Steve Cole
Aus dem Englischen von
Christoph Jehlicka
Kinder- und Jugendbuchverlag
in der Verlagsgruppe Random House
Für Caitlin Porter
1. Auflage 2015
© 2015 der deutschsprachigen Ausgabe
cbj Kinder- und Jugendbuchverlag
in der Verlagsgruppe Random House, München
Alle deutschsprachigen Rechte vorbehalten
© 2014 Steve Cole
Die englische Originalausgabe erschien 2014 unter dem Titel:
»Secret Agent Mummy: Book 2. The Cleopatra Case«
bei Red Fox, einem Imprint von
Random House Children’s Publishers UK
Übersetzung: Christoph Jehlicka
Umschlagbild und Innenillustrationen: Fréderic Bertrand
Umschlagkonzeption: init | Kommunikationsdesign, Bad Oeynhausen
jk · Herstellung: AJ
Satz und Reproduktion: KompetenzCenter, Mönchengladbach
ISBN 978-3-641-15644-2
www.cbj-verlag.de
Inhalt
Rätsel, Grusel, Spannung!
Chaos in Ägypten
Der Grabstein
Das Geheimnis der Kobra
Kleopatra ist da!
Königliche Gemeinheiten
Lasst die Schlacht beginnen!
Ein monstermäßiges Rätsel
Der Ruf des Kristalls
Einsatz im Roten Land
Verräterische Mumie
Ein Kampf auf Leben und Mullbinde
Sonne gut, alles gut
Geheimnisse des Alten Ägypten …
Kapitel 1
Rätsel, Grusel, Spannung!
Neil hatte einen Albtraum.
Eine riesige Frau mit schwarz geschminkten Augen starrte auf ihn herab. Ihre stolzen Gesichtszüge waren von einem blau-goldenen Kopfschmuck umrandet.
Sie sieht aus wie diese Königin aus dem Alten Ägypten, dachte Neil.
Hinter ihrem gewaltigen Kopf ging die Sonne auf. Sie war unglaublich hell. Dann ging eine weitere Sonne auf … und noch eine … und noch eine … bis der Kopf von sieben Sonnen umgeben war.
Plötzlich hörte Neil ganz in der Nähe ein unheimliches Glitschen … so als würde etwas Gruseliges, Schleimiges auf ihn zukommen!
Guck nicht hin!, sagte er sich. Du darfst nicht hingucken! Nein! Auf keinen Fall! Ooooh, du wirst doch wohl nicht …? Lass es sein, du Idiot! Nein! Neiiin!
Und doch konnte er sich selbst nicht davon abhalten.
Er drehte sich … und drehte sich … und drehte sich und schrie auf, als er merkte, dass …
… seine kleine Schwester, Ellie die Petze, ihn wachrüttelte.
»Wach auch, du Schnarchnase!«, sagte sie. »Frühstück ist fertig.«
Aber Neil steckte immer noch halb in seinem Traum und den Schrei, den er dort begonnen hatte, stieß er jetzt in Wirklichkeit aus. »Aaaaaaaahhhhhhhh!«
»Aua!« Die kleine Petze sprang ein Stück zurück und hielt sich die Ohren zu. »Wegen dir werd ich jetzt taub!«
Neil stöhnte. »Ich wusste, dass ich etwas Schreckliches sehen würde, wenn ich mich umdrehe. Aber ich wusste nicht, dass es etwas so Schreckliches ist.«
»Das sag ich Mama.« Mit wippenden Zöpfen rannte die kleine Petze aus dem Zimmer. »Mama! Mamiiiiii …!«
Verschwitzt und immer noch etwas zittrig, kletterte Neil aus seinem Bett und warf erst einmal einen Blick aus seinem Fenster – auf die große Pyramide im Nachbargarten.
Die Pyramide, die niemand außer ihm sehen konnte.
Die Pyramide, in der ein komplett in Mullbinden gehüllter Agent wohnte, der vor dreitausend Jahren zum ersten Mal einen Fuß auf die Erde gesetzt hatte … und der Neil in seine Welt hineingezogen hatte …
Ein Spezial-Agent Mumie!
Seitdem er diesen Spezial-Agent Mumie (oder Sam, wie Neil ihn der Einfachheit halber getauft hatte) kennengelernt hatte, hatte er die unglaublichsten Dinge gesehen: Zauberer und sprechende Katzen, fliegende Hunde, Häuser und Hügel, die vom Erdboden verschwanden …
Alles fing damit an, dass ich diese staubige, ägyptische Reliquie angefasst habe, erinnerte er sich. Durch sie habe ich jetzt die Fähigkeit, Dinge aus dieser verrückten, geheimen Mumienwelt zu sehen – ob ich will oder nicht.
Aber noch schlimmer war es natürlich, nach dem Aufwachen als Erstes seiner Schwester ins Gesicht blicken zu müssen. Er hatte vergessen, den selbstgebauten »Petzen-Detektor« zu aktivieren. Sonst hätte das Gerät, das er aus dem Bewegungsmelder eines alten Spielzeugs und seinem Wecker zusammengebastelt hatte, Alarm geschlagen, als sie zur Tür hereinkam.
Neil seufzte. Er konnte gut mit technischen Geräten umgehen – und der Mumienzauber hatte dafür gesorgt, dass er sich sogar mit den technologischen Errungenschaften aus Sams Heimat Ka-Ba bestens auskannte – aber selbst er konnte keinen Wecker erfinden, der ihn vor schlimmen Träumen bewahrte.
Er zog sich seinen Morgenmantel über den Schlafanzug und ging hinunter in die Küche. Die Petze saß bereits am Tisch und tat so, als würde sie schluchzen.
Seine Mutter hielt ihren Kaffeebecher umklammert und schob Neil eine Schale Cornflakes über den Tisch. »Sag Entschuldigung zu deiner Schwester.«
»Entschuldigung zu deiner Schwester«, wiederholte er gehorsam. Während Ellie ihn mürrisch anschaute und seine Mutter leise seufzte, schnappte er sich schnell seine Cornflakes und verschwand ins Wohnzimmer.
Der Fernseher war an. Es liefen die Morgennachrichten – langweilig. Neil war bereits drauf und dran, die Techniksendung einzuschalten, die er am Abend zuvor aufgenommen hatte, als er plötzlich auf etwas aufmerksam wurde, das aus dem allgemeinen Geschwafel des Moderators herausstach.
»Nach mehr als zweitausend Jahren wurde endlich das Grab der Kleopatra entdeckt – der letzten ägyptischen Pharaonin. Doch seltsamerweise fand man darin keine sterblichen Überreste! Waren etwa Grabräuber am Werk – oder haben die Experten einen gravierenden Fehler gemacht?« Der Moderator grinste. »Mehr über dieses Geheimnis aus dem Alten Ägypten erfahren Sie nun direkt von der Pressekonferenz aus Alexandria, wo man die ersten Schätze aus Kleopatras Grabkammer, die dort seit dem Jahre 30 vor Christus verborgen waren, heute der Weltöffentlichkeit präsentiert …«
In der nächsten Einstellung wurde das Bild einer Frauenstatue gezeigt.
Vor Schreck verschluckte sich Neil an seinen Cornflakes. »Das ist die Frau, die in meinem Traum am Himmel schwebte!« Mit weit aufgerissenen Augen und noch weiter offenstehendem Mund starrte er auf den Bildschirm. »Ich habe von Kleopatra geträumt und jetzt ist sie im Fernsehen!«
Als Nächstes wurde eine Gruppe seriös gekleideter Menschen gezeigt, die hinter einem Tisch in einer großen, marmorverkleideten Halle standen. Live aus dem Museum von Alexandria, besagte die hilfreiche Bildunterschrift. Die Schaulustigen machten »Oooohh!« und »Aaahh!«, während sie die Ausstellungsstücke auf dem Tisch betrachteten. Die Kamera zoomte näher heran: ein großer Topf, eine schicke, bunt bemalte Halskette, eine Goldfigur in Form einer Schlange …
Eine gut gekleidete Frau nahm die Schlange in die Hand. »Diese Statue hier unterscheidet sich von allen bisher bekannten ägyptischen Kunstobjekten. Es ist ein Rätsel, weshalb sie sich in Kleopatras Grab befand. Natürlich wissen wir, dass Kleopatra durch den Biss einer Kobra ums Leben kam …«
Plötzlich sprang ein Mann im langen, braunen Mantel und mit einem komischen Hut auf dem Kopf ins Bild. »Dürfte ich das wohl mal sehen?«
Erschrocken sah Neil, wie der Mann ihr die goldene Figur aus den Händen riss und sich damit auf und davon machte.
»Haltet den Dieb!«, rief die Frau.
»Diese Kobra ist unbezahlbar!«, schrie einer der anderen Wissenschaftler. »Lasst ihn nicht entkommen!«
»Tut mir leid! Ich bitte vielmals um Verzeihung …« Die Kamera zoomte näher an das Gesicht des Diebes heran, während dieser über die Schulter rief, »Mumie … äh, Mann auf der Flucht! Ein Mann natürlich.«
In dem Moment entdeckte Neil die Mullbinden unter dem Mantel des Mannes – Mullbinden, die nur er mit seinen verzauberten Augen sehen konnte – und diesmal schleuderte er vor Schreck gleich die ganzen Cornflakes samt der Milch in die Luft. Er bekam kaum noch mit, dass sie sich über die gesamte Couch verteilten.
»Das ist Sam!«, kreischte er und schoss auf den Fernseher zu. »Der Spezial-Agent Mumie klaut Kleopatras Schatz – vor laufenden Kameras! Aber warum?«