Lern- und Leistungsmotivation sind zentrale Voraussetzungen für schulisches Lernen. So zeigten Sideridis und Kollegen (Sideridis, Morgan, Botsas, Padeliadu & Fuchs, 2006), dass sich anhand der motivationalen Lage von Schülern besser vorhersagen lässt, ob diese eine manifeste Lernstörung entwickeln werden, als über deren kognitive Leistungsfähigkeit. Wer erfolgreiches schulisches Lernen ermöglichen will, benötigt ein grundlegendes Verständnis dafür, was Motivation überhaupt ist, wie sie entsteht und welche Folgen sie hat. Aber Motivation stellt auch ein in sicheigenständiges Ziel schulischen Lernensda. Dabei gehtes um die Entwicklung von Interessen und Vorlieben von Menschen, die dazu führen, dass sie einen bestimmten Beruf ergreifen oder ein erfülltes Leben in ihrer Freizeit, ihrer Familie und im sozialen Umfeld führen (Schiefele, 1986).
Das vorliegende Buch legt den Schwerpunkt auf den Zusammenhang zwischen schulischen Lernstörungen, der Lern- und Leistungsmotivation von Schülern und den Möglichkeiten der Förderung von Motivation im schulischen Kontext. Der Gültigkeitsbereich der hier vorgestellten Modelle und Ideen bleibt aber nicht nur auf die Zielgruppe der Kinder mit manifesten Lernstörungen beschränkt. Wie Einstellungen, Ziele und Bedürfnisse das Lernen beeinflussen, wie Interesse entsteht, was günstige Gedanken bei Erfolg und Misserfolg sind, diese Zusammenhänge sind die gleichen für Schüler mit und ohne Lernstörungen.
Kinder mit schulischen Leistungsstörungen zeigen keine grundlegend qualitativen Unterschiede hinsichtlich der Prozesse, die die Entwicklung von Lern- und Leistungsmotivation, das Selbstkonzept und die Ursachenzuschreibungen bei Erfolg und Misserfolg betreffen (Kistner, Osborne & LeVerrier, 1988). Dennoch finden sich quantitative Unterschiede, etwa hinsichtlich der Einschätzung der eigenen Fähigkeiten (Bless, 2000; Kistner, Haskett, White & Robbins, 1987), der Stärke emotionaler Reaktionen bei Misserfolg und der Erklärung eigener Erfolge und Misserfolge (Waheeda & Grainger, 2002) sowie der Intensität der Lust am Lernen.
Entsprechend dieser Auffassung liegt diesem Buch auch kein enges Verständnis von Lernstörung oder Lernbehinderung zugrunde, wie es z.B. von der Weltgesundheitsorganisation (WHO) in der ICD 10 (Deutsches Institut für Medizinische Dokumentation und Information, 2006) vorgeschlagen wird oder bei Grünke (2004) zu finden ist. Unter schulischen Lernstörungen wird hier im weiten Sinn jegliche Art der zeitlich überdauernden, unerwartet geringen oder unzureichenden schulischen Leistung verstanden. Die besondere Intensität und das unspezifische Vorliegen einer Störung in mehreren oder allen Fächern und Lernbereichen werden hier nicht als Kriterium einer Lernstörung herangezogen. Ebenso wenig wie die Diskrepanz der schulischen Leistung zur allgemeinen Intelligenz oder das Vorliegen eines IQ der deutlich unter dem normierten Mittel liegt.
Bei der Konzeption des vorliegenden Buches wurden solche Theorien in den Vordergrund gestellt, die nützlich sind, um zu verstehen, wie ausgeprägte und überdauernde schulische Leistungsprobleme entstehen. Dabei wurde darauf geachtet, dass sich aus den Theorien Leitlinien für die Praxis ableiten lassen, um die effektive Förderung der Motivation von Schüler zu ermöglichen. Das Buch wurde nicht mit dem Anspruch verfasst, möglichst konkrete und direkt einsetzbare Materialien zur Motivationsförderung zur Verfügung zu stellen. Eine solche Absicht wäre aufgrund der Komplexität und Vielfältigkeit schulischer Lerninhalte und Lernbedingungen von vornherein zum Scheitern verurteilt. Vielmehr stehen die theoretischen Grundlagen und Wirkmechanismen, auf denen einzelne Interventionen zur Förderung der Motivation beruhen, im Vordergrund. Erst ein tiefergehendes Verständnis dieser Grundlagen erlaubt es, die Modelle für die schulische und außerschulische Praxis zu adaptieren, ohne dabei Gefahr zu laufen, die Maßnahme ihrer Effektivität zu berauben. Entsprechend ist das Buch so aufgebaut, dass es vom Allgemeinen zum Spezifischen übergeht: Ausgehend von theoretischen Modellen und empirischen Befunden aus der Forschung, werden unterschiedliche Konzepte und Zusammenhänge von Motivation und schulischem Lernen dargelegt, die dann die Begründungszusammenhänge für die dargestellten Modelle der Motivationsförderung liefern.
Um auch einen Zugang zu dem Thema der Motivationsförderung bei Lernstörungen zu ermöglichen, der von den Schülern ausgeht, werden in der folgenden Übersicht zentrale motivationale Problemfelder von Schülern mit Lernstörungen skizziert. Dazu werden Verweise auf die einzelnen Kapitel des Buches gegeben, in denen die Zusammenhänge dargelegt sowie ausführliche Literaturverweise gegeben werden.
Fehlendes Interesse führt zu einer verringerten Beschäftigungsdauer mit einem Lerngegenstand sowie zur Anwendung oberflächlicher Lernstrategien. Beides führt zu schlechten Schulleistungen. Dabei entstehen schnell Wissensrückstände, die sich nur schwer wieder aufholen lassen. Interessenlosigkeit von Schülern und Schülerinnen an einem Fach entsteht, wenn in der Auseinandersetzung mit dem Fach psychologische Grundbedürfnisse nach Selbstbestimmung, Kompetenz und sozialer Einbindung nicht erfüllt werden (Kapitel 6.1). Interesse kann aber auch wieder aufgebaut werden, indem Schüler über Inhalte mitbestimmen dürfen, sie durch die Wahl geeignet schwerer Aufgaben Kompetenz erfahren, ihnen Anerkennung für ihre Leistung entgegengebracht wird und die Bedeutung des Wissens für die Schüler im Zentrum der Auseinandersetzung mit einem Thema steht (Kapitel 6.2).
Wenn Schüler Misserfolge auf die eigene Unfähigkeit und mangelnde Begabung zurückführen und Erfolge auf Glück und Zufall, dann entsteht auf Dauer eine Hilflosigkeit der Leistungssituation gegenüber (Kapitel 7.1). Diese kann in erlernter Hilflosigkeit münden: Bei den Schülern fehlt der Handlungsimpuls zur Veränderung ihrer Situation, es entsteht ein Gefühl der Niedergeschlagenheit und die Gedanken werden von negativen Zusammenhängen und Faktoren dominiert (Seligman, 1975). Die Zuschreibungen von Schülern bei Erfolg und Misserfolg lassen sich aber über zwei Wege verändern: Zum einen durch individuelle Rückmeldungen der Lehrkräfte, die die Anstrengung und die Leistungsentwicklung ihrer Schüler genau beobachten und in ihrem Urteil berücksichtigen (Kapitel 8.1). Zum anderen durch explizite Trainings, in denen die Schüler lernen, günstige Ursachenzuschreibungen bei Erfolg und Misserfolg anzuwenden (Kapitel 11).
Die Einschätzung der eigenen Fähigkeiten in einem Schulfach entsteht aus dem Vergleich mit anderen Schülern. Gute Schüler profitieren von sozialen Vergleichen und entwickeln ein positives Bild ihrer eigenen Fähigkeiten, da sie sich häufig mit schlechteren Schülern vergleichen. Hingegen haben soziale Vergleiche einen ungünstigen Effekt auf das Selbstkonzept schwacher Schüler, da diese zumeist Aufwärtsvergleiche mit stärkeren Schülern vornehmen (Kapitel 7.2). Die Art und Weise, wie Lehrkräfte den Schülern Rückmeldungen über ihre Leistungen geben, ob sie die Schüler mit anderen Schülern vergleichen oder aber deren individuellen Fortschritte betonen, hat also erhebliche Auswirkungen auf die Entwicklung des Selbstkonzeptes der Schüler. Dieses Wissen kann zur positiven Gestaltung des Selbstbildes von Schülern im Unterricht genutzt werden (Kapitel 8.6).
Schüler mit Lernstörungen zeigen oft beachtliche Fehleinschätzungen ihrer eigenen Fähigkeiten (Borchert, 2006). Eine realistische Einschätzung der eigenen Fähigkeiten ist aber für das Gelingen selbstregulierten Lernens notwendig. Um erfolgreich selbstreguliert zu lernen, müssen Schüler die Fähigkeit entwickeln, sich Ziele zu setzen, die auf dem Niveau oder leicht über ihren eigenen Fähigkeiten liegen. Solche Ziele stellen eine Herausforderung dar, die bei hinreichender Anstrengung zu meistern ist. Dadurch erfahren Schüler den Zusammenhang zwischen Lernerfolg und Anstrengung und erleben sich als Gestalter ihres eigenen Lernens (Kapitel 7.1).
Das Einüben realistischer Zielsetzungen von Schülern kann explizit über ein Zielsetzungstraining gefördert werden. Darin vergleichen Schüler wiederholt ihre eigenen Fähigkeiten mit den Zielen und der Erfolgserwartung, die sie selbst formuliert haben (Kapitel 10).
Bei einem statischen Begabungskonzept werden Intelligenz und Leistung als Resultat angeborener Begabung verstanden. Sie sind situationsübergreifend und zeitlich stabil. Der Anstrengung und der allmählichen Verbesserung wird nur eine geringe Bedeutung für die Leistung zugeschrieben. Allenfalls ist die Anstrengungsbereitschaft selbst auch etwas Statisches, das manche Menschen haben und andere nicht. Sie ist eine Art Begabung des Willens sich zusammenzureißen und Dinge zu tun, die keine Freude machen (Kapitel 7).
Ein statisches Begabungskonzept kann fatale Folgen haben, wenn es mit schlechten Leistungen und geringen Lernerfolgen einhergeht. Dann nämlich führt es zu Resignation und zur Vermeidung jeglicher Anstrengung in einer Sache, an der man vermeintlich sowieso nichts ändern kann. Befördert wird das statische Begabungskonzept durch soziale Vergleiche von Lehrkräften, Peers und Eltern bei der Leistungsbeurteilung und von zahlreichen in der Gesellschaft geteilten Vorstellungen wie z.B. dem Mythos des angeborenen Genies, dem ohne Anstrengung die Fähigkeiten zufallen, während andere sich noch so viel anstrengen können und es dennoch nie lernen.
Entsprechend können Lehrkräfte dem statischen Begabungskonzept entgegenwirken, wenn sie individuelle Leistungsbeurteilungen vornehmen, den Zusammenhang von Anstrengung und Lernerfolg betonen und letztlich selbst die eigene Einstellung zum Verhältnis von Begabung, Anstrengung und Erfolg reflektieren (Kapitel 8.1; siehe auch Dweck, 2007).
Schüler sind keine passiven Rezipienten des Wissens, das sich im Idealfall eins zu eins in ihren Köpfen abbildet. Vielmehr ist Lernen als eine Handlung zu verstehen, in der der Lernende das Wissen seiner Umwelt aktiv konstruiert und im Kontext seiner eigenen Ziele und Handlungen versteht. Zu einem gelungenen Prozess der Handlungssteuerung gehören drei Phasen: Die Planungsphase, in der eine Absicht getroffen wird, die Durchführungsphase, in der eine Handlung auch bei Problemen und Widerständen aufrecht erhalten wird, und eine Bewertungsphase, in der das Handlungsergebnis geprüft und aus den Ergebnissen gelernt wird (Kapitel 6.3).
Motivationsprobleme von Schülern mit Lernschwierigkeiten können aus mangelnder Kompetenz in jeder der drei Phasen entstehen (Kapitel 6.4). Eine geeignete Möglichkeit, die nötigen Kompetenzen zu verbessern oder gar erst zu erwerben, stellen Lerntagebücher dar, in denen systematisch Handlungen geplant, begleitet und bewertet werden (Kapitel 9).
Nach dem Überblick über Einflussfaktoren der Motivation auf schulische Lernstörungen wenden wir uns der nicht trivialen Frage zu, was Motivation denn überhaupt ist. Etymologisch leitet sich der Begriff Motivation von den lateinischen Wörtern motus „die Bewegung“ und movere „bewegen“ ab. Motivation ist demnach etwas, das bewegt, also das, was etwas in Bewegung versetzt. Das, was dabei in Bewegung versetzt wird und sich bewegt, ist ein Organismus und die Ursache für diese Bewegung liegt ebenfalls im Organismus selbst. Aus diesem Verständnis heraus wird unter Motivation häufig die Energetisierung eines Organismus verstanden. Die Folge einer solchen Energetisierung, die Bewegung eines Organismus, die aus sich selbst heraus entsteht (die nicht etwa das direkte Resultat einer äußeren Krafteinwirkung wie stoßen oder schieben ist), wird als Verhalten bezeichnet.
Bei dem Thema Motivation geht es also um nicht weniger als um die grundlegende Frage, warum Menschen sich überhaupt verhalten und nicht vielmehr nichts tun. Was treibt einen Menschen an, eine Handlung auszuführen, und warum unterlässt jemand, etwas Bestimmtes zu tun? Warum, zum Beispiel, beteiligt sich ein Schüler nicht am Unterricht, nimmt jede Gelegenheit wahr, den Anforderungen der Lehrerin zu entgehen? Stellt man diese Frage an Lehrkräfte und Studierende, ist häufig die Antwort, der Schüler sei eben unmotiviert. Aber welchen Erklärungswert hat diese Antwort? Sie impliziert, dass das äußerlich zu beobachtende Phänomen, die fehlende Teilnahme und der Rückzug, auf einem innerpsychischen Zustand beruhen. Mit einer solchen Antwort sind wir aber einer Erklärung kaum näher gekommen. Jedes menschliche Verhalten hat einen korrespondierenden innerpsychischen Zustand. Daraus wird klar, dass der Begriff Motivation in sich keinen Erkenntniswert hat. Motivation ist ein Hilfskonstrukt, ein Platzhalter für die Antwort auf die Frage, was den Menschen antreibt. Wir kennen die Antwort zwar noch nicht, haben dieser aber bereits einen Namen gegeben: Motivation.
Die grundsätzliche Frage, warum Menschen sich verhalten, kommt der Suche nach einer psychologischen Weltformel gleich. Ob es eine solche Weltformel gibt, ist zumindest fraglich. Menschliches Verhalten ist zu vielschichtig und komplex und wir sind weit davon entfernt, all diese Vielfalt in ein einheitliches Erklärungsmodell zu integrieren, trotz des immensen Erkenntnisgewinns über die Ursachen und Voraussetzungen menschlichen Verhaltens, den die Wissenschaft in den letzten 100 Jahren hervorgebracht hat. Aber es ist möglich, sich dieser Frage schrittweise anzunähern. Ein sinnvoller Anfang ist, das zu erklärende Phänomen, das menschliche Verhalten, in grundlegende Kategorien einzuteilen und zu versuchen, zunächst innerhalb einer solchen Kategorie ein gültiges Erklärungsmodell zu finden. Das heißt, den Begriff Motivation nicht auf jegliches menschliches Verhalten zu beziehen, sondern auf bestimmtes Verhalten. Dadurch schränken wir die Breite der Gültigkeit des Begriffs Motivation ein.
Welche Kategorien des Verhaltens gibt es aber? Verhalten ist Aktion oder Reaktion eines Organismus in Beziehung auf seine Umwelt oder innere Zustände. Dabei kann Verhalten für andere offen erkennbar oder verborgen sein, es kann bewusst oder unbewusst stattfinden (unbewusst z.B. dann, wenn ich schlafwandle oder aber in Gedanken abwesend einen Gegenstand wegräume) und es kann beabsichtigt oder unbeabsichtigt sein (unbeabsichtigt sind Reflexe oder konditionierte Reaktionen). In Bezug auf diese Kategorien ist eine wichtige Einschränkung, die von den meisten, wenn auch nicht allen, Motivationsforschern geteilt wird, den Begriff Motivation auf intentionales (absichtsvolles) Verhalten zu beschränken (Deci & Ryan, 1993). Intentionales Verhalten wird auch als Handlung bezeichnet.
Handlungen verfolgen einen gewissen Zweck, sie sind gerichtet auf einen zukünftigen Zustand. Ein solcher Zustand kann in der fernen Zukunft liegen, etwa wenn eine Studentin im Hinblick auf ihren Wunsch, später als Lehrerin zu arbeiten, sich für ein Studium einschreibt. Oder das Ziel kann in unmittelbarer Zukunft liegen, etwa wenn ein Zuschauer im Kino einen spannenden Film beobachtet und die Neugier auf die nächste Situation seine volle Aufmerksamkeit bindet. Mit dieser Unterscheidung geht auch die Mittelbarkeit der Handlung im Hinblick auf das zu erreichende Ziel einher. Handlungen im Hinblick auf ferne Ziele sind zumeist dadurch gekennzeichnet, dass die Handlung ein Mittel ist, um einen bestimmten Zweck zu erreichen. Die Handlung trägt dann in sich selbst keinen weiteren Zweck als den, auf das Ziel hin zu wirken. Im Gegensatz dazu erfüllen unmittelbare Handlungen direkt den Zweck, auf den sie ausgerichtet sind. Etwa dann, wenn eine Handlung den aktuell als angenehm empfundenen Zustand aufrecht erhält oder einen unangenehm Zustand verändert.
In Abbildung 1 wird dem intentionalem das nicht-intentionale Verhalten gegenüber gestellt. Dem nicht-intentionalem Verhalten liegt aus dieser Sicht keine Motivation zugrunde, und es wird als amotiviert bezeichnet. Auch amotiviertes Verhalten lässt sich psychologisch begründen und erklären. Allerdings aus einer anderen Vorstellung heraus als der, die zumeist von Motivationsforschern eingenommen wird. Zumeist werden dazu physiologische oder lerntheoretisch-behavioristische Modelle herangezogen.
Aus einer streng behavioristischen Sicht ist menschliches Verhalten reaktiv. Verhalten beantwortet die Wahrnehmung eines Reizes, der auf den Organismus einwirkt. Zunächst sind solche Reaktionen angeboren. Reiz-Reaktions- und Reaktions-Folge-Verknüpfungen werden im Gedächtnis gespeichert und verändern wiederum die Reaktionswahrscheinlichkeiten auf zukünftige Reize. Es entstehen neue Reaktionsmöglichkeiten neben den angeborenen. Dieser Erwerb wird als Konditionierung bezeichnet (im Hinblick darauf, dass neue Bedingungen für Reaktionen erworben werden). Allgemeiner wird eine solche Veränderung in der Verhaltensdisposition eines Organismus als Lernen bezeichnet.
Abb. 1: Motiviertes und amotivertes Verhalten
Letztlich lässt sich aus diesem Paradigma heraus jedes Verhalten erklären, auch solches, dem wir bestimmte Motive und Motivationen zugrunde legen, d.h. dem unterstellt wird, es sei intentional. Dazu müssen wir aber die Annahme teilen, dass menschliches Verhalten immer reaktiv ist. Dies hat den Preis, dass Intentionalität, Wille und bewusste Entscheidungsfreiheit im menschlichen Verhalten verneint und als Homunkulus (ein Menschlein in unseren Köpfen, das zwar alles bewusst beobachten kann, aber wie der Zuschauer eines Theaterstücks keinen Einfluss auf das Geschehen hat) oder Epiphänomen (Bewusstsein und freier Wille als ein zufälliges und funktionsloses Nebenprodukt neuronaler Prozesse) abgelehnt werden. Es ist eine grundsätzliche axiomatische Annahme der Motivationsforschung, dass Menschen aktiv und aus sich heraus Handlungen initiieren und nicht nur reaktiv sind. Dazu gehört auch die Annahme eines Willens, der Handlungen aufrecht erhält und selbst als Ursache von Handlungen beschrieben werden kann, wie dies in der Willenspsychologie von Ach konzeptualisiert wurde (vgl. Schmalt, 1999).
Auf die unterschiedlichen Menschenbilder, die diesen Sichtweisen zugrunde liegen, soll hier nicht weiter eingegangen werden. Vielmehr soll eine pragmatische Sichtweise eingenommen werden, aus der heraus solche Theorien bevorzugt werden, die einen hohen prognostischen Wert hinsichtlich zukünftigen Verhaltens haben und aus denen sich wirksame Methoden zur Veränderung des Verhaltens ableiten lassen. Dabei stellen behavioristische und motivationale Sichtweisen nicht zwingend Gegensätze dar. So lässt sich annehmen, dass Teile unseres kognitiven Informationsverarbeitungsprozesses amotiviert, automatisch, reaktiv und ohne Bewusstsein ablaufen, während auf einer höheren Ebene der Handlungssteuerung Motivationen, Bewusstsein und Intentionalität eine Rolle spielen (Posner & Snyder, 1975).
Bis hierhin haben wir uns mit dem Antrieb beschäftigt, der menschliche Handlungen ermöglicht und diesen als Motivation bezeichnet. Unberücksichtigt blieb die Richtung, in die das Handeln verläuft. Die Richtung einer Handlung entsteht aus ihrem Motiv. Ein Motiv ist die positive oder negative Bedeutung, die eine Person einem Handlungsziel zuschreibt (z. B. wie wichtig einer Person Nähe oder Erfolg sind). Je nach psychologischer Schule, sind Motive Persönlichkeitsmerkmale, Bedürfnisse oder Triebe. In jedem Fall bestimmen sie, wie eine Person eine Situation wahrnimmt, empfindet und bewertet. Wirkt eine Situation auf eine Person derart, dass für sie die Möglichkeit besteht, ein Motiv zu realisieren, dann entsteht daraus eine konkrete Motivation (siehe Abbildung 2).
Dies bedeutet, dass die gleiche Situation bei verschiedenen Personen unterschiedliche Motivationen auslösen kann, da Personen unterschiedliche Motive haben. Z.B. hat eine Schülerin ein ausgeprägtes Motiv nach sozialer Nähe. Kommt sie morgens in die Schule und betritt den mit Mitschülern gefüllten Klassenraum, regt diese Situation ihr Motiv an und es entsteht die Motivation, mit Mitschülern ins Gespräch zu kommen und neue Kontakte zu schließen. Eine ihrer Mitschülerinnen hingegen hat ein deutlicher ausgeprägtes Motiv nach Leistung. Betritt diese morgens den gleichen Klassenraum, dann nimmt sie stärker die Möglichkeit des sozialen Vergleichs mit den anderen Schülerinnen wahr. Dies löst bei ihr eine aktuelle Motivation zur Leistung aus.
Abb. 2: Interaktionistisches Modell der Entstehung von Motivation und ihrer Wirkungen
Motivationen wirken sich nicht nur auf das Verhalten aus. In Abbildung 2 wird ersichtlich, dass neben dem Verhalten auch alle weiteren Grundbausteine der Psyche durch die Motivation beeinflusst werden. Motivationen beeinflussen die Art, wie wir unsere Umwelt wahrnehmen, die Emotionen, die in einer Situation entstehen, und unsere Gedanken, Bewertungen und Urteile (zusammengefasst als Kognitionen), die wir in bestimmten Situationen haben.
Hierzu ein Beispiel. Ein Schüler mit schulischen Problemen hat ein starkes Motiv, Misserfolge zu vermeiden, da er diese in besonderem Maß als aversiv erlebt hat. Die Schulsituation regt sein Misserfolgsmotiv an, da er dort schon häufig Misserfolgserlebnisse hatte. Es entsteht eine Misserfolgsmotivation. Der Schüler schwänzt wenn möglich die Schule, um der Situation aus dem Weg zu gehen. Sollte ihm dies nicht möglich sein, verweigert er Aufgaben im Unterricht, kaspert herum und streitet sich mit Mitschülern, um Leistungssituationen zu verhindern (Verhaltensebene). Er sieht vor allem die Leistung fordernden Aspekte des Verhaltens seiner Lehrerin und übersieht ihr stützendes und zuwendendes Verhalten (Wahrnehmungsebene). Die Schule löst bei dem Schüler das Gefühl einer Bedrohung und Angst oder auch des Widerwillens und Ekels aus (emotionale Ebene). Schließlich bewertet er die Schule als unwichtig für das eigene Leben und betrachtet die Schule als Einrichtung, die mit stattlicher Gewalt gegen seine Interessen vorgeht (kognitive Ebene).