Cover

Männer mit

Gefühl

Starke Typen

im Gespräch mit

Bärbel Schäfer

Gütersloher Verlagshaus

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Umsetzung eBook: Greiner & Reichel, Köln

Coverfoto: Bärbel Schäfer © privat

ISBN 978-3-641-13035-0
V003

www.gtvh.de

Inhalt

Einleitung: Das große Thema Gefühle

... stärker als der Verstand

Der kleine, feine Unterschied ...

Das Besondere ...

... ganz privat

Rea Garvey – FRAUEN

Ich habe gelernt, keine Frau wie die andere zu behandeln.

Adel Tawil – EMOTIONEN

Ich vertraue darauf, dass alles gut wird.

Bodo Kirchhoff – MELANCHOLIE

Sie ist der Motor meines Schreibens.

Konstantin Wecker – IDEALE

Nur aus Liebe werden die schönsten Taten vollbracht.

Andreas Bourani – ERFOLG

Menschen mit Erfahrung sind immer interessanter.

Joachim Meyerhoff – IRRSINN

Lachen und Katastrophe sind für mich eine Ebene.

Ranga Yogeshwar – ERKENNTNIS

Wir unterliegen dem Diktat des Konsums.

Hannes Jaenicke – UMWELT

Ich habe eine gesunde gut gelaunte Wut.

Wolfgang Niedecken – ÄLTERWERDEN

Ich bin eine melancholische Frohnatur.

Johannes B. Kerner– GELASSENHEIT

Das Leben ist eine Mischkalkulation.

Klaas Heufer-Umlauf  – GELD

Mit 14 habe ich mein erstes eigenes Geld verdient.

Leander Haußmann  – BUHRUFE

Mein Jugendtraum war es, berühmt zu werden.

Oliver Berben – EIN LEBEN OHNE PLAN B

Es ist kein Problem für mich, im Kinosessel zu schluchzen.

Einleitung:

Das große Thema Gefühle

Bärbel Schäfer ist eine deutsche Fernsehmoderatorin, Autorin und Kolumnistin. Sie moderierte TV-Unterhaltungsformate für die ARD, RTL, WDR, N24 und Deutsche Welle.

Seit 2009 spricht Schäfer im Live-Radio-Talk auf HR3 mit Gästen zu gesellschaftspolitischen Themen.

Sie schreibt wöchentliche Kolumnen in »BILD der Frau« und hat mehrere Sachbücher und Romane publiziert. Eines davon wurde für die ARD verfilmt.

Seit 2013 veröffentlicht die Zeitschrift emotion ihre Serie »Mann, was fühlst du?«.

Bärbel Schäfer ist ehrenamtlich engagiert für die Welthungerhilfe, Trauerland und Organspende. Sie ist verheiratet mit Michel Friedman, lebt in Frankfurt am Main und hat zwei Söhne.

Bärbel Schäfer beschreibt sich selbst als »Frau, die Klarheit liebt und auch gern mal die Klappe hält«. Sie glaubt, dass wir von Männern viel lernen können, wenn wir ihnen genau zuhören.

... stärker als der Verstand

Lassen Sie uns über Gefühle sprechen, denn jeder Mensch hat ja schließlich welche, oder?

Gefühle können angenehm und unangenehm sein. Trauer, Freude, Angst, Ärger, Überraschung und auch Ekel, wer will darauf verzichten? Eine Welt ohne Emotionen ist wie ein Fußballspiel ohne Zuschauer.

Gefühle beherrschen unseren Verstand. Es reichen Millisekunden, und eine Situation gerät aus dem Ruder, Sie entscheiden sich für oder gegen etwas, Sie empfinden Sympathie oder Antipathie. Sie schwingen mit oder gegen jemanden.

Aber Gefühle können uns auch im Griff haben, überhandnehmen, uns wie ein Tsunami überwältigen. Davor hatte ich stets eine Scheu und hegte große Neugier zugleich. Gefühle und Gefühlsausbrüche haben mich schon ein Leben lang fasziniert, vielleicht weil meine norddeutsche Familie darin so extrem zurückhaltend war. Auch die dunkle Seite wie Neid, Eifersucht oder Wut zieht mich thematisch an.

Aber sagen Sie selbst: Ist der Mensch, ist das Leben nicht gerade geprägt von den Höhen und Tiefen, die wir empfinden? Ist Leben nicht emotionales Erleben? Klingt schön, wenn wir nur an die sanften Gefühle denken, was aber ist mit unseren Affekten? Diese zerstörerischen Augenblicke, bei denen wir im Nachhinein erschrecken und uns fragen: War ich das? Wie konnte ich nur so ausrasten? Habe ich diesen unsympathischen, unzuverlässigen Typen tatsächlich gerade hochkant aus meinem Appartement gebrüllt und meinen Job gekündigt?

Ohne Frage, das Denken ist eine feine Sache, besonders wenn man vorhat, seinen Job hinzuschmeißen. Im Zuge des Denkens, Nachdenkens, Durchdenkens spielt auch die Moral in unseren gespeicherten Erziehungsmustern keine geringe Rolle. Und wo wir gerade schon die Moral benennen, lauert nicht weit entfernt gleich ihre dunkle Schwester, die Doppelmoral ...

Ohne Gefühle ist ein einsamer Mensch der einsamste auf dieser Welt, und ohne Gefühle erlebt er nie das Wunder der Leidenschaft, ganz gleich, ob es die Leidenschaft in der Liebe ist oder um die Verwirklichung der Träume geht. Erleben wir uns als lebendige Menschen nicht erst dann, wenn wir echte Leidenschaft für etwas spüren?

Pumpt sich unser Gefühlsbarometer aber erst einmal auf, dann hat das Auswirkungen auf unseren Körper bis hin zu unserer Ausdrucksweise. Wie verändert sich Sprache, verbale wie nonverbale, wenn Gefühle zugelassen werden? Denken Sie an Redner, denen der Hals schwillt, oder Menschen, die in der Auseinandersetzung nahezu verstummen, sich ständig am Jackett zupfen. Oft schreien wir im Affekt, verwenden eine derbere Sprachwahl, laufen rot an.

Ich stelle mir immer wieder vor, unser Körper ist eine Art Boxring. In diesem fighten Verstand und Gefühl, ab und zu auch über mehrere Runden. Der Inhalt, der Grund unserer Gefühlswallung, will dabei auch noch transportiert werden. Ganz schön was los in uns, wir fühlen uns aufgewühlt. Und der jeweilige Sieger, Kopf oder Bauch, führt unser Leben dann vielleicht auf eine ganz neue Spur.

Und dieses Phänomen gibt es schon seit der frühesten Epoche der Menschheitsgeschichte. Lange bevor der Steinzeitmensch begann, dank seines Verstandes, aus Steinen grobe Werkzeuge zu basteln, fühlte er. Er kannte die Angst vor stärkeren Gegnern und die Sorge, unter der Schneeschicht nichts Essbares zu finden. Er fühlte die Einsamkeit und die Sehnsucht nach einer Gemeinschaft, die Schutz bot.

Mittlerweile tragen wir Shellac auf den Nägeln und haben die High Heels erfunden, sind zum Mond geflogen und trinken Coffee to go aus Pappbechern. Aus den groben Steinen unserer Vorfahren sind Smartphones und computergesteuerte Maschinen geworden. Wir wissen mehr denn je, ja man darf durchaus behaupten: Wir verstehen sogar mehr als früher. Unsere Intelligenz und unsere kognitiven Fähigkeiten haben sich weiterentwickelt. Doch gefühlsmäßig sind wir ganz ähnlich wie unsere Ur-Ur-Ur-Urgroßväter und -mütter. Angst, Liebe, Hass, Wut und Trauer können wir häufig weder bei uns noch bei anderen Menschen so einordnen und verstehen, wie wir uns das intellektuell wünschen. Wir werden, ob wir wollen oder nicht, stets aufs Neue von unseren Gefühlen beherrscht, manchmal sogar überwältigt. Sie sind unsere Urkraft.

Denken Sie nur an die neue Kollegin, mit der Sie nicht gut umgehen können, obwohl sie Ihnen bei Ihrem hohen Arbeitspensum gut unter die Arme greifen könnte. Die Gegnerin aus der Urzeit – da ist sie wieder. Oder packt Sie die Panik, wenn Sie zur Rushhour mit der U-Bahn im Tunnel feststecken? Genau da meldet sich die Höhlenbewohnerin in Ihnen. Fluchtinstinkt und Überlebenswille sind einfach stärker als das Vertrauen in die schnarrende Durchsage des U-Bahn-Personals: Bitte Ruhe bewahren.

Ich kann mich noch gut an den stechenden Schmerz nach dem Tod meines Vaters erinnern. Er war über einen langen Zeitraum sehr krank und wollte unbedingt gehen, hatte sich über Monate in seinem Körper gequält. Vom Kopf her wussten wir beide, dass der Abschied naht. Lange Gespräche und unser enges Zusammensein sollten uns sein Fortgehen erleichtern. Wenn uns aber ein geliebter Mensch dann tatsächlich verlässt, ist es ein Schmerz, der uns bis ins Mark zerreißt. Der Verstand kann uns da noch so viele Argumente liefern, die kopfgesteuerte Vorarbeit war fast umsonst, es tut schrecklich weh.

Unsere Emotionen werden vielleicht Millionen weitere Jahre brauchen, bis Erkenntnisse und Themen, die wir vom Kopf her verstehen und nachvollziehen können, endgültig Einzug in unsere Gefühlswelt halten werden. Aber auch umgekehrt gilt: Existenzielle Erfahrungen sind nun einmal zutiefst emotional.

So stellt sich für viele schlicht die Frage: Wie kann man seine Gefühle im Griff haben? Meine Antwort darauf ist: indem wir uns bemühen und immer wieder üben, mit unseren Emotionen umzugehen. Wenn wir sie ein Stück in unser Bewusstsein integrieren, lernen wir kontinuierlich, sie zu beherrschen, anstatt uns von ihnen beherrschen zu lassen.

Somit sind unsere Gefühle stärker als der Verstand.

Der kleine feine Unterschied ...

Unser Wunsch ist es, dass der kluge und analytische Kopf uns klar und deutlich den Weg in die perfekte Richtung weist, aber unsere emotionalen Erfahrungen sind Schicht für Schicht in der Gefühlswelt geparkt und markiert. Sie sind im Unterbewusstsein versteckt, und von dort ploppen sie an die Oberfläche. Das alles gilt es nicht zu unterschätzen. Hören wir also öfter auf unseren Bauch, denn dort schlummert eine gewaltige Kraft: eine emotionale Macht, eine Art I-Wikipedia, ein Ich-Brockhaus, der uns selbst in der heutigen technisierten Welt beim Überleben helfen kann.

Die moderne Psychologie bewertet neben der kognitiven Intelligenz mittlerweile auch gleichberechtigt die emotionale Intelligenz. Wissen und Fühlen sind korrespondierende Röhren.

Und damit komme ich auf dieses Buch zu sprechen. Es scheint mir an der Zeit zu sein, einmal besonders auf das große Thema »Männer und Gefühle« einzugehen. Denke ich, ist doch vielfach in unseren Köpfen gefestigt, dass Männer weniger Gefühle haben, dass sie rationaler gestrickt sind als wir Frauen. Deswegen möchte ich Ihnen hier Männer vorstellen, die die Größe besitzen, ihre Emotionen zuzulassen, und darüber auch zu sprechen bereit sind. Solche Männer, die Widersprüche aushalten und zugeben können, dass sie in verschiedenen Situationen sehr gefühlsbetont und -gesteuert sind: neue Männer eben, starke Typen. Sie reißen keine Bäume mehr im wörtlichen Sinn aus und jagen auch kein Wild mehr durch den Wald, um ihre Familie zu ernähren, aber sie besitzen diese neue, unschätzbar wertvolle Stärke: Gefühl.

Die Frage ist, wie sind sie dazu gekommen? Wo ist denn das ideale »Nest«, Gefühle wachsen zu lassen? Wie so vieles liegt der Schlüssel dazu in der Familie, in der Erziehung. Eltern sind auch in diesem Punkt Vorbilder, Kinder imitieren und lernen von ihren positiven Vorbildern die Wichtigkeit von und den Umgang mit Emotionen.

Meine kühle norddeutsche Großmutter hat mir früher oft zugerufen: »Kindchen, wer braucht eigentlich diese ganze Gefühlsduselei?«, wenn ich mal wieder zornig mit den Füßen auf das Kopfsteinpflaster trat und nicht weitergehen wollte. Meine trotzige Antwort darauf war: »Ich.«

Und an dieser Haltung hat sich bei mir bis heute nichts geändert. Über Jahre perlte an unserer »Neopren-Oma« vieles ab, was die Gefühle der restlichen Familie über alle Maßen in Wallung brachte. Unfälle, schlechte Zensuren der Enkelkinder, aufgeschlagene Knie oder ein runder Geburtstag in fröhlicher Runde: Ganz gleich, was um sie herum geschah, das Gesicht meiner Großmutter blieb eine Maske und ihr Herz uns stets ein Rätsel. Schade nicht nur für uns. Ihr Leben muss sich wie unter einem Dampfkessel angefühlt haben. Jedenfalls ist mir ihr distanziertes unbewegliches Gesicht immer fremd geblieben. Es fehlten herzliche Umarmungen und Empathie, sodass kaum eine Nähe zwischen uns wachsen konnte. Ich bedauere noch heute, dass mich meine Großmutter nie in ihre Gefühlswelt eintauchen ließ, es vielleicht aber einfach auch gar nicht konnte, weil sie genau das selbst nie gelernt hatte. Schade, so hatte ich nie die Chance, sie als Menschen richtig kennenzulernen. Wofür hat sie sich einsetzen wollen, wo weggeguckt, auf wen war sie stolz, auf wen neidisch, mit wem teilte sie ihre stillen Glücksmomente? Eines war mir klar: So wie sie wollte ich nie werden.

Werfen wir an diesem Punkt noch einmal einen Blick auf unsere Urzeitfamilie, vielleicht erfahren wir ja von ihnen etwas mehr darüber, warum uns Frauen oft ein Plus an Empathie nachgesagt wird.

Frauen waren in den ungemütlichen Höhlen für das Dauerbrennen des wärmenden Feuers, den Schutz des Eigentums vor der oft feindlichen Umwelt und für die »Aufzucht« der »Junior-Ötzi-Generation« zuständig. Dafür brauchten sie natürlich kommunikative Fähigkeiten. Worte halfen, sich gegen Eindringlinge zu wehren, Streit zu schlichten oder Netzwerke zu bilden, besonders dann, wenn ihre Männer auf der Jagd waren. Reden, reden und immer wieder miteinander reden war also schon damals unerhört wichtig, wenn man Dinge erreichen und seinen Gefühlen Ausdruck verleihen wollte.

Wenn Männer emotionaler werden, gibt es gesellschaftliche und familienpolitische Veränderungen. Frauen kennen dieses Themenkarussell in- und auswendig. Sie hören das lautstarke Ticken der biologischen Uhr. Jedenfalls alle, die noch nicht über Social Freezing ihrer Eizellen nachdenken. Weibliche Arbeitnehmerinnen, auch weibliche Stars, stehen immer wieder vor der Frage: Unterbreche ich meinen beruflichen Weg für die Familiengründung? Brauche ich tatsächlich Familie, um mich komplett zu fühlen, glücklich zu sein? Was bedeutet das für meinen beruflichen Wiedereinstieg? Will ich in die Kindererziehung Gefühle und Zeit investieren? Wann-baue-ich-das-alles-noch-in-meinen-chaotischen-Alltag-ein? Wann erfülle ich mir rechtzeitig einen Work-Life-Balance-Plan, ohne kurz vor der Einweisung in die »Klapse« zu stehen.

Zu beobachten ist, dass sich einige dieser Fragen heute auch mehr und mehr Männer stellen. Was bis vor Kurzem als typische Frauenthemen abgetan wurde, wirkt ein in den Verantwortungs- und Gefühlsbereich des Mannes.

Mein Mann kann wohl kaum meine beste Freundin ersetzen, und doch ist die emotionale Klaviatur, auf der heutige Männer spielen, vielfältiger geworden, und damit werden sie spannende Gesprächspartner auf neuen Ebenen. Männer und Frauen kommen sich näher, je mehr Gefühle beide Seiten offenbaren. Über Dax-Entwicklungen, den Vorteil einer achtzylindrigen Automatikschaltung und die Frage des Relegationsplatzes in der Bundesliga reden wir Frauen auch, aber eben nicht mehr ausschließlich mit dem männlichen Geschlecht.

Wissenschaftlich belegt ist, dass die weiblichen rechten und linken Hirnhälften mehr Verbindungen aufweisen als die der Männer. Frauen können offensichtlich vernetzter denken. Klar, Männer beherrschen das auch virtuos, sie kennen dann nicht nur die teilnehmenden Mannschaften der 1. und 2. Bundesliga, sondern verfolgen zeitgleich die gesamten englischen Kreisklassenspiele.

Für uns Frauen haben Multitaskingfähigkeiten im Alltag zeitsparende Vorteile, wenn wir parallel online eine Clutch zum Abendoutfit bestellen, unser Kind nebenbei tröstend auf dem Schoß wiegen und dabei dem Kollegen noch eine Excel-Tabelle einscannen können. Auch wenn es einen kleinen Wermutstropfen gibt für das weibliche Geschlecht: Unsere Hirnhälften besitzen nicht immer ein perfektes räumliches Vorstellungsvermögen. Ausnahmen gibt es natürlich immer und für alle anderen Navigationssysteme im Auto und ein GPS auf dem Handy.

Halten Frauen die Höhle, Büro, Freundschaften und Beziehungen im sozialen Austausch noch heute lebendig, warm und gefahrenfrei? Holen Männer in diesem Punkt auf? Ja, und das ist gut so. Denn sie müssen auf der Jagd kein Ziel mehr anvisieren, punktgenau treffen, die Beute nicht mehr nach Hause in die Höhle der Familie schleppen.

Männer und Frauen unterstützen sich heute gegenseitig, in der zivilisierten Gesellschaft und im Idealfall in der Entwicklung ihrer jeweiligen Persönlichkeiten. Unser Bildungsgrad ist gestiegen und damit auch der Zugang zu unseren Gefühlen, es geht nicht mehr nur um das nackte Überleben.

Gefühle generieren und formulieren zu können, hängt aber – wie gesagt – auch davon ab, ob wir das in unserer Kindheit gelernt haben. Entspricht aber genau das in einer Kultur oder in einer Familie nicht dem gängigen Rollenverständnis, kann sich diese Fähigkeit nicht entfalten. In manchen Zeiträumen der Evolution wurden Gefühle einfach nicht zum Überleben gebraucht. Erst ganz langsam, mit der evolutionsartigen Geschwindigkeit einer Schnecke, merkte die Natur, dass Emotionen in der Koexistenz eine wichtige Rolle spielten.

Und was bedeutete das für den männlichen Nachwuchs? Richtig, ein anderer Männertyp wurde für die Zukunft gebraucht. Und wahrscheinlich ist Schneckentempo noch übertrieben rasant, wenn man sich die zahlreichen fanatisch kämpfenden, kompromisslosen Männer in den Kriegsmeldungen der Nachrichtensendungen anschaut.

Wir Frauen verfügen über ideales evolutionstechnisches Rüstzeug, das viel mehr wert ist als zehn Paar Schuhe im Schrank. Es ist so viel kostbarer, als einen Wagen auf der linken Autobahnspur von 0 auf 100 in sechs Sekunden jagen zu können. Wir können mit Gefühlen umgehen, sind empathisch und herzlich. Nicht immer mehr als Männer, meistens aber ganz anders – trotz aller Gleichberechtigung und dem Gleichsein in vielen Lebensbereichen.

Festzustellen ist, dass viele Männer neugierig geworden sind, sich auf eine Reise begeben. Auch sie werden in emotionalen Fragen offener und wollen sich selbst besser kennenlernen.

... das Besondere

Dieses Buch fußt auf Interviews mit prominenten Männern. Meine Gesprächspartner sind außerordentlich erfolgreich und besitzen besondere Talente und Fähigkeiten, die sie im Laufe ihres Lebens so perfektioniert haben, dass sie uns damit unterhalten, begeistern und berühren.

liegt es an meinen schweigenden Wurzeln, dass ich heute u. a. im Print, Hörfunk und Fernsehen das Wort suche. Auch und besonders gerne für die Zeitschrift EMOTION schreibe, die sich Gefühle sogar farbig auf den Titel druckt und ihnen folgt wie ein Spürhund.

Vielleicht stelle ich mich deshalb seit Jahren sowohl in politischen, gesellschaftspolitischen und eher privaten Themenrunden immer wieder Menschen und ihren Gefühlen.

Vielleicht ist die emotionale Blockade meiner Omama der Auslöser für mich gewesen, beim Essen eben doch zu sprechen, Gefühle zu hinterfragen und zu erfragen. Eigentlich sollte ich mich hier an dieser Stelle bei ihr einmal richtig bedanken, denn ohne sie würde ich nicht das tun, was ich von Herzen gerne tue, Fragen stellen und schreiben.

Meine Interviewpartner sind stark, gerade weil sie Gefühle zulassen. Deshalb beeindrucken sie mich, denn auch ihr Puls rast, wenn die Quoten mies werden, sie beginnen zu schwitzen, bevor sie ein neues Album der Öffentlichkeit präsentieren oder sich einem Millionenpublikum an den Bildschirmen oder auf der Bühne präsentieren. Und sie sind dennoch »Wiederholungstäter« ...

Ich bin der festen Überzeugung, dass Emotionen die Farbpalette unserer individuellen Charakterzüge sind. Erst sie machen uns zu Persönlichkeiten im Menschenmeer, und so richte ich mein Mikrofon in Ihre Richtung mit der Frage: Welches Gefühl haben Sie heute schon ausgelebt?

Ihre

Bärbel Schäfer