EUPHORIA Z
ein Horror-Thriller von
Luke Ahearn
aus dem Amerikanischen übersetzt von
Andreas Schiffmann
This Translation is published by arrangement with Luke Ahearn
Title: EUPHORIA Z. All rights reserved.
Diese Geschichte ist frei erfunden. Sämtliche Namen, Charaktere, Firmen, Einrichtungen, Orte, Ereignisse und Begebenheiten sind entweder das Produkt der Fantasie des Autors oder wurden fiktiv verwendet. Jede Ähnlichkeit mit tatsächlichen Personen, lebend oder tot, Ereignissen oder Schauplätzen ist rein zufällig.
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Im Stockdüsteren bei lauter Musik aufzuwachen, war verstörend, doch Panik bekam er wegen des Gefühls zu ersticken. Cooper zog sich das Kissen vom Gesicht und die Stöpsel aus den Ohren. Die darauffolgende Stille erschlug ihn förmlich. Er sprang auf und sah aus dem Fenster. Es war ein schöner Tag. Als er das Fenster öffnete und lauschte, hörte er überhaupt nichts – keine Vögel, kein Hundegebell, kein Verkehrslärm oder Sirenen in der Ferne. Dies verlieh dem angenehmen Wetter eine desolate, bedrückende Atmosphäre. Er fragte sich, wie viele Menschen auf der Welt noch lebten.
Er sah die Leichen. Sie bildeten ein dichtes Gewirr auf den Straßen, während es ungesund nach Fäkalien und Fäulnis stank. Sie zählten zu denjenigen, die nicht durch Schüsse, sondern aufgrund der Infektion den Tod gefunden hatten. Ihre Körper sahen verheerend aus, zerfetzt von den aufgeplatzten Geschwülsten. Die Straße triefte vor Blut und anderen Körperflüssigkeiten.
Cooper spürte, wie sich sein Magen umdrehte. Nachdem er das Fenster geschlossen hatte, fiel er auf die Knie und erbrach sich. Sein Magen hörte nicht auf, sich zu verkrampfen und zu rumoren. Es dauerte eine Weile, bis die Übelkeit nachließ.
Später fuhr er wieder mit dem Range Rover durch die Stadt, um nach einem Ausweg zu suchen. Er fuhr zwar mit geschlossenen Scheiben, aber der Gestank drang trotzdem ein und verursachte ihm Würgereiz. Leichenberge verbargen die Sicht auf die niedrigen Gebäude im Zentrum. Ein Wall von Toten umgab den Stadtkern, doch sobald er ihn passiert hatte, waren die Straßen frei.
Die Haufen waren ordentlich aufgeschichtet, doch die Körper sahen furchtbar aus. Es waren gebrochene Glieder, Brustkörbe und ein Wust aus menschlichen Überresten, die diese Wand bildeten. Cooper musste sich zwingen, nicht hinzuschauen. Als er an dem Burger-Imbiss vorbeifuhr, in dem er gearbeitet hatte, stapelten sich auch davor die Leichen. Grauweiße Beine ragten aus dem Wall heraus, zersplitterte Knochen, Köpfe und Arme, überspannt mit Kleidungsstücken. Roter Schlick quoll von dem Berg und floss in den Rinnstein. Als er glaubte, ein Gesicht wiederzuerkennen, wandte er sich schnell ab.
Cooper blieb bei laufendem Motor sitzen. Seine Welt lag in Trümmern, und ihm wurde bewusst, wie allein er war. Die vielen Menschen, die er täglich getroffen hatte, lebten mit ziemlicher Gewissheit nicht mehr. Wie viele meiner Freunde verrotten auf diesen Haufen? Die Vorstellung traf ihn hart.
Cooper klammerte sich ans Lenkrad. Panik überkam ihn. Alle Menschen, die er je kennengelernt hatte – Verwandte, Freunde, Fremde und sogar die Arschgesichter der Welt –, die Zutaten seines Lebens, waren für immer verschwunden. Das schnürte ihm die Kehle zu. Er wollte die Flucht ergreifen, doch es gab keinen Ort, an den er sich zurückziehen konnte. Seine Eltern wohnten in einem Camper in der Wüste, außer Reichweite. Coopers Sorge um seine Schwester übertraf seine eigene vergebliche Sehnsucht nach dem Trost des Vertrauten bei weitem.
Ihm fiel eine Bewegung auf, und als er den Kopf drehte, geriet der Haufen in Wallung. Körper rollten herunter. Zunächst dachte er, ein Tier befände sich darunter und fresse das Fleisch, oder womöglich blähten Gase, die nach dem Tod entstanden, die Leiber auf und brachten sie ins Rutschen. Dann jedoch erkannte er, dass sich die Glieder eines Toten rührten, und fühlte sich wie vom Blitz getroffen. Sein Verstand weigerte sich hinzunehmen, dass sich Menschen bewegten, die nicht mehr lebten. Doch als die erste Leiche vor ihm stand, ließ sich nicht mehr leugnen, dass etwas Unglaubliches vor sich ging.
Er beobachtete, wie sich eine nackte Frau aufraffte und einen Augenblick lang schwankend stehenblieb, während sie sich langsam umschaute. Sie musste zu Lebzeiten attraktiv gewesen sein, doch jetzt sackte ihr Fleisch grau von den Knochen, Dreck und Müll klebten an ihr, und ihre Kopfhaut war zur Hälfte abgerissen worden, sodass sie wie ein großer Lappen am Schädel hing. Als sie sich umdrehte, sah ihr Hintern aus, als sei das Gewebe dort mit einem Käsehobel geraspelt worden. Gut möglich, dass jemand sie hinter einem Auto hergezogen hatte.
Weitere Leichen standen mühselig auf. Cooper trat kräftig aufs Gas und würgte den Motor ab. Das Herz klopfte ihm quälend heftig in der Brust. Er betätigte die Zündung, doch nichts passierte – noch ein Riesenschreck, aber er hatte schlicht vergessen, den Schalthebel in Parkstellung zu bringen.
Nun schaute er wieder zu den auferstehenden Toten. Durch die Infizierten zu fahren, war schauerlich gewesen, doch zu sehen, wie die Leichen sich erhoben, war einfach zu viel. Sie rutschten weiter und regten sich, darunter auch, wie er nun erkannte, sein ehemaliger Chef. Ja, der Betreiber des Imbisses starrte ihn an, was Cooper schockierte. Er glaubte nicht, etwas getan zu haben, das Aufmerksamkeit erregte.
Als er den Schlüssel erneut umdrehte, sprang der Motor an. Die große Schar Toter fuhr herum und begann, geschlossen auf ihn zuzukommen, allen voran sein ehemaliger Chef. Der tote Mann schnappte nach dem Wagen und steckte seinen Arm ins halboffene Fenster der Beifahrertür. Cooper schleifte ihn ein Stück mit, ehe der Arm abriss. Dann bremste er und setzte zurück, um sicherzugehen, dass der Kerl tot war. In diesem Moment wusste er, dass er aus der Stadt verschwinden und sich von allen besiedelten Gegenden fernhalten musste.
Vor seinen Augen erhoben sich die Toten, während er der einzige Überlebende in Monterey zu sein schien. Im Rückspiegel sah er, wie die Berge Tausender Leiber unruhig wurden und sich verschoben.
***
Als Cooper auf den Parkplatz der Filiale einer großen Lebensmittelkette einbog, bremste er sofort. Mehrere Personen eilten mit Armen voller Waren und aberwitzig hoch gefüllten Einkaufswagen aus dem Gebäude. Er steuerte die hintere Ausfahrt des Parkplatzes an, dies war eine Abkürzung zum Highway. Während er über das von Bäumen umgebene Gelände fuhr, stürzte ein schmutziger, blutbesudelter Mann aus dem Dickicht auf eine Frau zu, stieß sie um und biss sie, doch Cooper wunderte sich eher darüber, lebendige Menschen aus dem Geschäft kommen zu sehen, als über einen aggressiven Toten.
Plötzlich tummelten sich Hunderte von Leichen auf dem Parkplatz. Sie fielen aus den dichten Hecken auf der gegenüberliegenden Seite ein und umzingelten die Lebenden. Menschen schrien, während sie von den Toten niedergerungen wurden. Ein Wagen fuhr mit quietschenden Reifen los, rammte aber einen Baum, nachdem einer der Toten kopfüber durch eines der offenen Fenster gesprungen war. Auf einmal herrschte wieder Stille, abgesehen vom Stöhnen und Kauen der Leichen. Cooper fuhr langsam zur Rückseite des Gebäudes, als ein zweiter Ansturm erfolgte.
Er gab Gas und schaffte es bis hinter den Laden. Ein Toter rannte auf ihn zu, sodass er nicht umhinkam, ihn anzufahren. Der Mann flog etwa 20 Fuß weit, richtete sich aber sofort wieder auf. Er konnte zwar kaum mehr auf seinen zertrümmerten Knochen stehen, torkelte aber dennoch wieder auf Cooper zu.
Der fuhr nun an der Seitenmauer des großen Gebäudes entlang, während zu seiner Rechten ein hoher Zaun stand. Er musste weiterkommen und den Mann noch einmal rammen, um seinen Weg fortzusetzen, also jagte er den Motor hoch und traf den Toten so schwungvoll, dass dieser über die Motorhaube rutschte und gegen die Windschutzscheibe knallte. Risse wie Spinnweben breiteten sich im Glas aus. Der Mann rollte übers Dach des Wagens und fiel hinten hinunter, wie Cooper im Rückspiegel sah.
Als er weiterfuhr, näherte er sich endlich der Straße, die ihn an dem Lebensmittelgeschäft vorbeiführen würde. Über das Brummen des Motors hinweg hörte er Schreie, weshalb er stehenblieb. Eine Handvoll Personen weiter unten auf dem Weg stürmte zum Gebäude. Wenige Augenblicke später strömte die nächste Schar Toter über die Straße und versperrte sie. Cooper musste wenden, um einen anderen Fluchtweg aus der Stadt zu finden.
Indem er durch Nebenstraßen brauste und einmal querfeldein durch einen Park fuhr, gelang es ihm, den Großteil der lebenden Leichen zu meiden. Einige schlurften umher, und er konnte ihnen nicht immer ausweichen, sondern fuhr sie um.
So langsam gingen ihm die Ideen aus, was sein Entkommen aus der Stadt betraf. Seine letzte Hoffnung, den Highway zu erreichen, setzte er in eine Auffahrt, die sich gleich vor ihm befand, doch als er sich näherte, erkannte er, dass dieser Zuweg sowie die Schnellstraße selbst verstopft waren mit toten Leibern und umgekippten Fahrzeugen. Er wollte gerade erneut wenden, als er Schüsse hörte.
Derjenige, der sie abgab, schien nicht allzu weit entfernt zu sein. Cooper fuhr langsam in die Richtung zurück, aus der er gekommen war, und schaute sich nach dem möglichen Ursprung der Schüsse um, während er sich fragte, wer feuerte und worauf. Plötzlich explodierte die Heckscheibe, und Schaumstoffstücke der Kopflehne des Beifahrersitzes flogen herum. Er brauchte nicht einmal eine Sekunde, um zu begreifen, dass er unter Beschuss stand, weshalb er das Letzte aus dem Wagen holte. Weitere Schüsse folgten, und er duckte sich, während er die Flucht ergriff.
Cooper drehte sich um, weil er wissen wollte, ob er verfolgt wurde, und als er wieder nach vorne schaute, fuhr ihm ein anderer Wagen direkt in den Weg. Er hatte keine Zeit mehr zum Bremsen und rammte das kleinere Fahrzeug. Der Aufprall war markerschütternd und er konnte von Glück sagen, sich angeschnallt zu haben. Dennoch wurde er herumgeschleudert, erlitt Prellungen am ganzen Körper und drohte, die Besinnung zu verlieren.
Verschwommen sah er den Fahrer des anderen Wagens, der auf dem Lenkrad zusammengesackt war, und hörte, wie jemand von hinten gelaufen kam. Zweifellos derjenige, der versucht hatte, ihn zu töten. Dann wurde er ohnmächtig.
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Sal konnte seine Füße kaum noch heben und bewegte sich im Schneckentempo die Straße entlang. Sein Körper spielte nicht mehr mit, er hielt ihn mit schierer Willenskraft aufrecht. Der Himmel vor ihm glühte in unterschiedlichen Farben, und bald würde ihn die Sonne blenden, die am fernen Horizont aufstieg.
Er war die ganze Nacht gelaufen, und die Santa Cruz Mountains lagen jetzt hinter ihm. Endlich stolperte er und kippte vornüber, verlor mitten auf dem Highway das Bewusstsein. Er hatte den Ort erreicht, an dem er zu sterben hoffte.
***
»Er lebt noch.« Jordan Ling kauerte vor dem großen Mann, der mitten auf der Fahrbahn lag, ohnmächtig und mit dem Gesicht nach unten. Sie befürchtete, er würde sterben, falls sie ihn hier draußen zurückließen. Bald ging die Sonne unter, und wenn sie verschwand, wurde es kalt.
Sie drehte sich nach ihren beiden Brüdern um, die fast gleichaltrig waren und einander so ähnlich sahen, dass die Menschen sie ständig für Zwillinge hielten.
»Helft mir, ihn umzudrehen.« Jordan war klein und hätte es nie geschafft, diesen Riesen alleine zu bewegen. Ihre Brüder packten mit an, doch selbst zu dritt fiel es ihnen nicht leicht.
»Danke«, sagte sie geistesabwesend. Obwohl sie als Teenager durchging, war sie Ende 20.
Ihre Brüder wirkten gelangweilt. Sie waren fast zehn Jahre jünger als sie, und Jordan sorgte sich ständig um die beiden. Während sie in Informatik promoviert hatte, schien das College für die Jungs überhaupt nicht infrage zu kommen. Die Geschwister befanden sich auf dem Weg in die Berge, wo sie sich mit ihren Eltern treffen wollten, denen dort ein Wochenendhaus gehörte.
»Hey.« Sie klopfte dem Mann leicht auf die Wange.
Seine Lider flimmerten, doch er öffnete die Augen nicht.
»Was sollen wir mit ihm machen, Jord?«, quengelte einer der Brüder.
»Weiß nicht, aber wir können ihn nicht einfach liegenlassen.«
»Was, wenn er infiziert ist?«
»Dann würde er nicht hier herumliegen, sondern nackt über den Highway rennen und schreien.«
Sal wachte langsam auf. Die Welt verschwamm in einem Farbenmeer. Er war ausgehungert, dehydriert und extrem erschöpft, vor allem aber enttäuscht darüber, noch zu leben. So schloss er seine Augen wieder, ohne die drei Personen zu bemerken, die ihn umringten. Allerdings spürte er etwas in seinem Gesicht, als tätschelte es jemand. Kurz glaubte er, es sei Maria, aber dann versetzte die Erinnerung an ihren enthaupteten Körper seinem Herzen einen Stich.
Während das Tätscheln weiterging, öffnete er die Augen ein wenig. Ohnehin ließen sich seine verklebten Lider nur schwerlich öffnen. Sein Herz tat einen Sprung – es war wirklich Maria! Er wusste, dass sie nicht mehr lebte, doch dies war ihr Geist. Vielleicht hatte er sein Leben doch ausgehaucht. Er versuchte, zu sprechen, brachte aber nur ein paar gemurmelte Worte hervor.
»Ich liebe … vermisse dich.«
Und seine Erscheinung antwortete: »Schon gut, Sie kommen wieder auf die Beine.«
Sal versuchte, eine Hand hochzuheben, um die Stimme zu berühren.
»Ich … vermisse dich.« Er verzog sein Gesicht und fing an zu weinen, doch seine Augen blieben trocken. »… so leid …«
»Ihnen geht es bald wieder gut.« Die Stimme spendete Sal Trost, eine bloße Erinnerung daran, was er verloren hatte.
»Nicht ohne … dich. Niemals … wieder gutgehen. Lass mich sterben.«
Sie klopfte ihm weiter auf die Wange. »Nein, das kann ich nicht zulassen, bedaure.«
»Niemand … der es wert ist … niemand.« Er konnte sich nicht deutlich artikulieren, seine Gedanken waren wirr.
»Komm jetzt, Jordan, der Kerl will nicht mehr leben.«
Sie warf einen bösen Blick zurück. »Meinst du das ernst? Du könntest jemanden im Stich lassen, damit er stirbt?« Ihre Brüder bereiteten Jordan Kummer, sie kamen ihr so unmotiviert und egoistisch vor.
»Er sagte doch, dass er das will«, brummte der eine zu seiner Verteidigung.
Jordan widmete sich wieder dem großen Mann, hatte aber keinen blassen Schimmer, was sie tun sollte. »Ihr seht doch, dass er nicht richtig bei der Sache ist. Wir wissen nicht, ob er wirklich sterben möchte.«
»Und was sollen wir jetzt machen?«
Jordan schaute sich um. »Dort. Tragen wir ihn hinüber. Das ist ein wenig sicherer. Wir sollten ihm Wasser geben. Dann können wir ihn mit etwas zu essen und zu trinken alleinlassen, um ihm zu helfen.«
»Ja, das können wir tun.« Einer der Brüder seufzte, beide kamen ohne Begeisterung zu ihr.
Den schweren Mann vom Highway ins Gras zu ziehen, bereitete ihnen einige Mühe. Jordan setzte sich neben seinen Kopf und flößte ihm ein wenig Wasser ein, wozu sie den Deckel einer Flasche verwendete. Nachdem sie das mehrmals wiederholt hatte, fiel ihr auf, dass er nicht schluckte, sondern die Flüssigkeit aushustete. Er hätte selbst an dieser geringen Menge ersticken können, zumindest war ihr so etwas einmal zu Ohren gekommen. Sie musste seinen Kopf zur Seite drehen, damit er Luft bekam.
Die Jungs stellten ein paar Flaschen und zwei Suppenkonserven neben ihn. Jordan fuhr damit fort, geringe Mengen Wasser in seinen Mund zu träufeln, bis er aus eigenen Stücken etwas davon schluckte. Sie fragte sich, wer er war, woher er kam und wohin er wollte. Der Highway 17 schlängelte sich viele Meilen weit durch die Berge und entlang der Strecke lebte so gut wie niemand, also war er vielleicht aus dem gleichen Grund wie sie hergekommen – um den Zombies zu entrinnen. So jedenfalls nannten ihre Brüder sie, und das waren sie allem Anschein nach auch.
Während sie sich bemühte, den Mann zum Trinken zu bewegen, musste sie unweigerlich die schrecklichen Ereignisse der vergangenen Tage Revue passieren lassen. Sie hatte sich auf der Arbeit eingefunden – einem IT-Betrieb – und sich vor dem Wahnsinn eingesperrt, um ihren Geist beschäftigt zu halten. Dann, nachdem die grässlichen Schreie verklungen und anscheinend alle gestorben waren, hatte sie sich zu Fuß auf den Nachhauseweg gemacht. Sie war die Straße hinuntergegangen, in der sie gewohnt hatte, als die Toten sich erhoben. Entsetzt hatte Jordan beobachtet, wie sich die Leichen überall in der Umgebung regten. Nackt waren sie gewesen, dreckig und schwerverletzt. Ein Mann hatte sich wenige Yards vor ihr aufgerafft und ihr den Rücken zugekehrt. Während er davonging, hatte sie ein paar Fuß seines Enddarms aus dem Anus hängen sehen wie einen dicken, roten Schwanz.
Einige Nachbarn waren draußen gewesen und schafften Leichen von ihrem Rasen. Sie zählten zu den ersten Opfern. Die Toten ergriffen sie und begannen, sie zu beißen. Sie schaute zu, wie einem Mann ein Stück Fleisch von einem Toten aus der Wade gerissen wurde, der neben ihm auf der Erde lag.
Bei diesem Anblick hatte sich ihr Magen aufgebäumt und ihr Herz heftig geklopft. Der Gebissene stieß einen grässlichen Schrei aus. Sie wollte davonlaufen, blieb aber wie angewurzelt stehen. Dann sah sie mit an, wie eine alte Dame verzweifelt versuchte, in ihr Haus zurückzulaufen. Ein dicker, nackter Mann packte sie von hinten und zwang sie zu Boden. Er biss ihr ein Stück aus der Schulter, und sie kreischte auf. Diese Laute waren das Schlimmste. Zu hören, wie jemand gefressen wurde, kam Jordan fast schlimmer vor, als dabei zuzusehen.
Die Frau wurde am Boden festgehalten, als eine weitere Leiche, ein Teenager mit langem Haar, in seiner Hast, an das frische Fleisch zu gelangen, auf den Bauch fiel. Jordan kam sich hilflos vor, während sie das sah. Der knabenhafte Tote biss in ihren Schenkel und riss ihr die Kleider vom Leib, ehe er seine Zähne noch einmal in ihr vergrub. Die Frau brüllte. Jordan hielt sich die Ohren zu, doch es war zu laut. Die Alte schrie noch lange, weil die Leichen, die sie zerpflückten, eine gewisse Zeit benötigten, um an ihre lebenswichtigen Organe zu gelangen. Der dicke, schwarze Mann aß Fleisch, das er ihr mit den Zähnen vom Rücken riss. Er trennte jeweils einen Streifen heraus und kaute gründlich, bevor er fortfuhr. Sie schlug um sich und kreischte unter seinem Gewicht. Während sie dies tat, warfen sich weitere Tote auf sie, bissen zu und zerrten an ihrem Körper. Sie kauten langsam, während sie sie am Boden festhielten. Sie schrie noch immer, als Jordan wegrannte.
Sie schaffte es zu ihrem Haus, wo sie nicht glauben konnte, dass ihre dämlichen Brüder noch lebten und wohlauf waren, auf dem Sofa saßen und sich mit Essen vollstopften. Als sie zuletzt mit ihren Eltern gesprochen hatte, waren beide wohlbehalten in ihrem Wochenendhaus gewesen, also hatte sie mit ihren Brüdern dorthin fahren wollen, aber da war kein Durchkommen. Nun versuchte sie schon seit Tagen, sich an den wandelnden Leichen vorbei zu stehlen und schleifte die beiden Dummköpfe mit. Sie schienen nicht zu begreifen, wie groß die Gefahr ringsum war.
Die Sonne ging langsam unter. Sie mussten ihren Weg fortsetzen, um nicht im Finsteren durch den Wald gehen zu müssen. Selbst in einer mondhellen Nacht sah man wegen der hohen Bäume und ihres dichten Blätterdachs die Hand vor Augen nicht, weshalb man nur schwerlich vorankam, ohne zu stolpern oder irgendwo anzustoßen. Jordan zog eine Decke aus ihrem Rucksack und wollte sie über dem bewusstlosen Riesenkerl ausbreiten.
»Wirklich?« Ihr Bruder klang verstimmt.
»Ja! Wir lassen diesen armen Mann nicht hier mitten im Nirgendwo herumliegen, und das nachts, damit wir weiter zu einem warmen, sicheren Haus gehen können. Ihr wisst, wie kalt es hier ist, wenn es dunkel wird. Gebt euch einen Ruck.« Sie packte den großen Kerl sorgfältig ein und nahm sich vor, wenn möglich, zurückzukehren, um nach ihm zu schauen.
Ihre Brüder machten sich bereits auf den Weg. Jordan schob dem großen, traurigen Mann immer noch ihre Decke unter.
»Ich wi… Ich will sterben«, nuschelte Sal wieder.
Sie tätschelte sein Gesicht noch einmal und beugte sich über ihn, während sie die Enden der Decke unter seinen Körper stopfte. »Ich habe dich nicht aufgelesen, damit du dich umbringst, okay?«
Sal nahm kaum wahr, was in seiner Umgebung geschah. Er sah Maria – beziehungsweise ihren Geist. Sie wuselte um ihn herum, ihr Haar streifte und kitzelte sein Gesicht. Das brachte ihn ein Stück weit zur Besinnung, und er erkannte, dass sie ihn rettete. Dann klopfte sie ihm wieder auf die Wangen und redete auf ihn ein, doch erst, kurz bevor er zurück ins Dunkel abdriftete, gelang es ihm, zu verstehen, was sie sagte.
***
Sal kam mitten in der Nacht zu sich. Den Himmel über ihm umrahmten die Umrisse von Ästen. Die Sterne leuchteten hell. Er zitterte, weil die nächtliche Luft kalt war – so sehr, dass es wehtat. Er blieb einen Moment lang still liegen und rekapitulierte seinen Traum. Maria hatte ihn gerettet, ja sogar mit ihm gesprochen: Ich habe dich nicht aufgelesen, damit du dich umbringst, Sal. Genau diese Worte hatte sie gesagt, dessen war er sich sicher.
Er setzte sich aufrecht hin, eine Decke rutschte von seinem Körper. Sal entsann sich, auf der Straße zusammengebrochen und vor Erschöpfung in Ohnmacht gefallen zu sein. Wenngleich er bäuchlings liegengeblieben war, hatte er sein Bewusstsein auf dem Rücken wiedererlangt. Er befühlte die weiche Decke. Woher kam sie? War ihm Maria wirklich erschienen? Er faltete den Stoff und legte sie über seine Schultern. So war ihm viel wärmer, und er schlief weiter, bis in die Früh.
Kurz bevor die Sonne aufging, wachte er auf. Die Kälte dauerte an, und Morgentau benetzte alles. Er fühlte sich jämmerlich, und als er aufstehen wollte, waren seine Glieder zu steif, zu wund, zu schwach. Seine Füße quälten ihn. Er hatte einen Schuh verloren, während der andere locker mit abgelöster Sohle auf seinen Zehen steckte. Nachdem er ihn abgestreift hatte, legte er sich wieder hin – eingewickelt in die Decke – und wartete darauf, dass sich die Sonne zeigte.
Er war hungrig und durstig, vor allem Letzteres. Was ihn zugedeckt in einen Wald verschlagen hatte, blieb ihm schleierhaft, doch der Traum, er kam ihm wirklich vor. Endlich war die Sonne so weit aufgestiegen, dass sie die Erde wärmte und bald auch trocknen würde. Sal wälzte sich herum, damit er auf allen Vieren hochkommen und schließlich versuchen konnte, sich hinstellen, als er zwei Dosen Suppe und Wasserflaschen entdeckte.
»Maria?«, fragte er leise in der Hoffnung, sie würde antworten, obwohl er wusste, dass dies nicht geschehen würde. Er war überzeugt davon, dass sie ihn gerettet hatte, und zweifelte doch an seinem Verstand.
Nachdem er beide Konserven aufgemacht und verzehrt hatte, trank er eine halbe Flasche Wasser. Zuerst wurde ihm davon übel, weil er so lange nichts zu sich genommen hatte, doch es dauerte nicht lange, bis er sich besser fühlte und wieder losmarschierte, die Flaschen an die Brust gedrückt und die Decke über die Schultern gelegt.
Als ihn etwas am Hals kitzelte, fuhr er sich mit einer Hand über die Haut und bekam ein langes, dunkles Haar zu fassen. Nun betrachtete er die Decke genauer; daran hafteten weitere Haare – Marias Haare. Sie musste ihn gerettet haben, daran bestand nun kein Zweifel mehr, und er zog sich den Stoff fester um den Oberkörper. Er vermisste sie und war immer noch traurig, ja totunglücklich, aber sie war zu ihm gekommen und hatte sein Leben gerettet. Zu überleben und das Glück wiederfinden, das musste er für sie tun. Er würde sie in Ehren halten, ihr ungeheures Geschenk an ihn. Deshalb begann er wieder, auf dem Highway 17 voranzuschreiten, und gelangte so nach San José.
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Auch mit geschlossenen Augen spürte er, wie sich sein Kopf drehte. Speichel sammelte sich in seinem Mund, während sich sein Körper darauf einstellte, den Mageninhalt abzustoßen, doch Cooper hielt es zurück. Als er die Lider aufschlug, war es noch dunkel, und alles rotierte weiter. Da wusste er sofort, dass er sich an einem Ort befand, an dem er nicht sein wollte.
Als er sich aufrecht hinsetzte, zuckte er vor Schmerzen zusammen. Er fühlte sich, als sei jede einzelne Muskelfaser in seinem Körper gezerrt. Es war wie Muskelkater, nachdem man tags zuvor zermürbend hart trainiert hatte, bloß viel schlimmer. Er atmete mehrmals bewusst ein und aus, was es aber nur wenig besser machte. Wo auch immer er saß, es roch muffig und alt. Die Luft war abgestanden, warm und stickig, als wäre sie lange verbraucht. Doch stärker als diese Eindrücke tat sich ein beißender Gestank hervor, den er zuerst nicht genau zuordnen konnte. Er war so intensiv, dass Cooper Kopfschmerzen und ein brennendes Gefühl in der Nase bekam. Dann dämmerte es ihm: Bleiche.
Er klopfte sich ab, knetete seine Muskeln und suchte nach Verletzungen. Alles schien heil zu sein, abgesehen von einer schmerzenden Beule an seinem Hals; eine Spinne musste ihn gebissen haben. In Kalifornien konnte man sich vor bissigen Insekten wie der Braunen Einsiedlerspinne oder der Schwarzen Witwe kaum retten. Es wäre nicht sein erster Biss gewesen. So etwas tat stets höllisch weh und die Heilung dauerte ewig.
Cooper tastete in der Finsternis herum. Er saß auf einem groben Kurzhaarteppich. Ihm schwirrte zwar immer noch der Kopf, doch das ließ nach. Er überlegte, was er jetzt tun sollte, als ihn ein lauter Knall aufschreckte. Gedämpftes Licht fiel aus einer geöffneten Tür vor seinen Füßen ein. Er steckte im Frachtraum eines Kleinbusses. Das Licht kam von einer elektrischen Lampe, die jemand vor der offenen Tür hochhielt.
»Sag ich’s doch, du hast es versaut …« Der Mann, dessen Stimme er hörte, schien mit jemand anderem zu sprechen, richtete seine Aufmerksamkeit aber gleich ins Innere des Busses und auf Cooper. »Hab ich doch richtig gehört, du bist wach.« Der Fremde trug Dreadlocks. Er sah aus wie der Eremit auf Tarotkarten, während er die Laterne über seinen Kopf hielt. Eine junge Frau tauchte neben ihm auf.
»Hey, alles in Ordnung mit dir?« Sie schien Anfang 20 zu sein, wirkte aber grob, was sie älter aussehen ließ. Ihr Blick war nicht ganz klar, während sie ihn anschaute, ihr Schopf ein ungepflegtes, verfilztes Nest, das sie mit alten Haargummis zurückgebunden hatte. Ihre Haut glänzte fettig im Schein der Lampe. Sie trug ein enges, weißes Muskelshirt, durch das sich große Ringe an beiden Brustwarzen abzeichneten.
Der Kerl stand ihr in nichts nach, was sein Erscheinungsbild und Verständnis von Hygiene anging. Er war größer und stand da, als halte er sich für einen harten Typen, was einen Widerspruch zu seinem hippieartigen Aufzug darstellte. Er blickte ausdruckslos glasig drein – eindeutig bekifft, und so klang es auch, wenn er redete. »Ja, Mann, alles senkrecht bei dir? Wir hatten echt Bedenken deinetwegen.«
Er lehnte sich an die Hecktür und versperrte somit den Ausstieg, denn als Cooper ins Freie wollte, schien er sich nicht bemüßigt zu sehen, Platz zu machen. Vielleicht war er zu stoned, um es zu bemerken, aber die junge Frau zog ihn am Arm zur Seite.
»Lass ihn raus«, sagte sie in einem Ton, der keinen Widerspruch duldete. Cooper dachte, er sei womöglich bloß wegen des Autowracks paranoid – zum Teufel, beim Zustand der ganzen Welt konnte einem angst und bange werden.
Er sprang hinaus an die Nachtluft. Es war kalt und frisch, weshalb er sich gleich besser fühlte. Er atmete tief ein und spürte dabei, wie die Benommenheit nachließ, nicht aber der Schmerz in seinen Muskeln und der Bissverletzung. Er stand am Rande einer Waldlichtung, umringt von hohen Tannen. Der Bus parkte so, dass die Tür des Laderaums auf die Bäume zeigte. Cooper konnte überall in einem Gebiet entlang der Küste sein, das sich über Hunderte von Meilen hinweg erstreckte.
Unter anderen Umständen hätte er den Ort hübsch gefunden. Dieser freie Platz war eine Oase schummriger Lichter in einem ansonsten pechschwarzen Gehölz. Ringsum standen Kerzen und Laternen, wohingegen in der Mitte ein Feuer brannte, das für gleichmäßige, angenehme Helligkeit sorgte.
»Was ist passiert?«, fragte Cooper.
Der Kerl war nicht allzu weit zur Seite getreten und stand nun mit verschränkten Armen da, ohne seine emotionslose Miene zu verziehen, während er seine Version der Ereignisse wiedergab: »Du hast die kleine Mühle zu Schrott gefahren, Mann. Totalschaden, ohne Scheiß.«
»Ja, das ist mir auch klar. Ich meine … wo kommt ihr beide her? Wo sind wir?«
Die Frau antwortete gelassen, klang aber auch ein wenig trügerisch: »Wir haben im Park herumgegammelt und wollten uns fernhalten von, du weißt schon, den Toten.«
»Wo befinde ich mich jetzt?«
»An einem sicheren Ort.« Auch sie stand dicht bei ihm und streckte nun eine Hand aus, um seine Schulter zu reiben. Ihr Begleiter nickte bloß. Cooper fiel auf, dass sie ihm sehr nahe auf den Leib gerückt waren, statt Abstand zu wahren und ihm zumindest ein wenig Freiraum zu gewähren.
»Genau, wirklich sicher. Keine Kaputten weit und breit, keine anderen Menschen, nichts.«
Cooper lehnte sich zurück und nahm auf der Stoßstange des Busses Platz.
Der Kerl blieb mit den Armen vor der Brust stehen. Als die Frau fortging, um ihm Wasser zum Trinken zu holen, bemerkte Cooper, dass der Mann noch weiter heranrückte. Das machte ihn stutzig.
Sie brachte ihm das Wasser in einem alten Plastikbecher. Er trank es nicht, was sie offensichtlich auffällig fand. Dann zog sie irgendwo aus den Falten ihres schmutzigen, bunten Rocks einen Joint. Nachdem sie ihn angezündet hatte, bot sie Cooper einen Zug an. Er schlug ihn dankend aus. Nun sah sie ihn an, indem sie den Kopf zur Seite neigte und lächelte.
»Ich werde schon noch schlau aus dir«, sagte sie vergnügt. »Kommt, machen wir es uns im Van gemütlich.«
Cooper hasste es, wenn sich Leute so ausdrückten. War er so schwer zu durchschauen? Ich trinke kein Dreckwasser und rauche keinen Shit, den mir irgendeine Schnalle aufdrängen will, was ist daran unklar?
Er bestand darauf, als Letzter in den Bus zu steigen. Nachdem er sich an der Tür niedergelassen hatte, ohne sie zu schließen, gab er vor, er brauche die frische Luft, weil er unter Platzangst leide.
So saß Cooper auf der Schwelle der offenen Tür und nur halb im Frachtraum. Jetzt waren sie sich noch näher, so dass er die Gesichter des Paares im Licht der elektrischen Lampe deutlicher sah. Er erkannte, wie verlottert die beiden wirklich waren. Sie fuhren allem Anschein nach schon sehr lange durch die Weltgeschichte. Für sie handelte es sich um einen Lebensstil, nicht um ein vorübergehendes Abenteuer. Sie trugen keine Schuhe. Die junge Frau hatte mehr Haare an den Beinen als ihr Kompagnon und einen Nasenring, während er sich einen dürftigen Bart stehenließ, der den Eindruck vermittelte, schon seit Jahren zu wachsen, aber einfach nicht voll werden wollte. Müßig zu erwähnen, dass die beiden stanken wie Ziegen.
»Ich bin Willow.« Sie lächelte wieder. »Das ist Ben.«
»Ich heiße Cooper. Wie bin ich an euch geraten?« Er wollte direkt zur Sache kommen. Für schmuddelige Kiffer fehlte ihm die Geduld. Sie mochten zwar versuchen, nett zu sein, wobei er sich kein vorschnelles Urteil bilden wollte. Er hatte noch niemanden kennengelernt, der so aussah und in irgendeiner Hinsicht normal war. Nicht, dass Cooper kein Verständnis für Notdürftige an den Tag legte; er hatte in der Schule und bei den Pfadfindern viele, viele Stunden damit verbracht, wirklich unglückseligen Menschen unter die Arme zu greifen. Diejenigen, die dringend Hilfe brauchten, fielen für gewöhnlich weniger augenscheinlich auf als solche, denen man auf der Straße begegnete, wo sie täglich zu allen Zeiten um Geld bettelten.
Cooper war in der behüteten Kleinstadt Monterey aufgewachsen, die als Zwischenstation für Durchreisende auf dem Weg die Küste hinunter fungiert hatte. Deshalb kreuzten dort je nach Jahreszeit Fremde auf, vornehmlich abenteuerlustige Jugendliche, und die meisten reisten mit negativen Beweggründen, etwa weil sie missbraucht oder im Stich gelassen worden waren, Drogen nahmen oder unter psychischen Problemen litten. Er war in einem solchen Umfeld groß geworden, hatte eine Vielzahl dieser Menschen gesehen und oft mit ihnen zu tun bekommen. Deshalb konnte er sie mittlerweile gut durchschauen, und obwohl die Mehrheit freundlich war, durfte man niemandem von ihnen trauen, weil sie sich in einer verzweifelten Situation befanden.
Im Zentrum war es besonders drastisch gewesen, weil die Busse des Fernverkehrs eine große Haltestelle dort angesteuert hatten. Zwischen Los Angeles und San Francisco gab es abgesehen von Monterey und Santa Cruz keine wesentlichen Klein- oder Großstädte. An jenem Knotenpunkt waren viele Landstreicher ausgestiegen, um über Tage, manchmal auch Wochen hinweg herumzulungern, zu schnorren oder zu stehlen, und sich Ärger einzuhandeln.
»Wir haben deinen Arsch gerettet, Bruder«, betonte Ben todernst.
Willow nickte, während sie ihn anschaute und erneut ein verhaltenes Lächeln bemühte.
Selbiges beunruhigte Cooper, doch was ihn richtig fahrig machte, bemerkte er erst jetzt im Schatten hinter dem Kerl. Es wäre ihm nie aufgefallen, wenn er im Laderaum gesessen und Ben sich nicht zur Seite gelehnt hätte, um den Joint von Willow entgegenzunehmen. Es war ein Metallring – eine simple Vorrichtung, um Frachtstücke zu sichern – nahe an einer Wand an den Boden des Busses geschweißt. Man hätte ihn als relativ normal für ein solches Fahrzeug erachten können, doch daran befestigt war eine silbern verchromte Kette, die unter dem Teppichboden hindurchführte. Sie erinnerte an jene Ketten, die Handschellen miteinander verbanden. Cooper versuchte sich einzureden, dass er Gespenster sah, aber das waren zu viele kleine Warnsignale – ungute Gefühle, was diese beiden anging. Sie kamen ihm nicht koscher vor und hatten eine Ausstrahlung, die ihm nicht gefiel. Möglicherweise lag es daran, dass er während der Apokalypse in einem dunklen Wald erwacht war, doch er spürte, dass es nichts damit zu tun hatte. Nein, irgendetwas stimmte nicht mit diesen beiden.
»Wir haben gesehen, wie du beschossen wurdest und dann in dieses Auto gekracht bist. Da mussten wir helfen.«
»Habt ihr gesehen, von wem ich angegriffen wurde?«
»Nö, aber wer auch immer es war, hatte es den ganzen Tag lang getan. Wir haben beobachtet, wie mehrere Leute getroffen wurden, und verhalten uns deswegen unauffällig, bis dieser Mist vorbeigeht.«
»Wisst ihr denn, mit wem ich zusammengestoßen bin?«
Ben kicherte. »Irgendeine blöde Fotze. Wir haben getrampt, aber sie wollte uns nicht mitnehmen. Wir wären zu dreckig. Kannst du dir das vorstellen? Das ist das verdammte Ende der Welt und die macht sich ’nen Kopf über Flecken auf ihren Sitzen.«
Willow nickte nur. »Wohin wolltest du?«
»Nach Norden, San José«, antwortete Cooper, während er sich fragte, warum sie trampen wollten, wo sie doch einen Bus besaßen.
»Das kannst du abschreiben. Alles ist über Meilen hinweg blockiert.« Sie zwirbelte ihre Zöpfe mit einem Finger. »Wir haben ein paarmal versucht, aus der Stadt zu kommen, und wären dabei fast kaltgemacht worden. Nach Washington wollten wir.«
Ben legte sich auf den Boden. Er sah aus, als sei er eingeschlafen, doch dann redete er weiter: »Du darfst gerne mit uns abhängen, solange du Bock hast.«
»Danke, aber ich muss mich wieder auf den Weg machen. Habt ihr mitbekommen, wer auf die Leute ballert?« Cooper stellte die Frage erneut, weil er den Schießwütigen tunlichst meiden wollte.
»Nein, doch er lauert schon mindestens seit gestern auf der Überführung«, gab Ben an, während Willow die Augen schloss.
»Mindestens«, bekräftigte sie. »Ich schätze, wir hauen uns jetzt aufs Ohr.« Sie schienen beide einzunicken.
Bekloppte Drogenfreaks, dachte Cooper. Er fühlte sich unwohl in ihrer Gegenwart, doch seine Schmerzen machten ihm zu schaffen. Als könne sie seine Gedanken lesen, schlug Willow die Augen wieder auf. »Der Unfall hat dir zugesetzt, was? Brauchst du irgendetwas?«
»Habt ihr Schmerzmittel?« Noch während er danach fragte, wurde ihm bewusst, wie dumm das war, weil er im Leben nichts zu sich nehmen würde, was diese beiden ihm gaben.
»Aber hallo.« Ihre Augen funkelten.
»Aber hallo«, wiederholte Ben.
Sie stand auf und griff nach einem Rucksack, der auf einem der Vordersitze im Bus lag. Heraus zog sie eine große Einkaufstüte, die aussah, als stecke sie voller Süßigkeiten. Darin enthalten waren bestimmt mehrere Tausend Tabletten. Sie begann, darin zu wühlen.
»Ich dachte eher an Tylenol oder Advil.«
Sie rümpfte die Nase. »Das Zeug ist nicht gut für dich. Ich hab Oxycodon, Percocet …«
»Klappt auch so, danke.«
»Eine halbe Codein bringt dich wieder runter, damit du pennen kannst.«
»Ich komm klar.« Er wollte nicht unhöflich werden, aber sie ließ nicht locker.
»Ich sehe doch, wie nötig du es hast. Warum quälst du dich so?«
»Wirklich, mir geht es gut.« Er versuchte, das Thema zu wechseln. »Woher stammt ihr zwei überhaupt?«
»Komm schon, Hasenfuß.« Ben ließ sich dazu hinreißen, die Augen zu öffnen. »Sei kein solcher Hosenscheißer.«
»Hör auf Ben.« Willow kroch dichter zu Cooper hinüber. »Achte nicht auf ihn, er hat bloß schlechte Laune.« Nachdem sie einen Arm um ihn gelegt hatte, drückte sie ihre Brust gegen seine Schulter. Hätte sie sich gewaschen, wäre sie echt heiß gewesen, doch sie war so verstrahlt und schmierig, dass es ihn abstieß. »Mensch komm, Süßer, nur eine Halbe. Willst du mit mir Party machen?«
Sie hielt eine Tablette zwischen zwei Fingern vor Coopers Gesicht. »Bitte.« Er sollte seinen Mund aufmachen.
Ihr Atem stank. Er konnte jeden einzelnen Mitesser in ihrem Gesicht sehen. Ben lag nach wie vor auf dem Rücken, beobachtete aber nun aufmerksam wie ein Raubtier, was vor sich ging. Coopers Alarmglocken läuteten laut, und er wollte Reißaus nehmen, befürchtete aber, sie könnten versuchen, ihn zu überwältigen und zurück in den Bus zerren. Sie bemühte sich eindeutig, ihn zu verführen, und keiner der beiden hatte sich, seit er wachgeworden war, weiter als drei Fuß von ihm entfernt.
Er lächelte und entgegnete: »Lass mich zuerst pinkeln gehen. Wenn ich mich zu sehr entspanne, mache ich euren ganzen Bus nass.« Sicherheitshalber streckte er eine Hand aus. »Meine Fresse, eine halbe Tablette … mir tut alles weh, und ich hätte nichts dagegen, mir die Lichter so richtig auszublasen.«
»Gute Idee.« Sie lächelte abermals und rieb seine Schulter. Dann brach sie die Tablette in der Mitte durch und hielt sie an seinen Mund. Er grinste, und ließ sie sich in den Mund legen, wobei er sich hinter die Ohren schrieb, sich später die Zunge abzuschrubben, wo ihre bitter schmeckenden Fingerspitzen sie berührt hatten.
Als er sich abwandte, war er verblüfft, denn in seinem Mund lag nun eine ganze Tablette. Irgendwie musste sie die Halbe im Bruchteil einer Sekunde ausgetauscht haben, während sie miteinander gesprochen hatten. Er hielt sie auf der Zunge, doch sie begann sofort, sich aufzulösen, und war sauer – nein, eigentlich nicht das, sondern ätzend wie eine Chemikalie. Sie brannte in seinem Mund und regte umgehend seinen Speichelfluss an, heftig sogar. Er wollte vor den beiden verbergen, dass er die Tablette nicht schluckte, also widerstand er dem Impuls und ließ sie einfach gemeinsam mit seiner Spucke heraus und an seinem Kinn hinunterlaufen. Nach ein paar Schritten wischte er sich mit dem Handrücken darüber; er konnte kaum erwarten, den Geschmack loszuwerden – irgendwie, mit was auch immer.
Während er auf eine Baumgruppe im tiefen Schatten zuging – er wollte diesen Weg beibehalten, schnurstracks in die Finsternis und fort von diesem Irrsinn – hörte er rasche Schritte hinter sich und fuhr herum, erschrocken und gefasst. Ben war noch ein paar Yards von ihm entfernt, kam aber schnell näher. Cooper blieb stehen und lächelte. Er würde ihm nicht den Rücken zukehren.
»Ich musste auch gehen«, erklärte Ben grinsend.
Als er geradewegs auf Cooper zukam, bemerkte dieser, dass er die Hände hinter seinem Rücken verbarg. Weil er weder überängstlich daherkommen noch ein Auge von ihm lassen wollte, improvisierte er: »Gibt es hier draußen Bären oder so – vielleicht einen Berglöwen, der mir die Klöten abbeißen könnte?«
Ben wieherte. »Nein, du bist sicher.«
Cooper fiel auf, dass Willow hinten am Bus stand und sie beobachtete, als erwarte sie, dass etwas passieren würde. Ben beschrieb einen Bogen und stellte sich vor einen Baum, doch es sah nicht so aus, als würde er dort irgendetwas Bestimmtes tun. Willow machte sich auf den Weg zu Cooper und schien sich neben ihn stellen zu wollen. Hm, lästige Schlampe, dachte er.
»Ich muss auch pinkeln.« Sie schaute wiederholt zu Ben hinüber. Mittlerweile war völlig klar, dass die beiden eine krumme Tour vorhatten.
»Hey, komm hier rüber.« Sie strahlte und winkte Cooper. »Ich will, dass du mich beschützt.« Sie machte auf kokett, lockte ihn mit Handbewegungen. »Komm ruhig, Ben macht das nichts aus.«
Es reicht! Er sah zu Ben. Der Kerl erwiderte seinen Blick. Er hatte den Kopf gedreht, stand aber immer noch vor dem Baum. Cooper spielte mit dem Gedanken, wegzulaufen, doch Ben versteckte seine Hände nach wie vor, und falls er eine Schusswaffe hielt, fiel es ihm leicht, ihn zu jagen. Hatte er jedoch nur ein Messer, so war Cooper besser dran, wenn er die Beine in die Hand nahm. Die Entscheidung wurde ihm jedoch abgenommen.
Wieder hörte er schnelle Schritte und drehte sich um. Willow stürzte mit einem langen Küchenmesser, das sie über ihrem Kopf hochhielt, auf ihn zu. Ihr Gesicht war hassverzerrt, sie bewegte sich flink und würde ihn vor Ben erreichen, also widmete er sich zuerst ihr. Hat sie das bis zum Ende durchdacht? Vielleicht glaubt sie, ich würde bald umfallen, weil ich die Pille geschluckt habe. In jedem Fall war ersichtlich, dass sie ihm etwas zuleide tun wollte.
Als sie ihn erreichte, schlug er mit einem Arm aus und blockte ihre Rechte ab, in der sie das Messer hielt. Gleichzeitig holte er rechts aus, seine Faust schnellte hervor und traf sie mitten im Gesicht. Unter normalen Umständen hätte er nie eine Frau schlagen können, doch angesichts eines Verrückten hinter ihm, der weiß Gott was machte, und einer mordlustigen Zicke, die mit einem Messer gerannt kam, was sollte er tun? Nein, er empfand keine Reue und zauderte nicht. Sein Schlag war hart und zielte entschieden darauf ab, Willow niederzustrecken.
Ihr Kopf knickte nach hinten weg. Sie verlor ihre Balance, fiel unsanft mit dem Rücken auf die Erde, und noch im selben Augenblick drehte sich Cooper zu Ben um.
Der zielte nun mit einer Pistole auf ihn, die er mit gerade ausgestreckten Armen in beiden Händen hielt, wobei Cooper erkannte, dass er dies mit zittriger Hand tat und den Anschein erweckte, wie vom Donner gerührt zu sein. Das nennt man Überraschungsmoment, Wichser.
Das ungute Gefühl, mit dem Cooper die beiden betrachtet hatte, war so stark gewesen, dass er sich jederzeit zum Kampf stellen konnte. Er beschloss, lieber abgeknallt zu werden als angekettet im Laderaum des Busses liegen zu müssen. Zwei große Schritte, und er stand vor Ben.
Der Kerl war so verdattert, dass er die Waffe wegwarf und die Hände hochheben wollte. Er versuchte, sich zu ergeben, doch zu spät: Cooper ließ sich nicht aufhalten, sondern duckte sich nach dem letzten Schritt und versetzte seinem Gegenüber einen Schlag in die Magengrube. Ben krümmte sich, und als er wieder hochfuhr, blieb ihm die Luft weg. Er stürzte unter seinem Angreifer rückwärts. Als er wieder aufstehen wollte, stieß ihm Cooper ein Knie in den Schritt, um ihm die Hoden zu quetschen. Zwar schien er sie zu verfehlen, doch wenigstens blieb der Drecksack liegen.
In Bens Dreadlocks hingen nun Zweige und Laub, was Cooper – warum auch immer – ein Gefühl der Überlegenheit vermittelte. Er trat ihm in die Rippen, bevor er wieder auf die Beine kommen konnte. Dann bückte er sich nach ihm, packte sein Shirt mit beiden Händen und hob ihn hoch, um ihn gegen einen Baum zu schleudern.
Cooper wusste, er hätte fliehen sollen, war aber wütend und wollte dem Arschloch ordentlich die Fresse vermöbeln. Er drosch auf sein Gesicht ein, so fest er konnte, nicht ohne zur Kenntnis zu nehmen, dass er sich seine Hand dabei verletzte. Zähne schnitten in sein Fleisch, wie er spürte, und falls ein, zwei Knochen dabei zu Bruch gingen, würde es ihn nicht wundern. Nach ein paar satten Hieben fehlten Ben mehrere Zähne, und Blut tropfte ihm vom Kinn. Seine Augen waren bereits zugeschwollen, doch Cooper setzte mehrmals nach und wollte gerade aufhören, als ihn ein Knall zusammenzucken ließ. Baumrinde spritzte in sein Gesicht.
Da packte er Ben erneut am Kragen und zog ihn hoch, um sich hinter ihn zu stellen. Nun hielt er ihn am Genick fest und verwendete ihn als Schutzschild.
Willow hatte die Pistole aufgehoben. Blut strömte aus ihrer gebrochenen Nase. Sie torkelte und heulte gequält.
»Warum hast du ihm wehgetan? Warum hast du Ben geschlagen?«
»Mach ihn nieder«, knarrte ihr Komplize mit gurgelnder Stimme.
Willow brüllte auf und stocherte mit der Waffe in der Luft herum, doch ihr Freund blockierte die Schussbahn auf Cooper.
»Mach ihn nieder«, wiederholte Ben. Cooper hielt ihn mit beiden Armen um den Hals fest und schleifte ihn langsam rückwärts.
»Wirf die Knarre in den Wald, dann lasse ich Ben am Leben.« Cooper zog sich mit ihm von der Lichtung und damit aus dem spärlichen Licht zurück.
»Ich knall dich ab, Mann!«, schrie Willow.
»Also gut, drei Sekunden. Eins, zwei …« Sie warf die Waffe ins Unterholz und kam auf die beiden zugelaufen. Cooper ließ von Bens Hals ab und stieß ihn zurück auf die Wiese so fest er konnte. Die beiden knallten gegeneinander und fielen hin.
»Du dusselige Kuh!«, lispelte Ben verärgert mit dem Mund voller Blut durch seine Zahnlücken. Willow versuchte, sich an ihm festzuhalten, doch er riss sich los und stand auf. Cooper war ein Stück weit in den Wald gelaufen und blickte nun zurück, um sich zu vergewissern, dass Ben ihm nicht nachstellte.
»Du bist tot!«, drohte der Geprügelte.
Cooper ignorierte ihn und wandte sich ab, um zu verschwinden.
Die Schüsse und das Geschrei hatten die Toten angelockt. Er konnte hören, wie sie sich näherten. Sie waren nicht mehr weit entfernt, schienen aus allen Richtungen zu kommen. Ausgehend von dem Lärm, den sie veranstalteten, dauerte es wohl nicht mehr lange, bis sie die Lichtung erreichten. Cooper musste sich sputen, um ihnen nicht in die Quere zu kommen, vernahm dann aber etwas, das ihm das Blut in den Adern gefrieren ließ. Menschliche Stimmen.
»Ben! Willow! Seid ihr okay?« Es waren viele Personen, die das fragten. Ben drohte Cooper weiter, während Willow den Menschen, die durch den Wald stapften, Richtungsanweisungen zurief, damit sie ihn schnappen konnten. Dann erwachte die Umgebung zum Leben. Das Geraschel wurde hektischer und lauter, Lichtkegel von Taschenlampen und Laternen zerschnitten die Dunkelheit. Unmittelbar vor Cooper flackerte ein Licht auf. Der freie Platz lag hinter ihm. Er war umzingelt.
- 8 -
Es donnerte – leise und in der Ferne –, woraufhin Sal sofort stehenblieb. Die Stadt war so still gewesen, so leer und tot, dass ihm dieses Geräusch Sorgen machte, wenn auch nur kurzzeitig. Zuerst zweifelte er daran, überhaupt etwas gehört zu haben, doch dann wurde es lauter und erstarb zur Gänze. Sal ging immer noch ziellos weiter, fand aber jetzt seinen Lebenswillen wieder, wenigstens zum Teil.
Der Ort war eine Geisterstadt. Gern hätte er gewusst, wo die Bewohner dieser Gegend abgeblieben waren. Allein in den Wohnungen der wenigen Häuserblocks, die ihn umgaben, mussten Tausende gelebt haben. Er vernahm keine Schreie, nichts deutete auf Kämpfe oder Tänze hin. Ein paar Autowracks, an denen er vorbeikam, sahen richtig übel aus. Auch stieß er auf Leichen – Anhaltspunkte dafür, dass hier das Gleiche wie in Monterey passiert war, allerdings nicht annähernd in dem Ausmaß. Vielleicht waren sie anderswohin abgewandert. Er suchte weiter nach Lebenszeichen, wurde aber nicht fündig.
Sal blieb auf dem Highway 17, der in Nummer 880 überging, und näherte sich gegen Mittag dem Flughafen von San José. Unterwegs hatte er mehrere riesige Leichenberge gesehen, und Straßen, die über Meilen hinweg mit einem Teppich toter Leiber bedeckt waren. Als er sich nun dem Flughafen näherte, bemerkte er Menschen, die sich bewegten. Von der Hochstraße aus konnte er fernab große Scharen ausmachen.
Als er eine Einkaufspromenade erreichte, ging er zur Brüstung des Freeways, um hinabzuschauen, und war schockiert, was er dort sah. Unter ihm entspann sich ein dichtgedrängter Ozean von Leibern. Dieser erstreckte sich so weit das Auge reichte. Sal blieb stehen, um sie genauer zu betrachten, weil mit ihnen eindeutig etwas nicht stimmte. Sie schwankten langsam im Einklang, was wie ein merkwürdiges Kräuseln anmutete.