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Buch

Alex MacDonald ist für seine herausragenden Fähigkeiten als Krieger bekannt, ebenso für seinen Charme, mit dem er die Frauen um seinen Finger wickelt – doch fest binden würde er sich nie. Als er jedoch eines Tages von dem Oberhaupt seines Clans dazu gezwungen wird, Glynis MacNeil zu heiraten, muss er sich seinem Schicksal fügen. Glynis ist nicht nur atemberaubend schön, sondern auch ziemlich eigensinnig. Herzensbrecher und Betrüger sind ihr nur allzu bekannt, weswegen sie auf gar keinen Fall einen dieser Schurken zum Ehemann nehmen will. Doch Alex’ Sünden der Vergangenheit und die Gefahr, in der auch Glynis plötzlich schwebt, lassen ein leidenschaftliches Band zwischen den beiden entstehen. Werden sie es schaffen, ihr Zuhause, ihr Leben und ihren Clan vor dem Feind zu beschützen?

Autorin

Margaret Mallory wuchs in einer Kleinstadt im US-Staat Michigan auf und studierte Jura an der Michigan State University und der University of Michigan Law School. Sie lebt mit ihrem Mann und ihren zwei Kindern an der Pazifikküste, und seit die Kinder auf dem College sind, widmet sich Margaret Mallory ihrer großen Leidenschaft: dem Schreiben historischer Liebesromane.

Außerdem von Margaret Mallory bei Blanvalet

Mein zärtlicher Ritter,
Mein leidenschaftlicher Ritter,
Mein geliebter Ritter,
Die Braut des Highlanders

Margaret Mallory

Die schottische
Hochzeit

Roman

Deutsch
von Cora Munroe

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Die amerikanische Originalausgabe erschien 2011 unter dem Titel
»The Sinner« bei Grand Central/Forever, New York.
im Blanvalet Verlag, einem Unternehmen
der Penguin Random House Verlagsgruppe GmbH, München
Umschlaggestaltung: Johannes Wiebel | punchdesign,
unter Verwendung von Shutterstock.com und einer
Illustration von © Chris Cocozza
Redaktion: Ulrike Nikel
ue · Herstellung: cb
Satz: DTP Service Apel, Hannover
ISBN: 978-3-641-14430-2
V003

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www.blanvalet.de

Dieses Buch ist den Wallace-Schwestern gewidmet,
auf Erden wie im Himmel:
meiner Mutter Audrey sowie meinen
Tanten Priscilla und Dorothy.

Chan ann leis a’chiad bhuille thuiteas a’chraobh.

Der Baum wird nicht durch den ersten Hieb gefällt.

Gälisches Sprichwort

Prolog

Auf einem Schiff
vor der Ostküste Schottlands
Mai 1515

Weinen wird dir nicht helfen«, sagte die Frau. »Sei still, nicht dass dich jemand hört.«

Claire wischte sich mit dem Ärmel die Tränen aus dem Gesicht und rappelte sich auf.

»Am besten lernst du gleich, nicht zimperlich zu sein. Das kannst du dort, wo du hinkommst, nicht gebrauchen.« Die Fremde, die sie auf dieses Schiff gebracht hatte, raffte ihre Röcke, um die Strickleiter hinaufzuklettern. »Man sagt, Schottland stecke voller wilder Krieger, die dir eher die Kehle durchschneiden, als dir einen guten Tag zu wünschen.«

Die Sprossen waren so weit auseinander, dass das Kind mit seinen kurzen Beinchen seine liebe Not hatte. Außerdem beeinträchtigten die schweren Röcke, die ihr beim Hochklettern ständig vor den Augen hingen, die Sicht. Als dann das Schiff auch noch schwankte, verlor Claire den Halt. Für einen entsetzlichen Moment, der ihr wie eine Ewigkeit vorkam, hing sie in der Luft, hielt sich krampfhaft mit den Händen fest und zappelte mit den Füßen, bis diese endlich wieder Halt auf der Strickleiter fanden.

»Ich weiß nicht, wie die Schotten sich selbst als Christen bezeichnen können«, schimpfte die Frau über ihr mit gedämpfter Stimme. »Bei all den gemeinen Fairies, die einem hinter jedem Felsen auflauern.«

Ein Schwall kalter Nachtluft traf Claires Gesicht und zerzauste ihre Haare.

»Rede mit keiner Menschenseele«, warnte ihre Aufpasserin und packte sie so fest beim Handgelenk, dass es schmerzte. »Sonst entlässt mich die Herrin noch, und dann hast du niemanden mehr, der sich um dich kümmert.«

Das Kind legte den Kopf in den Nacken, um die Sterne zu betrachten. Jede Nacht, wenn die Frau das Essen brachte und ihr erlaubte, für eine kurze Zeit an Deck zu gehen, suchte Claire ihren Stern und wünschte sich, nach Hause zurückkehren zu dürfen.

Sie verstand die Welt nicht mehr. Begriff nicht, warum ihre Großeltern zugelassen hatten, dass eine Fremde sie wegbrachte, und warum die Sterne, die ihr wie eine Verheißung erschienen waren, nicht ihre sehnliche Bitte erfüllten. Außerdem, davon war sie überzeugt, würden Grandmère und Grandpère es nicht billigen, wie diese Frau mit ihrem kleinen Mädchen umsprang, und so sandte sie Abend für Abend ein neues Stoßgebet gen Himmel.

Bitte, bitte schick mir jemanden, der sich besser um mich kümmert.

Kapitel 1

An der Westküste Schottlands
Am nächsten Tag

Du bist ein Teufel, Alexander Bàn MacDonald.«

Alex fing den Stiefel auf, den die Frau ihm an den Kopf werfen wollte. Als er auf der Treppe kurz anhielt, um ihn anzuziehen, prallte sein zweiter Stiefel an der Mauer hinter ihm ab und purzelte die Stufen hinunter.

»Janet, kann ich bitte noch mein Hemd und mein Plaid haben?«, rief er zu ihr herauf.

Das dunkle Haar fiel ihr über die Schultern, als sie sich von oben übers Treppengeländer beugte und ihn finster anstarrte.

»Ich heiße nicht Janet.«

Verdammt! Janet war die Vorgängerin gewesen.

»Entschuldige, Mary«, sagte er. »Ich bin mir sicher, dass du nicht willst, dass irgendjemand sieht, wie ich mit nacktem Hintern aus deinem Haus komme. Sei also ein liebes Mädchen und wirf mir meine Kleider runter.«

»Du weißt nicht einmal, warum ich wütend bin, oder?«

Die Stimme der Frau hatte jetzt einen weinerlichen Unterton angenommen, der ihn nervös machte. Gott, er hasste es, wenn sie jammerten und sich bemitleideten. Alex zog bereits in Erwägung, ohne seine Kleider zu gehen.

»Ich muss los. Mein Freund wartet mit seinem Segelboot auf mich.«

»Du kommst nicht zurück, oder?«

Er hätte überhaupt nicht herkommen sollen. Zwei Wochen lang war es ihm gelungen, ihr aus dem Weg zu gehen, dann hatte sie ihn letzte Nacht betrunken und verzweifelt im Haus seines Vaters gefunden. Nach einer Woche bei seinen Eltern wäre er einem Dämon in die Hölle gefolgt.

»Ich wollte meinen Mann für dich verlassen«, rief Mary zu ihm herunter.

»Um Gottes willen, nein, das wirst du nicht tun.«

Alex biss sich auf die Zunge, um sie nicht daran zu erinnern, dass sie die treibende Kraft gewesen war und ihm eindeutig zu verstehen gegeben hatte, dass alles, was sie von ihm wollte, zwischen seinen Beinen zu finden sei.

»Ich bin mir sicher, dass dein Ehemann ein feiner Kerl ist«, sagte er stattdessen.

»Er ist ein Idiot.«

»Idiot oder nicht, es wird ihm nicht gefallen, die Kleider eines anderen Mannes in seinem Schlafzimmer zu finden.« Alex sprach mit ihr in dem monotonen Tonfall, der selbst nervöse Pferde beruhigte. »Also bitte, Mary, gib mir die Sachen, damit ich gehen kann.«

»Das wirst du noch bereuen, Alexander Bàn MacDonald.«

Er tat es bereits jetzt.

Sein Hemd und sein Plaid segelten zu ihm herab, während oben die Tür zugeschlagen wurde. Als er sich anzog, überfiel ihn ein mulmiges Gefühl. Mit Mary würde es nicht so problemlos vonstattengehen wie sonst. Meistens gelang es ihm, sich von den Frauen, mit denen er im Bett gewesen war, im Guten zu trennen. Er mochte sie, sie mochten ihn, und von Anfang an war klar, dass sie bloß ein wenig Spaß miteinander haben wollten. So lief das Spiel. Aber die hier hatte er falsch eingeschätzt.

»Alex.« Durch das offene Fenster hörte er Duncan vom Strand her nach ihm rufen. »Da kommt ein Mann den Weg entlang. Beweg deinen Arsch.«

Alex kletterte aus dem Fenster und rannte zu dem kleinen Schiff. Nicht gerade sein bester Tag, dachte er und ergriff das Ruder, während sein Freund das Segel setzte. Dann stachen sie in See.

Duncan, der sich vergewisserte, dass sie alles Gepäck fest verzurrt hatten, war in schlechter Stimmung.

»Bist du dieses Theater nicht langsam leid?«, murrte er nach einer Weile. »Ich jedenfalls habe deine Liebschaften, die nichts als Ärger machen, satt. Und zwar gründlich.«

Obwohl Alex das nicht zugeben mochte, weil es seinen Ruf als großer Liebhaber gefährden könnte, fand er im Grunde keinen sonderlichen Gefallen mehr an den Affären. Zumindest nicht am Tag danach.

Er seufzte resigniert. »In Frankreich war es einfacher.«

Die beiden waren mit Connor und Ian, beide Cousins von Alex, fünf Jahre kämpfend und vögelnd durch Frankreich gezogen, das damals bei seinem Kampf gegen halb Europa Krieger aus dem mit ihm verbündeten Schottland mit offenen Armen empfing. Es war herrlich gewesen.

Sobald eine französische Edeldame ihrem Gatten einen legitimen Erben geschenkt hatte, scherte sich niemand darum, wenn sie sich diskret einen Liebhaber nahm. Das wurde sogar fast erwartet. Eigentlich hätten die Highlander, die im Hochland lebenden Schotten, es liebend gerne genauso locker gehalten mit Sitten und Moral – nur kam es hierzulande unter den verfeindeten Clans häufig zu gnadenlos ausgetragenen Konflikten und Kriegen. Ein Problem, das man nicht dadurch verschärfen musste, dass man mit der falschen Frau schlief.

»Woher wusstest du überhaupt, wo du mich finden würdest?«, hakte Alex nach, als der Freund keine Anstalten machte, seine wehmütige Erinnerung an Frankreich zu kommentieren.

»Ich habe gestern Abend bei meiner Ankunft gerade noch gesehen, wie Mary deinen besoffenen Hintern wegschleppte. Viel dürfte sie in Anbetracht deines Zustands nicht davon gehabt haben, aber sie kommt mir sowieso nicht besonders wählerisch vor.«

Alex richtete den Blick auf den Horizont, während sie an dem Haus seiner Kindheit vorbeisegelten. Seine Eltern verband eine sprichwörtliche Hassliebe, und ihre Streitereien gingen an die Substanz. Unversöhnlich und unerbittlich ließen sie kein gutes Haar am anderen. Und das, obwohl sie getrennt lebten. Allerdings war seine Mutter lediglich auf die andere Seite der Bucht übersiedelt, von wo aus sie ihren leichtlebigen Ehemann im Auge behalten konnte. Sein Vater war keinen Deut besser, und beide bestachen Diener im Haushalt des anderen, damit sie über alle Vorkommnisse informiert wurden.

»Warum besteht meine Mutter eigentlich darauf, ins Haus meines Vaters zurückzukehren, wenn ich zu Besuch komme?« Alex schüttelte verständnislos den Kopf. »Mir dröhnen immer noch die Ohren von ihrem Gezeter.«

Sobald sie das offene Meer erreichten, streckte sich Alex aus, um die Sonne und den Wind zu genießen. Sie hatten eine lange Strecke von ihrer Heimatinsel Skye zu den im äußersten Westen gelegenen Inseln, den Western Isles, vor sich.

»Wieso hat Connor uns eigentlich dazu überredet, den MacNeils einen Besuch abzustatten?«, fragte Alex.

»Hat er nicht, wenn ich dich erinnern darf. Wir haben uns freiwillig dazu bereit erklärt«, entgegnete Duncan.

»Ach ja, das war vermutlich eine Dummheit. Schließlich ist allgemein bekannt, dass das Oberhaupt der MacNeils nach Ehemännern für seine Töchter Ausschau hält.«

»Aye.«

Alex öffnete ein Auge, um seinen riesigen rothaarigen Freund anzusehen. »Waren wir dermaßen betrunken?«

Duncan nickte und rang sich ein winziges Lächeln ab. Der Freund, ebenfalls ein Mitglied des MacDonald-Clans, war ein netter Kerl, wenngleich er in letzter Zeit ein wenig verdrießlich wirkte. Was nur bewies, dass Liebeskummer selbst den stärksten Mann in die Knie zu zwingen vermochte.

»Ja, das war schon ziemlich schlitzohrig. Erst macht er uns den Mund wässrig mit der Aussicht auf eine Piratenjagd, um uns später so ganz nebenbei zu erzählen, dass es in erster Linie um einen Besuch bei Gilleonan MacNeil geht.«

Alex nickte. »Seit Connor Clanoberhaupt ist, wird er von Tag zu Tag hinterlistiger.«

Spöttisch verzog Duncan den Mund. »Du könntest uns die Sache erleichtern, indem du dich erbarmst und eine der MacNeil-Töchter heiratest.«

»Sehr witzig«, antwortete Alex, der diesen Vorschlag nicht im Geringsten komisch fand.

»Du weißt doch, dass Connor genau das von uns erwartet«, sagte Duncan. »Er hat keine Brüder, um Allianzen mit anderen Clans durch Heirat zu schmieden – ein Cousin muss also reichen. Wenn dir keins von diesen Mädchen gefällt, wird er dir die Töchter von anderen Clanoberhäuptern ans Herz legen. So lange, bis du kapitulierst.«

»Ich werde jederzeit für Connor kämpfen«, wandte Alex ein, der langsam die gute Laune verlor, »aber ich werde nicht für ihn heiraten.«

»Connor bekommt immer das, was er will. Ich wette, in spätestens einem halben Jahr bist du unter der Haube.«

Alex setzte sich auf und grinste seinen Freund an. »Um was wetten wir?«

»Um dieses Boot.«

»Perfekt. Dann wird diese Schönheit endlich mir gehören.«

Alex liebte die schlanke Galeere, die wie ein Fisch durchs Wasser glitt. Seit sie Shaggy MacLean das schmucke kleine Schiff gestohlen hatten, stritten sich die Freunde darüber, wer den größten Anspruch auf seinen Besitz geltend machen konnte.

»Kannst du dich mit dem Nähen ein bisschen beeilen?«, fragte Glynis und sah zum Fenster hinaus. »Ihr Schiff ist fast schon da.«

»Dein Vater wird dich umbringen. Und mich dazu.«

Das Gesicht der alten Molly war grimmig, doch ihre Nadel flog nur so durch den Stoff an Glynis’ Taille.

»Lieber tot als wieder verheiratet«, murmelte die junge Frau vor sich hin.

»Der Trick funktioniert bloß einmal, wenn überhaupt.« Molly vernähte den Faden und fädelte einen neuen ein. »Dieses Spiel kannst du nicht gewinnen, Mädchen.«

Glynis verschränkte die Arme. »Ich werde nicht zulassen, dass er mich zu einer neuen Ehe zwingt.«

»Dein Vater ist genauso stur wie du, und er ist unser Clanoberhaupt.« Molly blickte von ihrer Näharbeit auf und musterte Glynis aus kurzsichtigen Augen. »Nicht alle Kerle sind so hartherzig wie dein erster Ehemann.«

»Vielleicht nicht«, räumte Glynis zögernd ein, klang indes nicht überzeugt. »Allerdings sind die MacDonalds von Sleat als notorische Schürzenjäger bekannt, und ich schwöre beim Grab meiner Großmutter, dass ich von denen keinen nehme.«

»Sieh dich vor mit deinen Schwüren«, warnte die Alte. »Ich habe deine Großmutter geschätzt und möchte nicht, dass die gute Frau sich deinetwegen im Grabe umdrehen müsste.«

»Autsch«, entfuhr es Glynis, als Molly ihr zur Bestätigung ihrer Worte mit der Nadel in die Seite pikte.

In diesem Moment öffnete sich die Tür einen Spalt, und ihr Vater steckte den Kopf hinein.

»Sieh zu, dass du runter in den Saal kommst, Glynis. Unsere Gäste können jede Minute eintreffen.«

»Ich bin fast fertig, Pa«, antwortete sie und tänzelte kokett zur Tür.

»Glaub bloß nicht, du könntest mich mit deinem zuckersüßen Gehabe täuschen. Was machst du hier überhaupt?«

Glynis schaute ihren Vater an, einen großen, breitschultrigen Mann, der gerne eine grimmige Miene zur Schau stellte, ohne es immer so zu meinen.

»Du hast mir eingeschärft, mich so anzuziehen, dass diese verdammten MacDonalds mich nicht vergessen«, erklärte sie mit hinterhältigem Lächeln. »Und dafür braucht man eine Weile, liebster Vater.«

Er kniff die Augen zusammen, gab jedoch keinen weiteren Kommentar ab. Obwohl er inzwischen weiß Gott lange genug mit lauter Weibern zusammenlebte, waren Frauen für ihn nach wie vor ein Rätsel. Und insbesondere Glynis nutzte bei den nicht enden wollenden Machtkämpfen jeden noch so kleinen Vorteil aus. Wirklich und wahrhaftig jeden.

»Ihr neues Clanoberhaupt, dieser Connor, ist nicht selbst gekommen«, sagte der Vater missmutig. »Aber wahrscheinlich wäre es angesichts der Schande, die du über unser Haus gebracht hast, vermessen zu hoffen, dass du für einen Clanchef überhaupt als Ehefrau infrage kommst. Einer von den Verwandten muss reichen.«

Glynis schluckte den Kloß in ihrer Kehle hinunter. Dass ihr Vater sie für ihre gescheiterte Ehe verantwortlich machte und dies als eine Beschmutzung der Familienehre betrachtete, schmerzte sie zutiefst. Mehr als alles, was ihr Ehemann ihr je angetan hatte.

»Ich habe mir nichts vorzuwerfen, sondern mich bloß zur Wehr gesetzt. Und ich werde es erneut tun, falls du wieder eine Heirat erzwingst«, presste sie zwischen zusammengebissenen Zähnen hervor.

Immerhin war es in den Highlands Tradition, die Ehe für ein Jahr auf Probe zu schließen und sich dann erst zu entscheiden. Beide Parteien konnten den jeweils anderen problemlos verlassen.

Nicht mehr und nicht weniger hatte Glynis getan, und doch war der Familienfrieden dahin.

»Du bist von Geburt an stur wie ein Esel. Als dein Vater und als Oberhaupt deines Clans darf ich allerdings erwarten, dass du meinen Wünschen und Befehlen folgst.«

»Hast du nicht behauptet, niemand würde mich mehr wollen? Warum also das ganze Theater?«

Gilleonan MacNeil machte eine wegwerfende Handbewegung. »Männer lassen sich am Ende durch Schönheit blenden. Immerhin bist du trotz allem, was passiert ist, ein sehr hübsches Mädchen.«

Seine aufsässige Tochter warf ihm die Tür vor der Nase zu und schob den Riegel vor.

»Du wirst tun, was ich dir sage, oder ich werfe dich aus dem Haus. Von mir aus kannst du verhungern«, hörte sie ihn durch die Tür zetern, bevor er sich unter gemurmelten Flüchen entfernte und die Wendeltreppe hinunterpolterte.

Glynis blinzelte, um die Tränen zurückzuhalten. Sie hatte genug geweint.

»Ich hätte dir Gift zur Hochzeit schenken sollen, dann hättest du als Witwe heimkehren können«, sagte die alte Frau hinter ihr. »Wie oft habe ich deinem Vater damals gesagt, dass er dich mit einem schlechten Mann verheiraten will. Leider hat er mir nicht zugehört – genauso wenig wie seine Tochter.«

»Schnell jetzt.« Glynis nahm die kleine Schüssel vom Nebentisch. »Nicht dass er die Geduld verliert und zurückkommt, bevor wir fertig sind.«

Molly stieß einen tiefen Seufzer aus und tauchte die Finger in die rote Tonpaste.

Kapitel 2

Die Burg der MacNeils
Barra Island

Alex steuerte die kleine Galeere zum Eingangstor der Burg, das direkt vom Wasser her über eine Anlegestelle zu erreichen war. Die wehrhafte, schwer einzunehmende und gut zu verteidigende Festung erhob sich auf einem Felsen einige Meter vor der Küste. Kurze Zeit später waren Alex und Duncan von einer großen Gruppe MacNeil-Krieger umringt, die sie in den Wohnturm begleiteten.

»Wie ich sehe, haben sie Angst vor uns«, flüsterte Alex Duncan zu.

»Wir könnten sie überwältigen.«

»Hast du bemerkt, dass sie zu zwölft sind?«

»Ich habe nicht gesagt, dass es leicht würde.«

Alex lachte, woraufhin die MacNeils zu ihren Schwertern griffen. Obwohl es ihn amüsierte, hoffte er, dass sie sich ihren Weg zurück nicht freikämpfen mussten. Das hier waren Hochlandkrieger, keine Engländer oder Schotten aus den Lowlands. Mit Männern wie ihnen war nicht zu spaßen und mit den MacNeils erst recht nicht. Sie standen in dem Ruf, besonders niederträchtig und arglistig zu sein.

In dieser Hinsicht konnten es allein die MacDonalds mit ihnen aufnehmen. Nur dass das Waffenarsenal der MacNeils besser bestückt und gefährlicher war.

Kaum hatten sie den großen Saal im ersten Stock des Wohnturms betreten, in dem sich das gesamte Leben in der Burg abspielte, stöhnte Duncan auf. Drei tuschelnde Mädchen saßen an der Tafel. Sie waren hübsch, jung und unschuldig.

»Gott steh uns bei«, entfuhr es Alex.

Zu allem Überfluss winkte ihm eine auch sogleich aufmunternd zu und stieß ihre Schwestern an, woraufhin alle hinter vorgehaltener Hand zu kichern begannen.

Es würde ein langer Abend werden.

»Ruhe.«

Beim donnernden Klang der väterlichen Stimme wich jegliche Farbe aus den Gesichtern der Mädchen. Stumm schauten sie zu, wie das Clanoberhaupt die beiden jungen Männer begrüßte.

Anschließend stellte Gilleonan MacNeil ihnen seine Ehefrau vor, die wohlgerundet, attraktiv und deutlich jünger war als er. Sie hielt einen kleinen Jungen auf dem Schoß.

»Das hier sind meine jüngsten Töchter.« Der Clanchef deutete auf drei Mädchen im Backfischalter. »Meine Älteste wird bald zu uns stoßen.«

Bei der fehlenden Tochter handelte es sich wahrscheinlich um die, von der sie gehört hatten. Den Gerüchten zufolge war sie von seltener Schönheit, hatte aber offenbar ihre Ehe unehrenhaft beendet.

Interessant, dachte Alex. Er mochte außergewöhnliche Frauen.

Ehe ihnen Plätze zugeteilt werden konnten, setzten sich die beiden Freunde so weit wie möglich von den Mädchen entfernt an die lange Tafel. Nach dem Tischgebet wurde Wein und Bier ausgeschenkt und der erste Gang aufgetragen.

Alex wollte rasch das Geschäftliche erledigen und so schnell wie möglich wieder aufbrechen. »Unser Anführer hofft, die Freundschaft zwischen unseren Clans zu stärken. Deshalb schickt er uns, damit wir dir und deinem Clan seine Grüße überbringen und dich seines guten Willens versichern.«

MacNeil allerdings schien nicht zuzuhören. Ständig blickte er zur Tür, und seine Miene verfinsterte sich zunehmend. Obwohl ihr Gastgeber nicht den Anschein erweckte zuzuhören, nicht einmal mit einem halben Ohr, redete Alex weiter wie ein Wasserfall.

»Connor MacDonald sichert dir zu, dich im Kampf gegen die Piraten, die eure Küsten heimsuchen, zu unterstützen.«

Jetzt endlich schenkte ihm MacNeil seine Aufmerksamkeit. »Der Schlimmste von allen ist sein eigener Onkel, Hugh Dubh.«

Er benutzte wie alle auf den Inseln den Spitznamen. Den »schwarzen Hugh« nannte man diesen MacDonald wegen seiner schwarzen Seele, die einer absoluten Charakterlosigkeit und Brutalität entsprang.

»Hugh ist bloß sein Halbonkel«, warf Duncan ein, als erkläre das alles. »Leider sind zwei weitere Halbbrüder seines Vaters ebenfalls unter die Piraten gegangen.«

»Und woher weiß ich, dass diese MacDonald-Piraten nicht auf Befehl eures Anführers vergewaltigend und plündernd die Western Isles heimsuchen?«

»Weil sie auch die Mitglieder unseres eigenen Clans oben auf North Uist überfallen haben«, sagte Alex. »Da wir nicht wissen, wann oder wo Hugh angreift, fängt man ihn wohl am besten, indem man sein Lager aufspürt. Hast du irgendwelche Gerüchte gehört, wo er sein könnte?«

»Es heißt, Hugh Dubh habe Berge von Gold in seinem Lager versteckt«, mischte sich eine der Töchter altklug ein, »und lasse seine Schätze von einem Seeungeheuer bewachen.«

»Aber keiner kann Hugh finden«, fügte ein anderes Mädchen hinzu und betrachtete Alex aus großen blauen Augen. »Er kann den Nebel heraufbeschwören und darin verschwinden.«

»Dann suche ich einfach ein Seeungeheuer im Nebel.«

Alex’ Worte lösten ein erneutes Kichern bei den Schwestern aus, während Duncan ihn finster anstarrte.

»Genug von diesen törichten Geschichten«, polterte Gilleonan MacNeil und wandte sich an seine Gäste. »Hughs Schiffe verschwinden allerdings in der Tat gerne im Nebel. Und es stimmt ebenfalls, dass niemand weiß, wo sich sein Lager befindet.«

Das Clanoberhaupt legte den Kopf in den Nacken, um einen großen Schluck aus seinem Becher zu nehmen, knallte ihn dann prustend und nach Luft schnappend auf den Tisch.

Etwas schien ihn vollends aus der Fassung gebracht haben.

Alex folgte den Blicken seines Gastgebers und hätte sich beinahe ebenfalls verschluckt, als er die junge Frau sah, die gerade zur Tür hereinkam. Das arme Ding hatte offenbar die übelste Form der Pocken erwischt, die ihm je untergekommen war. Überdies wirkte sie sehr rundlich, allerdings nicht auf eine ansprechende Art. Nein, eigentlich war sie plump zu nennen. Mit gesenktem Kopf, die Augen zu Boden gerichtet, eilte sie schnell durch den Saal, um am anderen Ende der Tafel neben Alex Platz zu nehmen.

Als er sich zu ihr umwandte, um sie zu begrüßen, sah er die entstellenden Beulen aus der Nähe. Gott im Himmel, das waren keine alten Narben, sondern frische, nässende Pocken – und das war ihm unheimlich.

»Man nennt mich Alexander Bàn – Alexander mit den hellen Haaren.«

Er setzte ein strahlendes Lächeln auf und wartete. Weil sie weder aufschaute noch den Mund aufmachte, fragte er nach ihrem Namen.

»Und du bist …?«

»Glynis.«

In Anbetracht ihrer Weigerung, ihn anzusehen, konnte Alex sie ungehindert anstarren. Je länger er sie musterte, umso sicherer war er sich, dass die Pockennarben nicht nässten, sondern schmolzen. Grinsend verzog er den Mund.

»Ich muss gestehen, dass du mich neugierig machst«, sagte er und beugte sich dicht an ihr Ohr. »Was bringt ein Mädchen dazu, sich selbst mit Pockennarben zu verunstalten?«

Glynis riss den Kopf hoch und die Augen auf. Obwohl sie auf hässlich machen wollte, bemerkte Alex, dass sie eindrucksvolle graue Augen hatte und bestimmt sehr schön war, wenn man sich die aufgemalten Beulen und die wässrigen rötlichen Spuren, die ihr Gesicht überzogen, wegdachte.

»Es ist unhöflich, sich über das bedauernswerte Aussehen einer Dame lustig zu machen«, tadelte sie ihn.

Eine so reizende Stimme mit einem so bizarren Aussehen zusammenzubringen fiel ihm schwer. Dabei hatte sie fein geschnittene Züge, einen eleganten Schwanenhals und lange, schlanke Finger, die den Weinbecher umklammerten.

»Dein Geheimnis ist bei mir sicher«, flüsterte Alex. »Allerdings scheint deine Familie nicht gerade glücklich über diese Maskerade zu sein.«

Vergeblich hoffte er auf ein Lachen.

»Komm schon.« Er wackelte mit den Augenbrauen, um ihr zumindest ein Lächeln zu entlocken. »Verrate mir, warum du so was machst.«

Sie nahm einen großen Schluck aus ihrem Weinbecher. »Na, damit du mich nicht heiraten willst natürlich.«

Alex grinste sie verschmitzt an. »Ich fürchte, du hast dir ganz umsonst so große Umstände gemacht – ich habe nämlich keineswegs vor, mir hier eine Ehefrau zu suchen. Verrate mir dennoch, ob es dir oft passiert, dass Männer dich nach der ersten Begegnung heiraten wollen.«

»Mein Vater behauptet, Männer würden nur nach dem Äußeren gehen, und deshalb musste ich jedes Risiko meiden.«

Die junge Frau meinte das offenbar völlig ernst. Alex lachte. Seit Langem hatte er sich nicht mehr auf so amüsante Weise unterhalten.

»Ganz egal, wie hübsch du unter den Polstern und der Paste bist«, beruhigte er sie. »Du bist ziemlich sicher davor, dein Glück in einer Ehe mit mir zu finden.«

Sie blickte ihn zweifelnd an, war sich nicht sicher, ob er scherzte, und sah noch komischer aus als zuvor. Es war schwer, nicht zu lachen, wenn man in ein so entschlossenes Gesicht sah, in dem sich die künstlichen Pocken mehr und mehr zu Rinnsalen verflüchtigten und beinahe wie blutige Tränen aussahen.

»Mein Vater meint, dass euer neues Clanoberhaupt eine Ehe zwischen unseren Clans anstrebt, um nach den Problemen mit den MacDonald-Piraten seinen guten Willen zu demonstrieren.«

»Da hat er gar nicht mal so unrecht«, erwiderte Alex. »Connor, der zudem mein Cousin und guter Freund ist, kennt jedoch meine Ansichten über den Ehestand.«

Alex war fasziniert von dieser ungewöhnlichen jungen Frau und achtete nicht mehr im Geringsten auf die anderen an der Tafel. Wobei ihm leider entging, dass er und Glynis bei diesen inzwischen in den Mittelpunkt ihres Interesses gerückt waren. Alle starrten sie an und versuchten ihre Unterhaltung zu belauschen. Vermutlich kannten sie den Trick mit den Pocken noch nicht und waren deshalb neugierig. Oder es hatte ihnen einfach die Sprache verschlagen.

Glynis stieß ihn mit dem Ellenbogen in die Seite und nickte in Duncans Richtung, der wie gewöhnlich erstaunliche Mengen an Speisen verdrückte.

»Was ist mit deinem Freund?«, flüsterte sie ihm zu. »Braucht er eine Frau?«

Duncan wollte bloß eine einzige Frau. Und zwar eine, die bereits verheiratet war und mit ihrem Ehemann in Irland lebte.

»Nein, vor Duncan bist du ebenfalls sicher.«

Glynis ließ die Schultern sinken und schloss die Augen. Sie wirkte, als habe man ihr gerade mitgeteilt, dass ein Mensch, den sie für tot gehalten hatte, noch am Leben sei.

»Es ist ein Vergnügen, mit einer Frau zu sprechen, die fast so sehr gegen die Ehe ist wie ich.« Alex prostete ihr zu. »Auf dass wir dieser gesegneten Verbindung entkommen mögen.«

Zwar schenkte ihm Glynis nach wie vor kein Lächeln, hob ihm aber immerhin ihr Glas entgegen.

»Woher wusstest du, dass mein Kleid gepolstert ist?«

»Ich habe dich in den Hintern gekniffen.«

Ihr blieb der Mund offen stehen. »Das hast du nicht gewagt.«

»Natürlich habe ich«, behauptete er und tischte ihr damit eine faustdicke Lüge auf. »Und du hast nichts gespürt.«

»Woher weißt du, dass ich nichts gespürt habe?«

»Nun, das ist ganz einfach«, sagte er und stützte sich auf die Ellenbogen. »Entweder beschert diese Frechheit einem Mann eine Ohrfeige oder ein Zwinkern. Und von dir habe ich weder das eine noch das andere bekommen.«

Jetzt lachte sie. Es klang glockenhell und melodisch und schöner, als Alex es sich erträumt hatte.

»Du bist ein Teufel«, sagte sie und pikste ihn mit dem Finger in den Arm.

Nachdenklich betrachtete er den langen, schmalen Finger und fragte sich, wie der Rest von ihr ohne die Polster wohl aussehen mochte. Er war ein Mann mit erstaunlicher Vorstellungskraft.

»Was erhältst du öfter als Antwort? Eine Ohrfeige oder ein Zwinkern?«, hakte sie nach.

»Immer ein Zwinkern.«

Wieder lachte Glynis und erntete erstaunte Blicke ihres Vaters und ihrer Schwestern.

»Du bist ein eitler Mann, so viel steht fest.«

Sie nahm sich einen Hähnchenschenkel von der Platte, was Alex daran erinnerte, dass er keinen Bissen mehr gegessen hatte, seit sie neben ihm Platz genommen hatte.

»Ich kenne die Frauen, das ist alles«, erklärte er und nahm sich eine Scheibe Hammelbraten. »Deshalb weiß ich, wer es gutheißen würde und wer nicht.«

Glynis deutete mit ihrem Hühnerbein auf ihn. »Du hast mich gezwickt, obwohl ich es nicht wollte.«

»Polster kneifen zählt nicht. Außerdem würdest du mir zuzwinkern, Mistress Glynis. Du weißt es vielleicht selbst nicht, doch ich sehe es dir an.«

Statt erneut zu lachen und mit ihm zu scherzen, wurde ihre Miene ernst. »Mir gefällt der Gesichtsausdruck meines Vaters nicht.«

»Wie sieht er denn deiner Meinung nach aus?«

»Hoffnungsvoll.«

Die beiden Freunde schliefen mit einem Dutzend schnarchender MacNeils im großen Saal auf dem Boden. Bei Tagesanbruch erwachte Alex vom Geräusch vorsichtiger Schritte, die auf ihn zukamen. Er rollte sich zur Seite und sprang auf, sodass der Fuß seines Gastgebers nur noch den Boden traf.

»Du bist schnell«, sagte Gilleonan MacNeil und nickte anerkennend. »Ich wollte dich bloß wecken.«

»Das hätte dein Tod sein können.« Alex steckte seinen Dolch zurück in seinen Gürtel. »Und dann hätte ich jede Menge Ärger gehabt, aus deiner schönen Burg zu entkommen.«

Duncan tat so, als schliefe er, aber seine Hand lag am Schaft seines Dolches. Wenn Alex das Zeichen gab, würde Duncan ihrem Gastgeber die Kehle aufschlitzen, und die beiden wären bereits auf halbem Weg zu ihrem Schiff, ehe jemand im Saal es bemerkte.

»Lass uns ein paar Schritte gehen«, schlug MacNeil vor. »Ich will dir etwas zeigen.«

»Nach dem ganzen Whisky, den du mir letzte Nacht eingeflößt hast, kann ich ein wenig frische Luft gut brauchen.«

Da man einem besoffenen Mann leichter seine Geheimnisse entlocken und seine verborgenen Gedanken ergründen konnte, hatte Alex bis spät in die Nacht mit dem Clanoberhaupt gezecht. Zweifellos hatte sein Gastgeber dieselbe Strategie verfolgt.

»Niemand hat dich dazu gezwungen«, protestierte er prompt, während sie den Saal verließen.

»Du weißt jedoch vermutlich, dass ein MacDonald nicht gerne verliert – nicht beim Wetttrinken und noch weniger im Kampf.«

MacNeil zog eine Augenbraue hoch. »Und Frauen? Wie sieht es damit aus?«

Alex biss nicht an. Schließlich war es nie sein Problem gewesen, eine Frau zu verlieren – er musste sich eher damit herumschlagen, sie auf elegante Art zu gegebener Zeit wieder loszuwerden.

Die beiden Männer gingen zum Tor hinaus zu dem schmalen Damm, der die Burg mit der Insel verband und den einzigen Zugang von Land aus darstellte.

MacNeil blieb stehen und deutete zum Ufer. »Da ist meine Tochter Glynis.«

Alex’ Blick umfasste die schlanke Gestalt, die barfuß mit dem Rücken zu ihnen am Strand entlangspazierte. Ihr langes Haar wehte im Wind, und alle paar Schritte hielt sie inne, beugte sich hinab und hob etwas auf. Sie war ein bezaubernder Anblick. Er hatte eine Schwäche für Frauen, die gerne ohne Schuhe gingen.

»Du kommst mir vor, als seist du ein neugieriger Mann. Willst du nicht wissen, wie sie wirklich aussieht?«

Natürlich wollte er das. Er musterte seinen Begleiter aus zusammengekniffenen Augen. Normalerweise pflegten Väter ihre Töchter vor ihm zu verstecken und nicht anzupreisen.

»Liebst du deine Tochter nicht?«

»Aber ja, sehr sogar. Glynis ist mein einziges Kind aus erster Ehe. Sie kommt sehr nach ihrer Mutter, und sie war die schwierigste Frau, die jemals geboren wurde.« MacNeil seufzte. »Gott, wie sehr ich sie geliebt habe.«

Falls es eines weiteren Beweises bedurft hätte, um Alex vom Unsinn der Ehe zu überzeugen und davon, dass Liebe ins Elend führte, dann wäre es dieses Beispiel gewesen.

»Die anderen sind süße Mädchen, die eines Tages fügsame Ehefrauen werden und ihren Männern immer recht geben. Egal ob es stimmt oder nicht. Nicht so Glynis.«

Die jüngeren Schwestern wären ihm bestimmt entschieden zu langweilig, dachte Alex.

»Ich habe Glynis nicht anders erzogen als ihre Schwestern. Sie ist einfach so«, fuhr MacNeil fort. »Wenn uns jemand angreifen und ich ums Leben kommen sollte, würden die anderen Mädchen hilflos heulen und klagen. Meine Älteste hingegen würde sich ein Schwert schnappen und wie eine Wölfin kämpfen, um die anderen zu beschützen.«

»Warum bist du dann so versessen darauf, sie zu verheiraten?«

Er war nämlich der Meinung, dass unter den vier Mädchen nur sie es wert wäre, im Haus behalten zu werden.

»Sie und ihre Stiefmutter sind wie trockenes Holz und eine brennende Fackel. Nein, Glynis braucht ihr eigenes Heim. Sie mag nicht unter der Fuchtel einer anderen Frau stehen.«

»Oder der eines Mannes«, warf Alex ein. »Wenn man glauben darf, was die Leute über sie reden …«

»Ach, ihr Ehemann war ein Narr und hätte besser den Mund gehalten«, winkte Gilleonan MacNeil ab. »Welcher Mann mit einem Funken Stolz würde zugeben, dass seine Frau ihm einen Dolch in die Hüfte gerammt hat? Du kannst dir natürlich denken, wo sie ihn eigentlich erwischen wollte.«

Alex zuckte zusammen. Er hatte schon Frauen zum Weinen gebracht oder dazu, dass sie mit Sachen nach ihm warfen, doch keine hatte je versucht, ihm seine Männlichkeit abzuschneiden.

Allerdings war Alex auch noch nie verheiratet gewesen.