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John Jackson Miller

StarWars.tif

KENOBI

Aus dem Englischen

von Andreas Kasprzak

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Die amerikanische Originalausgabe erschien

unter dem Titel »Star Wars™ Kenobi«

bei Del Rey/The Ballantine Publishing Group, Inc., New York.

1. Auflage

Deutsche Erstveröffentlichung September 2015

bei Blanvalet, einem Unternehmen der Verlagsgruppe

Random House GmbH, München

Copyright © 2013 by Lucasfilm Ltd. & ® or ™ where indicated.

All rights reserved.

Translation Copyright © 2015 by Verlagsgruppe

Random House GmbH, München

Umschlaggestaltung: Melanie Miklitza, Inkcraft,

nach einer Originalvorlage

Cover Art Copyright: © 2014 by Lucasfilm Ltd.

Jacket design: Scott Biel

Jacket illustration: Chris McGrath

Redaktion: Rainer Michael Rahn

ue · Herstellung: sam

Satz: omnisatz GmbH, Berlin

ISBN: 978-3-641-14916-1

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Für Kathy, die dafür gesorgt hat,

dass ihr kleiner Bruder den Film sehen durfte

Dramatis Personae

ANNILEEN CALWELL; Ladenbesitzerin

ORRIN GAULT; Feuchtfarmer und Unternehmer

A’YARK; Tusken-Kriegshäuptling

KALLIE CALWELL; Annileens Tochter

JABE CALWELL; Annileens Sohn

MULLEN GAULT; Orrins Sohn

VEEKA GAULT; Orrins Tochter

WYLE ULBRECK; Feuchtfarmer

LEELEE PACE; zeltronische Handwerkerin

BEN KENOBI; Neuankömmling

Es war einmal vor langer Zeit

in einer weit, weit entfernten Galaxis …

Bis die Zeit ist reif, verschwinden wir werden.

– YODA

Dunkelheit hat sich über die Galaxis gesenkt. Der Imperator hat die Kontrolle über die Galaktische Republik an sich gerissen, unterstützt von Anakin Skywalker, einst strahlendster aller Jedi-Ritter, betraut mit der Aufgabe, die Hilflosen zu schützen. Der Dunklen Seite der mystischen Macht verfallen, ist Anakin nunmehr der skrupellose Vollstrecker des Imperators, besser bekannt als Darth Vader.

Doch die Hoffnung lebt weiter: in Gestalt von Anakins neugeborenem Sohn – beschützt von Skywalkers Freund und ehemaligem Mentor Obi-Wan Kenobi, der mit dem Baby zu der abgelegenen Welt Tatooine flieht. Dorthin, wo Anakins Untergang Jahre zuvor seinen Anfang nahm, als er einen Stamm eingeborener Tusken-Räuber abschlachtete.

Kenobi, der nichts von jenem Ereignis weiß – und weiterhin der Ansicht ist, Anakin in ihrem verzweifelten Duell getötet zu haben –, widmet sich seiner neuen Aufgabe, aus der Ferne über das Kind und seine Adoptivfamilie, das Ehepaar Lars, zu wachen. Gleichwohl, jemandem, der es gewohnt ist zu handeln, fällt es nicht leicht, sich zu verstecken, und auch in der Wüste Tatooines gibt es einige, die der Hilfe eines Jedi bedürfen …

Prolog

»Sie sollten jetzt wirklich nach Hause gehen, Sir.«

Wyle Ulbreck erwachte und blickte in sein leeres Glas. »Was sagst du da?«

Der grünhäutige Schankwirt gab dem Menschen einen Klaps auf die Schulter. »Ich sagte, es ist Zeit, dass Sie nach Hause gehen, Master Ulbreck. Sie hatten genug.«

»Das meine ich nicht«, erwiderte Ulbreck, während er sich den Schlaf aus den blutunterlaufenen Augen rieb. »Du hast mich ›Sir‹ genannt.« Er musterte den Wirt argwöhnisch. »Bist du echt – oder ein Droide

Sein Gegenüber seufzte und zog die Schultern hoch. »Dieses Thema schon wieder? Ich habe es Ihnen vorhin bereits erklärt. Meine Augen sind groß und rot, weil ich ein Duros bin. Ich habe Sie so genannt, weil ich höflich bin. Und ich bin höflich, weil ich kein alter Feuchtfarmer bin, der nach all den Jahren draußen in der Wüste den Verstand …«

»Weißt du«, unterbrach ihn der Mann mit dem weißen Bart, »ich mache nämlich keine Geschäfte mit Droiden. Droiden sind Diebe, und zwar allesamt.«

»Warum sollte ein Droide stehlen?«

»Um die Beute anderen Droiden zu geben«, erklärte Ulbreck, dann schüttelte er den Kopf. Offensichtlich war der Wirt ein Trottel.

»Was sollte …«, setzte der Duros an. »Ach, schon gut«, brach er dann ab, während er nach der Flasche griff und das Glas des alten Farmers füllte. »Ich werde nicht mehr versuchen, mit Ihnen zu reden. Trinken Sie.«

Genau das tat Ulbreck auch.

Soweit es ihn betraf, gab es nur ein Problem in der Galaxis: die Leute. Die Leute und die Droiden. Gut, das waren zwei Dinge – aber andererseits, wäre es nicht falsch, die Probleme der Galaxis auf eine Sache begrenzen zu wollen? Das war doch nicht fair, oder? Jedenfalls empfand der alte Mensch normalerweise so, sogar wenn er nüchtern war. Während seiner sechzig Jahre als Feuchtfarmer hatte Ulbreck zahllose Theorien über das Leben aufgestellt. Doch da er einen Großteil der frühen Jahre allein gearbeitet hatte – seltsam, dass selbst die Farmhelfer einen Bogen um ihn machten –, hatten sich diese Gedanken aufgetürmt, ohne ausgesprochen worden zu sein.

Doch dafür gab es schließlich Besuche in der Stadt: Das waren für Ulbreck die Gelegenheiten, die Weisheit eines Lebens mit anderen zu teilen. Jedenfalls, wenn er nicht gerade von diabolischen Droiden ausgeraubt wurde, die vorgaben, sie wären grüne Schankwirte.

Eigentlich war Droiden der Zutritt zu Junix’ Kneipe verboten – das stand jedenfalls auf dem uralten Schild vor dem Eingang der Bar in Anchorhead. Wer immer Junix gewesen sein mochte, er war schon lange tot und unter dem Sand von Tatooine begraben, doch seine Kneipe hatte überlebt: eine nur spärlich erhellte Spelunke, wo der Zigarra-Rauch kaum den Gestank der Farmer überdecken konnte, die den ganzen Tag in der Wüste geschuftet hatten. Ulbreck kam nur selten hierher, da er für gewöhnlich eine Oasen-Bar in der Nähe seiner Farm bevorzugte. Aber da er schon einmal in Anchorhead war, um einen Verkäufer von Evaporatorteilen zu besuchen, hatte er hier einen Zwischenstopp eingelegt, um seine Feldflasche aufzufüllen.

Jetzt, ein halbes Dutzend Lum-Biere später, begann Ulbreck, an sein Zuhause zu denken. Seine Frau wartete dort auf ihn, und er wusste, dass er sich besser auf den Weg machen sollte. Andererseits: Seine Frau wartete dort auf ihn, und das war Grund genug hierzubleiben. Er und Magda hatten heute Morgen einen schrecklichen Streit wegen ihres Streits vom Vorabend gehabt, worum auch immer es dabei gegangen war. Ulbreck konnte sich nicht mehr erinnern, und er war glücklich darüber.

Doch er war ein wichtiger Mann, und die vielen Leute, die für ihn arbeiteten, würden ihn bis auf das letzte Hemd ausrauben, wenn er zu lange fortblieb. Durch einen Schleier blickte er auf das Chrono an der Wand. Dort standen Zahlen, ein paar von ihnen auf dem Kopf, wie es schien. Und sie tanzten. Ulbreck verzog das Gesicht. Er hatte nicht viel fürs Tanzen übrig. Mit surrenden Ohren rutschte er von seinem Barhocker, entschlossen, diesen Zahlen zu sagen, was er von ihnen hielt.

In diesem Moment wurde er vom Boden angegriffen. Schnell und hinterhältig sprang er Ulbreck an, offenbar in der Absicht, ihm ins Gesicht zu schlagen, wenn er nicht hinsah.

Beinahe hätte er damit Erfolg gehabt, wäre da nicht eine Hand gewesen, die Ulbreck auffing.

»Vorsicht«, sagte der Besitzer der Hand.

»Ich kenne dich nicht«, brummte Ulbreck.

»Ja«, erwiderte der bärtige Mensch, während er dem alten Farmer zurück auf seinen Hocker half. Anschließend entfernte er sich ein paar Schritte, um die Aufmerksamkeit des Wirts zu erregen.

Wie Ulbreck nun sehen konnte, hatte der in Braun gekleidete Mann etwas in der Hand – eine Art Bündel. Erschrocken blickte der Farmer sich nach seinem eigenen Bündel um, in der Furcht, es könnte ihm gestohlen worden sein; dann fiel ihm ein, dass er nie ein Bündel gehabt hatte.

»Das ist keine Kinderkrippe«, erklärte der Wirt dem Fremden, auch wenn Ulbreck die Gründe dafür schleierhaft blieben.

»Ich brauche nur eine Wegbeschreibung«, sagte der Mensch mit der Kapuze.

Der alte Farmer konnte viele Wege beschreiben. Er hatte lange genug auf Tatooine gelebt, um zahlreiche Orte zu besuchen, und auch wenn er die meisten von ihnen hasste und nie wieder dorthin zurückkehren wollte, rühmte er sich doch damit, die besten Abkürzungen zu diesen Plätzen zu kennen. Er war sicher, dass er dem Fremden besser den Weg weisen konnte als dieser Droide, der behauptete, ein Duros zu sein; also stand er auf, um sich einzumischen.

Diesmal konnte er sich selbst an der Theke festhalten.

Misstrauisch blickte er zu dem Glas auf dem Tresen zurück. »Mit dem Bier stimmt was nicht«, wandte er sich an den Wirt. »Du … du hast …«

Der Neuankömmling schob sich vorsichtig dazwischen. »Sie wollen sagen, dass das Bier verwässert ist?«

Der Wirt blickte den Gast mit der Kapuzenrobe an und schmunzelte. »Sicher, wir benutzen die kostbarste Flüssigkeit auf Tatooine, um unser Bier zu panschen. So sparen wir wahnsinnig viele Credits.«

»Das habe ich nicht gemeint«, entgegnete Ulbreck. Er versuchte sich zu konzentrieren. »Du hast was in das Bier gemischt, um mich zu betäuben. Damit du mein Geld nehmen kannst. Ich kenne euch Stadttypen.«

Der Schankwirt schüttelte seinen kahlen Kopf und warf einen Blick über die Schulter zu seiner ebenso kahlen Frau, die am Spülbecken Gläser wusch. »Wir können dichtmachen, Yoona. Man ist uns auf die Schliche gekommen.« Er wandte sich wieder zu dem kapuzenverhüllten Fremden um. »Seit Jahren haben wir die Leichen unserer Kunden im Hinterzimmer gestapelt – aber ich schätze, damit ist es jetzt vorbei.«

»Ich werde es niemandem verraten«, erwiderte der Neuankömmling mit einem Lächeln. »Falls Sie mir im Gegenzug eine Wegbeschreibung geben können. Und ein Glas blaue Milch, sofern Sie welche haben.«

Ulbreck wunderte sich gerade, worum es bei diesem Wortwechsel wohl gegangen war, als das Gesicht des Wirts einen besorgten Ausdruck annahm. Der alte Farmer drehte sich um und sah mehrere junge Menschen durch den Eingang treten. Selbst seine getrübten Augen erkannten in dem fluchenden und lachenden Haufen eine Bande betrunkener Unruhestifter.

Die beiden Mittzwanziger waren die Geschwister Gault, Mullen und Veeka, die nichtsnutzigen Sprösslinge von Ulbrecks größtem Rivalen aus dem Westen, Orrin Gault. Ihre Spießgesellen durften natürlich auch nicht fehlen: Zedd Grobbo, der große Schläger, der mehr stemmen konnte als ein Verladedroide; und, knapp halb so groß wie er, der junge Jabe Calwell, Sohn eines Nachbarn von Ulbreck.

»Schaff den Jungen hier raus«, rief der Wirt, als er den Jugendlichen hinter den anderen sah. »Ich hab’s gerade einem anderen erklärt: Die Kinderkrippe ist zwei Häuser weiter.«

Nach diesen Worten hörte der Farmer hämische Pfiffe aus den Reihen der Raufbolde – und ihm fiel auf, dass sein Wohltäter sich von den Störenfrieden abwandte, sodass sie sein Bündel nicht sehen konnten. Veeka Gault schob sich an Ulbreck vorbei und griff nach einer Flasche hinter der Theke, aber anstatt zu bezahlen, bedachte sie den Duros nur mit einer obszönen Geste.

Ihre Freunde hatten sich derweil ein wehrloses Opfer gesucht: Yoona, die Frau des Wirts. Zedd packte die nervöse Duros, die gerade ein Tablett mit leeren Krügen auf den Armen trug, und wirbelte sie zum Spaß um die eigene Achse, sodass die Gläser in alle Richtungen davonflogen. Eines von ihnen traf den Kopf eines struppigen Gastes, der an einem nahen Tisch saß.

Der Wookiee richtete sich zu voller Größe auf, um lautstark seinen Unmut kundzutun. Ulbreck hatte schon die letzten Generationen der Gaults nicht ausstehen können, und er wollte sich die Gelegenheit nicht nehmen lassen, auch dieser jüngsten die Meinung zu sagen. Also stolperte er zu einem Tisch in der Nähe der Gruppe hinüber, bereit, ihnen den Kopf zu waschen. Doch der Wookiee hatte natürlich das Vorrecht, außerdem kippte der Tisch, an den er sich lehnte, ohnehin um, also beschloss er, sich die Sache erst mal vom Boden aus anzusehen. Er hörte ein raschelndes Geräusch und nahm aus den Augenwinkeln wahr, wie die Frau des Wirts sich neben ihm zusammenkauerte.

Der Wookiee verpasste Zedd einen Schlag mit dem Handrücken und beförderte ihn damit quer durch den Raum – zum Glück wurde seine Landung durch den Tisch einiger Gäste abgemildert, bei denen es sich ganz sicher um Diebe handelte, auch wenn es keine Droiden waren. Ulbreck hatte die grünhäutigen, langrüsseligen Rodianer schon den ganzen Nachmittag und Abend im Auge behalten und sich gefragt, wann sie wohl anfangen würden, ihn zu belästigen. Er erkannte die Schläger von Jabba dem Hutten, wenn er sie sah. Jetzt, wo ihr Tisch sich in seine Bestandteile aufgelöst hatte, regten sie sich schließlich. Ihre Stühle kippten um, als sie aufsprangen und nach ihren Blastern griffen.

»Keine Blaster!«, hörte Ulbreck den Wirt kreischen, als die anderen Gäste auf den Ausgang zustürmten. Nicht dass der Ausruf einen Erfolg gezeitigt hätte. Die Gaults hatten ihre Pistolen bereits gezückt, als ihr Kumpan von dem Wookiee zur Seite gefegt worden war, und nun, als sie sich von vorrückenden Gegnern in die Zange genommen sahen, eröffneten sie das Feuer auf die Rodianer. Der junge Jabe hätte vermutlich ebenfalls seine Waffe benutzt, hätte der Wookiee ihn da nicht bereits vom Boden hochgehoben. Der Hüne hielt den heulenden Jüngling in die Höhe, bereit, ihn gegen die Wand zu schleudern.

Der bärtige Neuankömmling kniete sich neben Ulbreck und beugte sich zu der Duros-Frau hinüber. »Wenn Sie kurz darauf aufpassen würden«, sagte er, und kaum dass er ihr sein Bündel überreicht hatte, stürzte er sich auch schon ins Geschehen.

Der alte Farmer richtete seine Aufmerksamkeit wieder auf das Handgemenge. Über ihm warf der Wookiee Jabe gerade gegen die Wand, aber aus irgendeinem Grund prallte der Junge nie dagegen; während Ulbreck den Hals streckte, um besser sehen zu können, wirbelte Jabes um sich tretender Körper in einem unnatürlichen Bogen durch die Luft und landete hinter der Bar.

Verwirrt drehte der Farmer den Kopf, um sich zu vergewissern, ob Yoona das auch gesehen hatte. Doch sie war vor Angst wie erstarrt, ihre Augen fest zusammengekniffen. Erst als ein Blasterschuss dicht neben ihnen in den Boden fuhr, klappten ihre Lider hoch. Mit einem Schrei drückte sie Ulbreck das Bündel in die Hände und kroch davon.

Der alte Mann richtete seine eigenen angsterfüllten Augen wieder auf den Kampf; er war sicher, dass der Wookiee den jungen Jabe zu Brei schlagen würde. Doch stattdessen erblickte er den kapuzenverhüllten Menschen, der Jabes Blaster hielt und damit zur Decke hoch zielte. Er feuerte einen Schuss auf die Leuchtkugel über ihren Köpfen ab, und eine Sekunde später breitete sich Dunkelheit in Junix’ Kneipe aus.

Doch keine Stille. Erst war da das Heulen des Wookiees, dann folgten Blasterschüsse und zersplitterndes Glas, schließlich erklang ein seltsames, summendes Geräusch, sogar noch lauter als das Summen in Ulbrecks Ohren. Er hatte Angst, hinter der Ecke des umgekippten Tisches hervorzuspähen, der ihm Deckung bot, aber schließlich tat er es doch. Vage konnte er die Silhouette des Kapuzenträgers ausmachen, erhellt von einem Wirbel blauen Lichts – und orangefarbenen Blasterstrahlen, die mitten in der Luft die Richtung zu ändern schienen und harmlos in die Wände fuhren. Dunkle Gestalten huschten auf ihn zu – waren es kriminelle Rodianer? –, doch dann trat der Mensch vor, und sie wichen schreiend zurück.

Zitternd zog Ulbreck den Kopf wieder hinter den Tisch zurück.

Schließlich wurde es doch still; so still, dass der Farmer nur noch das leise Rascheln in dem Bündel auf seinem Schoß hören konnte. Er tastete nach der kleinen Arbeitslampe in seiner Weste, aktivierte sie und blickte auf die Stoffdecke hinab.

Ein winziges Baby mit einer Strähne blonden Haares gluckste ihn an.

»Hallo«, sagte er, da er keine Ahnung hatte, was er sonst sagen sollte.

Das Kleinkind gurrte.

Der bärtige Mann tauchte an Ulbrecks Seite auf. Von unten durch die Arbeitslampe beleuchtet, wirkte er geradezu gütig und nicht im Mindesten erschöpft von dem, was er gerade getan hatte – was immer das auch gewesen sein mochte.

»Danke«, sagte er, während er das Kind wieder auf seinen Arm bettete. »Entschuldigen Sie. Kennen Sie vielleicht den Weg zur Heimstatt von Owen Lars?«

Der Farmer kratzte am Bart. »Tja, also, es gibt vier oder fünf Wege dorthin. Lass mich kurz überlegen, wie ich es dir am besten beschreibe …«

»Schon gut«, erwiderte der Mann. »Ich finde es schon.« Damit verschwanden er und das Baby in der Dunkelheit.

Ulbreck erhob sich und leuchtete mit der Lampe umher.

Da lag der Tunichtgut Mullen Gault, der gerade von seiner ebenso nutzlosen Schwester wiederbelebt wurde, und dort drüben humpelte Jabe auf den offenen Ausgang zu. Draußen konnte Ulbreck gerade noch den Wookiee erkennen; augenscheinlich rannte er hinter Zedd her. Der Wirt schließlich kauerte im hinteren Teil des Raumes und versuchte, seine Frau zu beruhigen.

Jabbas Handlanger lagen tot auf dem Boden.

Der alte Farmer sackte wieder zurück und lehnte sich gegen die Theke. Was war hier geschehen? Hatte der Fremde die Kerle allein ausgeschaltet? Ulbreck konnte sich nicht erinnern, eine Waffe bei ihm gesehen zu haben. Dazu noch die Sache mit Jabe, der scheinbar einen Moment lang in der Luft gehangen hatte, bevor er hinter der Bar auf den Boden gefallen war. Und was hatte es mit diesem verfluchten, wirbelnden blauen Licht auf sich gehabt?

Er schüttelte seinen schmerzenden Kopf, und der Raum drehte sich leicht um ihn. Nein, er war betrunken; er konnte seinen getrübten Augen nicht trauen. Niemand würde sich mit Jabbas Leuten anlegen, und niemand würde ein Baby zu einer Kneipenschlägerei mitbringen. Jedenfalls nicht, wenn er auch nur einen Funken Anstand besaß – und schon gar nicht, wenn es sich um einen Heldentypen handelte.

»Die Leute taugen einfach nichts mehr«, sagte er, an niemanden im Bestimmten gerichtet. Danach schlief er ein.

Meditation

Das Päckchen ist überbracht.

Ich hoffe, Ihr könnt meine Gedanken lesen, Meister Qui-Gon: Ich habe Eure Stimme seit jenem Tag auf Polis Massa nicht mehr gehört, als Meister Yoda mir erzählte, ich könnte durch die Macht mit Euch kommunizieren. Ihr wisst sicher noch, dass wir beschlossen, Anakins Sohn zu seinen Verwandten zu bringen, damit er dort aufwachsen kann. Diese Mission ist nun vollbracht.

Es fühlt sich merkwürdig an, hier zu sein, an diesem Ort und unter diesen Umständen. Vor Jahren brachten wir einen Jungen von Tatooine fort, glaubten in ihm die größte Hoffnung für die Galaxis zu sehen. Nun habe ich ein Kind hierher zurückgebracht – in derselben Hoffnung. Ich wünsche nur, dass es diesmal besser läuft. Denn der Weg, der an diesen Punkt geführt hat, war erfüllt von Schmerz, für die gesamte Galaxis, für meine Freunde – und für mich.

Ich kann noch immer nicht fassen, dass der Jedi-Orden nicht mehr existiert. Dass die Geschichte der nunmehr verdorbenen Republik in den Händen von Palpatine liegt. Und, dass Anakin ebenfalls verdorben wurde. Die Holovids, die zeigen, wie er die Jünglinge im Tempel niedergestreckt hat, verfolgen mich noch immer in meinen Träumen … und zerschmettern mein Herz jedes Mal aufs Neue.

Doch nach dem grauenvollen Tod dieser Kinder könnte es ein Kind sein, das neue Hoffnung bringt. Wie ich schon sagte: Das Päckchen ist überbracht. Nun stehe ich neben meinem Reittier – einem tatooinischen Eopie – auf einem Dünenkamm und blicke zurück zur Heimstatt der Lars-Familie. Owen und Beru stehen draußen und halten das Baby. Das letzte Kapitel ist abgeschlossen; ein neues hat begonnen.

Ich werde mir einen Ort in der Nähe suchen, auch wenn Owen vermutlich verlangen wird, dass ich nach einem weiter entfernten Zuhause Ausschau halte, wenn er merkt, dass ich länger hierbleibe. Vielleicht ist das ohnehin das Beste. Selbst in einer so abgelegenen Gegend wie dieser scheine ich Ärger anzuziehen. Gestern gab es einen kleinen Zwischenfall in Anchorhead – und davor an einem der Raumhäfen, wo ich auf der Reise hierher umgestiegen bin. Zum Glück ging es dabei nie wirklich um mich oder um den Grund meines Hierseins, aber ich kann es mir nicht länger leisten, als Obi-Wan Kenobi auf solche Situationen zu reagieren. Ich kann mein Lichtschwert nicht einsetzen, ohne dass jeder denkt: »Jedi-Ritter«. Selbst auf Tatooine wird jeder diese Waffe erkennen!

Danach muss ich mich richten. Von nun an werde ich mich nur um meine eigenen Angelegenheiten kümmern und mich von jedem Ärger fernhalten, solange es nötig ist. Ich kann nicht den Jedi für diese Welt spielen und gleichzeitig versuchen, andere Welten zu retten. Ein Leben in Abgeschiedenheit ist die einzige Lösung.

In der Stadt – selbst an einem Ort wie Anchorhead – schreitet das Leben zu schnell voran. In der Ödnis hingegen sieht die Sache anders aus. Ich kann bereits spüren, dass die Zeit hier anders verstreicht, im Rhythmus der Wüste.

Ja, ich denke, mein Dasein hier wird sich verlangsamen, weit von allem und jedem entfernt, und nur meine Schuldgefühle werden mir Gesellschaft leisten.

Gäbe es doch einen Ort, wo ich mich vor denen verstecken kann.

Teil I

Die Oase

1. Kapitel

Alles wirft zweierlei Schatten.

Das hatten die Sonnen im Morgengrauen der Schöpfung so entschieden. Sie waren Geschwister, bis die jüngere Sonne dem Stamm ihr wahres Gesicht zeigte. Eine Sünde, auf welche die ältere Sonne nur verständlich reagiert hatte, indem sie versuchte, ihren Bruder zu töten.

Doch sie war gescheitert.

Brennend, blutend hatte die jüngere Sonne ihren Bruder über den Himmel verfolgt. Der listige, ältere Stern war dem Schutz der Hügel entgegengeeilt, aber es war sein Schicksal, niemals Rast zu finden. Denn der Jüngere hatte sein Gesicht entblößt, und der Ältere sein Versagen.

Die anderen hatten es gesehen – und mussten darum in immerwährendem Unbehagen leben.

Die ersten Sandleute waren Zeugen jener Schlacht am Himmel gewesen, doch dann hatten die Sonnen ihr Antlitz hinter einem Schleier der Schande verborgen, ihren Zorn auf sie gerichtet. Der Blick der Himmelsbrüder zerrte an den Sterblichen, brannte ihr Fleisch hinfort und enthüllte ihr verborgenes Selbst. Wenn die Sandleute ihre Schatten auf dem Sand von Tatooine sahen, lauschten sie. Der jüngere Sonnengeist drängte sie zum Angriff; der ältere wies sie an, sich zu verstecken. Ratschläge der Verdammten.

Die Sandleute waren ebenfalls verdammt. Stets folgten ihnen die Zwillingsschatten von Verlust und Versagen. Sie verbargen ihre Gesichter, sie kämpften, raubten, plünderten, und dann rannten sie davon.

Die meisten Sandleute schlugen nachts zu, wenn keiner der beiden Himmelsbrüder ihnen zuflüstern konnte. A’Yark hingegen bevorzugte die Jagd im Morgengrauen. Die Stimmen der Schatten waren zu jener Stunde nur leise hörbar – und die Siedler, die sich über das Land ausgebreitet hatten, konnten ihr Ende deutlich sehen. Das war wichtig. Die ältere Sonne hatte versagt, weil sie ihren jüngeren Bruder nicht töten konnte. A’Yark würde nicht versagen, hatte noch nie versagt, wenn es darum ging, Siedler zu töten. Die ältere Sonne beobachtete den Kriegshäuptling, und vielleicht lernte sie ja von seinem Beispiel …

… so wie jetzt.

»Tusken-Räuber!«

A’Yark stürmte auf den alten Farmer zu, der die Warnung gebrüllt hatte. Der metallene Gaderffii donnerte gegen das nackte Kinn des Menschen und zertrümmerte den Knochen, anschließend sprang der Häuptling vor und stieß sein Opfer zu Boden, wo der Siedler sich hustend wand und noch einmal seinen Schrei zu wiederholen versuchte. »Tusken-Räuber!«

Jahre zuvor hatten andere Siedler den Sandleuten diesen Namen gegeben, nachdem sie das Fort Tusken verwüstet hatten. Die Räuber jener Zeit hatten den Begriff bereitwillig in ihre Sprache aufgenommen; der ultimative Beweis dafür, dass die wandelnden Parasiten nichts hatten, was die Sandleute ihnen nicht nehmen konnten. Doch A’Yark konnte es nicht ertragen, diesen stolzen Namen aus den Mündern dieser widerlichen Kreaturen zu hören – und nur wenige von ihnen waren so hässlich wie der Siedler, der nun zu A’Yarks Füßen lag. Der Mensch war uralt, und abgesehen von einem Verband um eine frische Kopfwunde waren seine weißen Haare und sein welkes Fleisch nackt dem Himmel ausgesetzt. Ein abstoßender Anblick.

A’Yark rammte den Gaderffii nach unten, sodass der Brustkorb des Siedlers zertrümmert wurde. Knochen knackten, und der Metalldorn bohrte sich durch den Körper seines Opfers, bis der Steinboden unter dem Menschen die Waffe aufhielt.

Der alte Siedler machte einen letzten, keuchenden Atemzug, und der Name Tusken gehörte einmal mehr den Sandleuten.

Sofort rannte A’Yark weiter auf das flache Gebäude zu, das sich ein Stück weiter entfernt erhob. Der Kriegshäuptling zögerte nicht, dachte nicht weiter über die Tat nach; kein Raubtier auf Tatooine hielt je inne, um über einen Mord zu sinnieren, und die Sandleute konnten es sich nicht leisten, anders zu handeln.

Wer zu lange nachdachte, starb.

Das Menschennest war so hässlich wie ein Sketto-Bau: Dreck, zu einer widerlichen Kuppel aufgetürmt, halb im Sand vergraben. Dieses Bauwerk bestand aus dem falschen Fels, den sie »Synstein« nannten. A’Yark hatte ihn schon früher gesehen.

Noch ein Ruf. Ein teigig weißer Zweibeiner mit vorragender Stirn tauchte im Eingang des Gebäudes auf, ein Blastergewehr im Anschlag. Der Häuptling warf sein Gaderffii beiseite, dann hechtete er vor und riss dem verdutzten Siedler das Gewehr aus den Händen. A’Yark wusste nicht, wie genau ein Blaster sein Opfer durchbohrte, aber es war auch gar nicht nötig, das zu verstehen. Die Waffe hatte einen Nutzen – im Gegensatz zu dem Wesen, gegen das sie jetzt eingesetzt wurde.

Halt, das stimmte nicht ganz. Einen Nutzen hatten die Siedler für die Sandleute: Sie waren eine willkommene Quelle für neue Waffen. Hätte A’Yark einen Sinn für Humor gehabt, hätte dieser Gedanke ihn vielleicht zum Lachen gebracht. Doch dieses Konzept war dem Kriegshäuptling ebenso fremd wie der weißhäutige Leib, der nun auf dem Boden lag.

Viele seltsame Dinge erwachten in der Wüste zum Leben, und ebenso viele seltsame Dinge starben in der Wüste.

Hinter dem Häuptling betraten zwei weitere Räuber das Gebäude. A’Yark kannte sie nicht, aber die Tage, als das Oberhaupt des Stammes noch von seinen Vettern flankiert in die Schlacht gezogen war, waren nun einmal vorbei. Die beiden fingen sofort an, die Kisten im Lagerbereich umzustoßen und ihren Inhalt über den Boden zu verteilen: noch mehr Metallgegenstände. Die Siedler waren regelrecht besessen von ihnen.

Die Krieger schienen ebenfalls eine Vorliebe für sie zu haben – aber dafür war jetzt nicht der richtige Moment. A’Yark knurrte sie an. »N’gaaaiih! N’gaaaiih!«

Sie wollten nicht hören – sie waren schließlich nicht die Kinder des Kriegshäuptlings; A’Yark hatte nur einen Sohn, und der war noch nicht alt genug für den Kampf. Die beiden hatten keine Eltern mehr, aber so war es dieser Tage nun einmal. Mächtige Stämme waren zu kleinen räuberischen Banden verkommen, und ihre Reihen veränderten sich ständig, weil die Überlebenden einer besiegten Gruppe mit den anderen verschmolzen.

Dass A’Yark diesen Überfall leitete, war Beweis genug für ihre missliche Situation. Kein anderer in der Gruppe war auch nur halb so alt wie der Häuptling oder hatte auch nur halb so viel gesehen. Die besten Krieger waren schon vor Jahren gefallen, und diese Jünglinge würden vermutlich nicht lange genug leben, um A’Yark die Führungsrolle streitig zu machen. Sie waren Narren, und falls sie nicht auf andere Weise starben, würde A’Yark sie früher oder später wegen ihrer Dummheit töten.

Doch heute Morgen sollte keiner von ihnen sterben. A’Yark hatte das Ziel sorgsam ausgewählt. Diese Farm befand sich in der Nähe der gezackten Jundland-Wüste, weit von den anderen Dörfern entfernt – und sie verfügte nur über wenige der abscheulichen Konstruktionen, mit denen die Siedler Feuchtigkeit aus dem Himmel saugten. Je weniger dieser Türme aufragten – Evaporatoren wurden sie genannt –, desto weniger Siedler trieben sich herum. Nun sah es ganz so aus, als hätten sie bereits alle Gegner erledigt, und abgesehen von dem Grölen des älteren Kriegers war alles ruhig verlaufen.

Doch A’Yark hatte schon vierzig Zyklen des Sternenhimmels durchlebt und wollte sich nicht in falscher Sicherheit wiegen. Eine Waffe lehnte neben der Tür, die nach draußen führte. Gehörte sie dem Alten, der sie dort vergessen hatte? Der Häuptling hob das Gewehr vor den silbrigen Mundschutz und schnüffelte.

Nein. Mit einer raschen Bewegung zerschmetterte A’Yark die Waffe am Türrahmen. Das Gewehr war benutzt worden, um Tusken zu töten, und der Gestank vom Schweiß eines vergangenen Tages haftete noch immer an seinem Griff. Dieser Gestank unterschied sich aber von dem normalen Geruch der Menschen, ebenso wie von dem der weißhäutigen Kreatur, die die Siedler Bith nannten. Jemand anders war hier. Doch dieses Gewehr würde er nicht mehr benutzen. Und auch sonst niemand.

Manche abergläubischen Sandleute sagten, dass eine Waffe, die einen Tusken getötet hatte, stärker sein musste als normale Waffen, aber nicht so A’Yark. A’Yark wusste, dass die Siedler einfach nur eine Vorliebe für individuelle Gewehre hatten, so wie die Tusken ein schnelles Bantha schätzten. Warum sonst sollten sie Symbole in den Kolben schnitzen? Der Mensch, der diese Waffe getragen hatte, war stärker als der alte Mann und die Bith-Kreatur, aber beim nächsten Mal würde er mit einem neuen, unvertrauten Gewehr kämpfen müssen, sofern er diesen Tag überlebte.

A’Yark war allerdings fest entschlossen, dafür zu sorgen, dass das nicht geschah.

Der Kriegshäuptling nahm den Gaderffii wieder auf und schob sich an den plündernden Jünglingen vorbei. Fußspuren im Sand führten um das Gebäude herum, dorthin, wo die drei seelenlosen Evaporatoren summten und den Himmel schändeten. Eine kleine Hütte zur Wartung der widerwärtigen Maschinen erhob sich hinter den Nadeln.

Wie passend. Wer immer sich dort drinnen versteckte, A’Yark würde ihn bluten lassen, so wie sie den Himmel bluten ließen. Langsam, damit die Sonnen es sehen konnten. Und was die Siedler gestohlen hatten, würde in den Sand zurückkehren, Tropfen für Tropfen.

»Ru rah ru rah!«, rief der Kriegshäuptling und versuchte, sich der alten Worte zu entsinnen. »Wir kommen in Frieden.«

Keine Antwort. Natürlich nicht – aber ganz sicher war jemand dort drinnen, und ganz sicher hatte er die Worte gehört. A’Yark war stolz, den Satz noch nicht vergessen zu haben. Vor Jahren hatte die Familie des Häuptlings sich eine Menschenfrau einverleibt; die Tusken füllten ihre Reihen oft auf, indem sie Siedler entführten. A’Yarks Gruppe brauchte ebenfalls Verstärkung, aber heute würden sie niemanden mitnehmen. Dass diese Siedler sich so nahe der Jundland-Wüste niedergelassen hatten, war eine Beleidigung, die hart bestraft werden musste. Sie würden sterben, und die anderen würden es sehen, und sie würden sich von der Wüste fernhalten.

Die jungen Krieger verließen das Kuppelhaus und schlossen sich wieder den anderen an, als sie die Wartungshütte umstellten. Insgesamt waren sie zu acht; niemand hier konnte hoffen, gegen sie zu bestehen. Stoffumwickelte Hände schlossen sich um die Griffe alter Gaderffii, als A’Yark den Traang – das geschwungene Ende der Waffe – auf die Türklinke legte.

Knirschend öffnete sich die Metalltür. Im Inneren kauerte sich ein Trio zitternder Menschen zwischen Ersatzteilen für die Durstmaschinen zusammen: eine schwarzhaarige Frau, ein Kind in einer Decke auf ihrem Arm, und ein braunhaariger Mann, der die beiden fest an sich gedrückt hielt. In der freien Hand hielt er eine Blasterpistole.

Das war also der Besitzer des zerschmetterten Gewehrs – und A’Yark konnte sehen, dass er sich jetzt nach der Waffe sehnte. Der junge Mensch schluckte seine Angst hinunter und blickte direkt in das gute Auge des Kriegshäuptlings. »Verschwindet! Wir haben keine Angst vor euch!«

»Siedler lügen«, sagte A’Yark, und die fremdartigen Worte schienen die Menschen ebenso zu überraschen wie die anderen Tusken-Räuber. »Siedler lügen.«

Acht Gaderffii reckten sich dem Himmel entgegen, und die spitzen Dornen an ihrem Ende glänzten im morgendlichen Licht. A’Yark wusste, dass sie die Aufmerksamkeit der Sonnen erregt hatten. Gleich würden sie dem älteren Himmelsbruder zeigen, was echte Tapferkeit war …

»Ayooo-eh-EH-EHH

Der Laut hallte über den Horizont, und die gesamte Gruppe richtete den Blick nach Norden. Wieder erklang der Schrei, lauter diesmal, sodass es keinen Zweifel mehr an seiner Bedeutung geben konnte.

Der jüngste Tusken war der Erste, der es aussprach: ein Krayt-Drache!

Der Jüngling wirbelte herum – und stolperte über seine eigenen Stiefel, sodass er mit dem Mundschutz voran im Sand landete. Die anderen sahen ihren Kriegshäuptling an, aber der wandte sich wieder der Hütte zu. A’Yark hatte genug Menschengesichter gesehen, um ihre Mimik zu interpretieren – doch selbst für einen so erfahrenen Räuber waren die Mienen dieser Opfer verwirrend.

Der Farmer und seine Frau wirkten nicht erleichtert, vielmehr blickten sie trotzig drein.

In der Gegenwart eines Krayt, des größten und nach den Tusken gefährlichsten Raubtiers auf ganz Tatooine? Ja, dachte A’Yark. Und das war nicht alles, was der Häuptling sah. Die junge Mutter hielt neben ihrem eingewickelten Kind noch etwas in den Händen.

A’Yark bellte den Kriegern einen Befehl zu, aber es war zu spät. Ein fürchterlicher Schrei zerfetzte die Luft, ein Laut, den kein Tusken ertragen konnte. Die beiden Plünderer trampelten den gestürzten Jüngling beinahe zu Tode, als sie davonrannten, dorthin, wo sie ihre Diebesbeute abgestellt hatten. Die anderen pressten die Gaderffii vor die Brust und eilten hinter das Hauptgebäude.

Falsch. Falsch! So hatte A’Yark sie nicht ausgebildet. Ganz und gar nicht! Doch sie stürmten weiter und waren verschwunden, bevor sie überhaupt wussten, woher der Drache kam. Ihr Häuptling blieb allein mit den Siedlern zurück. Der junge Farmer hielt seinen Blaster noch immer auf A’Yark gerichtet, drückte aber nicht ab. Vielleicht hatte er das Risiko abgewogen und entschieden, dass eine vorgereckte Waffe ein besseres Abschreckungsmittel war als ein Schuss mit zitternder Hand.

Doch das war jetzt nicht mehr wichtig. Falls die Siedler auf ein Wunder gehofft hatten, war ihr Gebet erhört worden. A’Yark wandte sich mit flatternden Roben von ihnen ab.

Die Krieger waren derweil auseinandergestoben und rannten ungeordnet durcheinander. A’Yark rief ihnen hinterher, aber in dem Lärm, den der Drache verursachte, konnte oder wollte niemand die Worte hören. Irgendwie klang dieser Lärm unnatürlich. Doch wie könnte das sein? Niemand würde je auf den Gedanken kommen, einen Krayt-Drachen zu imitieren! Und falls doch, würde es nicht so klingen. So …

… mechanisch?

»AYOOOO-EEEEEEEE

Keine Frage, dachte der Häuptling. Das Heulen des Drachen hatte sich in ein markerschütterndes Schrillen verwandelt, welches das Volumen jedweder Lunge bei Weitem überstieg. Am lautesten war das Geräusch in der Mitte der Farm. A’Yark brauchte nicht lange, um die Quelle zu entdecken: ein Lautsprecher, der an einem der silbernen Evaporatorentürme befestigt war. Und hinter den Hügeln im Norden und Osten erklangen weitere solche Laute.

Der Kriegshäuptling stand in der Mitte des Hofs, den Gaderffii über den Kopf gereckt. »Prodorra! Prodorra! Prodorra!«

Falsch!

Die jungen Plünderer tauchten wieder auf. Sie rannten über einen Dünenkamm zurück in Richtung der Farm, und A’Yark stieß zwischen verrottenden Zähnen den Atem aus. Zumindest sie hatten den Ruf also gehört. Vielleicht konnten sie jetzt zumindest …

Blasterfeuer! Ein orangefarbener Blitz hüllte einen der beiden von hinten ein; der andere wirbelte panisch herum, nur um selbst verbrannt zu werden. A’Yark kauerte sich instinktiv zusammen und suchte hinter einem der verteufelten Evaporatoren Deckung.

»Wah-hoo!« Eine metallische Flosse, kupfern und grün, tauchte hinter der Düne auf. Der Kriegshäuptling erkannte es sofort: Das war der Landspeeder, der sie schon zuvor am Großen Felsen angegriffen hatte. Und genau wie damals waren auch jetzt mehrere Siedler in dem offenen Fahrzeug zusammengedrängt, die schrien, pfiffen und um sich schossen.

A’Yark huschte hinter den nächsten Evaporator, plötzlich von neuer Zuversicht erfüllt. Es gab überhaupt keinen Drachen – da war nur eine Gruppe von Siedlern. Falls die anderen zurückkehrten, könnten sie gemeinsam diesen Feind vernichten.

Doch sie kehrten nicht zurück. Einer floh der großen Leere im Osten entgegen, und A’Yark konnte sehen, wie zwei weitere Landspeeder hinter ihm herrasten. Und der ungeschickte Jüngling – der erst vor ein paar Tagen dem Initiationsritus für den Eintritt ins Erwachsenenalter unterzogen worden war und ihn nur mit knapper Not überstanden hatte – versteckte sich hinter der Hütte, die Finger feige in den Sand gekrallt. Wo die anderen steckten, wussten allein die Sonnen.

Das war nicht gut.

Der erste Speeder umkreiste die Farm, und seine Insassen feuerten wild um sich, ohne aber wirklich auf etwas zu ziele. Kurz darauf tauchte ein weiteres Schwebefahrzeug auf. Es war schöner als der grüne Gleiter, mit geschwungenen Linien und silberglänzend. Auf der Sitzbank hinter der Windschutzscheibe saßen zwei Menschen, am Steuer ein grimmiger Mann mit haarigem Gesicht, daneben ein älterer Passagier, der sich furchtlos aufrichtete.

A’Yark hatte diesen Siedler schon einmal gesehen, wenn auch nur aus der Ferne. Er war älter, als die meisten Tusken je wurden, hatte glattrasierte Wangen – und stets denselben vernuftlosen Ausdruck im Gesicht.

Der Lächler.

»Weiter nach Süden, Leute!«, rief er, ein Makrofernglas in der Hand. »Lasst sie nicht entkommen!«

A’Yark musste nicht jedes Wort verstehen, um zu wissen, was er sagte. Die anderen Krieger der Gruppe hatten Reißaus genommen.

Als er den Landspeeder des hochgewachsenen Menschen sah, quiekte der junge Tusken, der sich hinter der Hütte versteckt hatte, und rannte los. Sein Gaderffii blieb hinter ihm auf dem Boden zurück.

»Urrak!«, rief A’Yark ihm nach. Warte!

Zu spät. Ein weiterer Gleiter tauchte auf – und die grölenden Siedler, die darin saßen, streckten den flüchtenden Jüngling mit zahlreichen Blasterstrahlen nieder. Noch keine sechs Tage ein Krieger, und nun in Sekunden getötet.

Das war zu viel. A’Yark erhob sich, die Waffe in den Händen, und rannte in den Schatten der Hütte, fort von den lachenden Siedlern, solange deren Aufmerksamkeit noch ihrem letzten Opfer galt. Umweht vom zerschlissenen Stoff seines Umhangs, kletterte der Häuptling über den Kamm einer Düne in ihr schattiges Tal, und dann weiter über die nächste Sandverwehung.

Schließlich ließ A’Yark sich keuchend auf den Boden fallen. Drei Räuber waren tot – vielleicht mehr. Und die Sandleute konnten es sich nicht leisten, Krieger zu verlieren.

Schlimmer noch, sie hatten wegen eines miesen Tricks verloren, auf den vor vier Jahren kein Tusken hereingefallen wäre. Die Siedler schienen zu wissen, dass die einst so mächtigen Sandleute nur noch ein Schatten ihrer selbst waren.

A’Yark kämpfte sich auf die Beine hoch und blickte hinter sich. Der ältere Schatten wuchs in die Länge. Wie der ältere Sonnenbruder hatten auch sie zugeschlagen – und ihr Ziel verfehlt.

Wieder einmal war es für die Tusken Zeit, sich zu verstecken.