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Jack Dana war als US-Marine an den einschlägigen Kriegsschauplätzen der Welt im Einsatz. Nach einer Verletzung beginnt er zu schreiben, und gleich sein erster Roman wird ein großer Erfolg. Als er von einer längeren Reise zurückkehrt, muss er erfahren, dass sich sein Onkel Harry, der wie ein Vater für ihn war, in seinem Wochenendhaus auf Long Island das Leben genommen hat. Doch Jack, der seinen Onkel besser kennt als jeder andere, glaubt nicht an Selbstmord. Wollte jemand Harry aus dem Weg räumen? Weshalb? Und welche Rolle spielt Kerry Black dabei, die schöne Kollegin Harrys, der Jack zusehends verfällt? Jack verstrickt sich immer tiefer in die Machenschaften des einflussreichen Klienten Abner Brown, für den Harry gearbeitet hat – und gerät bald selbst in Lebensgefahr …

Louis Begley hat mit Zeig dich, Mörder einen eleganten und fesselnden Roman geschrieben, der die Leser von den Bürotürmen New Yorks mitten nach Long Island führt – und inszeniert ein Katz-und-Maus-Spiel, das sie um seinen Helden Jack Dana bangen lässt.

Louis Begley, 1933 in Polen geboren, arbeitete bis 2004 als Anwalt in New York. Als Schriftsteller wurde er mit seinem Roman Lügen in Zeiten des Krieges weltweit bekannt. Zuletzt erschien Erinnerungen an eine Ehe. Seine Bücher wurden in 18 Sprachen übersetzt und vielfach ausgezeichnet. http://www.louisbegley.com/

Christa Krüger hat neben Louis Begleys Werken u.a. David Gutersons Schnee, der auf Zedern fällt ins Deutsche übertragen, zudem hat sie eine Biografie über Louis Begley verfasst. Sie wurde 2009 mit dem C.H. Beck-Übersetzerpreis ausgezeichnet.

Louis Begley

Zeig dich, Mörder

Roman

Aus dem amerikanischen Englisch von

Christa Krüger

Suhrkamp Verlag

eBook Suhrkamp Verlag Berlin 2015

Hinweise zur Textgrundlage:

Der vorliegende Text folgt der Erstausgabe, 2015.

© der deutschen Ausgabe Suhrkamp Verlag Berlin 2015

© Louis Begley 2007 Revocable Trust

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Umschlaggestaltung: Hermann Michels und Regina Göllner

eISBN 978-3-518-73989-1

www.suhrkamp.de

Für Anka, dieser Aufbruch

I

Dies ist eine wahre Geschichte. Die Namen bestimmter Personen habe ich geändert, um die Betroffenen zu schützen. Sonst habe ich nichts verborgen. Mit meinem Gewissen bin ich im Reinen. Was ich getan habe, würde ich ohne jedes Zögern wieder tun. Manche werden meinen, ich hätte mich an die Regeln halten sollen – auf das Strafrecht vertrauen und hinnehmen, dass der Mörder Strafmilderung gegen Schuldbekenntnis aushandelt. Sei’s drum. Ich verachte Feiglinge und scheinheilige Weicheier und ihre selbstgefällige Naivität.

Mein Name ist Jack Dana. Ich bin ehemaliger Offizier der Marineinfanterie und war Zugführer der Force Recon. Ich bin auch Autor von drei erfolgreichen Büchern. Das erste schrieb ich im Militärkrankenhaus Walter Reed, wo man mich operierte, um die Schäden an meinem Beckenknochen in Ordnung zu bringen, die mir die Kugeln eines Taliban-Heckenschützen bei Delaram (einem üblen Ort in der afghanischen Provinz Helmand) zugefügt hatten, knapp eine Minute bevor mein Team ihn erschoss. Es klingt vielleicht seltsam, dass jemand wie ich – der die härtesten Kampfschulen des Marinekorps mit Auszeichnung absolviert hat, Schulen, in denen man lernt, Feinde abzuknallen, die das Pech haben, in Schussweite zu sein, oder ihnen, wenn sie nah genug sind, ein Messer zwischen die Rippen zu jagen –, dass so einer anfängt, Romane zu schreiben. Jedes Ding hat seine Zeit; so ist es eben. Was ich gelernt hatte, wendete ich bei Einsätzen im Irak und in Afghanistan an, und im Häuserkampf während des zweiten Gefechts um Falludscha merkte ich, wie leicht es ist, einen Mann umzubringen. Man drückt langsam auf den Abzugshahn; die Patrone findet ihr Ziel, und der Mann sackt zusammen und kippt um. Noch einfacher: Man wirft eine Rucksackladung Sprengstoff durch ein Fenster, und das Haus stürzt ein. Ich hätte auch einfach weiter damit gemacht, aber nach den Reparaturen, auf die meine Chirurgen so stolz waren, war ich zwar wieder in exzellenter Verfassung, doch für einen Offizier der Marineinfanterie war sie nicht mehr exzellent genug. Was soll’s. Bücherschreiben war gewissermaßen eine Rückkehr in das Leben, das ich mir für mich vorgestellt hatte, bevor wir am 11. September 2001 angegriffen wurden.

Ich bin das einzige Kind eines Philosophieprofessors an der Harvard University und einer Flötistin, die in einem Bostoner Kammerorchester spielte, und aufgewachsen bin ich in einem komfortablen Schindelhaus an einer Nebenstraße der Brattle Street in Cambridge, Massachusetts. Nach dem Ende meiner Schulzeit in einem Internat in New Hampshire, das auch mein Vater und sein einziger, etwas jüngerer Bruder besucht hatten, ging ich nach Yale. Warum Yale statt Harvard, der Alma Mater meines Vaters und meines Onkels? Ich wollte nicht im langen Schatten meines Vaters stehen. Aus dem gleichen Grund hütete ich mich vor der Philosophie und studierte stattdessen griechische und römische Alte Geschichte, da auch ich eine akademische Karriere anstrebte. Dass ich aus Cambridge weggegangen war, sollte ich jedoch bald bitter bereuen. Im Frühling meines ersten Collegejahres wurde meine schöne und begabte Mutter krank. Weihnachten desselben Jahres war sie tot, Opfer eines grausam aggressiven Ovarialkarzinoms. Mein Vater war grenzenlos verzweifelt. Ich fuhr an den Wochenenden zu ihm, so oft ich konnte, aber meistens mühte ich mich vergeblich, ihm aus der Depression herauszuhelfen. Er hatte sich nie ganz von den Wunden und anderen Traumata erholt, die er im Vietnamkrieg erlitten hatte. Im Winter meines letzten Collegejahres traf ihn ein schwerer Schlaganfall. Vom Genick abwärts gelähmt, glitt er nach und nach in ein Wachkoma, und Onkel Harry konnte die Klinik schließlich unter Einsatz seiner gesamten ruhigen Autorität und juristischen Kompetenz dazu bewegen, das Patiententestament meines Vaters und meine Wünsche zu respektieren und die lebenserhaltenden Apparate abzuschalten. Wir begruben ihn neben meiner Mutter im Mount Auburn Cemetery.

Meine Mutter war ein Einzelkind. Onkel Harry, jetzt mein einziger noch lebender Verwandter, hatte nie geheiratet und sah in mir den Sohn, den er sich gewünscht hätte. Damit niemand voreilige Schlüsse zieht oder den Verleumdungen glaubt, die über ihn verbreitet wurden, stelle ich hier klar, dass er alles andere als offen oder im Verborgenen schwul war. Aber er hatte kein Glück in der Liebe, ließ sich mit verheirateten Frauen ein, die sich am Ende nicht dazu durchringen konnten, ihre gehörnten Ehemänner aufzugeben, und einmal mit einer Frau, die ihre Karriere wichtiger fand als ihn. Sie war eine berühmte Ballerina, die ihm von Anfang an erklärt hatte, mit einer Ehe werde ihre Kunst wohl nicht vereinbar sein. Allmählich lebten sie sich auseinander. Seine letzte große Liebe war eine viel jüngere peruanische Rechtsanwältin, eine Schönheit mit rabenschwarzem Haar, die stolz auf ihre Inkavorfahren war. Sie lernten sich in Lima kennen, wo sie ihm als peruanische Unterbevollmächtigte bei seinen Verhandlungen über eine Investition seines Mandanten Abner Brown in eine Kupfermine assistierte. Dieser verschlossene und exzentrische texanische Milliardär war der amerikanischen Öffentlichkeit damals noch nicht als Inbegriff rechtsextremer Politik bekannt. Harry hatte erst kurze Zeit für Brown gearbeitet, weil ein zufriedener Mandant ihn empfohlen hatte. Harry war ein Mann von untadeligen Manieren und unbeugsamen Prinzipien. Geschäftliches mit einer privaten Romanze zu vermischen war für ihn tabu, und er war überzeugt, dass sein Werben um Olga erst während der Barbecue Party begann, die Brown auf seiner Ranch in der Umgebung von Houston gab, um den erfolgreichen Abschluss der peruanischen Transaktion zu feiern, die, wie er in einem Toast auf Harry sagte, sein Vermögen lässig um fünfhundert Millionen Dollar vermehrt habe. Über den Tisch gezogen habe Harry diese bürokratischen peruanischen Affen, erklärte er schadenfroh und hämisch lachend. Zum Glück war keiner der verhöhnten Affen zugegen. Olga war die einzige Peruanerin auf Browns Fest. Harry entschuldigte sich bei ihr für dessen abscheuliche Tirade und stellte dabei zu seiner Verwunderung und Freude fest, dass sie gar nicht daran gedacht hatte, zornig auf ihn zu sein, und dass ihr klar war, warum er so sorgsam vermieden hatte, persönliche Gefühle in das Arbeitsverhältnis einfließen zu lassen. Dass er um sie werben würde, hatte sie erwartet, und sie ließ es gern geschehen. Es dauerte nicht lange, bis sie beschlossen zu heiraten, sobald Olga ihre Arbeit an schwebenden Verfahren abgeschlossen oder anderen Anwälten in ihrer Kanzlei übertragen hätte. Sie planten, im September 1992 in Lima Hochzeit zu feiern. Das Schicksal verfolgte andere Pläne. Olga war eine von mehr als zwanzig Personen, die im Juli des gleichen Jahres Opfer eines Bombenattentats auf der Tarata-Straße wurden, das die Aufständischen des »Leuchtenden Pfades« verübten. Anschließend lähmten eine Woche lang schwere Anschläge die Stadt Lima. Abimael Guzmán, der Führer der Bewegung »Leuchtender Pfad«, wurde zwei Monate später gefasst, und damit war den Aufständischen der Wind aus den Segeln genommen, aber für meinen Onkel war das kein Trost. Er betrachtete sich als Witwer und trauerte sein Leben lang um seine verlorene Inka.

Seit ich im Internat war, durfte ich in den Weihnachts- und Frühlingsferien allein zu Harry fahren, und auf diese Besuche freute ich mich das ganze Schuljahr. Er arbeitete in Manhattan als Sozius der mächtigen Kanzlei Jones & Whetstone. Seine Wohnung in der Fifth Avenue war nur wenige Schritte vom Metropolitan Museum entfernt. Auf seine nachdrückliche Empfehlung erkundete ich die Galerien des Museums, manchmal in Begleitung eines jungen Kurators. Harry kannte alle Welt, und solche Dinge zu arrangieren war offenbar leicht für ihn. Abends – und immer, wenn er mittags Zeit hatte – lud er mich in seinen Club ein oder in eines der französischen Restaurants, in denen er am liebsten aß. An anderen Abenden gingen wir in die Oper, ins Theater oder Ballett, und ich kann ohne Übertreibung sagen, dass Harry meinen Kunst- und Musikgeschmack formte. Manchmal besuchte ich ihn auch gemeinsam mit meinen Eltern. Gewöhnlich im Sommer, wenn sie und Harry Urlaub machten. Dann verbrachten wir ein langes Wochenende in seinem Haus auf Long Island in dem Viertel Sag Harbors, das verschont geblieben war, als 1845 eine Feuersbrunst den alten Teil dieser einst bedeutenden Hafenstadt weitgehend zerstört hatte. Sein Haus war ein Bau aus dem frühen 19. Jahrhundert, ein Labyrinth von kleinen Zimmern, viele davon seltsam geschnitten, samt einer Scheune, die in ein Studio mit hoher Decke und eigenem Bad umgebaut worden war. Das Studio war offiziell Harrys Arbeitszimmer, aber als ich ihn endlich allein in Sag Harbor besuchen durfte, sagte er, ich solle es als mein Schlafzimmer und meinen eigenen Bereich betrachten. Nach dem ersten Sommer schlief ich aber kaum mehr dort. Ich war lieber im Gästezimmer gegenüber von Harrys Schlafzimmer und merkte, dass er seinen Mittagsschlaf gern auf dem Sofa im Studio hielt. Obwohl sein Haus so komfortabel und sein Segelboot, die Bucht und die Strände so reizvoll waren, dauerten unsere Familienbesuche in Sag Harbor immer nur kurz, und das lag an der Spannung, die zwischen ihm und meinem Vater herrschte. Oberflächlich betrachtet, war ihre Beziehung so herzlich, wie es sich für zwei Brüder mit nur drei Jahren Altersunterschied gehört, und keiner von beiden erwähnte je, was zwischen ihnen stand. Aber es war da: eine schwarze Sturmwolke an einem strahlenden Sommerhimmel. Die Erklärung dafür gab mir meine Mutter, als sie wusste, dass sie bald sterben würde. Sie stand Harry besonders nahe, und sie wollte, dass ich ihn und meinen Vater besser verstünde. Die Kluft – es war eine Kluft, nicht eine offene Auseinandersetzung – hatte sich aufgetan, als Harry nicht zum Militärdienst im Vietnamkrieg antrat. Er hatte den Gestellungsbefehl abgewartet und wurde bei der Musterung als 4F, dienstuntauglich, klassifiziert; warum, verriet er uns nie. Da er ein hervorragender, begeisterter und unermüdlicher Schwimmer und Tennisspieler war, konnte sein Gesundheitszustand kein Grund für die Ablehnung sein. Hatte der psychiatrische Teil der Untersuchung eine Psychose ans Licht gebracht, die bisher nicht bemerkt worden war? Oder war es so gewesen, wie mein Vater und mein Großvater vermuteten, aber nie laut sagten, hatte Harry den Arzt – fälschlich, davon waren sie überzeugt – glauben lassen, er sei schwul? Es hätte nichts geändert. Da er keinen unüberwindlichen Einwand gegen den Krieg geäußert hatte, kamen sein Bruder und sein Vater, die beide im Kampf ihren Mann gestanden hatten, zu dem für sie unerträglichen Schluss, dass Harry sich vor dem Kriegsdienst gedrückt hatte, dass er ein Feigling war. Meiner Mutter war das nicht wichtig. Für sie zählte nur die Überzeugung, dass Harry ein goldenes Herz hatte und sich zuverlässig um mich kümmern würde.

Ich kann mir gar nicht vorstellen, was in dem furchtbaren Frühling, als mein Vater im Sterben lag, ohne Harry aus mir geworden wäre. Weil er mir immer und selbstverständlich half, blieb ich emotional einigermaßen im Gleichgewicht, schloss mein letztes Jahr am College mit Bestnoten ab und erhielt ein Stipendium der Universität Yale für das Balliol College in Oxford. Harry nahm mir auch alle Aufgaben ab, die mit dem Räumen und Verkaufen meines Elternhauses und dem Nachlass meines Vaters verbunden waren, so dass ich mich wieder auf mein Studium konzentrieren konnte. Das Ergebnis übertraf meine Hoffnungen weit. Kurz vor Ostern lud man mich ein, Junior Fellow in der Harvard Society of Fellows zu werden. Das war eine akademische Ehrung, die zugleich praktischen Nutzen hatte. Ich würde für die folgenden drei akademischen Jahre ein Stipendium erhalten, das mir erlaubte, meine Studien unabhängig von einem Doktorandenprogramm fortzusetzen und ohne mich sofort um eine Dozentenstelle bemühen zu müssen. Ich würde mir meinen eigenen Weg suchen können. Harry war der Verwalter eines kleinen Treuhandfonds, den mein Vater mir in seinem Testament vermacht hatte. Ich schrieb ihm von der Society of Fellows und fragte ihn, ob ich mir wohl vier bis sechs Wochen Sommerferien in Italien leisten könne. Mit einem Gast, einer jungen Engländerin, die ich in Oxford kennengelernt hätte und hoffentlich dazu bringen würde, ihr Studium an der Universität Harvard fortzusetzen. Harry rief mich an. Nachdem er mir ausführlich gratuliert hatte, sagte er: Geld ist kein Problem, aber die Hitze während der Hundstage. Sei kein Geizkragen, sieh zu, dass du mit der jungen Dame dann am Strand bist oder an einem Pool.

Gleich nach dem Labor Day flog ich von Rom nach Boston und fing an, mein neues Leben in Cambridge zu organisieren, meine reizende Felicity hatte versprochen, in ihren Winterferien zu mir zu kommen. Ich dachte mir, wir könnten Harry überraschen und Weihnachten mit ihm verbringen, um dann anschließend in Alta, wenn möglich im Pulverschnee, Ski zu fahren. Zu meiner Freude war die kleine Wohnung in der Craigie Street, die mir die Universität empfohlen hatte, genau das, was ich mir gewünscht hatte. Ich unterschrieb den Mietvertrag, ließ mir ein paar Möbel meiner Eltern aus dem Speicher schicken und Strom, Telefon und Internet anschließen. Am 10. September nahm ich dann den Zubringer nach La Guardia, zog sofort weiter zu Harrys Büro und kam am Nachmittag an, um ihm zum Geburtstag zu gratulieren. Dass ich mich dazu aufschwang, war eine bessere Entscheidung als vermutet. Seine Sekretärin hatte ihm ein Geschenk gebracht – Manschettenknöpfe, die er mir zeigte –, und mittags war er mit ein paar jüngeren Partnern, mit denen er zusammenarbeitete, in ein Sushi-Restaurant gegangen, aber für den Abend hatte er keine Pläne.

Das war meine Entscheidung, erklärte er mir. Simon Lathrop, an der Law School im selben Jahrgang wie ich und mein bester Freund in der Kanzlei, wollte zusammen mit seiner Frau ein kleines Dinner für mich geben, aber dem fühlte ich mich nicht gewachsen. Genau an diesem Wochenende vor neun Jahren hätten Olga und ich geheiratet. Den Abend mit vier oder fünf offensichtlich glücklichen Paaren verbringen – das konnte ich einfach nicht. Auch wenn ich einige davon wirklich gern habe. Deshalb feiere ich meinen Geburtstag sonst meistens, indem ich wegfahre. Aber diese und die nächste Woche sitze ich in der Stadt fest. Ich muss gestehen, ich hatte auch noch einen anderen besonderen Grund, die Einladung nicht anzunehmen. Insgeheim habe ich gehofft, du würdest kommen.

Mein Geschenk für Harry war, dass ich ihn zum Dinner ausführte. Allerdings war Montag, deshalb hatte sein französisches Lieblingsrestaurant geschlossen, und ich meinte, einen Ersatz, der seinen Erwartungen an ein gutes Essen entspreche, suche er am besten selbst aus.

Ich kenne ein italienisches Restaurant, das mir sehr gefällt, sagte er; sie kochen nach Rezepten aus der Gegend von Triest. Wenn du die italienische Küche nicht ganz und gar leid bist, lass uns dorthin gehen.

Wir trafen uns im Restaurant und widmeten uns dem Dinner mit der Hingabe, die ihm zukam, tranken eine Flasche alten Barolo dazu und saßen nach dem Mahl noch eine Weile bei einem sortenreinen Grappa zusammen. Als wir aufbrachen, war es nach elf Uhr. Um wieder einen klaren Kopf zu bekommen, was in meinem Fall nicht ganz gelang, gingen wir die gut zwanzig Häuserblocks bis zu Harrys Wohnung zu Fuß. Mein leichter Rausch machte mich irgendwann so mutig, dass ich ihn fragte, ob er wirklich entschlossen sei, bis zum Ende seines Lebens allein zu bleiben. Ob es sein könne, dass seine Liebe zu Olga ihm jede neue Bindung unmöglich mache? Er schwieg lange, und ich fürchtete, ihn verstimmt zu haben. Seine Antwort beruhigte mich.

So einfach ist es nicht, erklärte er mir. Olga hätte nicht gewollt, dass ich einsam bin. Aber es ist, als hätte sich eine Mauer aus Eis um mich geschlossen, und es fällt mir immer schwerer, sie zu durchbrechen. Es klingt merkwürdig und paradox, aber dass ich meine Arbeit so befriedigend finde – tiefe Beziehungen zu Leuten in der Firma habe, besonders zu jüngeren Partnern und Mitarbeitern, und meine Mandanten mag –, hat meine Isolation nur noch verstärkt. Mein Iglu ist sehr behaglich. Und vergiss nicht, mein wunderbarer Plato ist ja auch noch da.

Da musste ich schmunzeln und meine Freude verbergen. Plato war das Burmakätzchen, ein Kater, der letztes Jahr, als ich ihn Harry kurz vor meiner Abreise nach England zum Geburtstag schenkte, so klein gewesen war, dass er fast in meine ziemlich große Hand gepasst hatte. Es war damals Liebe auf den ersten Blick gewesen und hatte sich inzwischen noch vertieft. Briefe und E-Mails hielten mich über Platos Großtaten auf dem Laufenden – in der New Yorker Wohnung trieben sie ein ausgeklügeltes Spiel mit Murmeln, Harry rollte sie Plato entgegen, und der schlug sie mit seiner Pfote zurück; sobald der kleine Kater in Sag Harbor frei im Garten herumlaufen durfte, bewährte er sich als beachtlicher Jäger und Schrecken der Mäuse und Streifenhörnchen –, und seit Harry gelernt hatte, Fotos per E-Mail zu senden, ließ er stolz wie ein frischgebackener Vater Bilder von Plato zirkulieren. Ich hatte an jenem Nachmittag nur ein paar Stunden mit Plato verbracht, aber da ich mit Katzen aufgewachsen bin, bezauberten mich die Intelligenz und die eleganten Manieren des kleinen Kerls schon in dieser kurzen Zeit von Neuem.

Als wir zu Hause ankamen, wünschten wir uns gleich gute Nacht. Harry sagte mir, er müsse am Morgen zeitig im Büro sein und werde vor acht Uhr aufbrechen. Er erwarte nicht, dass ich dann schon wach sei oder mit ihm frühstücke. Er fügte hinzu: An deiner Stelle würde ich mich richtig ausschlafen. Ich bin zum Lunch mit einem Mandanten verabredet, also bist du den Tag über auf dich gestellt, die Ballett- und Opernsaison hat noch nicht angefangen, aber heute Abend bin ich an der Reihe, dich zum Essen auszuführen. In mein französisches Restaurant, wenn es dir recht ist.

Das war mir sehr recht, aber als am nächsten Morgen vier entführte Flugzeuge in den Nord- und den Südturm des World Trade Centers rasten, die Westseite des Pentagons rammten und auf einem Feld in der Nähe von Shanksville, Pennsylvania, zu Bruch gingen, wurden dadurch alle Pläne, triviale wie gewichtige, zunichtegemacht und das Gefüge der darauf folgenden Tage, Monate und Jahre unumkehrbar verwandelt. Ich hatte Harrys Rat befolgt, war spät aufgestanden und trank gerade meine erste Tasse Kaffee, da klingelte das Telefon. Es war Harry, der sagte, ich solle den Fernseher anschalten. Ein paar Stunden später rief er wieder an, um mitzuteilen, dass sein Büro schließe. Er werde zu Fuß durch die Fifth Avenue nach Hause gehen. Wir verabredeten, dass ich ihm den halben Weg entgegenkommen würde.

Am nächsten Tag, Mittwoch, hatte ich abreisen wollen, aber im ganzen Land waren die Flüge annulliert, und die Züge fuhren nicht. Ich blieb in Harrys Wohnung, hing wie gebannt vor dem Fernseher. Am Abend hatte sich die Überzeugung verfestigt, dass Osama bin Laden verantwortlich für die Anschläge sei, ein Name, den ich noch nie gehört hatte; er sitze in einem Versteck irgendwo in Afghanistan und habe von dort aus die Planung und Ausführung gelenkt. Es gab Berichte über Explosionen in Kabul, aber das Pentagon dementierte die Gerüchte, wir hätten die Stadt angegriffen. Harry und ich gingen zum Dinner in sein französisches Restaurant. Wir nahmen das verschobene festliche Mahl ein, tranken zu viel und hatten beide das Gefühl, bei einem Leichenschmaus zu sein. Als ich die Explosionen erwähnte, meinte Harry, selbst wenn es stimme, dass wir noch nicht gegen bin Laden vorgegangen seien, würden wir es jedenfalls demnächst tun.

Du hast doch Bush gehört: alle ohne Unterschied dingfest machen und bestrafen, die Terroristen wie diejenigen, die sie unterstützen und ihnen Unterschlupf gewähren. Was für eine Ansage! Gott weiß, was dem Land blüht. Hör mal, sagte er dann nach einer Pause, eigentlich musst du doch nicht Himmel und Hölle in Bewegung setzen, um morgen oder irgendwann in dieser Woche wieder in Cambridge zu sein, du unterrichtest nicht, und du versäumst auch kein Pflichtseminar. Warum bleibst du nicht hier, bis sich die Lage beruhigt? Dich bei mir zu haben ist ein solcher Glücksfall für mich. Er ergibt sich vielleicht nie wieder. Ich möchte das Gute im Schlechten sehen.

Ich nahm sein Angebot dankbar an.

Die ganze Woche lang wurde unerbittlich und immer energischer die Trommel für den Krieg gerührt. Colin Powell warnte die anderen Staaten: Ihr seid entweder für uns oder gegen uns. Die NATO berief sich auf die Vertragsklausel über die Beistandspflicht im Fall eines Angriffs und schuf damit die Basis für eine Intervention. Ein paar Tage später versprach Präsident Bush, er werde die Welt zum Sieg führen, und erklärte, dass Staaten, die den Terrorismus unterstützen, »beendet« würden. Ich las zwanghaft Zeitung und fand einen Kommentar von Tony Lewis, einem Leitartikler der New York Times, der unverblümt aussprach, wie unerfahren der Präsident in Fragen der Kriegsführung und der Staatskunst sei und wie groß die Gefahr, dass ein Vergeltungsschlag der USA unbeabsichtigte Folgen habe, vergleichbar den Auswirkungen unserer Waffenhilfe für die Mudschaheddin 1979 und zu Beginn der achtziger Jahre in ihrem Kampf gegen die Sowjetunion. Als wir damals aufwachten, mussten wir feststellen, dass wir dieses Land an antiwestliche Extremisten ausgeliefert hatten. Aber Lewis war ein einsamer Rufer in der Wüste. Am 14. September verabschiedete der Kongress eine Resolution, die den Präsidenten ermächtigte, nicht nur Nationen, Organisationen und Personen anzugreifen, die im Verdacht standen, an den Terroranschlägen vom elften September beteiligt zu sein oder beteiligte Personen und Organisationen zu beherbergen, sondern auch zukünftige Terroranschläge solcher Nationen, Organisationen oder Personen zu verhindern. Das Abgeordnetenhaus stimmte mit 420:1 für die Ermächtigung, der Senat mit 98:0. Der Boden war bereitet: Eine landesweite Umfrage am folgenden Montag ergab eine überwältigende öffentliche Unterstützung für einen Militäreinsatz.

Harry arbeitete an diesem ersten Wochenende nach dem elften September im Büro. Das Wetter war sehr schön, deshalb teilte ich meine Zeit zwischen dem Central Park und dem Metropolitan Museum. In Wirklichkeit grübelte ich, ganz gleich, wo ich war, grübelte über den bevorstehenden Krieg, über das Thema meiner Arbeit – eine revisionistische Studie zum Sizilienfeldzug der Athener, ich hatte es selbst gewählt –, die in Cambridge auf mich wartete und dringend fertig werden sollte, über meine Familiengeschichte und mein moralisches Dilemma. Als mein Vater so alt war wie ich jetzt, hatte der Vietnamkrieg Fahrt aufgenommen. Die Wehrpflicht galt. Wenn der Gestellungsbefehl von der Einberufungsbehörde eintraf, musste man sich zum Militärdienst melden, es sei denn, man hatte sich einen Aufschub gesichert oder das Problem durch Beitritt zur National Guard umgangen oder war wie Harry für dienstuntauglich befunden worden. Mein Vater wartete nicht auf seine Einberufung. Er dachte gar nicht daran, einen Aufschub zur Fortsetzung seines Studiums zu beantragen – die Zulassung zur Harvard Graduate School hatte er bereits, und der Aufschub wäre ihm selbstverständlich genehmigt worden –, sondern bewarb sich nach seinem Collegeexamen um eine Ausbildung zum Offizier der Marineinfanterie und wurde angenommen. Als Zugführer und am Ende als Kompaniechef kämpfte er in einigen der erbittertsten Gefechte des Vietnamkrieges, unter anderem in der Schlacht um Khe Sanh. Für Tapferkeit in dieser Schlacht wurde ihm das Navy Cross verliehen; vorher war er schon mit dem Silver Star ausgezeichnet worden. Er war nicht besonders erpicht auf den Einsatz in Vietnam gewesen; zwar liebte er Frankreich, aber er verurteilte die französische Kolonialpolitik und hielt es für einen Fehler, dass die US versuchen wollten, den Scherbenhaufen wegzuräumen, den die Franzosen hinterließen, als sie Indochina aufgeben mussten. Er ging zur Marineinfanterie, weil er meinte, wenn sein Land Krieg führe, habe er die Pflicht zu dienen. Bewusst oder unbewusst nahm er sich meinen Großvater, seinen Vater, zum Vorbild, der sich – ebenfalls als Freiwilliger – mit Patton durch Europa gekämpft hatte und zweimal mit dem Silver Star ausgezeichnet worden war, außerdem mit dem Distinguished Service Cross und der französischen Croix de Guerre. Die Abschaffung der Wehrpflicht und Umwandlung des US-Militärs in ein rein freiwilliges Berufsheer hatte meinen Vater bestürzt. Er sah die Pflicht zum Dienst mit der Waffe als einen wesentlichen Bestandteil der Staatsbürgerpflichten und meinte – für einen Philosophen überraschend –, sie müsse unbedingt, im Geist der Loyalität gegenüber dem eigenen Land, ohne Rücksicht auf Recht oder Unrecht, erfüllt werden.

Ich fragte mich, was diese tapferen Männer, Kämpfer ohne eine Spur Kriegslust, von meinem Argument halten würden, dieser neue Krieg sei anders, Wehrpflicht und die moralische Verpflichtung zum Dienst mit der Waffe gebe es nicht mehr, deshalb könne man ihn denen überlassen, die keine große Zukunft vor sich sehen, die dem Sirenengesang der Anwerber lauschen und einrücken, und den Dummköpfen an den Militärakademien, die zu ihrer Führung angestellt sind. Würden meine Vorfahren beifällig nicken und sagen: Die Zeiten ändern sich, und ich solle zwar dem Ruf zu den Waffen folgen, wenn er denn käme, aber in der Zwischenzeit sei es meine weniger ruhmträchtige, aber genauso wichtige Pflicht, die Bedingungen meines Harvard-Stipendiums zu achten und meine Forschungen weiterzuführen. Nicht ganz unwahrscheinlich, dass sie so reagiert hätten. Mein Großvater und mein Vater, beide vernünftige Männer, beide gegen unbesonnene Kriegsabenteuer im Ausland, hätten mir gut diesen oder einen ähnlichen Rat geben können. Aber mir war nicht wohl dabei, und ich fragte mich, welches Unbehagen sie wohl nachträglich empfunden hätten. Wie wahrscheinlich es war, dass sie gedacht hätten, kein Wunder, dass ich für Harry wie ein Sohn war.

Harry war am Samstagabend mit Mandanten unterwegs, aber am Sonntag kam er gegen sieben Uhr – das war für ihn eher früh – nach Hause und kündigte an, wenn er ein Bad genommen und sich umgezogen habe, werde er uns Pasta zum Dinner kochen. Spaghetti aglio e olio, ein Gericht, das Harry gern zubereitete und mir oft in Sag Harbor serviert hatte. Aber zuerst würden wir etwas trinken. Bei einem Gin Martini seiner besonderen Machart erzählte er mir von einem Treffen mit Abner Brown und dessen Vize. Seine Arbeit für Abner nehme in einem Ausmaß zu, das ihm schmeichle und der Kanzlei natürlich hochwillkommen sei. Der Multikonzern, dessen Alleineigentümer Abner war – abgesehen von einigen wenigen Joint-Venture-Partnerunternehmen –, und Abner als Einzelperson seien sehr wichtige Mandanten geworden. Er fürchte sogar, dass das Gewicht der Brown’schen Angelegenheiten im Mischgeschäft der Kanzlei überhandnehme und dass seine Partner die ständig zunehmende Expansion des Multikonzerns und sogar die Art seiner Beziehung zu Abner allzu optimistisch betrachteten.

Verlass dich nie auf die Gunst von Königen oder exorbitant reichen Männern, sagte er kopfschüttelnd. Sie sind herzlos und launisch.

Jedenfalls sei es zwar schmeichelhaft, dass Abner ihn mehr und mehr in Anspruch nahm und nicht nur als seinen hauptsächlichen externen Rechtsberater, sondern auch als engen Freund betrachtete, aber auf Rosen gebettet fühle er sich nicht gerade. Harry hatte gleich zu Anfang, als Abner ihm angeboten hatte, er solle seine Interessen und die des Konglomerats insgesamt vertreten, deutlich gesagt, er sei zwar nicht in der Politik aktiv, aber eingeschriebenes Mitglied der demokratischen Partei und habe in seinem ganzen Leben nur zwei Republikaner gewählt, Nelson Rockefeller und John Lindsay.

Wie du dir vielleicht vorstellen kannst, zuckte Abner nicht mit der Wimper. Bedenkt man, dass er noch weiter rechts steht als die John Birch Society und der Hunne Attila, ist das nicht nur ein Beweis für gute Manieren. Ich glaube, es zeigt auch, dass er entweder intelligent genug ist, sich nicht nur mit wahren Glaubensgenossen zu umgeben – mein Gott, wie hasse ich den Ausdruck –, oder eher, dass er die Ansichten eines Menschen, der ihnen so wenig wie ich mit Geld Nachdruck verleihen kann, vollkommen unwichtig findet.

Aber dieses Unbehagen sei nicht alles, sagte er. Der Umfang von Abners verzwickten Geschäften sei so groß, dass er, Harry, fürchte, von einer Lawine von Problemen mitgerissen zu werden, da er nicht mehr genug Zeit und Abstand habe, um die Grundlagen und alle Verzweigungen des Konglomerats zu überblicken. Er müsse seine Arbeitsgruppe verstärken, habe aber noch nicht herausgefunden, welches Gemenge aus Befähigungen und Persönlichkeiten er brauche. Diese Probleme setzten ihm zu, und eine Lösung zeichne sich nirgendwo ab.

Onkel Harry, unterbrach ich ihn, das ist eine faszinierende und schwierige Situation. Sie interessiert mich wirklich, aber ich muss jetzt dringend etwas mit dir besprechen. Würdest du es mir nachsehen, wenn ich das Thema wechsle?

Natürlich, antwortete er. Nur zu.

Übers Wochenende habe ich mich zu einer Entscheidung durchgerungen, von der du wohl nichts halten wirst. Vielleicht denkst du, ich sei total durchgeknallt, sagte ich. Die Sache ist folgende. Wir sehen beide einen Krieg kommen, und ich meine, Leute wie ich sollten nicht sagen: Überlass das Kämpfen den anderen, den Kerlen, die nicht nach Harvard, Yale oder Princeton gehen, den Jungen, die froh sind, wenn sie die High School schaffen, die Soldat werden, weil ihnen andere Türen verschlossen sind und weil sie schicke Fernsehwerbespots über die militärische Ausbildung gesehen haben. So einfach ist es nicht. Ich will mit dabei sein. Und wenn du es mir nicht ausredest, werde ich tun, was Vater getan hat: in die Marine Officer Candidate School gehen, die Ausbildung zum Offizier der Marineinfanterie machen und dann weitersehen.

Das ist ja wirklich eine Neuigkeit, erwiderte er. Da brauchen wir noch eine Runde Martinis. Moment, komme gleich wieder.

Der Moment dauerte verdächtig lange, fünf Minuten mindestens, aber schließlich tauchte Harry mit dem Shaker auf, füllte unsere Gläser und sagte sehr feierlich: Trinken wir auf das, was du vorhast. Du bist verrückt, aber das war dein Vater auch. Und dein Großvater. Ich dagegen… eine Variante der Geschichte kennst du wahrscheinlich. Ich galt als unfähig für den Dienst in Vietnam, unfähig, mich mit Ruhm zu bedecken wie dein Vater. Na ja, er kam zurück… Ich bitte dich nur um eines: Lass dich nicht umbringen und sieh zu, dass du heil und ganz wiederkommst. Möglichst in besserem Zustand als dein Vater. Ich hab nur noch dich auf der Welt.

Plato tat so, als sei er ein Löwe, und lag hingegossen auf dem Couchtisch, eine Angewohnheit, die Harry wohl nicht nur duldete. Er forderte ihn offenbar sogar dazu auf. In diesem Moment hob der kleine Burmakater fragend den Kopf.

Ja, sicher, sagte Harry lachend, ich hab dich, und Gott sei Dank habe ich auch Plato, der vernünftig ist und nicht in den Krieg zieht. Er wird auf seinen alten Kumpel Harry aufpassen. Scherz beiseite, pass gut auf dich auf und schreib einen wohlüberlegten Brief an die Society of Fellows. Das sage ich als Anwalt. Du möchtest ja vielleicht freundlich wiederaufgenommen werden, wenn du zurückkommst.