Vorwort

Die in diesem Büchlein aufgeführten Regeln sind nicht das Resultat einer wissenschaftlichen Abhandlung. Vielmehr sind es aus einer langjährigen Erfahrung als Dozent und Prüfungsexperte zusammengetragene Erkenntnisse, wie man sich nicht bzw. wie man sich an einer Prüfung verhalten sollte. Das heisst, es dreht sich hier nicht um das spezifische und formale Wissen, welches Kandidaten an die Prüfungen mitbringen sollen, sondern um das «Benehmen» dieser vor und während der Prüfung! In Anlehnung an Gole geht es in diesem Büchlein darum, Komponenten von EQ «Erfolgsquotient» [Gole 1998] in einer Prüfung einzusetzen bzw. im Vorfeld einer Prüfung zu üben. EQ besagt, dass neben IQ auch noch andere Werte, beispielsweise «Empathie» (Einfühlungsvermögen), Motivation, soziale Kompetenz etc. benötigt werden, um sich vom Durchschnitt als «Erfolgsmensch» abzuheben.

Sie werden nicht ganz zehn Stunden benötigen, um das vorliegende Büchlein durchzulesen. Es ist folglich das erklärte Ziel dieser Schrift, mindestens die so aufgewendete und «verlesene» Zeit in der Lernphase wieder wettzumachen. Selbstverständlich lässt sich auch darüber hinausgehender «Gewinn» erzielen. Was die Landkarte für den Orientierungsläufer ist, soll dieses Büchlein für den Lernenden sein. Ein sorgfältiges Studium lohnt sich auf alle Fälle.

Einleitung

Als langjähriger Dozent für Erwachsenenbildung mit höheren Berufsabschlüssen und als Prüfungsexperte in diversen Fachprüfungskommissionen konnte ich zahlreiche Erfahrungen hinsichtlich des Benehmens von Kandidaten an Abschlussprüfungen sammeln.

Als Experte staunt man dann doch hin und wieder darüber, wie einige Kandidaten den sogenannten Prüfungskampf, wenn ich den mal als solchen bezeichnen darf, völlig falsch bestreiten. Dies insbesondere daher, da ich der Meinung bin, dass Prüfungen beinahe zu 50% durch Taktik entschieden werden können (könnten).

Bitte verstehen Sie mich jetzt nicht falsch: Ich will damit nicht sagen, dass ein Schreiner oder ein Informatiker ohne entsprechende Ausbildung zu einer höheren Buchhalter/Controller-Prüfung antreten und mit der richtigen Taktik 50% aller Prüfungspunkte sammeln kann. Ich meine vielmehr, dass bei dem enormen Fachwissen, das die Prüfungsteilnehmer am Ende ihrer Ausbildung intus haben, sich oft die Entscheidung über Erfolg oder Misserfolg mit der richtigen Taktik zu 50% positiv beeinflussen lässt. Denn wer drei respektive fünf Jahre intensiver Ausbildung durchsteht, muss oder sollte de facto einiges mitbekommen haben. Ansonsten würde ich als Kandidat mich selbst oder die Schule verklagen! Daneben stütze ich mich bei dieser These auch auf eigene Erlebnisse und Erkenntnisse aus meiner eigenen Zeit als Prüfungsanwärter. Auch in den schwierigsten und vermeintlich entlegensten Wissensgebieten kann man mit der richtigen Taktik noch entscheidende Punkte herausholen.

Zum Thema des falschen Vorbereitens fällt mir ein Interview ein, anlässlich dessen Vreni Schneider, damals die weltbeste Slalomfahrerin, auf die Frage eines Reporters, der wissen wollte, wie sie sich jeweils auf die Gegnerinnen einstelle, antwortete: «Ich stelle mich nicht auf die Gegnerinnen ein, da sie nicht die Gegnerinnen sind. Meine Gegner sind der Schnee und die Stangen, und auf die stelle ich mich ein.»

Haben Sie es bemerkt? Schon in der Betrachtungsweise der Situation liegt der Unterschied. Man muss die richtigen Gegner, welche es zu besiegen gilt, erkennen!

Abgeleitet auf die Ausbildung bedeutet dies für Sie, dass auch Sie Ihre Gegner an einer Prüfung kennen müssen. Kennen Sie sie? Ihre Gegner sind

und nichts anderes!

Mit den folgenden 17 Regeln möchte ich erreichen, dass Sie neben Ihrem enormen Wissen auch die richtige Taktik an die Prüfung mitbringen können. Mit kleinen Tipps bezüglich Ihres Lern- und Prüfungsverhaltens soll dieses kleine Buch Ihnen zu dem Erfolg verhelfen, den Sie mit Ihren Anstrengungen und Entbehrungen während der Ausbildungszeit verdient haben.

Eingeschoben finden Sie 15 «Hirntrainer», die vor allem dazu dienen sollen, Ihr Gehirn während der Lektüre immer frisch und aufnahmefähig zu halten. Bei allen geht es um Konzentration, mal spielt Zeit eine Rolle, mal nicht, mal gilt es, ganz genau zu lesen, mal spielt nur genaues Beobachten eine Rolle. Die Übungen sind kein Test, und es gibt auch sonst keine Punkte zu gewinnen. Trotzdem lohnt es sich, sie sorgfältig zu lösen. Vielleicht kann ich Sie mit diesen Übungen anregen und anspornen, diese Art von Training auch über dieses Buch hinaus fortzuführen. Ein kleines Literaturverzeichnis (die Übungen entstanden z.T. in Anlehnung an die dort verzeichneten Erzeugnisse) finden Sie zu diesem Zwecke im Anhang. Es sei hier nur soviel verraten, dass sich mit «Gehirnjogging» in der Tat verblüffende Ergebnisse erzielen lassen.

Danksagung

Mein Dank gebührt insbesondere allen Prüfungsteilnehmern, die mich durch ihre zum Teil sehr originellen Prüfungsleistungen dazu gebracht haben, dieses Buch in Angriff zu nehmen.

Speziell möchte ich Frau R. Achermann und M. Ehrler für ihre wichtigen Beiträge danken. Frau Gellusch, Herrn L. Fürrer und M. Blatter danke ich für die Unterstützung in sprachlichen Belangen.

Bei Herrn U. Kürschner bedanke ich mich für die schönen bildlichen Illustrationen und gratuliere ihm zu seinem Talent.

Zum Schluss möchte ich mich auch bei meiner Frau bedanken, die mich in unzähligen Gesprächen dazu bewegte, den Sarkasmus auf ein erträgliches Mass zu reduzieren.

Schreibstil

Wer mich als Dozent kennt, weiss, dass ich hie und da zu Übertreibungen neige. Viele Sachverhalte werden durch Übertreibungen einfach anschaulicher. Seien Sie mir daher nicht böse, wenn ich in diesem Buch ein Berufsbild, einen Menschenschlag oder eine Situation zuweilen etwas überzeichnet darstelle und ausschmücke. Es soll Ihnen dazu dienen, die Situation richtig aufnehmen zu können, damit Sie den grösstmöglichen Nutzen davontragen.

Bemerkt sei hier aber auch, dass gewisse wahre Begebenheiten zwecks einer besseren Einprägung in ihrem Wahrheitsgehalt nicht verdoppelt, sondern halbiert werden mussten, um wenigstens halbwegs nachvollziehbar und glaubwürdig zu bleiben.

Im Sinne einer leichten Lesbarkeit sind die verwendeten Begriffe, Bezeichnungen und Funktionstitel nur in einer geschlechtsspezifischen Form aufgeführt.

Wie lese ich das Büchlein durch?

Die aufgeführten 17 Regeln sind grundsätzlich alle in sich selbst abgeschlossen. Das heisst für Sie, dass Sie je nach Bedarf die eine oder andere Regel einzeln herauspicken können, ohne dass Sie unbedingt die vorherigen Kapitel gelesen haben müssen.

Zum Teil sind Übungen untergebracht, die im Interesse der Sache selbstverständlich seriös gelöst werden müssen. Zusätzlich finden Sie eingeschobene «Hirntrainer», die, wie bereits angesprochen, den Zweck haben, Sie bei der Stange zu halten. Lösen Sie auch diese Auflockerungen aufmerksam. Ihr Kopf wird sich übrigens beim Lösen des einen oder andern Einschubs tatsächlich spürbar erwärmen. Probieren Sie es aus.

Ich wünsche Ihnen beim Durchlesen viel Spass und hoffe, dass Sie mit den Stunden, die Sie hier investieren müssen, einen spürbaren Mehrertrag an Ihrer Prüfung haben werden.

Kopierrechte

In diesem Büchlein werden Original-Prüfungsfragen aus früheren Diplomprüfungen sowie Originallösungen von Kandidaten aufgeführt. Obgleich gesetzlich verlangt, verzichte ich darauf, die Quelle dieser Originallösungen anzugeben. Einerseits, um die Kandidaten zu schützen, damit sie sich nicht nachträglich fragen müssen, wieso sie trotzdem durch die Prüfung gekommen sind, und andererseits, um allenfalls involvierte Experten mit ihren bisweilen etwas originellen Fragen nicht in Erklärungsnotstand zu bringen.

Regel 1

Alte Prüfungen richtig genutzt

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Jede Vorbereitungsprüfung dient dazu, je nach Durchführungszeitpunkt die Kandidaten bezüglich

zu trainieren.

Allgemein gilt, dass Prüfungsvorbereitungen aus schulorganisatorischer Sicht etwa so ablaufen:

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Abb. 1.1 Vorbereitungsplan bezüglich Aufgaben und Fallstudien

Diesen gezielten Aufbau erachte ich als äusserst wichtig. Leider gibt es immer wieder Teilnehmer, die diesen Trainingsaufbau mit ihrem unüberlegten Handeln negativ beeinflussen.

Um neben dem Wissensstand die Komponenten Zeitmanagement und Prüfungsstress zu üben, können die Teilnehmer ca. vier Monate vor der Prüfung mit der Stufe 3 beginnen.

In dieser Stufe 3, wenn ich als Dozent eine alte Prüfung oder eine Fallstudie mit dazugehörender Musterlösung für das Training zu Hause abgebe, sehe ich immer wieder, dass die Teilnehmer die ganze Vorbereitungsarbeit, welche mit dieser Prüfung verbunden ist, in Sekundenschnelle zerstören.

Verteile ich einen derartigen Aufgabensatz, schauen die meisten Teilnehmer die Aufgaben kurz durch. Zwar nur flüchtig, aber sie schauen rein. Mit diesem kurzen Blick zerstört man die ganze Prüfungsüberraschung. Es erlischt ein Grossteil des gesamten Trainingseffekts, da nun schon klar ist, welche Fragen ungefähr gestellt oder welche Themen behandelt werden. Die Spannung, die Ungewissheit ist weg!

Erkennen Sie beim schnellen Hineinschauen beispielsweise eine Frage zum Thema Ablauforganisation und zwar bezüglich des Ablaufdiagramms, so bin ich mir ziemlich sicher, dass Sie bei der nächsten Gelegenheit ihre Unterlagen konsultieren und die entsprechende Technik genau anschauen werden. So sind wir Normalsterblichen nun mal.

Lösen Sie dann an einem Sonntagmorgen diese Prüfung, so ist klar, dass Sie diese nicht mehr realitätsnah trainieren können, da Sie sich über die Prüfung und insbesondere über ein bestimmtes Thema bereits im Vorfeld einen Überblick verschafft haben.

Dieses scheinbar beruhigende «Imvorausschonmalgucken» ist weit verbreitet und trotzdem kontraproduktiv.

Kann ein Boxer seine Reflexe für den grossen Kampf schulen, indem er sich zuvor von jedem Sparringspartner über die Schlag- bzw. Fintenfolgen, die er ihm verabreichen will, informieren lässt? Ich denke nein!

Ihre Übungen sind Ihre Sparringspartner für zu Hause. Seien Sie um jeden unerwarteten Schlag froh, den Sie von Ihren Fallstudien und alten Prüfungen verabreicht bekommen. Von der «echten» Prüfung werden Sie ihn wohl nicht mehr einstecken müssen. Provozieren Sie Ihre Übungen, dann werden sie Ihnen Ihre Schwächen aufzeigen. Und genau dies sind solche «Hausaufgaben» Ihnen schuldig – nicht falsche Sicherheit.

Fazit

Schauen Sie Ihre alten Prüfungen und Fallstudien für zu Hause nie im Voraus an. Lassen Sie sich auf jeden Fall von diesen Aufgaben überraschen. Seien Sie sogar für jede Überraschung dankbar. Öffnen Sie die Probeprüfung z.B. am Sonntag morgen, wenn Sie diese in einem «Probetraining» lösen möchten, zum ersten Mal. Wenn Sie die unerwarteten Fragen nervös machen, dann sind Sie auf dem richtigen Weg.

Übung 1

Lesen Sie hier rasch das Fazit von Regel 12 durch.

Sehen Sie, obwohl Sie nur ganz schnell das Fazit 12 durchgelesen haben, wissen Sie jetzt schon, was in der Regel 12 aufgeführt wird, ohne dass Sie das ganze Kapitel durchgelesen haben. Die ganze Spannung des Kapitels 12 ist grundsätzlich weg.