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Frank Rönicke

DDR-Motorräder

seit 1945

Paul Pietsch Verlage

Inhaltsverzeichnis

Impressum

Einbandgestaltung: dos Luis Santos unter Verwendung von Motiven aus dem Archiv des Autors.

 

Fotos: Archiv Rauch, Archiv Rönicke, Werksfotos, Werner Wendrock, Berlin.

 

Der Autor bedankt sich bei Franz Käppler, Weißwasser, für viele nützliche Informationen.

 

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Ein Unternehmen der Paul Pietsch Verlage GmbH + Co. KG

 

3. Auflage 2013

 

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Lektorat: Martin Gollnick

ISBN 978-3-613-31040-7

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Vorwort

Der Titel dieses Typenkompasses kann in mehrfacher Hinsicht irritieren, weshalb einige Erklärungen vorangestellt werden müssen. Selbstverständlich wurde die DDR erst am 7. Oktober 1949 gegründet. Nach dem zweiten Weltkrieg, der bekanntlich am 8.Mai 1945 endete, war das Gebiet dieser späteren DDR weitestgehend die sowjetisch besetzte Zone. Und heute die Sowjetische Besatzungszone als eine Art DDR-Vorläufer zu bezeichnen, dürfte kein großer historischer Fehler sein. Also DDR-Motorräder seit 1945… Warum seit? Wenngleich sich einige Zeitgenossen die Mauer zurück und möglichst doppelt so hoch wünschen, war das Schicksal der DDR am 3. Oktober 1990 endgültig besiegelt. Allerdings liefen noch zu Beginn des Jahres 2003 bei Simson in Suhl motorisierte Zweiräder von den Hängebändern, deren technische Konzeption zum Teil auf echte DDR-Zeiten zurückgeht. Nun mussten die Suhler zwar – wie es scheint – endgültig die Produktion einstellen, aber wer weiß…Totgesagte leben manchmal länger.

Schließlich stimmt das mit den DDR-Motorrädern auch nur zur Hälfte, denn zum einen gelten die hier vorgestellten Fahrrad-Hilfsmotoren und Simson-Mopeds nicht eigentlich als Motorräder, wenngleich sie schon Motor-Räder im Sinne des Wortes sind. Zum anderen sind die IFA- und MZ-Maschinen aus Zschopau bereits im sehr guten Typenkompass »MZ Motorräder seit 1950« von Andy Schwietzer abgehandelt worden.

Horstdorf im Januar 2004

Frank Rönicke

Einführung

Während des Zweiten Weltkriegs kam die zivile Produktion von Motorrädern in Deutschland völlig zum Erliegen. Zu den wenigen Herstellern, die weiter Motorräder produzieren durften, wenn auch jetzt für die Wehrmacht, gehörte BMW in München, von wo aus man unter anderem ein 750-ccm-Gespann in den Krieg schickte. Dessen Montage verlegten die Münchener zu Kriegsbeginn, zusammen mit der gesamten Motorrad-Ersatzteilproduktion, in das BMW-Zweigwerk nach Eisenach; sie begründeten somit den Motorradbau in diesem Teil Thüringens und schließlich in der sowjetischen Besatzungszone, aus der am 7. Oktober 1949 die DDR entstand. Zunächst ausschließlich für den Markt in der Sowjetunion bestimmt, begann in Eisenach 1945 die erste Nachkriegs-Motorradfertigung auf deutschem Gebiet.

Auch in einem anderen thüringischen Ort war auf Befehl der sowjetischen Militäradministration in Deutschland (SMAD) ein Motorrad zunächst konstruiert und schließlich in Produktion genommen worden. Das ehemalige Simson-Werk in Suhl ging 1947, wie übrigens auch BMW in Eisenach, in den Besitz der sowjetischen Aktiengesellschaft »Awtowelo« über. 1948 kam dann der überraschende Befehl zur Konstruktion eines Mittelklasse-Viertakt-Motorrades, das 1950 in Serie ging.

Inzwischen an die DDR übergeben, erhielt das Simson-Werk 1954 aus dem Maschinenbau-Ministerium den Auftrag zur Entwicklung und Produktion eines Mopeds.

Im Mai 1955 begann dessen Fertigung, die ein paar Jahre später einen Jahresausstoß von 200 000 Einheiten erreichte und 1961 das Suhler Viertakt-Motorrad, zum Leidwesen tausender seiner Anhänger, aus dem Programm verdrängte.

Da war die Eisenacher EMW R 35/3 schon längst zu Grabe getragen worden und die nach sowjetischem Vorbild ausgerichtete Politik hatte entschieden, motorisierte Zweiräder mit mehr als 50 ccm Hubraum, die nicht zur Gattung Motorroller gehörten, fortan nur noch in Zschopau zu bauen.

Die eigenproduzierte, motorisierte Vielfalt auf zwei Rädern erreichte 1955 in der DDR ihren Höhepunkt, als auch noch die Industriewerke Ludwigsfelde (IWL) gemäß politischem Auftrag Motorroller mit Zschopauer Antriebstechnik zu fertigen begannen. In schneller Folge lösten verbesserte Modellreihen einander im Angebotskatalog ab, ehe die Produktion 1964 zugunsten einer LKW-Großserienfertigung (W 50) wieder beendet werden musste. Die durchaus weiter vorhandene Nachfrage nach hubraumgrößeren Motorrollern sollte nun allein mit Importen aus der CSSR abgedeckt werden.

Zur bunten Mischung motorisierter Zweiräder in der Pionierzeit des DDR-Kraftfahrzeugbaus trugen neben einigen Fahrrad-Hilfsmotoren auch verschiedene Privatinitiativen im Roller- und Motorradbau bei, die jedoch bestenfalls über Kleinserien nicht hinaus kamen. Nicht zuletzt, weil sie den Wirtschaftslenkern nicht in den Kram passten. Und die hatten – dem nun einmal eingeschlagenen politischen Weg entsprechend – nicht so unrecht: Kriegshinterlassenschaften und zentrale Planwirtschaft ließen nur eine Bündelung der Kräfte zu, um annähernd konkurrenzfähig (Export) und marktabdeckend (Inland) produzieren zu können. Inwieweit alle dieser Strategie folgenden Maßnahmen gerechtfertigt waren, bleibt dahingestellt. Zumindest fragwürdig jedenfalls war etwa das Ende der Motorradfertigung in Eisenach zugunsten der »Großserienfertigung« des PKW »Wartburg« oder vor allem der Produktionsstop des bis dahin besten Motorrades der DDR, der »Simson 425 S«.

Monotonie hielt nun Einzug und wurde 1970 mit der Gründung des Kombinates für Zweiradfahrzeuge, zum Ärger der Zschopauer mit Sitz in Suhl, zementiert. Einzylinder-Zweitaktmotorräder mit maximal 250 ccm Hubraum aus dem Erzgebirge sowie Kleinkrafträder und Kleinroller bis höchstens 70 ccm und natürlich ebenfalls von Einzylinder-Zweitaktern angetrieben, aus Suhl, waren nun alles, was bis 1990 an serienmäßigen, motorisierten Zweirädern aus der DDR kam.

Zweirad-Parkplatz vor dem MZ-Werk in Zschopau 1992: So wie hier kann man sich Hunderte Parkplätze auf dem Gebiet der ehemaligen DDR vorstellen. Es dominierten die Simson-Mokicks aus Suhl, lediglich aufgelockert von einigen MZ-Maschinen.

Dabei hatten die Hersteller wenigstens gelegentlich die Möglichkeit neue Modelle einzuführen und so dem totalen Frust, wie etwa im PKW-Bau, zu entgehen.

Nach der Wende änderte sich das Bild schlagartig. Dass die Motorradbauer nun, nach dem Fall der Mauer, mit wenig konkurrenzfähigem Material dastanden, war auch das Resultat der Tagung »Fortschritte im Motorradbau« in Zwickau im Sommer 1985. Denn was dort festgelegt wurde, hatte mit Fortschritt herzlich wenig zu tun: Beibehaltung der Einzylinder-Zweitakt-Technik und der Grundkonzeption der Fahrwerke. Lediglich kosmetische Retuschen »zur Verbesserung des ästhetischen Gesamteindrucks« waren fortan zugelassen. Damit blieben neue Konstruktionen in den Schubladen liegen und konnten erst nach der Wende und damit viel zu spät, realisiert werden.

Trotz alledem muss man heute würdigen, was Motorradbauer im Osten Deutschlands unter unsäglich schwierigen Bedingungen nach dem Zweiten Weltkrieg wieder auf die Räder stellten. Es war echter Pioniergeist, der in den späten vierziger Jahren aus zuvor von den Sowjets völlig demontierten und zum Teil zerstörten Werksanlagen wieder Motorräder rollen ließ. Wo »Rucksackträger« fehlende Montageteile aus dem Westen »importierten«. Wo eine faktisch nicht vorhandene Zulieferindustrie erst aus dem Boden gestampft werden musste und wo ständig gen Westen abwanderndes Fachpersonal zu ersetzen war.

In den Folgejahren versuchten Konstrukteure und Ingenieure trotz wirtschaftlicher und politischer Hemmnisse bestmögliche Resultate zu erzielen. Viele von ihnen resignierten Mitte der siebziger Jahre, als längst alles begonnen hatte, »seinen sozialistischen Gang« zu gehen.

Die DDR war ein Land des Improvisierens und Selbstbauens in vielerlei Hinsicht. Gerade in den 50er Jahren entstanden zahlreiche Eigenbau-Mopeds, -Roller und -Motorräder in Einzelstücken oder Kleinstserien. In diesem Typenkompass sollen die Fahrzeuge vorgestellt werden, die in mindestens 15 Exemplaren gebaut wurden. Die Renn-AWOs, die im Frühjahr 1953 in Suhl gebaut wurden, sind hier also das kleinste Maß aller Dinge.

Anmerkungen zu Herstellern und Modellreihen

AWO- und Simson-Viertaktmotorräder

Am 1. Juli 1945 zogen sich die Amerikaner, die in Thüringen eingewandert waren, hinter die Werra zurück und hinterließen der Sowjetischen Militär-Administration in Deutschland (SMAD) unter anderem das Gustloff-Werk, ehemals Simson, in Suhl. Das bedeutende Waffen- und (frühere) Automobilwerk hatte bis in die ersten Kriegstage hinein unter anderem Motorfahrräder produziert.

Als wichtigem Rüstungsproduzenten im Dritten Reich ging es diesem Werk wie vielen anderen im Osten Deutschlands zu dieser Zeit auch: Ab April wurde mit der völligen Demontage des Maschinenparks begonnen und die meisten Gebäude anschließend dem Erdboden gleich gemacht. Alles, was nicht niet- und nagelfest war, fuhr per Bahn in die UdSSR.

Reste des Betriebes, in denen trotz allem bald wieder Jagdwaffen, Fahrräder und Kinderwagen, selbstverständlich als Reparationsleistung ausschließlich für den Sowjetmarkt bestimmt, gefertigt wurden, gliederten die neuen Machthaber am 5. März 1947 in die »SAG (Sowjetische Aktiengesellschaft) AWTOWELO Moskau, Zweigstelle Weimar« ein. Mit der bald gebräuchlichen Bezeichnung »SAG, Werk Simson« oder »AWTOWELO, Werk Simson« kehrte der traditionsreiche Name nach Suhl zurück.

Ende 1947 versuchten deutsche Führungskräfte des Werks die Besatzer vom Bau eines 125 ccm-Motorrades, zu dem es bereits einen Rohentwurf gab, zu überzeugen. Allein, die Russen ließen eine Wiederaufnahme der Motorrad-(Motor-Fahrrad-) Produktion (noch) nicht zu.

Ein Jahr später, im Dezember 1948 (das Werk hieß inzwischen offiziell »Suhler Fahrradfabrik der Sowjetischen Staatlichen AG Awtowelo), ordneten dann überraschenderweise die Sowjets ihrerseits an, ein Mittelklasse-Motorrad zu entwickeln. Die Vorgaben an die deutschen Konstrukteure (250 ccm, 12 PS, Einzylinder-Viertakt-OHV-Motor, Viergang-Blockgetriebe, Kardanantrieb sowie geschlossene Teleskopfederung vorn und hinten) erinnerten stark an die fast gleichzeitig in München in Entwicklung befindliche BMW R 25. Und das kam nicht ganz von ungefähr; gehörte doch auch das BMW-Werk in Eisenach zur Awtowelo-Gruppe und die alten Verbindungen waren noch nicht ganz abgerissen.

Sehr viele Motorräder der DDR sind im Fahrzeugmuseum in Suhl ausgestellt. Darunter viele Simson-Zweiräder, wie diese AWO 425 mit Stoye-Seitenwagen.

Ständig weiterentwickelt war die AWO 425, die auch später als »Simson 425« oder »Simson 425 S« (Sport) immer schlicht die »AWO« blieb, zweifellos das beste und schönste Motorrad der DDR. Die staatliche Weisung von 1961, die Produktion des Viertakters einzustellen, war eine Tragödie und eines der schwärzesten Kapitel der DDR-Kraftfahrzeuggeschichte. Bis Januar 1962, dem letzten Produktionsmonat, verließen etwa 209 000 »AWOs« das Suhler Simson-Werk.