XIIIAbbildungsverzeichnis

Abb. 1:

Kapitelstruktur: HR-Kernanforderungen als Grundlage einer neuen Wertarchitektur

2

Abb. 2:

Reifegrade und Wichtigkeit der fünf Personalmanagementbereiche: Vergleich von Unternehmen mit hoher vs.niedriger Arbeitgeberattraktivität

7

Abb. 3:

Mittlere Reifegrade der fünf Personalmanagement- bereiche in den untersuchten Unternehmen

8

Abb. 4:

Wirkmechanismen erhöhter Bewerberqualität durch Mitarbeiterempfehlungen

13

Abb. 5:

Neue Anforderungen an HR-Bereiche durch Veränderungen auf Markt-, Unternehmens- und Mitarbeiterebene

20

Abb. 6:

Agilität, Strategieumsetzung und Individualisierung als Kernanforderungen für HR

38

Abb. 7:

Die vier Rollen des Personalbereichs nach David Ulrich und ihre Übertragung in das Drei-Säulen-Modell

44

Abb. 8:

Einfluss auf Strategie und Führungskräfte: Vier Typen von HR-Bereichen

46

Abb. 9:

Führung als zentraler Stellhebel der Strategieumsetzung

50

Abb. 10:

Analyse der Ist-Situation: Die vier Dimensionen agiler Führungskompetenzen

57

Abb. 11:

Zukunftsorientierte Führungskultur und nachhaltige Lernkultur als Erfolgstreiber

59

Abb. 12:

Agilität und Lernkultur: Vier Typen von HR-Bereichen

60

Abb. 13:

Verbindung von gesellschaftlichen Rahmenbedingungen und individueller Prägung als Mechanismen der Entstehung von Generationen

66

Abb. 14:

Generationenspezifische Eignung von Maßnahmen der Personalgewinnung und-bindung

77

Abb. 15:

Einschätzung der Bedeutung verschiedener Personalinstrumente durch Arbeitgeber und Arbeitnehmer 50+

79

XIVAbb. 16:

Aktivitätsgrad und Arbeitgeberattraktivität: Vier Typen von HR-Bereichen

80

Abb. 17:

Vertrauensdeterminierende Faktoren in Führungsbeziehungen

92

Abb. 18:

Kulturelle Einflussfaktoren vertrauensmoderierender Variablen

95

Abb. 19:

Ist-Zustand der Adressierung von Strategieumsetzung, Agilität und Individualisierung durch das HRM

99

Abb. 20:

Idealtypische HR-Wertschöpfungskette nach Becker

103

Abb. 21:

Saarbrücker MO5-Wertschöpfungskette des Personalmanagements nach Scholz

105

Abb. 22:

Die neue HR-Wertarchitektur: Das SAI-Modell

113

Abb. 23:

Entschlüsselung der unternehmensspezifischen DNA des Personalerfolgs

125

Abb. 24:

Von der IST- zur SOLL-Situation durch Qualitätsoptimierung der HR-Gestaltungsfelder

127

XVTabellenverzeichnis

Tab. 1:

Studienüberblick

39

Tab. 2:

Abgrenzung der Generationen Y, X und Baby Boomer in Deutschland

68

Tab. 3:

Charakterisierung der Generation Y

70

Tab. 4:

Charakterisierung der Generation X

72

Tab. 5:

Charakterisierung der Generation Baby Boomer

74

Tab. 6:

Eigenschaften linearaktiver, multiaktiver und reaktiver Kulturen

93

Tab. 7:

Interkulturelle Herausforderungen in der digitalen Zusammenarbeit

96

11. HRM auf dem Weg zu neuen Ufern

Der kontinuierliche Wandel von Märkten, Unternehmen und Mitarbeiteranforderungen ist an sich kein neues Phänomen. Auch die damit einhergehenden Veränderungen der HR-Aufgaben sind eine Begleiterscheinung, die seit Einführung der Funktion des Personalmanagements Wissenschaftler und Praktiker beschäftigen. Neu an der derzeitigen Situation sind allerdings (1) die enorme Geschwindigkeit der Umwälzungen sowie (2) die weitreichenden Konsequenzen für die Organisationsform und Aufgabenfelder von Unternehmen und damit auch für das HR Management. In diesem Buch konzentrieren wir uns auf die Implikationen der veränderten Rahmenbedingungen für die Zukunft der Personalarbeit: Damit HRM als Konsequenz sich auflösender Organisations- und Marktgrenzen nicht ebenfalls in die Auflösung gedrängt wird, ist aus unserer Sicht ein radikales Umdenken notwendig.

In Kapitel 1 legen wir mit einem kurzen Abriss der historischen Entwicklung der Personalfunktion den Grundstein für das Verständnis der heutigen Anforderungen an HR-Bereiche. Aufbauend darauf reflektieren wir, inwieweit das HRM diese Ansprüche bereits erfüllen kann. Dazu betrachten wir sowohl die Ergebnisse empirischer Untersuchungen als auch die wesentlichen Veränderungen auf Markt-, Unternehmens- und Mitarbeiterebene. In der Zusammenführung der aktuellen Kritik an HRM und den wichtigsten Zukunftsherausforderungen entwickeln wir drei Kernanforderungen, die eine wirksamkeitsorientierte Personalarbeit berücksichtigen sollte.

Im weiteren Verlauf des Buches (Kapitel 2) zeigen wir auf Basis unserer zahlreichen empirischen Untersuchungen und Organisationsanalysen von HR-Bereichen den aktuellen Stand des HR Managements in Bezug auf diese drei Kernanforderungen der Zukunft auf.

In Kapitel 3 erläutern wir, warum die ganzheitliche Adressierung aller drei Kernanforderungen den meisten HR-Bereichen bis jetzt schwer fällt. Sie handeln verbreitet als selbstreferentielle Systeme mit traditionellen Steuerungsmechanismen, die weitestgehend immun gegen Veränderungsimpulse von außen sind. Basierend auf dieser Feststellung entwickeln wir eine neue Wertarchitektur, die eine systematische Öffnung des HR Managements vorschlägt.

2In Kapitel 4 erläutern wir, warum die neue HR-Wertarchitektur kein universales Patentrezept für die Umstrukturierung von HR-Bereichen darstellt, sondern jeweils im unternehmensspezifischen Kontext analysiert, angepasst und entwickelt werden muss. Dazu erklären wir das Konzept der DNA des Personalerfolgs und plädieren für eine individuelle Ausgestaltung der Personalarbeit nach den zentralen Erfolgszusammenhängen des jeweiligen Unternehmens.

Abbildung 1 veranschaulicht unsere Argumentationskette und den Aufbau dieses Buches.

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Abb. 1: Kapitelstruktur: HR-Kernanforderungen als Grundlage einer neuen Wertarchitektur

31.1 Von der Dienstleistungsrolle zur strategischen Funktion: Wo steht das HRM heute?

Die historische Entwicklung des Personalwesens zeichnet eine kontinuierliche Ausweitung seiner Kompetenz- und Aufgabenbereiche. Umfasste das Personalmanagement früher nur die Abwicklung operativer Prozesse wie die Gehaltsabrechnung oder die Verwaltung der Personalakte, so wird das HR Management heute als die Summe der mitarbeiterbezogenen Gestaltungsmaßnahmen zur Verwirklichung der strategischen Unternehmensziele definiert3. Damit werden an den Personalbereich deutlich mehr Anforderungen gestellt als nur die Ausführung administrativer Personalverwaltungsaufgaben. Ein strategisch ausgerichtetes HR Management, das die Rahmenbedingungen für die Gewinnung, Bindung und Motivation einer ausreichenden Zahl qualifizierter Mitarbeiter schafft und ausgestaltet, gilt als wichtiger Faktor zum Erzielen von Wettbewerbsvorteilen.

Die Einführung der Personalfunktion geht auf den Beginn der Industrialisierung zurück. In diesem Kontext wurde es für Unternehmen notwendig, eine strukturierte Personalverwaltung zu etablieren, um die steigende Arbeitnehmerzahl zu organisieren und zu koordinieren. Personalbereiche waren also zunächst verwaltende Einheiten, deren einzige Aufgabe darin bestand, die operative Steuerung von Einstellung, Entlohnung und Entlassung sicherzustellen. Der Mitarbeiter selbst wurde als weitgehend austauschbar und finanziell motiviert angesehen, sodass kaum ein Gedanke an Personalentwicklung und -bindung verloren wurde. Grundlage für diese Betrachtung waren unter anderem die Ausführungen des amerikanischen Ingenieurs Frederick W. Taylor, der die Produktivität menschlicher Arbeitsleistung durch eine rein mechanisch-wissenschaftliche Optimierung zu maximieren versuchte. Er reduzierte den kognitiven Anspruch von Tätigkeiten, indem er sie in kleine Arbeitsschritte aufteilte, ermöglichte damit ein zügiges Anlernen von Mitarbeitern und optimierte durch Training die schnellstmögliche Ausführung immer gleicher Abläufe. Ein ähnliches Konzept entwickelte und vertrat auch Henry Ford, der die industrielle Massenproduktion von Automobilen mittels Fließbandarbeit revolutionierte.

Dieses Bild des Menschen als Produktionsfaktor ohne kognitive Anforderungen an die Tätigkeit wurde in den 1930er Jahren durch die Human-Relations-Bewegung abgelöst. Mit der zunehmenden Herausbildung von Spezialistenfunktionen in Unternehmen und der stärkeren Berücksichtigung psychologischer Erkenntnisse änderte sich in diesem 4Zeitraum langsam, aber sicher der Blick auf den Mitarbeiter. Arbeitsbedingungen wurden humanisiert, das Verständnis von Führung als autoritäre Weisungsbeziehung begann sich hin zu einem stärkeren Einbezug der Mitarbeiter zu wandeln. Es dauerte allerdings bis in die 1970er Jahre, bis diese Entwicklungen auch den Personalbereich erreichten und Themen wie Mitbestimmung und Mitarbeiterengagement an Bedeutung gewannen. In diesem Kontext begann das Personalwesen sich um zusätzliche Aufgabenfelder wie ergonomische Arbeitsplatzgestaltung, Führungskräfteentwicklung und Sozialleistungen zu bemühen.

Systematisiert und deutlich erweitert wurde der stärkere Fokus auf die Bedürfnisse der Mitarbeiter mit der Entwicklung des Konzepts des strategischen Human Resource Managements in Nordamerika4. Nach diesem Ansatz sind Mitarbeiter eine schwer ersetzbare Ressource mit einzigartigem Wissen und damit Träger nachhaltiger Wettbewerbsvorteile. Ein Unternehmen kann langfristig nur erfolgreich sein, wenn es die „richtigen“ (d.h. zur Umsetzung der Unternehmensstrategie notwendigen) Mitarbeiter findet, bindet und weiterentwickelt. Mit dem Siegeszug des strategischen HR-Ansatzes5 gewann der Personalbereich als Koordinator dieser „menschlichen Ressource“ entscheidend an Bedeutung. Er sollte nun nicht mehr nur die Personalverwaltung übernehmen, sondern durch die langfristig ausgerichtete Gewinnung, Bindung und Motivation von Mitarbeitern einen Beitrag zum Unternehmenserfolg liefern. Zahlreiche Studien haben seither die Wirksamkeit eines strategischen HR Managements für den Unternehmenserfolg und die Leistung sowie Arbeitszufriedenheit von Mitarbeitern belegt6. Der Wertbeitrag des HRM ist demnach besonders hoch, wenn die Personalsysteme an die Mission und Ziele des Unternehmens angepasst sind und diese in enger Zusammenarbeit mit den einzelnen Fachbereichen des Unternehmens in der Personalarbeit umgesetzt werden.

Das neue Paradigma konzentriert sich in allen Aspekte der Personalarbeit auf den Strategiebeitrag von HRM: Personaler sollen in der Geschäftsführung vertreten sein und ihre Arbeit so professionalisieren, dass sie der Rolle des strategischen Partners gerecht werden. Die klassischen administrativen Aufgaben des Personalbereichs werden in diesem Kontext so weit wie möglich reduziert und standardisiert. Vor allem größere Unternehmen konsolidieren derartige Aufgaben in zentralen Stellen (so genannten Shared Service Center), die zum Teil auch komplett an externe Anbieter ausgelagert werden. HRM erfährt damit zumindest 5auf dem Papier eine Aufwertung: Vom Verwalter zum Gestalter – doch erfüllt das HRM diese Rolle in der Praxis auch tatsächlich?

HRM als Werttreiber: Status Quo

Während der Zusammenhang zwischen einem strategisch ausgerichteten Personalmanagement und einer Erhöhung des Unternehmenserfolgs im nordamerikanischen Raum umfassend belegt ist, fehlt eine detaillierte Analyse des Status Quo im deutschsprachigen Kontext. Diese Lücke motivierte uns zu einer umfassenden Erhebung des Ist-Zustandes traditioneller Hauptbetätigungsfelder von HR-Bereichen. Folglich unterzogen wir die Bereiche Personalstrategie, Personalplanung, Personalrekrutierung, Personalentwicklung und Personalführung einer detaillierteren Analyse.

Bei unserer Untersuchung der Qualität dieser fünf Felder der Personalarbeit in deutschen Unternehmen verwendeten wir ein Forschungsdesign, das auf dem Qualitätsmanagementsystem der European Foundation for Quality Management (EFQM-Modell) basiert. Der Ansatz zeichnet sich durch eine ganzheitliche Betrachtung von Prozessen in Unternehmen aus und berücksichtigt nicht nur die Exzellenz einzelner Abläufe, sondern auch deren wechselseitige Abstimmung. Anhand von Reifegraden lässt sich der Umsetzungsstand in Unternehmen ermitteln und eine Ableitung von Stärken-Schwächen-Profilen sowie Vergleiche mit Wettbewerbern durchführen.

Nach Vorgabe der Qualitätsmessung des EFQM-Modells untersuchten wir die Reifegrade der Personalmanagementbereiche unter Rückgriff auf ein fünfstufiges System7. Stufe 1 bedeutet dabei keine eigene Aktivität (0 %), das heißt Prozesse werden gar nicht oder nur auf Anfrage umgesetzt. Stufe 2 bezeichnet eine vorhandene Aktivität, jedoch ohne Eigensteuerung (25 %), also bedarfsgesteuerte Handlungen ohne systematischen Gestaltungsanspruch durch das HRM. Auf Stufe 3 sind erste Ansätze zur Eigensteuerung vorhanden (50 %), und Stufe 4 bildet eine vollständige Eigensteuerung des HR-Bereichs mit hoher Regelmäßigkeit (75 %) ab. Unternehmen, deren Personalmanagementbereiche zu Stufe 5 (100 %) zählen, kombinieren die systematische Eigensteuerung mit einer ganzheitlichen Abstimmung der einzelnen Handlungsfelder aufeinander sowie auf die langfristige Unternehmensstrategie.

Um die Stellhebel erfolgreicher Personalarbeit im Gesamtzusammenhang identifizieren zu können, befragten wir in einer siebenwöchigen bundesweiten Umfrage 662 Unternehmensvertreter8. Zur Sicherung 6hoher wissenschaftlicher Standards bei gleichzeitig maximaler Praxisrelevanz entwickelten wir den verwendeten Fragebogen gemeinsam mit unserem Forschungspartner Professor Dr. Hasebrook (zeb/) in einem iterativen Prozess mit weiteren neun Experten aus Unternehmen und Forschungseinrichtungen. Die Teilnehmer der Befragung wurden durch Berichte von Medienpartnern, Pressenotizen, die Nutzung von Social Media-Plattformen und die Ansprache durch Partnerverbände (vbw – Vereinigung der Bayrischen Wirtschaft e.V., Landesvereinigung Baden-Württembergischer Arbeitgeberverbände e.V.) gewonnen. Außerdem nutzten wir eine Adressliste der Hoppenstedt Firmendatenbank zur Anschrift von Personalverantwortlichen und Geschäftsführern deutscher Unternehmen.

Durch die überregionalen Medienaufrufe konnten wir Unternehmensvertreter in unterschiedlichsten Funktionen in ganz Deutschland zu einer Teilnahme motivieren. Die Stichprobe setzt sich zu 56 % aus Personen in HR-Leitungspositionen, zu 20 % aus Mitgliedern der Geschäftsführung, zu 13 % aus Personen in anderen Führungspositionen sowie zu 11 % aus Mitarbeitern in sonstigen Unternehmensbereichen zusammen. Die Befragten stammen überdies aus unterschiedlichen Branchen (höchste Anteile: Maschinenbau 21 %, Automobil 18 %, Gesundheit 15 %). In einem sowohl online als auch in der Papierversion verfügbaren Fragebogen bewerteten die Teilnehmer die Bereiche Personalstrategie, Personalplanung, Personalrekrutierung, Personalentwicklung und Personalführung in Bezug auf (1) den Umsetzungsgrad in Ihrem Unternehmen sowie (2) die beigemessene Bedeutung nach der erläuterten Reifegradlogik.

Höhere Qualität der HR-Funktionen führt zu höherer Arbeitgeberattraktivität

Zunächst belegen die Studienergebnisse eindeutig, dass Unternehmen, die höhere Reifegrade in der Ausgestaltung der Personalmanagement-Bereiche erreichen und den Funktionen eine hohe Wichtigkeit zuschreiben, über eine überdurchschnittliche Arbeitgeberattraktivität verfügen. Diese Kennzahl ist in Zeiten des Fachkräftemangels zentral für die langfristige Wettbewerbsfähigkeit von Unternehmen. Die Kosten der Gewinnung hoch qualifizierter Mitarbeiter sind beträchtlich9 und (freiwillige) Fluktuation hat spürbar negative Auswirkungen auf den 7Unternehmenserfolg10, sodass eine hohe Arbeitgeberattraktivität für die Sicherung von Fachkräften einen entscheidenden Erfolgsfaktor darstellt. Für die höhere Arbeitgeberattraktivität von Unternehmen mit qualitativ exzellenten HR-Bereichen ist nicht nur der direkte Effekt der Professionalität der Personalgewinnung entscheidend. Vielmehr existiert eine untrennbare Verknüpfung mit der Qualität der anderen Bereiche – Unternehmen, die über eine klare Ausrichtung der Strategie, nachhaltige Personalplanung, stärkenorientierte Rekrutierungsstrategie, zielgruppenorientierte Personalentwicklung und mitarbeiterzentrierte Personalführungsansätze verfügen, sind sowohl für Bewerber als auch für Mitarbeiter deutlich attraktiver als andere Unternehmen ohne diese Ausprägungen. Abbildung 2 zeigt die fünf untersuchten Bereiche und den Vergleich der Qualitätsstufen sowie zugeordneten Wichtigkeit zwischen attraktiven und weniger attraktiven Arbeitgebern. Unternehmen mit hoher Arbeitgeberattraktivität schätzen die Wichtigkeit der fünf

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Abb. 2: Reifegrade und Wichtigkeit der fünf Personalmanagementbereiche: Vergleich von Unternehmen mit hoher vs. niedriger Arbeitgeberattraktivität

8Bereiche im Durchschnitt um 20 % höher ein als ihre Wettbewerber im unteren Quartil. Gleichzeitig liegen ihre Personalbereiche um etwa 1,5 Qualitätsstufen über den Reifegraden von Personalbereichen in Unternehmen mit niedriger Arbeitgeberattraktivität.

Umsetzung der HR-Funktionen: Mittelmäßigkeit vorherrschend

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Abb. 3: Mittlere Reifegrade der fünf Personalmanagementbereiche in den untersuchten Unternehmen

Obwohl der Zusammenhang zwischen hoher Qualität der Aufgabenfelder im Personalbereich und verschiedenen Erfolgsindikatoren sowohl durch die im vorangegangen Abschnitt erläuterten Ergebnisse als auch durch die metaanalytische Zusammenfassung mehrerer Studien in einer Gesamtanalyse11 belegt wird, zeichnet sich bei der detaillierten Auswertung des aktuellen Umsetzungsstandes in deutschen Unternehmen ein ernüchterndes Bild ab: Das HRM befindet sich maximal im Mittelfeld der möglichen Leistungsfähigkeit. Im Durschnitt sind die HR-Bereiche gerade einmal systematisch aufgebaut. Die einzelnen HR-Funktionen sind jedoch kaum aufeinander abgestimmt und arbeiten in Bezug auf die Gesamtstrategie oftmals nicht ganzheitlich zusammen (vgl. Abbildung 3). Ein Vergleich der Reifegrade nach Branchenzugehörigkeit der untersuchten Unternehmen zeigt, dass die Automobilindustrie eine Vorreiterrolle einnimmt, wohingegen die Logistikbranche das größte Entwicklungspotenzial aufweist. Auch mit zunehmender Unternehmensgröße steigt tendenziell die Qualität der Personalmanagementbereiche 9– je mehr Mitarbeiter im Unternehmen beschäftigt sind, desto höher fällt der Reifegrad der Personalprozesse aus. Die nachfolgende Ergebniszusammenfassung der Stärken und Schwächen in den einzelnen Aufgabenbereichen verdeutlicht die Handlungsfelder für HRM aus der heutigen Beurteilung durch Personaler sowie aus Sicht der Unternehmensleitung.

Personalstrategie

Die Personalstrategie wird bei den meisten teilnehmenden Unternehmen regelmäßig aus der Gesamtstrategie abgeleitet und berücksichtigt gesamtgesellschaftliche Trends systematisch. Während die Qualität in Bezug auf diese Aspekte als eher hoch zu bewerten ist, lässt sich eine nachlässige Einbindung der Mitarbeiter in die strategische Ausrichtung des Unternehmens feststellen. Die wenigsten HR-Bereiche beschäftigen sich damit, ob den Mitarbeitern die langfristige Unternehmensstrategie bekannt ist, geschweige denn, ob sie dieser zustimmen. Damit werden enorme Potenziale der Strategieumsetzung verschenkt: Die Veränderungs- und Umsetzungsbereitschaft der eigenen Belegschaft sind die wichtigsten Treiber erfolgreicher Strategieimplementierung. Die Gesamtstrategie kann noch so gut geplant und mit Kennzahlen versehen sein – wenn die Mitarbeiter diese nicht leben, ist sie zum Scheitern verurteilt. Unternehmen ist zu empfehlen, den Ruf nach höherer Kundenorientierung nicht nur auf externe Kunden zu beziehen, sondern auch die eigenen Mitarbeiter als zentrale Anspruchsgruppen einzubinden und bei der Strategieentwicklung zu berücksichtigen. Nicht zuletzt wird bei der Analyse der Qualitätsgrade im Kontext der Personalstrategie deutlich, dass das HRM sich zwar auf die Umsetzung der Unternehmensstrategie in den einzelnen Aufgabenbereichen (z.B. Integration in die Leistungsbeurteilungssysteme, Anreizgestaltung oder Arbeitszeitmodelle) konzentriert, diese dabei aber zu oft isoliert voneinander betrachtet. Aus dieser fehlenden Integration resultieren oftmals widersprüchliche Anforderungen der einzelnen Personalsysteme, was den nachhaltigen Erfolg der Strategieumsetzung beeinträchtigt.

Personalplanung

Die Personalplanung beschreibt die „Gesamtheit der Maßnahmen zur Ermittlung des zukünftigen Personalbedarfs und die Bereitstellung der benötigten Arbeitskräfte“12. Sie ist in den meisten Unternehmen bereits systematisch auf den Einbezug der Führungskräfte ausgerichtet. Der HR-Bereich befragt diese nach künftigen Personalbedarfen und richtet, 10basierend auf den erhaltenden Angaben, die Mitarbeitergewinnung und -entwicklung entsprechend aus. So entsteht in den meisten Unternehmen eine systematische und zumindest mittelfristige Besetzungsplanung. Allerdings werden die Einschätzungen der Vorgesetzten noch zu selten kritisch hinterfragt und mit den künftig benötigten Kompetenzprofilen aus der Gesamtstrategie abgeglichen. Die HR-Bereiche nehmen die erhaltenen Bedarfsstatistiken mehr oder weniger unreflektiert hin und überlegen nur in vereinzelten Fällen in gemeinsamen Szenario-Besprechungen mit den leitenden Kräften, ob und wie sich Schlüsselpositionen in Zukunft verändern könnten. Auch verschiedene Entwicklungsmöglichkeiten auf gesamtgesellschaftlicher Ebene (z.B. veränderte Altersstruktur der Bewerber, andere Ausbildungsabschlüsse, Internationalisierung der Erwerbsbevölkerung) werden bis jetzt kaum verwendet, um alternative Personalbedarfsmodelle zu entwickeln. Ein höheres Maß an Eigensteuerung durch das HRM wäre an dieser Stelle notwendig, um einen über den operativen Aspekt hinausgehenden, strategischen Beitrag zu leisten.

Personalrekrutierung

Die Personalgewinnung umfasst alle Instrumente zur Besetzung freier Stellen durch interne oder externe Arbeitskräfte. In den meisten an unserer Befragung teilnehmenden Unternehmen werden Führungskräfte umfangreich in die (externen) Personalrekrutierung einbezogen. Die Führungskräfte, für deren Team ein neuer Mitarbeiter gesucht wird, sind größtenteils auch an den Einstellungsinterviews beteiligt. Damit kann der „Person-Supervisor-Fit“, das heißt die Passung zwischen Führungskraft und Mitarbeiter, bereits nach dem ersten Interview recht zuverlässig prognostiziert werden. In den untersuchten kleinen und mittelständischen Unternehmen werden systematische Test- und Auswahlverfahren, wie z. B. Assessment-Center, dagegen eher selten eingesetzt. Die Anforderungsanalyse, das heißt die Ermittlung der tätigkeitsrelevanten Fähigkeiten eines Bewerbers für den zu besetzenden Arbeitsplatz, erfolgt zumeist durch die biografieorientierte Bewertung vorhandener Qualifikationen und bisheriger Erfahrungen. Der in großen Unternehmen zu beobachtende Trend zur Professionalisierung der Personalauswahl scheint also in kleineren Unternehmen weitestgehend ignoriert zu werden13. Auch wenn die Passung zwischen neuem Mitarbeiter und Führungskraft sowie zwischen neuem Mitarbeiter und Team im Vergleich zu früher an Bedeutung für die Arbeitsleistung zunimmt, ist an dieser Stelle auf die nach wie vor hohe Vorhersagekraft 11systematischer Tests zu verweisen. Nach einer klassischen Studie der Wissenschaftler Schmidt und Hunter14 sind Arbeitsproben und Intelligenztests die besten Prädiktoren für den späteren Berufserfolg. An dritter Stelle folgt das Einstellungsinterview, welches allerdings auf einem systematischen Leitfaden mit direktem Bezug zur auszuführenden Tätigkeit beruhen sollte.

Über eine Professionalisierung des Einstellungsverfahrens ist nicht nur aufgrund der Gefahr von Fehlbesetzungen nachzudenken. Sie beeinflusst ebenso das Arbeitgeberbild, das nach außen hin vermittelt wird. Der Begriff der sozialen Validität bezeichnet die Wahrnehmung des Rekrutierungsverfahrens durch den Bewerber. Verfahren, die einen hohen Professionalitätsgrad aufweisen, vermitteln dem Bewerber das Bild eines sehr viel anspruchsvolleren Arbeitgebers als Besetzungsprozesse, in denen lediglich ein Interview geführt wird. Als Konsequenz steigt die Wahrscheinlichkeit der Zusage bei einem Stellenangebot – der Bewerber überträgt die Professionalität des Einstellungsverfahrens auf künftige Joberwartungen und ist zudem durch das Gefühl motiviert, dieses schwierige Verfahren bewältigt zu haben.

Ein weiteres Entwicklungsfeld der Personalrekrutierung liegt in der Nutzung von Mitarbeiterempfehlungen. Während viele Unternehmen klassische Werbekanäle (Printanzeigen, Fernseh-/Radiowerbung), internetbasierte oder mobile Ansprachen (Firmen-Webseite, Social Media, Online-Jobbörsen, mobile Applikationen), persönliche Kontakte mit potenziellen Bewerbern (Messen, Recruiting-Veranstaltungen, Kooperationen mit Hochschulen) oder die Teilnahme an Arbeitgeberrankings bereits systematisch nutzen, nimmt die Bedeutung informeller Rekrutierungswege in Zukunft immer mehr zu15. Diese informellen Methoden umfassen die Vermittlung von Informationen über das Unternehmen und/oder offene Stellen mittels zwischenmenschlicher Kanäle, die nicht zum Zweck der Stellensuche geknüpft wurden (z.B. über Bekannte, Freunde, Familie, ehemalige Mitarbeiter). Sie werden in zahlreichen Fällen von HR-Bereichen nur unregelmäßig genutzt – trotz ihres vorteilhaften Kosten-Nutzen-Verhältnisses. Aus Unternehmenssicht kann die Verwendung der Mitarbeiternetzwerke zur Fachkräftegewinnung durch Belegschaftsempfehlungs-Programme gefördert werden. Für jeden erfolgreich geworbenen neuen Mitarbeiter erhält der Arbeitnehmer beispielsweise eine Geldprämie. In empirischen Untersuchungen wird der Rekrutierung über persönliche Kontakte ein hohes Potenzial durch eine bessere Passung während des Bewerbungsprozesses, erleichterte 12Einarbeitung nach Jobeinstieg und langfristig geringere Fluktuationsquoten nachgewiesen.16 Die Überlegenheit der von Mitarbeitern empfohlenen Bewerber liegt in Bewerberpool-, Homophilie-, Informations-, Reputations- und sozialen Vorteils-Mechanismen begründet, welche in Abbildung 4 erläutert werden. Insbesondere hochqualifizierte Fachkräfte scheinen besonders gute Empfehlungen abzugeben: Je höher die Arbeitsleistung des Empfehlungsgebers, desto besser geeignet ist demnach tendenziell der vorgeschlagene Bewerber – ein Fakt, der das ökonomische Potenzial von Belegschaftsempfehlungen gerade im Rahmen der Rekrutierung von hoch qualifizierten Mitarbeitern hervorhebt17.

Abschließend finden wir in unseren Studienergebnissen, dass die Arbeitgeberpositionierung in den meisten Unternehmen nicht auf einer systematischen Analyse der eigenen Stärken und Schwächen als Arbeitgeber basiert. HR-Bereiche neigen dazu, allgemeine Trends wie eine hohe Work-Life-Balance, individuelle Arbeitszeitgestaltung oder internationale Karrieremöglichkeiten aufzugreifen und in ihrem Arbeitgeberversprechen zu adressieren. Dabei wird allerdings nicht immer berücksichtigt, ob diese Felder auch tatsächlich zu den eigenen Vorzügen gehören oder ob andere Aspekte die eigene Arbeitgeberidentität viel stärker definieren und damit zur Abgrenzung von Wettbewerbern geeigneter wären. Das „Verkaufen“ eines realitätsfernen Arbeitgeberimages kann zwar unter Umständen kurzfristig Fachkräfte anziehen, impliziert aber langfristig durch erhöhte Fluktuation und destruktives Verhalten der Mitarbeiter hohe Folgekosten.

Personalentwicklung

Unter Personalentwicklung werden alle Tätigkeiten verstanden, „die für das Personal systematisch nach einem einheitlichen Konzept vollzogen werden“ und sich auf „Veränderungen ihrer Qualifikationen und/oder Leistungen“18 beziehen. Besonders professionell agiert die Personalentwicklung vieler HR-Bereichen bei der Ausrichtung auf am Arbeitsmarkt fehlende Kompetenzen. Personalbereiche sind bereits sehr gut darin, (zukünftig) schwer rekrutierbare Qualifikationen zu erkennen und als Gegenmaßnahme eigene Mitarbeiter in Bezug auf diese Fähigkeiten aus- oder weiterzubilden. Diese Weitsicht ist für die künftig benötigten Kompetenzen zur Umsetzung der Unternehmensstrategie allerdings noch nicht vergleichbar ausgeprägt. Plakativ zusammengefasst: Personalentwicklung wird in Bezug auf Trendthemen durchgeführt, 13welche am Markt und auf Personalkongressen diskutiert werden – ein bisschen Self Leadership hier und etwas Netzwerkkompetenz da. Ob diese sicherlich wichtigen Zukunftskompetenzen jedoch auch die zentralen Treiber der eigenen Strategieimplementierung sind, ist bei der Auswahl der angebotenen Maßnahmen oftmals zweitranging. Diese mangelnde Ergebnisgrößen-Orientierung zeigt sich auch in der nur unregelmäßig stattfindenden Kontrolle des Lernerfolgs: Zahlreiche Unternehmen verfügen über kein systematisches Controlling ihrer Personalentwicklungsmaßnahmen, der „Return on Learning“ bleibt unbekannt.

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Abb. 4: Wirkmechanismen erhöhter Bewerberqualität durch Mitarbeiter empfehlungen19

Außerdem existieren noch nicht überall aussagekräftige Statistiken über die Weiterbildungsbeteiligung nach Alter, Funktion, Mitarbeiterpotenzial und vermitteltem Inhalt (Fach-, Methoden-, Selbst-, Sozialkompetenz), aus der sich künftige Schwerpunkte datenbasiert ableiten lassen. Folglich liegt ein weiteres Handlungsfeld in der gezielten Nutzung von Personalentwicklung zur Mitarbeiterbindung. Die positive Wirkung von Weiterbildungsmaßnahmen auf die Senkung der Fluktuation konnte wiederholt gezeigt werden20 und wird durch verschiedene zusammenwirkende Effekte erklärt:

  1. Weiterbildung erfüllt das Motiv der Selbstverwirklichung durch die Möglichkeit zur fachlichen und persönlichen Verbesserung.
  2. Training kann die Wechselkosten für den Mitarbeiter erhöhen, so dass die Kündigungswahrscheinlichkeit sinkt. Dies ist dann der Fall, wenn Training spezifisch ist, das heißt nur die speziell für eine bestimmte Tätigkeit benötigten Kompetenzen weiter entwickelt werden. Damit steigt der Humankapitalwert des Arbeitnehmers – allerdings nur innerhalb der Firma, da die erworbenen Fähigkeiten ausschließlich unternehmensintern vorteilhaft einsetzbar sind. In anderen Unternehmen hat das Spezialwissen einen geringen Nutzen, sodass ein Wechsel eventuell die Position verschlechtern würde.
  3. Sowohl allgemeines als auch jobspezifisches Training kann sich positiv auf die wahrgenommene organisationale Unterstützung auswirken,21 welche wiederrum das Fluktuationsrisiko senkt.22 Nach dem Konzept der sozialen Austauschtheorie23 wird dem Mitarbeiter gegenüber durch Weiterbildung Wertschätzung zum Ausdruck 15gebracht, die im Sinn eines sozialen Austauschprozesses zu reziprokem Verhalten motiviert (z.B. in Form von höherem Engagement für das Unternehmen oder intensiverem Arbeitseinsatz).24
  4. Personalentwicklung kann die Passung zur Arbeitsstelle erhöhen und damit Überforderung im Rahmen der Arbeit reduzieren. Der Mitarbeiter wird durch den Erwerb entsprechender Kompetenzen befähigt, besser mit den Anforderungen seiner Tätigkeit umzugehen und Rollenüberlastung zu verhindern, was sich über ein verringertes Stressempfinden positiv auf die Unternehmensbindung auswirkt.25