn Asuber die besetzten Gebiete vollständig unter Kontrolle gebracht und Marionettenregierungen unter der Führung von Prom-Offizieren eingerichtet hatte.«
Leofold sank erschöpft auf die Erde. Er nahm seinen Kopf zwischen die Pranken und stöhnte: »Eine andere Welt, eine andere Zeit.« Er wirkte verstört. »Wir haben miterlebt, dass die Zeit dort nicht vergeht. Und hier rast sie!«
»Als wir in den Jenseitswelten waren, sind in Perg also fünf Jahre vergangen?«, jammerte Guorin. »Das ist ja furchtbar!«
Mit einem Mal stürzte Nume los und packte Fernal am Kragen.
»Und wann verschwanden diese Monster?«, brüllte er zornig. »Kannst du dich auch daran noch erinnern?«
»Vor zwei … oder drei Jahren«, antwortete der verängstigte alte Mann willfährig. »Ja, ich meine, es ist ungefähr drei Jahre her.«
Bei diesen Worten ließ der Prom den Alten los und wandte sich an die anderen.
»Der stets offene Durchgang«, seufzte er hilflos. »Wir sind einen Tag nach der Vernichtung Tshermons nach Perg zurückgekehrt. Das heißt, es gibt keinen Zeitunterschied zwischen den Welten. Beim Passieren des Durchgangs haben wir uns die Jahre um die Ohren geschlagen!«
Leofold überdachte das gerade Gehörte und nickte zustimmend.
»Das war also der Preis«, meinte er. »Dass der Durchgang immer offen war, musste ja einen Haken gehabt haben.«
Dann lachte er bitter und fügte resigniert hinzu: »Egal, wie es passiert ist – wichtig ist, dass Ermira jetzt genauso alt ist wie ich!«
Die Erinnerung an seine liebste Verlobte ließ ihn die Wichtigkeit dieser neuen Information sofort vergessen.
»Und Ermira?«, fragte er aufgeregt. »Konnte sie sich retten? Liegt mein armer, unschuldiger Engel etwa unter diesen Trümmern? Oder hat sie sich denen angeschlossen, die sich in alle Winde verstreut haben?«
Mit angehaltenem Atem erwarteten Nume und Guorin die Antwort. Sie wussten nur zu genau, wie vernichtend eine böse Nachricht für ihren Freund sein würde.
»Nichts von beidem«, erwiderte Fernal. »Am Tag Eures Verschwindens begab sie sich abends auf das Schlachtfeld und sah sich beinahe jeden einzelnen Gefallenen an. Da sie Euren Leichnam nicht fand, schwor sie, Euch bis an ihr Lebensende zu suchen. Als die Suche in Kadi erfolglos blieb, fuhr sie auf einem Schiff mit hinaus aufs Hunsa. Sie wusste nicht, wohin die Reise ginge, aber sie spürte, dass Ihr noch am Leben seid. Das darf einen auch nicht wundern, wenn selbst Dranos es fühlte.«
Einen Augenblick hielt er inne, schnappte nach Luft und meinte: »Ach, Herr. Sie hat Euch wirklich geliebt.«
Nume und Guorin schauten einander an. Der Gedanke, dass zwei Liebende einander überall in Perg suchten, bewegte sie. Aber natürlich war Leofold der Ergriffenste von allen.
Unvermittelt sprang er auf und brüllte: »Ich werde sie finden! Sie kann mich nicht finden, weil ich nicht mehr der Ritter Leofold bin, den sie kannte. Ich bin der Hüter Ashertas, der überall in Perg Schrecken verbreitet. Aber ich werde sie finden. Und ich werde dafür sorgen, dass sie ein sicheres Leben führen wird. Egal, was es kostet!«
»Und wie stellen wir das an?«, fragte Guorin. Er wäre nie auf die Idee gekommen, seinen Freund auf diesem Weg allein zu lassen. Es gab ohnehin keinen Ort, an den er gehen konnte.