Geleitwort
Vorwort
Einführung
KAPITEL 1:
WIE ICH MICH SELBST VON MEINER BLINDHEIT HEILTE
Wie ich die Bates-Methode für mich entdeckte
KAPITEL 2: ZEHN SCHRITTE ZU BESSEREM SEHEN
Schritt 1: Der „Große Schwung“
Wie Sie den Großen Schwung ausführen sollten
Schritt 2: In die Ferne schauen
Vorbeugung gegen den Grauen Star
Schritt 3: Die Peripherie erkunden
Übung 1 für peripheres Sehen: In die Ferne schauen
Übung 2 für peripheres Sehen: Zettel auf die Nase kleben
Schritt 4: Sonnenbaden und in den Himmel schauen
Sonnenbaden
In den Himmel schauen
Schritt 5: Nachtspaziergang
Schritt 6: Palmieren
Die Vorbereitung auf das Palmieren
So palmieren Sie richtig
Nutzbringende Effekte des Palmierens
Schritt 7: Den Fokus verlagern
Wie Sie die Fokusverlagerung üben
Das Kleingedruckte lesen
„Die Buchstaben sind schwarz und die Seite ist weiß …“
Schritt 8: Das stärkere Auge blockieren
Mit einer Sonnenbrille experimentieren
Noch einmal: Details anschauen
Schritt 9: Blinzeln
Schritt 10: Gesundheit und Wohlbefinden für Augen und Körper
Richtig gehen
Die Augen ausruhen lassen
Richtig atmen
Den Nacken entspannen
Die Augenmuskeln dehnen
Einen schönen Anblick genießen
Nicht die Augen zusammenkneifen!
KAPITEL 3: EMPFEHLUNGEN FÜR DIE ARBEIT AM COMPUTER
Wie Sie Ermüdungserscheinungen reduzieren
KAPITEL 4: BRECHUNGSFEHLER REDUZIEREN UND KORRIGIEREN
Kurzsichtigkeit
Das Übungsprogramm bei Kurzsichtigkeit
Zusatzübung: Den Ball werfen und fangen
Weitsichtigkeit
Das Übungsprogramm bei Weitsichtigkeit
Alterssichtigkeit
Das Übungsprogramm bei Alterssichtigkeit
Zusatzübungen bei Alterssichtigkeit
Überschriften, Groß- und Kleingedrucktes
Hornhautverkrümmung
Das Übungsprogramm bei Hornhautverkrümmung
Zusatzübungen bei Hornhautverkrümmung
KAPITEL 5: SCHIELEN UND SCHWACHSICHTIGKEIT ÜBERWINDEN
Das Übungsprogramm bei Schielen
Zusatzübungen bei Schielen
KAPITEL 6: AUGENERKRANKUNGEN – WAS SIE SELBST TUN KÖNNEN
Grauer Star
Das Übungsprogramm bei Grauem Star
Anmerkung zu Operationen bei Grauem Star
Zusatzübung: Hüpfen und Fangen
Diabetes
Das Übungsprogramm bei Diabetes
Zusatzübungen bei Diabetes
Anmerkung zu Laserbehandlungen
Grauer Star und Diabetes
Grüner Star
Das Übungsprogramm bei Grünem Star
Körperbezogene Zusatzübungen bei Grünem Star
Spezielle Anweisung zum Palmieren bei Grünem Star
Weitere Hinweise zu Übungen bei Grünem Star
Sehnervenentzündung
Netzhautablösung und Netzhautriss
Das Übungsprogramm bei Netzhautablösung
Zusatzübung mit Dunkelheit und Licht
Glaskörperabhebung
Makula Pucker und Makulalöcher
Das Übungsprogramm bei Makula Pucker und Makulalöchern
Zusatzübung bei Makula Pucker und Makulalöcher: Lochbrille
Retinitis pigmentosa
Das Übungsprogramm bei Retinitis pigmentosa
Zusatzübungen bei Retinitis pigmentosa
KAPITEL 7: DIE BLINDEN FLECKEN KONVENTIONELLER AUFFASSUNGEN VOM SEHEN
Das verborgene Risiko von Sonnenbrillen
Risiken und Nebenwirkungen von Kontaktlinsen oder Brillen
SCHLUSSWORT: DIE REALEN KOSTEN VON AUGENPROBLEMEN
ANHANG
Danksagungen
Über den Autor
Hinweis des Verlags
Dieses Buch dient der Information über bewährte Techniken zur Förderung des Sehvermögens und zur Selbsthilfe bei Augenproblemen. Wer sie anwendet, tut dies in eigener Verantwortung. Autor und Verlag beabsichtigen nicht, Diagnosen zu stellen oder Therapieempfehlungen zu geben. Die Informationen in diesem Buch sind nicht als Ersatz für professionelle therapeutische Hilfe bei gesundheitlichen Problemen zu verstehen.
Wer jemals das Privileg hatte, bei einem Vortrag von Meir Schneider dabei zu sein, der weiß, dass man dabei nicht nur die Rolle eines passiven Zuhörers hat. Er lädt das Publikum gleich ein, seine Übungen mitzumachen. Wichtiger, als über seine Methode zu reden, sei es, sie zu erleben, sagt Meir Schneider; Theorie hat nach seiner Auffassung nur dann einen Wert, wenn sie in die Praxis umgesetzt wird. Wir Menschen verfügen über ein unglaubliches Anpassungsvermögen und dem entspricht das, was er lehrt: Es ist einfach, direkt und transformierend. Es geht über die Grenzen vorgefertigter Konzepte hinaus und vermittelt die Gewissheit, dass wir die Passivität unseres gewohnheitsmäßigen Handelns hinter uns lassen, erfrischend Neues entdecken und es in unseren Alltag integrieren können.
Dieses Buch spiegelt wieder, wie er lehrt. Die interaktiven und dynamischen Inhalte verdeutlichen die Qualitäten des Autors und helfen uns, von einschränkenden Sehgewohnheiten abzurücken, die uns bisher scheinbar Sicherheit gegeben haben, um neue Möglichkeiten zu erfahren. Da er davon ausgeht, dass wir alle unser Sehvermögen auf natürliche Weise verbessern können, ist dieses Buch nicht nur für diejenigen bestimmt, bei denen Sehstörungen diagnostiziert worden sind; es ist für uns alle. Meir Schneider pflegt zu sagen: Unsere Routine, unsere Gewohnheit ist die eigentliche degenerative Krankheit.
Ich lernte Meir Schneider zum ersten Mal 1992 kennen, bei einer Konferenz mit 600 Teilnehmern in São Paulo, Brasilien. Er hinterließ bei den Zuhörern einen solchen Eindruck, dass man sich am Ende einig war, dies sei der ideale Zeitpunkt, um in Brasilien den ersten Trainingskurs anzubieten. Ich nahm daran teil, obwohl ich keine medizinischen oder ähnlichen beruflichen Vorkenntnisse oder Erfahrungen hatte. Dass man Mediziner oder im Gesundheitsbereich tätig war, das war für Meir Schneider keine notwendige Voraussetzung dafür, an seinen Kursen teilzunehmen. Er wollte bei dem, was er lehrte, und bei seinen Vorträgen offen sein für jeden, der bereit war, an sich zu arbeiten. Als ich seine Techniken intensiver kennenlernte, veränderte das meine Einstellung zu meinem Körper und meinen kognitiven Prozessen sowie meinen Umgang damit völlig.
Wenig später begann ich, andere zu unterrichten; dadurch vervollständigten sich meine Kenntnisse und Erfahrungen weiter. Einige Jahre später, als ich bereits als voll ausgebildete Therapeutin arbeitete, die sich auf Sehschulung spezialisiert hatte, empfand ich das Bedürfnis, mein theoretisches Wissen zu vertiefen, und ging noch einmal zur Schule, um Augenoptikerin zu werden. Dadurch bekam ich bessere Voraussetzungen, um die Großartigkeit der Methode schätzen zu können – die großartige Fähigkeit von Meir Schneider, eine komplexe Theorie in etwas zu verwandeln, was uns direkt anspricht. Theorie versucht schließlich, zu erklären, was wir sind. Und Meir Schneider übersetzt sie mit einer seltenen Intelligenz und Freigiebigkeit. Bei dem, was er lehrt, bleibt nichts im Verborgenen; alles ist da, greifbar für alle, die bereit sind, sich selbst zu erfahren.
Dieses Buch ist weitaus mehr als ein Leitfaden für Übungen; es ist eine Einladung zur Selbstentwicklung. Viel Freude beim Lesen!
M. Fernanda Leite Ribeiro
(Augenoptikerin und Lehrerin für Selbstheilung, São Paulo, Brasilien)
Die Welt wird möglicherweise schon bald mit einer „Epidemie“ von Sehstörungen konfrontiert sein, da Hunderte Millionen Menschen, die ständig Computerbildschirmen und fluoreszierendem Licht ausgesetzt sind und in übermäßig erleuchteten Städten leben, allmählich älter werden. Das Tragische ist, dass sie zwar alle Voraussetzungen zu haben scheinen, um diese Katastrophe vorherzusehen, das derzeitige medizinische Establishment jedoch nicht bereit ist, auf diese Epidemie angemessen einzugehen. Aus meiner persönlichen Erfahrung glaube ich, dass Mediziner im Grunde oft an einer eigenen Form von Kurzsichtigkeit leiden, einer kurzsichtigen Einstellung zu ganzheitlichen Ansätzen zur Wiederherstellung und Erhaltung unserer körperlichen Gesundheit.
In der heutigen Zeit verstehen wir sehr gut, wie wichtig effektive Bemühungen sind, Vorsorge für „Instandhaltung“ und „Wartung“ zu treffen. Wenn wir den Wert und die Schönheit eines Produkts oder Systems während seiner ganzen Lebensdauer erhalten und diese Lebensdauer so lange wie möglich ausdehnen wollen, müssen Schritte unternommen werden, um die Funktionstüchtigkeit aller lebenswichtigen Elemente zu erhalten und Mängel zu beseitigen, die sich durch falschen Gebrauch, Nachlässigkeit oder Beschädigungen entwickelt haben. Dem menschlichen Körper muss im Vergleich zu einer Maschine diesbezüglich sogar noch mehr Aufmerksamkeit geschenkt werden; er muss ernährt, versorgt und gepflegt werden.
Ich freue mich, dass immer mehr Menschen wach werden, diesen Gedanken aufgreifen und angefangen haben, sich eine präventive, schützende Einstellung zu ihrer körperlichen Gesundheit zu eigen zu machen. Jeden Tag nimmt die Zahl derer zu, die genauer darauf achten, welche Nahrungsmittel und Getränke sie zu sich nehmen, die auf die Umwelt achten, in der sie leben, und darauf, sich allgemein gesunde Gewohnheiten wie körperliche Bewegung zu eigen zu machen.
Aber wir nehmen uns immer noch nicht genügend Zeit, um der Gesundheit und dem Wohlbefinden unserer Augen Rechnung zu tragen. Das ist der Zweck dieses Buches: Menschen zu helfen, ihr Sehvermögen zu erhalten und zu „reparieren“, als Weg, sowohl die Dauer als auch die Qualität ihres Lebens zu erhöhen. Es erscheint mir wie eine Ironie, dass dem wissenschaftlichen Establishment möglicherweise die Schuld an dem traurigen Zustand zu geben ist, in dem wir uns befinden. Denn die Erfolge, die in den letzten Jahrzehnten in der Optometrie und Augenheilkunde zu verzeichnen waren, sind in weiten Teilen schuld an der in unserer Kultur so verbreiteten Laissez-faire-Haltung zur Gesundheit unserer Augen. Diese Haltung hat sich durchgesetzt, weil es gang und gäbe ist, Sehprobleme zu korrigieren, indem Brillen verordnet oder chirurgische Eingriffe vorgenommen werden, ohne dass eine Alternative aufgezeigt oder angeboten wird.
Für viele ist es eine Selbstverständlichkeit, dass sie von der medizinischen Wissenschaft „gerettet“ werden, wenn etwas mit ihrem Sehvermögen nicht (mehr) in Ordnung ist. Dies mag zwar in vielen Fällen zutreffen; ich bin dennoch der festen Überzeugung, dass es stets besser ist, einer Krankheit von vorneherein vorzubeugen, statt einfach abzuwarten, bis das System zusammenbricht, in der Hoffnung, dass die medizinische Wissenschaft dann schon eine Lösung bereithalten wird. Präventive Medizin ist vor allem billiger! Vergleichen Sie 20 Minuten aerobe Übungen am Tag (etwa Laufen am Strand oder Radfahren durch einen Park) mit den Kosten von 100 000 US-Dollar für eine Operation, mit der verstopfte Blutgefäße repariert werden. Selbst wenn Sie den Preis für eine teure Mitgliedschaft in einem Luxus-Fitnessstudio sowie regelmäßige Massagen mit einkalkulieren, ist der präventive Ansatz immer noch sehr viel billiger.
Wir sollten uns in die Pflicht nehmen, ein Gesundheitsprogramm für unsere Augen zu entwickeln, weil der ganze Körper durch Überanstrengung der Augen in Mitleidenschaft gezogen wird. Das menschliche Auge wurde ursprünglich entwickelt, um zu jagen, um den Horizont abzusuchen, um Vögel zu beobachten, um in die Ferne zu blicken. Es war dafür vorgesehen, unter unterschiedlichsten Umständen genutzt zu werden, um unterschiedliche Dinge in unterschiedlichen Entfernungen und unter unterschiedlichen Lichtverhältnissen zu sehen und zu erkennen. Wenn wir hingegen den ganzen Tag bei gleicher Beleuchtung nur auf einen Computerbildschirm starren, verlieren unsere Augen ihre Variationsfähigkeit wie auch ihre Sehschärfe. Wir verlieren die Leidenschaft, die Vielfältigkeit des Lebens um uns herum zu betrachten. Und welche Folgen hat dies für unseren Körper und unseren Energiehaushalt?
Viele Menschen berichten, dass sie sich in der Mitte des Tages erschöpft fühlen und Stimulanzien brauchen, um wieder fit zu werden. Wir müssen uns vor Augen halten, dass alles, was wir mit den Augen tun, Einfluss auf den ganzen Körper hat.
Die Gewohnheiten, die Sie entwickeln werden, wenn Sie sich an die Übungen in diesem Buch halten, können die Rettungsleine sein, die Sie brauchen. Sie werden Ihre Leidenschaft für das Leben wieder entdecken, wenn Sie das Sehvermögen, das Sie haben, schützen und den degenerativen Zustand beseitigen, an dem Sie leiden. Das Beste von allem ist – wie bei jeder Art von persönlichem Übungsprogramm –, dass die neuen Gewohnheiten Ihr Leben in einer Weise nachhaltig beeinflussen werden, die über die nutzbringenden Effekte der Prävention von Krankheiten hinausgeht.
„Die Augen sind das Fenster zur Seele“, sagte ein Dichter. Indem wir uns mit unserem Sehen beschäftigen, stellen wir in einer grundlegenden, einfachen und schönen Weise eine Verbindung zu Licht und Dunkelheit, zur Natur, zu unserer physischen Umwelt und untereinander her. Joggen ist nicht nur eine gute körperliche Übung, es kann auch eine willkommene Entlastung und Entspannung für den Geist sein. Es ist ein Weg, die Verbindung zu Ihrer Nachbarschaft wiederherzustellen, aus Ihrer Alltagsroutine auszubrechen und Ihre psychische Komfortzone zu erweitern. Das Gleiche gilt, wenn man lernt, mit dem natürlichen Blinzeln des Auges (Lidschlussreflex) richtig umzugehen, und wenn man übt, Einzelheiten genau wahrzunehmen oder weit in die Ferne zu blicken, und wenn man Nachtspaziergänge oder -wanderungen macht.
Computer haben zweifellos viel zur Verbesserung der Lebensqualität beigetragen. Indem jedoch jedes Jahr Hunderte Millionen von Menschen Computer in ihren Alltag integrieren, setzen sie ihre kostbaren Augen einer permanenten, unnatürlichen Belastung und schlechtem Licht aus. Sie beanspruchen ihr zentrales Sehen übermäßig, da sie mit verschwommenen Augen auf den Bildschirm starren, und vergessen, ihr peripheres Sehen zu nutzen. Sie vergessen, den natürlichen Reflex des Blinzelns zu nutzen. Sie vergessen, richtig zu atmen. Sie sitzen mit zusammengezogenen Schultern und verspanntem Nacken da. Sie kneifen die Augen zusammen und versuchen, digitale Daten zu analysieren. Und statt die natürliche menschliche Fähigkeit zu nutzen, die Umwelt nach Bildern oder Eindrücken abzusuchen oder zu filtern, sitzen sie einfach da und warten passiv darauf, dass die Flut ständig wechselnder Bilder auf sie einströmt. Vergessen Sie nicht: Der Berg kam nicht zum Propheten – der Prophet musste zum Berg gehen.
Wir haben die Verantwortung (und damit gleichzeitig das Glück und die Freude), dass wir uns selbst darum kümmern (können), dass wir mit der Natur und mit unserem eigenen menschlichen Potenzial in engere Verbindung kommen. Wir sollten uns in die Pflicht nehmen, unseren Anspruch auf unser Erbe, unser Geburtsrecht geltend zu machen: Gesundheit, Glück und ein langes, ausgeglichenes, produktives Leben. Das alles beginnt bei unseren Augen!
Unsere Sinne verbinden uns eng miteinander, mit unserer Umwelt und mit uns selbst – vielleicht kein anderer Sinn so sehr wie unser Sehsinn. Wenn jemand sein Sehvermögen verliert, sind dem Preis keine Grenzen gesetzt, den er bereit ist, einem Arzt dafür zu zahlen, dass er das Problem löst. Leider richten viele Behandlungen und Verfahren, die heute bei den Augen angewendet werden (auch Lasik-Operationen), mehr Schaden an, als dass sie Nutzen bringen.
Das Problem wird noch weiter dadurch verschärft, dass bei den Augentests beim Optiker Fehldiagnosen gestellt werden, da die Personen, deren Augen wegen einer möglichen Brillenverordnung getestet werden, gestresst und nervös sind. Sie stehen verständlicherweise oft unter Stress und strengen sich beim Sehtest besonders an, aus Angst, ihre Sehfähigkeit könnte sich verschlechtert haben. An einem durchschnittlichen, entspannten Tag unterscheidet sich die Sehkraft jedoch erheblich von derjenigen in Situationen, in denen sie ängstlich und gestresst sind. Aber wann haben Sie jemals gehört, dass ein Optiker sich dieser Realität gestellt hätte? Hat Ihr Optiker Ihnen jemals die Schultern massiert und Sie gebeten, tief ein- und auszuatmen, bevor Ihre Augen gemessen wurden? Oder hat Ihr Augenarzt Sie jemals gebeten, zu beten oder zu meditieren, zu singen oder zu tanzen, bevor Ihr Augendruck gemessen wurde?
Die meisten Optiker geben sich keine Mühe, das Sehvermögen ihrer Patienten unter normalen, weniger stressintensiven Bedingungen zu testen. Und die meisten Menschen haben nicht die Möglichkeit, ihr Sehvermögen unter entspannteren Umständen zu testen. Das Ergebnis ist, dass Brillen auf der Grundlage eines Sehtests verordnet werden, der unter Stress durchgeführt wurde. Dies hat zur Folge, dass die Augen – da sie keine andere Wahl haben – lernen, sich auf die falsch verordnete Brille einzustellen, und sich mit der Zeit in die falsche Richtung anpassen: in Richtung des schlechteren, nicht des besseren Sehens. Tatsache ist, dass die meisten Augenoptiker nicht einmal glauben, dass schlechtes Sehen überhaupt etwas mit Stress zu tun habe.
Meine persönliche Erfahrung bei der Arbeit mit Tausenden von Ausbildungsteilnehmern und Patienten widerspricht jedoch dem, was diese Optiker und Ärzte zu wissen glauben. Stress und schlechtes Sehvermögen gehen in der Tat Hand in Hand!
Deshalb rate ich meinen Patienten und Ausbildungsteilnehmern, manchmal ihre Brille abzunehmen, wenn sie Techniken üben, die ich ihnen beibringe, und den Leserinnen und Lesern dieses Buches rate ich dies ebenso: Sofern Sie sich in einem sicheren Umfeld befinden, nehmen Sie zeitweise die Brille ab, wenn Sie die Übungen dieses Buches ausführen! Bei einer Sehschwäche geht es um nichts anderes, als wenn man nach einem Beinbruch wieder gehen lernen muss: Wenn Sie die Krücken nicht (irgendwann einmal) weglassen, werden Ihre Beine ihre alte Kraft nicht wiedergewinnen. Deshalb möchte ich Sie dazu ermuntern: Trainieren Sie Ihre Augen genauso, wie Sie den übrigen Körper im Fitnessstudio trainieren, aber stets in einem sehr entspannten Zustand – das ist wichtig und das sollten Sie nicht vergessen!
Die Übungen in diesem Buch sollen Ihnen helfen, neue, gesundheitsfördernde Gewohnheiten zu entwickeln, die Sie sofort in Ihr Leben integrieren können. Wenn ausreichend viele von uns diese Übungen gewissenhaft machen und sich an die Ratschläge in diesem Buch halten, können wir die Epidemie an Grauem Star, Makuladegeneration und anderen degenerativen Augenerkrankungen abwenden, die nach den Vorhersagen von Wissenschaftlern wie ein Güterzug auf unsere Kultur zurollt.
Fragen Sie sich einmal, was am ehesten im Interesse des medizinischen Establishments ist: die Augenheilkunde auf den Prüfstand zu stellen und neue Ideen aus Bereichen außerhalb der etablierten Schulmedizin einfließen zu lassen – oder weiterhin darauf zu setzen, dass man neue Methoden auf der Grundlage des alten Denkens entwickeln könne? Haben die Vertreter des bisherigen Systems das Interesse, Ihnen zu helfen, sich selbst mit einem Minimum an Zeit und Mühe zu heilen, oder sagen sie Ihnen, dass es kein Problem sei, ungesunde Gewohnheiten zu haben, weil sie wissen, wie sie das wieder in Ordnung bringen können? Ich möchte hier nicht anklagen und Schuld zuweisen oder einer Verschwörung das Wort reden. Ich versuche einfach, die Weisheit eines alten Sprichwortes anders zu formulieren, das besagt, man solle nie einen Friseur fragen, ob man einen neuen Haarschnitt brauche. Fragen Sie deshalb auch nie einen Optiker, ob es möglich sei, Ihr Sehvermögen selbst zu korrigieren. Das medizinische Establishment ist so sehr abhängig von Technologie und Chemie, dass es wenig Anreiz sieht, sich für einen einfacheren, weniger kostspieligen, persönlichen, ganzheitlichen Ansatz zur Erhaltung und Reparatur des Sehvermögens zu begeistern.
Dieses Buch ist meine Antwort auf dieses gravierende Problem und mein Versuch, Ihnen eine Alternative aufzuzeigen, damit Sie nicht zum Spielball gewinnorientierter, chirurgiefixierter Mediziner werden. Sie sind zuerst einmal Ihr eigener Patient. Heilen Sie sich selbst mithilfe der Techniken in diesem Buch (und in anderen vergleichbaren Büchern). Nur als letzter Ausweg oder bei schweren Erkrankungen sollten Sie Hilfe bei der Chemie und der Chirurgie suchen.
Für diejenigen von Ihnen, die gut sehen können oder sogar noch besser als gut, ist es jetzt gleichwohl an der Zeit, einfache Gewohnheiten in ihr Leben zu integrieren, die sicherzustellen, dass Ihr außergewöhnlich gutes Sehvermögen so lange wie möglich erhalten bleibt. Mein Traum ist, dass wir alle ein Leben lang gut sehen …
Meir Schneider
*
Liste der für das Übungsprogramm benötigten Materialien
• Vier Blätter dunkles Bastelpapier mit folgenden vier Formaten: 5 x 5 cm, 5 x 12,5 cm, 5 x 17,5 cm und 5 x 22,5 cm
• Abdeckband
• Tennisbälle (mindestens zwei)
• Abdeckbrille (beschrieben in Schritt 8, Seite 85 ff.) *
• Rote und grüne Brillengläser *
• Roter Stift (Filzstift oder Füller)
• Weißes Kopierpapier
• Kleine Taschenlampe mit roter Glühbirne (oder mit weißer Birne, die rot überklebt wird)
• Rote und grüne Spielkarten (optional)*
• Sehprobentafeln zur Verwendung aus 3 m und 6 m Entfernung (in diesem Buch abgedruckt)
• Blinklichter (wenn an einem gravierenden Sehverlust gearbeitet werden soll)*
• Phosphoreszierender (im Dunkelnder leuchtender) Ball
• Schnur mit aufgefädelten Perlen*
• Optional: Lochbrille (Rasterbrille)
* Die mit * gekennzeichneten Gegenstände können Sie sich – wie alle übrigen – zu Hause besorgen oder aus geeignetem Material, das Sie finden, selbst herstellen. Sie können sie aber auch bei der School for Self-Healing bestellen: www.self-healing.org
Dieses Buch sollte zunächst unter dem Titel Von der Blindheit zum Sehen veröffentlicht werden, weil ich blind geboren wurde, mir aber mit jahrelangen Bemühungen und Forschungen das Sehen selbst beigebracht habe. Heute kann ich – dank dieses Wunders – lesen, schreiben und sogar Auto fahren.
Die Idee hinter dem ursprünglichen Titel war, dass meine scheinbar wundersame Entwicklung von der Blindheit zum Sehen den Leserinnen und Lesern signalisieren sollte, dass dieses Buch Möglichkeiten aufzeigt, die jeder nutzen kann, um sein Sehvermögen zu verbessern, unabhängig von seiner aktuellen Situation.
Allerdings wird es sich bei den Leserinnen und Lesern dieses Buches wohl überwiegend nicht um Personen handeln, die – wie es bei mir der Fall war – offiziell für blind erklärt worden sind. Es dürften vielmehr Menschen sein, die an allen möglichen Punkten auf dem Kontinuum des Sehvermögens anzusiedeln sind. Darunter sind sicher auch einige mit „perfektem“ Sehvermögen, die dieses erhalten oder sogar noch verbessern möchten. Der erste Titel klang zwar dramatisch, ich wollte jedoch sichergehen, dass das Buch nicht fälschlicherweise für ein Handbuch gehalten würde, das nur für Blinde oder Personen mit einer schweren Sehschwäche bestimmt ist. Deshalb habe ich von der aufsehenerregenden ursprünglichen Idee Abstand genommen und einen anderen Titel gesucht.
Dennoch bleibt meine persönliche Erfahrung, die ich mit der Überwindung meiner Blindheit gemacht habe, das Kernstück dieses Buches. Jedem, der bezweifelt, dass eine Verbesserung seines Sehvermögens möglich ist, mag meine Geschichte als hoffnungsvolles Beispiel dienen. Deshalb war es mir wichtig, hier wenigstens kurz zu beschreiben, wie es zu diesem Wandel kam. Eine detailliertere Schilderung meiner Lebensgeschichte ist in meinem früheren Buch Movement for Self-Healing zu finden, das sowohl die physischen Schwierigkeiten, mit denen ich konfrontiert war, chronologisch darstellt, wie auch die lange Folge von Schritten, Entdeckungen und Übungen, die ich gemacht habe, um meine Blindheit zu überwinden.
Im vorliegenden Buch möchte ich den Prozess mit einer stärkeren Betonung der psychologischen Aspekte zusammenfassen. Denn die emotionalen und geistigen Herausforderungen waren in diesem Prozess des Sehenlernens von zentraler Bedeutung.
Die Haupthindernisse, mit denen Sie konfrontiert sein werden – ob Sie nun offiziell blind sind oder die Adleraugen eines Kampfjet-Piloten haben –, werden vergleichbar mit denen sein, denen ich mich gegenübersah, auch wenn sich unsere Lebensumstände wahrscheinlich deutlich unterscheiden. Die entscheidende Herausforderung für Sie besteht darin, sich in die Pflicht zu nehmen und die nötige Zeit zu investieren, um Ihr Sehvermögen zu verbessern und Ihre Welt zu erweitern.
Für mich war es schon schwierig genug, das in den 1970er-Jahren in Israel zu schaffen, trotz des glühenden Wunsches und der inneren Motivation, mich von meiner Blindheit zu befreien. Den Leserinnen und Lesern in unserer modernen, hektischen Zeit mag ein solcher Zeitaufwand unmöglich erscheinen. Wenn Sie sich dennoch in die Pflicht nehmen und die nötige Zeit investieren, kann sich dies in zweierlei Hinsicht in außergewöhnlicher Weise auszahlen: Sie verbessern Ihr Sehvermögen und öffnen Ihr Leben für ganz neue Facetten.
Befreien Sie sich von der Fessel stressiger Routine. Die Menge an Zeit und Engagement, die ich aufgebracht habe, um mein Sehvermögen zu verbessern, war schon extrem im Vergleich zu dem, was bei den meisten Menschen erforderlich ist. Aber genau das ist der Punkt. Widmen Sie diesen Übungen so viel Zeit wie möglich und vergessen Sie nicht – auch wenn Ihr Leben hektisch ist und Sie viel beschäftigt sind –, dass es von größter Bedeutung ist, Ihrem Sehvermögen höchste Priorität einzuräumen.
KAPITEL 1
Geboren bin ich unter schwierigen Umständen in der damals noch stalinistischen Sowjetunion. Mein Vater ging illegalen Geschäften nach, indem er Fotos für Kirchen machte und druckte. Diese Arbeit hätte dazu führen können, dass er für 20 Jahre nach Sibirien geschickt wurde. Darüber hinaus waren meine Eltern beide taub.
Meine Großeltern väterlicherseits waren dagegen, dass ein weiteres Kind in die Familie kam. Es war mein Großvater väterlicherseits, der als Erster feststellte, dass mit meinen Augen etwas nicht stimmte. Bei einer ärztlichen Untersuchung stellte sich heraus, dass ich mit Grauem Star geboren war. Viele Menschen entwickeln zwar später im Leben Grauen Star, aber nur sehr wenige werden damit geboren. Ich war praktisch blind geboren.
Auf der Suche nach einem besseren Leben für uns alle beschloss meine Familie, aus der Sowjetunion zu fliehen und sich in dem neuen Land Israel niederzulassen. In dieser Zeit der Umsiedlung und Umstellung wurden an meinen Augen fünf Operationen durchgeführt. Die erste in Polen, auf unserem Weg nach Westeuropa, verlief erfolglos. Die übrigen alle in Israel durchgeführten Operationen hatten meine Linsen bis zu dem Punkt vernarbt, dass 99 Prozent der Linsen aus Narbengewebe bestanden, das effektiv verhinderte, dass Licht durchdringen konnte. Infolgedessen wurde mir vom Staat Israel ein Blindenausweis ausgestellt und die meisten Menschen in meiner Umgebung hatten sich damit abgefunden, dass ich nie würde sehen können.
Als Kind las ich nur Braille-Schrift, obwohl ich eine normale Schule mit nicht sehbehinderten Kindern besuchte. Wegen dieser Situation litt ich viel unter Einsamkeit und Isolation. Was machst du, wenn du blind bist und von Kindern umgeben bist, die normal sehen können, während deine (tauben) Eltern sich hauptsächlich mit einer Zeichensprache verständigen, die du nicht sehen kannst …?
Mein Vater, der sich sehr für das aktuelle Zeitgeschehen interessierte, wollte oft, dass ich Radio hörte und ihm erklärte, was draußen in der Welt passierte. Er wollte, dass ich Nachrichten hörte und sie für ihn wiederholte, was mich zunächst irritierte. Ich verstand nicht, warum er immer meinen Kopf hob, wenn ich ihm zu erzählen versuchte, was ich gehört hatte. Später wusste ich, dass er das tat, weil er mir von den Lippen ablesen wollte. Aber wie sollte ich wissen, dass Lippenlesen so wichtig war, wenn ich gar nicht sehen konnte, wie sich die Lippen bewegten?! Diese tragikomische Situation charakterisiert treffend die frühen Jahre meiner Kindheit. Ich war von Verwirrung und Frustration umgeben und davon, dass meine Eltern immer zu kämpfen hatten, um im Alltag zurecht- und über die Runden zu kommen. Ich lernte aber auch, dass es viele Wege gab, um die Herausforderungen zu überwinden, mit denen Menschen durch ihre Lebensumstände konfrontiert werden.
Mir war klar, dass meine Eltern mich liebten. Dennoch war unser Leben von Angst und Unsicherheit geprägt, nachdem wir den Repressionen in der Sowjetunion entflohen waren, um in den jungen Staat Israel zu ziehen, der vom Krieg verwüstet war. Wegen ihrer Taubheit konnten meine Eltern kein Hebräisch lernen, das so ganz anders als das Russisch war, das sie vorher gesprochen hatten. Darüber hinaus verloren meine Großeltern mütterlicherseits das Geld, das sie aus der Sowjetunion mitgebracht hatten, durch schlechte Investitionen in Israel. Bei alledem glaubte meine Großmutter dennoch unerschütterlich an mich und fand Wege und Möglichkeiten, mir zu helfen. Sie blieb nach den Operationen bei mir am Krankenbett, als ich traumatisiert und verunsichert war, weil ich viele andere Kinder um mich herum weinen hörte.
Andere Mitglieder meiner Familie waren der Meinung, dass ich die Sozialfürsorge in Anspruch nehmen solle. Ich hatte zwar kein Problem damit, meine Familie um Geld zu bitten, aber irgendwie wollte ich es nicht vom Staat annehmen. Diese Einstellung entsprang einem tiefen Instinkt, dessen Ursprung ich erst später verstand, als ich reifer wurde. Ein Mensch, der staatliche Unterstützung erhält (was bei vielen Behinderungen der Fall ist), läuft leicht Gefahr, ein schlechtes Selbstbild zu entwickeln und sich als bedürftig oder bemitleidenswert zu sehen; das kommt automatisch, ob es einem gefällt oder nicht. Greift man aber nicht auf diese Unterstützung zurück, bekommt man ein stärkeres Selbstbild und ist gezwungen, eigenständig zu werden.
Ich war fest entschlossen, dass ich nicht als Blinder stigmatisiert werden wollte. Dieser Entschluss war der Beginn meines Wandels und einer Veränderung, ohne die ich nicht dahin gekommen wäre, wo ich heute bin. Als Reaktion auf den Mangel an Sicherheit und die Ungewissheit, die die frühen Jahre in meinem Leben prägten, entwickelte ich ein Gefühl der Entschlossenheit und Selbstverpflichtung. Andere Kinder wollten oft nicht mit mir spielen. Auf Partys wollten die Mädchen nicht mit mir tanzen. Manchmal fühlte ich mich einsam. Ich begriff aber, dass die Wahl bei mir lag, ob ich depressiv oder glücklich war.
So flüchtete ich mich in meine Braille-Bücher. Mit meinen Büchern war ich in einer anderen Welt und las stundenlang. Selbst wenn meine Mutter sagte: „Zeit zu schlafen, Licht aus“, versteckte ich die Bücher einfach unter meinem Bett. Unsere Wände waren zwar dünn, aber sobald das Licht aus war und ich wusste, dass sie mich nicht mehr sehen konnte, zog ich meine Bücher wieder hervor und las weiter.
Jedes Mal, wenn wieder neue Braille-Bücher auf dem Postamt eintrafen, eilte ich dorthin, um sie abzuholen. Die Bücher waren riesig. Es muss schon ein wundersames Bild gewesen sein, das ich abgab – ein kleines Kind, das einen sehr großen Schulranzen auf dem Rücken trug, der an den Schultern festgeschnallt war, dazu eine Braille-Schreibmaschine unter den einen Arm geklemmt und eine Tasche voller Braille-Bücher unter den anderen. Mehr als einmal fiel die Schreibmaschine zu Boden und war beschädigt und wir mussten dann die Reparaturkosten bezahlen. Mein Vater ärgerte sich immer über den hohen Preis und ich fühlte mich schuldig, weil ich die Schreibmaschine fallen gelassen hatte.
Langsam, aber sicher, bauten sich meine Muskeln auf. Viele, die mir in jener Zeit begegneten, meinten, es sei zu viel, was ich zu heben und zu schleppen hatte. Aber genau dieses viele Heben und Schleppen formte in vieler Hinsicht meinen Charakter. Ich stellte mir vor, dass irgendetwas mich eines Tages von meiner Blindheit befreien würde, und ich handelte danach: Ich ging aus eigenem Antrieb von einem Arzt zum anderen.
Ich kämpfte gegen den Unmut oder die Ressentiments der anderen Kinder in der Schule, die der Meinung waren, ich bekäme zu viel Sonderbehandlung. Es ärgerte sie, dass sie mir erklären mussten, was an der Tafel stand. Und mir ging es genauso! Ich wollte die Tafel mit eigenen Augen sehen können. Ich wollte allein, ohne fremde Hilfe arbeiten. Ich hatte sogar Lehrer, die gemein zu mir waren, weil ihnen mein Verhalten nicht passte. Sie glaubten, ein blindes Kind habe unterwürfig und passiv zu sein – was ich nie war und wahrscheinlich nie sein würde.
Ich wünschte mir verzweifelt, von meinem Zustand befreit zu werden. Aber alle Ärzte erklärten mir, daran könne man nichts ändern, die Blindheit werde mich mein Leben lang begleiten und mein Sehvermögen werde nie mehr als ein halbes Prozent ohne Brille und nicht mehr als vier oder fünf Prozent mit Brille betragen. Sie sagten, ich solle das Augenlicht annehmen, das ich hatte, und damit zufrieden sein. Das waren schöne Worte, aber mir halfen sie nicht.
Mein Vater war offensichtlich verärgert darüber, dass seine Taubheit einer erfolgreichen Laufbahn in seinem Leben im Weg stand, und er machte daraus keinen Hehl. Meine Mutter fühlte sich ebenfalls von der hörenden Umwelt herabgesetzt. Die Vorurteile und Benachteiligungen, die sie erlebt hatten, waren mir bewusst und doch glaubte ich, dass eine glänzende Zukunft vor mir lag, auch wenn ich nicht wusste, wie sie aussehen würde.
Dann lernte ich eines Tages einen anderen kleinen Jungen namens Jacob kennen, der die Highschool abgebrochen hatte. Er zeigte mir Augenübungen, die auf der sogenannten Bates-Methode beruhten [ein Augentraining, entwickelt von dem amerikanischen Augenarzt William H. Bates, 1860–1931; Anmerkung d. Verlags]. Ich lernte die Augenübungen und begann gewissenhaft, damit zu arbeiten.
Zu meinem Erstaunen kamen von den Autoritätsfiguren, die es in meinem Leben gab, mehr Beschwerden denn je, als ich die Bates-Methode praktizierte und Verbesserungen erzielte. Dazu müssen Sie wissen, dass ein Teil meiner Übungen darin bestand, von einem Detail zum anderen zu schauen; der Zweck dieser Übung war, mein Gehirn daran zu hindern, dass es bequem und „faul“ wurde. Aber meine Erdkundelehrerin regte sich darüber auf, wenn ich die Augen zwischen den Glocken neben der Tafel hin und her wandern ließ und mir während des Unterrichts Details anschaute. Sie ging deswegen sogar zum stellvertretenden Direktor. Der hörte mich zum Glück jedoch an und erklärte ihr dann, dass die Übungen mir helfen könnten und nicht meine Fähigkeit beeinträchtigten, ihr im Unterricht zuzuhören.
Mein Bibelstundenlehrer regte sich auf, wenn wir mit der Klasse auf dem Schulhof saßen und Bibelverse lasen, dass ich die Augen schloss und mein Gesicht der Sonne entgegenhielt, während ich den Kopf von einer Seite zur anderen neigte. Wenn ich in die Sonne schaute, verengten sich meine Pupillen; bewegte ich den Kopf zur Seite, erweiterten sie sich. Der Lehrer sagte, es störe ihn, wenn ich ständig den Kopf von einer Seite zur anderen neigte, obwohl er einräumen musste, dass ich aufmerksam zuhörte und alles mitbekam, was er sagte. Dennoch meinte er, ich solle aufhören, meine Augen zu „sonnen“, weil es ihn störe – auch wenn ich der beste Schüler in der Klasse sei.
Trotz dieser Reaktionen machte ich meine Übungen beharrlich weiter. Meine Netzhaut begann, auf Licht zu reagieren, und das gab mir den Anstoß, die dicke, schwere, dunkle Brille abzusetzen, die die Welt für mich trüber gemacht hatte.
Meine Mutter regte sich darüber auf, dass ich zehn Mal am Tag aufs Hausdach hinaufstieg, um meine Augen zu sonnen. Sie sagte: „Du verdrückst dich ständig von deinen Hausaufgaben.“ Dann regte sie sich darüber auf, dass ich drei Stunden am Tag da saß, um zu palmieren – eine Übung, die meine Augen ausruhen ließ und verhinderte, dass sie sich ständig willkürlich bewegten.
Kurz, ich traf auf so viel Widerstand bei dem, was ich tat, dass ich nicht einmal wusste, dass es möglich war, zu versuchen, eine Veränderung herbeizuführen, ohne Widerständen zu begegnen. Wenn du bei allen auf Widerstand stößt, ist es nicht nur schwierig, die Übungen zu machen, sondern auch mit der Tatsache umzugehen, dass deine Familie, Freunde, Lehrer und sogar Nachbarn etwas gegen deine Bemühungen haben. Dennoch hielt ich beharrlich daran fest.
Innerhalb von drei Monaten war ich in der Lage, Druckbuchstaben zu sehen. Und zwar nicht mit 38 Dioptrien, was der Linse bei einem Mikroskop entspricht, sondern mit 20 Dioptrien – nur ein sehr dickes Brillenglas. Innerhalb von sechs Monaten waren die Kopfschmerzen verschwunden, die mich bis dahin mein ganzes Leben lang geplagt hatten.
Innerhalb eines Jahres, nachdem ich angefangen hatte, die Bates-Methode zu praktizieren, konnte ich normale Buchstaben sehen. Ich werde nie den Tag vergessen, an dem ich die Übung des „Sonnenbadens“ für die Augen auf dem Hausdach machte und scharf konturierte schwarze Buchstaben sah, die auf weißem Papier gedruckt waren. Ich hielt mir das Papier an die Nasenspitze. Zum allerersten Mal in meinem Leben konnte ich im Alter von 17,5 Jahren ein gedrucktes Wort ohne Vergrößerung sehen. Dieser Erfolg kostete mich eine so gewaltige Anstrengung, dass ich mich übergeben musste. Danach „sonnte“ ich mich wieder und palmierte und übergab mich erneut, bis ich einen weiteren Buchstaben sah, dann noch einen weiteren.
Bald hörte ich laute Stimmen, die miteinander stritten. Es waren die Nachbarn unter uns, die sich gegenseitig beschuldigten, die „Schweinerei“ an den Fenstern verursacht zu haben. Ich hatte nicht gemerkt, dass ich jedes Mal, wenn ich mich übergab, das über ihren Fenstern gemacht hatte. Also ging ich zu ihnen hinunter und erklärte ihnen, was passiert war. Statt wütend auf mich zu sein, waren sie über meine Ehrlichkeit erstaunt. Ich hätte das, was ich geschafft hatte, ignorieren können, tat es aber nicht. Ich war stolz darauf, dass ich endlich einen Buchstaben sehen konnte. Ich verfeinerte und verbesserte das Verfahren und konnte nach drei Monaten mehrere Buchstaben sehen, wenn ich sie mir direkt vor die Nase hielt.
Von da an arbeitete ich kontinuierlich weiter. Die Menschen, die mich kannten und mich sahen, waren überrascht, dass ich die Straße tatsächlich sehen konnte, statt den Weg nur zu ertasten. Während ich sie bisher nie erkannt hatte, begann ich jetzt, ihre Gesichter zu erkennen. Eine Nachbarin war tatsächlich ganz durcheinander, dass ich sie erkennen konnte! „Stimmt hier etwas nicht?“ fragte sie. „Du bist doch der Blinde aus der Nachbarschaft. Wieso kannst du uns sehen? Was hast du gemacht? Was ist los?“ Es war erstaunlich. Ich hatte ihr das Gefühl der Sicherheit genommen, dass sie immer wusste, was in der Nachbarschaft los war. Es war fast, als ob sie das Gefühl hätte, die Welt, die sie bisher kannte, sei ihr weggenommen worden: Da war das blinde Kind, das plötzlich jeden anschaute und tatsächlich sah! Ich war Widerstände gewöhnt, aber jetzt angenehm überrascht von den ersten Bewunderungsbekundungen, die ich erhielt.