Über das Buch:
Ein anonymer Anruf genügt und Kari Baxter weiß von der Affäre ihres Mannes. Allerdings reagiert keiner der beiden so, wie man es von ihm erwartet hätte: Tim geht aufs Ganze und treibt die Scheidung voran. Kari jedoch will sich an den Ehebund halten, den sie vor Gott und der Gemeinde geschlossen hat. Wie aber soll sie es einordnen, dass mitten in ihren Kämpfen ausgerechnet der Mann auftaucht, mit dem sie einmal so viel verband – Ryan? Plötzlich gerät alles ins Rollen ...
Über die Autorin:
Karen Kingsbury war Journalistin bei der Los Angeles Times. Seit einiger Zeit widmet sie sich ganz dem Schreiben christlicher Romane. Sie lebt mit ihrem Mann, 3 eigenen und 3 adoptierten Kindern in Washington.
Kapitel 8
Ashley Baxter fand es abstoßend, dass ihre Familie vom christlichen Glauben fast besessen war. Aber um ihrer Schwester willen versuchte sie, ihre Meinung für sich zu behalten.
Was musste das für ein Gott sein, der darauf beharrte, dass Kari mit einem Betrüger wie Tim Jacobs verheiratet blieb? Diese Frage ließ Ashley keine Ruhe. Kari wohnte nun schon seit zwei Wochen bei ihren Eltern, und Ashley konnte immer noch nicht ganz glauben, was sie am ersten Morgen bei ihren Eltern zu ihr gesagt hatte.
„Habe ich dich wirklich richtig verstanden?“ Ashley saß auf einem der Küchenstühle, während Kari sich an die Arbeitsplatte lehnte und an einer Tasse Kaffee nippte. „Tim hat dir gesagt, dass er sich mit einer anderen Frau trifft ... aber du willst keine Scheidung?“
„Ich erwarte nicht, dass du das verstehst.“ Kari hatte an diesem Morgen wieder graue Ringe unter den Augen. Sie hielt ihre Kaffeetasse mit beiden Händen fest und seufzte. „Er kann mir zwar sagen, dass er in sie verliebt wäre, aber tief in seinem Herzen glaubt er das genauso wenig wie ich.“
„Was?“ Eine tiefe Wut bildete sich in Ashleys Magen. „Das hat er zu dir gesagt? Dass er in diese ... diese Studentin verliebt sei?“
„Er ist nicht in sie verliebt, Ashley. Er ist nur durcheinander.“ Kari richtete sich auf und schaute Ashley direkt an. „Ich habe versprochen, Tim Jacobs zu lieben, solange ich lebe, und daran hat sich nichts geändert. Ich werde mich daran halten.“
Ashley stand auf und stemmte die Hände in die Hüften. „Verstehst du das denn nicht?“ Sie und Kari waren gleich groß. Als sie auf ihre ältere Schwester zuging, schaute Ashley ihr ernst in die Augen. „Deine Ehe ist vorbei.“
„Hör zu.“ Kari stellte ihren Kaffee ab und betrachtete Ashley mit einer stillen Stärke. „Du kannst dich wieder hinsetzen, Ashley. Und du brauchst deine Stimme nicht erheben. Ich weiß, dass meine Meinung nicht besonders populär ist.“
„Nicht populär?“ Ashley schnaufte laut. „Hör zu, große Schwester, diesen Kerl sollte man aufhängen und ...“
„Hör auf!“ Karis Augen wurden wieder rot. Ein tiefes Bedauern meldete sich bei Ashley. „Verstehst du das denn nicht? Er ist mein Mann, Ashley! Ich hatte noch nicht genug Zeit, alles genau zu durchdenken, aber eines weiß ich mit Sicherheit: Wenn es eine Möglichkeit gibt, diese Sache zu überwinden ... die Probleme zu lösen und neu anzufangen, will ich das tun.“
Diese Erinnerung verblasste und hinterließ in Ashleys Herz einen bitteren Nachgeschmack.
Es war erst kurz nach zwei, und Ashleys Sohn, Cole, schlief gerade. Er war drei Jahre alt, und der Mittagsschlaf war immer noch fester Bestandteil seines Tagesrhythmus. Nicht, dass Ashley in Bezug auf einen festen Tagesrhythmus sehr gut gewesen wäre. Das war eher das Gebiet ihrer Mutter. In gewisser Weise hatte ihr Sohn zwei Mütter: Eine junge, unverheiratete Mutter, die Cole gern sein Lieblingseis kaufte, mit ihm in den Park ging und mit ihm kuschelte, wenn er schlecht träumte. Und eine reife, verantwortungsbewusste Mutter, die dafür sorgte, dass er zu seinem Müsli Bananen aß und jeden Nachmittag regelmäßig einen Mittagsschlaf hielt. Manchmal störte Ashley diese Aufteilung, und sie bekam Schuldgefühle und wurde sogar ein wenig eifersüchtig. An anderen Tagen fand sie, ihr Sohn hatte das Beste aus beiden Welten.
Im Moment war ihre Mutter jedoch in der Bibelstunde und Kari beim Einkaufen. Da Cole schlief, hatte Ashley das Haus ganz für sich allein. Sie schlug ihr Buch mit französischen Impressionisten auf und versuchte, sich mit dem dritten Kapitel zu befassen. Aber nach jedem zweiten Satz tauchte das Bild von Karis Mann, Tim, vor ihrem geistigen Auge auf.
Wie konnte er es wagen, Kari zu betrügen? Ashley trommelte mit ihrem Stift auf die aufgeschlagene Seite und überlegte, wo Gott in diesem ganzen Chaos sei. Du bist immer noch da, oder, Gott? Sie ließ diesen Gedanken für einen Moment in ihrem Kopf kreisen, bevor sie ihn wieder beiseitewischte. Natürlich war er da. Ashley zweifelte nicht an der Existenz Gottes. Ashley zweifelte nur daran, dass er sich wirklich immer und überall für ihr Alltagsleben interessierte.
Ein liebender Gott, der sich für sie interessierte, müsste doch bestimmt irgendein System haben, durch das Menschen wie Tim plötzlich im Schlaf starben und Menschen wie Kari, Menschen, die in der Sonntagsschule unterrichteten und treu in ihrer Bibel lasen, irgendwie vor solchen Sorgen verschont blieben. Wenn Kari im Leben nichts lieber wollte als eine Ehe, die ewig hielt, dann hätte Gott ihr diese Ehe doch geben können.
Aber was hatte Kari stattdessen?
Ashley atmete laut aus und blätterte eine Seite in ihrem Buch um. Was hatte Gott je für ihre große Schwester getan? Ein Anflug von Bedauern bohrte sich in ihre dunklen Gedanken. Vielleicht war sie zu hart zu Gott. Er hatte ihnen allen schon viel geholfen. Indem er am Kreuz gestorben war. War das nicht die Grundbotschaft der ganzen Jahre, die sie in der Sonntagsschule verbracht hatte?
Trotzdem wäre es doch ein Leichtes für ihn gewesen, Kari auch einen besseren Mann zu geben.
Karis unerschütterliche Hingabe an Gott angesichts von Tims Affäre war mehr, als Ashley begreifen konnte. Abgesehen davon konnte sie sowieso nicht verstehen, wie Kari sich ein solches Leben überhaupt wünschen konnte. Ashley schaute aus dem Küchenfenster des Baxterhauses und betrachtete die Hügel und die Bäume mit ihren roten und goldenen Blättern, die sich kilometerweit erstreckten.
Die Welt war dafür da, dass man sie erforschte, eroberte, ausprobierte, genoss.
War das nicht der Grund, warum sie nach Paris geflüchtet war, sobald sie ihr Studium abgeschlossen hatte? War das nicht der Grund, warum sie die Dinge getan hatte, die sie getan hatte, warum sie sich entschieden hatte, Cole überhaupt zu bekommen? Ashley schloss die Augen. In Gedanken kam sie wieder in Paris an und versuchte mit ihrem Schulfranzösisch ihr Glück bei den Einheimischen, die so taten, als verstünden sie kein Wort, und genoss die neuen Geschmäcker und Töne und Erfahrungen und freute sich, dass sie frei war von den Erwartungen ihrer Heimatstadt, in der jeder sie nur als die Tochter des Arztes kannte.
Die Tochter des frommen Arztes.
Natürlich war sie manchmal nicht stolz auf den Lebensstil, den sie in Paris geführt hatte, aber das waren die Situationen, in denen sie wie eine Baxter dachte, nicht wie der ausdrucksstarke, frei denkende Mensch, als den sie sich kennengelernt hatte. Alles in allem hatte sich Paris gelohnt, auch wenn sie einen hohen Preis dafür bezahlt hatte.
An diesem Punkt waren sie und Kari grundverschieden.
Kari hatte ein halbes Jahr in New York verbracht, aber alles, was sie geschafft hatte, waren Model-Aufnahmen und ein paar Besichtigungen. Sie war nicht in die Kultur dort eingetaucht, sie hatte nicht wirklich in New York gelebt. Ashley seufzte. Es war eine Sache, geschützt und konservativ zu sein und sein Leben auf der Grundlage seines Glaubens zu führen. Das konnte Ashley bewundern, obwohl es sicher nicht ihr Lebensstil war – wenigstens nicht der beschützte und konservative Teil. Aber seine Tage damit zu verbringen, dass man darauf wartete, dass ein treuloser Ehemann wieder zur Vernunft käme, war eine ganz andere Sache.
Besonders wenn ein so attraktiver Mann wie Ryan Taylor wieder in der Stadt war ... und auch noch wunderbar ledig.
Ashley dachte einen Moment über Ryan nach und darüber, wie er und Kari in früheren Jahren zueinander gestanden hatte. Kari hatte sich offenbar für Tim entschieden, weil er ihr sicherer erschienen war, der Typ Mann, in dessen Nähe nicht alle Frauen dahinschmachteten wie bei Ryan.
Ashley hatte versucht, Karis Entscheidung zu akzeptieren, aber insgeheim fand sie, ihre Schwester habe die falsche Entscheidung getroffen. Ryan Taylor war lustig und kannte ihre Familie. Er liebte genau die gleichen Dinge, die Kari auch mochte, und obwohl sie sich seit ihrer Kindheit kannten, hatte ihre Beziehung immer eine gewisse Elektrizität ausgestrahlt. Das war etwas, das Ashley bei nur sehr wenigen Paaren beobachtete.
Sie lächelte bei der Erinnerung an Ryan. Als sie noch ein kleines Mädchen gewesen war, hatte Ryan es immer geschafft, Ashley das Gefühl zu geben, sie sei wichtig.
Vielleicht gefiel ihr das so sehr an ihm: Er war der große Bruder, den sie nie gehabt hatte.
Die meisten Sportler hatten ein Ego, das direkt proportional war zu ihren Bizeps. Bei Ryan war das anders. Ashley hatte immer gehofft, Ryan würde Kari eines Tages einen Heiratsantrag machen und für immer ein Teil ihrer Familie werden. Als es zwischen ihnen aus gewesen war, hatte das Ashley fast genauso traurig gemacht wie ihre Schwester.
Jener Tag war so etwas wie ein Wendepunkt in Ashleys Leben gewesen. Seitdem war ein Happy End keine Garantie mehr. Am selben Tag hatte Ashley beschlossen, dass sie sich nie so wie Kari auf einen Mann einlassen würde. Das Ende war einfach zu schmerzlich. Natürlich gab es auch Ausnahmen. Menschen wie ihre Eltern. Aber nach Ashleys Einschätzung waren solche Ausnahmen rar.
Wie dem auch sei, unabhängig davon, dass Kari und Ryan miteinander Schluss gemacht hatten, war sich Ashley einer Sache sicher: Niemand würde Kari je so lieben, wie Ryan Taylor sie geliebt hatte. Wie er sie immer noch liebte, so war sich Ashley sicher. Alle Zweifel, die sie in dieser Hinsicht vielleicht gehegt hatte, hatten sich vor zwei Monaten in Luft aufgelöst, als sie ihm auf dem Football-Gelände an der High School über den Weg gelaufen war.
Ashley war an jenem Nachmittag gejoggt. Während sie ihre Runden drehte, fiel ihr auf, dass einer der Trainer sie beobachtete. Er war groß und hatte einen kräftigen Körperbau.
Plötzlich fiel es ihr wie Schuppen von den Augen.
Ryan Taylor war wieder in der Stadt. Sie hatte irgendetwas davon gelesen, dass er seine Profikarriere als Footballspieler beendet und an der High School eine Stelle als Trainer angetreten habe. Ashley verlangsamte ihr Tempo. In der nächsten Runde sah sie, wie der große Trainer zu den anderen etwas sagte und zielstrebig in ihre Richtung lief. Sie trafen sich am Ende der Aschenbahn neben dem Footballfeld.
„Ashley Baxter, ich kann es kaum glauben.“ Sie waren beide außer Atem, als sie sich umarmten und danach einen Schritt zurücktraten, um sich gegenseitig zu betrachten. „Du warst siebzehn, als ich dich das letzte Mal sah. Jetzt bist du eine erwachsene Frau und siehst umwerfend aus.“
Ashley errötete selten, wenn Männer ihr Komplimente machten. Dieser Moment bildete keine Ausnahme. Trotzdem fühlte sie, wie ein breites Lächeln über ihre Wangen zog. „Ich bin es aber. Und ganz erwachsen.“ Sie erwiderte seinen Blick. „Du bist also zurückgekommen, um den Rest deines Lebens fernab vom Rampenlicht zu verbringen?“
Ryan lachte. „Sieht so aus.“ Er steckte die Hände in die Taschen seiner Trainingshose und legte den Kopf schief. „Wie geht es Kari?“
Ashley zuckte die Achseln. Es war seltsam, mit Ryan zu sprechen, jetzt, da sie eine erwachsene Frau war. Früher war sie immer Karis kleine Schwester gewesen. Jetzt war sie fünfundzwanzig, und er war dreißig. Wenn er nicht in Kari verliebt wäre ...
Sie schaute in seine hellgrünen Augen und entdeckte nicht die leiseste Spur eines romantischen Interesses darin. „Sie wohnt drüben am Universitätspark. Ihr Mann ist Professor an der Uni. Keine Kinder.“
Ryan atmete langsam durch die Nase ein und schien die Worte abzuwägen, die er sagen wollte. „Falls sich daran je etwas ändern sollte ...“ In seinen Augen tauchte ein tiefer Schmerz auf, aber er verschwand wieder, und Ryan lächelte. „Du bist ein braves Mädchen und rufst mich an, okay?“ Er bedachte sie mit demselben Lächeln, das sie schon immer an ihm gekannt hatte, wünschte ihr alles Gute und joggte zu seinen Trainerkollegen zurück.
Sie und Ryan hatten seit damals noch ein anderes Mal auf dem Sportplatz miteinander gesprochen, aber ansonsten hatte Ashley ihn nicht gesehen. Soweit sie gehört hatte, hatte er eine Frau kennengelernt und ging jetzt öfter mit ihr aus.
Sie schaute auf ihr Buch hinab und nahm drei Anläufe, um einen einzigen Absatz zu lesen. Schließlich gab sie es frustriert auf. Sie klappte das Buch zu und schaute zum Telefon.
Es konnte nicht schaden, ihn anzurufen, oder? Er hatte wahrscheinlich einen Festnetzanschluss. Schließlich hatte er sie gebeten, ihn anzurufen, falls sich irgendetwas änderte.
Karis Worte von neulich kamen Ashley in den Sinn. Er ist mein Mann, Ashley ... wenn es eine Möglichkeit gibt, diese Sache zu überwinden, will ich genau das tun.
Aber was war mit Ryan?
Sollte er wissen, dass Karis Mann sie verlassen hatte? Sollte ihm nicht wenigstens jemand sagen, was los war?
Meistens hielt Ashley nicht viel von Gebet. Aber die kindliche Angewohnheit, mit dem allmächtigen Gott zu sprechen, saß tief, und hin und wieder – in Situationen wie dieser, wenn sie nicht sicher war, was sie tun sollte – sprach sie mit Gott.
Es ist doch nicht falsch, ihn anzurufen, oder, Gott?
Ashley versuchte sogar, still zu sein und auf eine Antwort zu warten, aber sie hörte nichts. Nicht dass sie wirklich eine Antwort erwartet hätte.
„Fein.“ Sie stand auf und kicherte bei sich. „Ich verstehe das als ein Ja.“ Sie ging durch die Küche, blätterte im Telefonbuch, fand aber keinen Ryan Taylor darin. Wahrscheinlich hatte er seinen Anschluss noch nicht lange.
Viel entschlossener als noch vor ein paar Augenblicken tippte Ashley sich an die Schläfen. Dann kam ihr eine Idee. Die Clear Creek Community Church hatte bestimmt seine Nummer. Ihre Mutter und ihr Vater hatten ihn mehrere Male sonntagabends im Gottesdienst gesehen.
Ashley suchte die Nummer der Gemeinde und wählte sie dann, so schnell sie konnte. Kari wäre bald wieder zu Hause, und Ashley war nicht ganz sicher, ob ...
„Clear Creek Community Church. Wie kann ich Ihnen helfen?“
Ashley musste sich ein Grinsen verkneifen. Die Gemeindesekretärin klang immer so sehr wie ... na ja, eben wie eine Gemeindesekretärin. Sie war um die siebzig und würde einem Fremden den Schlüssel zu ihrem Haus geben, wenn sie ihn damit von der Straße holen könnte.
„Hallo, Mrs Mosby. Hier ist Ashley Baxter. Ich möchte Sie um einen Gefallen bitten.“
„Oh, hallo, Liebes.“ Mrs Mosby war eine der wenigen in der Gemeinde, die Ashley nicht das Gefühl gegeben hatten, der letzte Dreck zu sein, weil sie schwanger und ledig aus Paris zurückgekommen war. „Was kann ich für dich tun?“
Ashley hielt den Atem an. „Erinnern Sie sich an Ryan Taylor?“
„Ja, Liebes, aber natürlich.“ Sie kicherte höflich, als kenne die Wirkung, die Ryan auf Frauen hatte, keine Altersbegrenzung. „Er ist wieder in die Stadt gezogen und kommt hin und wieder zum Abendgottesdienst.“
Ashley schluckte. Sie war seit Ostern nicht mehr in der Kirche gewesen, aber sie hoffte, daraus würde Mrs Mosby ihr keinen Vorwurf machen. „Wenn es Ihnen keine Umstände bereitet, bräuchte ich seine Telefonnummer. Ich muss sie irgendwo verlegt haben.“
„Oh ...“ Es folgte eine Pause. Ashley konnte hören, wie Mrs Mosby suchte. „Aber ja, Liebes. Hier ist sie.“ Sie ratterte die Nummer herunter und schnalzte dann mit der Zunge am Gaumen. „Das waren noch Zeiten, als deine Schwester und Ryan jünger waren! Sie brachte ihn mit zur Jugendgruppe, und alle anderen Mädchen waren total eifersüchtig.“
„Ja.“ Ashley lächelte bei dieser Erinnerung.
„Ich habe fast ein schlechtes Gewissen, das zu sagen ...“ Mrs Mosby senkte die Stimme, „aber ich habe immer irgendwie gehofft, Ryan würde deine Schwester heiraten.“ Ein Lächeln umspielte Ashleys Mundwinkel, während sie die Nummer anstarrte, die sie aufgeschrieben hatte. „Ja, Mrs Mosby. Ich auch.“
„Weißt du ...“ Die Stimme der alten Frau wurde wehmütig. „Ich glaube, das haben wir alle irgendwie gehofft.“ Dann fügte sie schnell hinzu: „Aber ich habe mich natürlich gefreut, dass sie einen netten, christlichen Mann geheiratet hat.“
Darauf sagte Ashley lieber nichts. „Ich muss jetzt aufhören.“ Plötzlich hatte sie es eilig, das Gespräch zu beenden. Sie verabschiedete sich freundlich und wählte schnell die Nummer, die Mrs Mosby ihr gegeben hatte. Dann schloss sie die Augen und wartete.
* * *
Ryan Taylor wohnte in einer gut eingerichteten Blockhütte mit drei Zimmern, Küche und Bad auf einer vier Hektar großen Ranch. Seine Hütte war nur wenige Minuten vom Country Club entfernt, weniger als zwei Kilometer von den Bootsanlegestellen am Lake Monroe und nur fünf Kilometer von dem Haus entfernt, in dem Kari aufgewachsen war und in dem ihre Eltern immer noch wohnten. Seine Profikarriere hatte sich finanziell gelohnt. Er hatte ein Sparkonto, das er nie erschöpfen könnte, und hatte keine Schulden. Alles, was er besaß, war schuldenfrei, darunter die Ranch und sein silberner Chevy. Eines Tages wollte er sein Traumhaus im vorderen Teil seines Grundstücks bauen, aber vorerst sah er noch keinen Grund, damit anzufangen.
Die Hütte passte perfekt für ihn. Er hatte nie geplant, einmal Footballprofi zu werden, aber jetzt, da seine Tage als Profispieler hinter ihm lagen, wusste er, dass nur eine Sache die Jahrzehnte, die vor ihm lagen, ausfüllen könnte.
Und das war eine Karriere als Trainer.
Als die Stelle als Assistenztrainer an der Clear Creek High School zum Anfang des Sommers frei wurde, wusste er, dass dies die Gelegenheit war, die er suchte. Die Gelegenheit, nach Hause zurückzukommen.
Zu Hause hatte sich natürlich einiges verändert. Damals, als er in Clear Creek aufwuchs, war er einfach einer von vielen gewesen, ein beliebter Jugendlicher, der überall gern gesehen war, wohin er auch kam. Jetzt, nach seinen acht Jahren bei den Cowboys, behandelte man ihn wie eine Berühmtheit. Im Supermarkt wurde er angestarrt, im Kino wurde er um Autogramme gebeten, und in keinem Restaurant konnte er in Ruhe essen.
Manchmal fragte er sich sogar, ob es ein Fehler gewesen sei, als er gedacht hatte, er könne wieder in Clear Creek wohnen. Aber andererseits war es immer noch der Ort auf der Welt, an dem er am liebsten war. Der Ort, an dem er aufgewachsen war, an dem seine Mutter und seine Schwester und ihre Familie immer noch wohnten. Sein ganzes Leben lang hatte er sich ausgemalt, dass er hier wohnen wollte.
Nur hätte er nie gedacht, dass er das ohne Kari Baxter tun würde.
Er hatte reichlich Gelegenheiten, Frauen näher kennenzulernen, seit er aus Dallas zurückgekehrt war. Jeder hatte eine Tochter, eine Freundin, eine Schwester, die den neuesten, interessanten Junggesellen in der Stadt kennenlernen wollte. Hin und wieder war Ryan tatsächlich mit einer Frau ausgegangen. Aber nach ein paar Treffen gab er es immer auf, wenn er feststellte, dass er jede Frau mit Kari verglich.
Es war nicht so, dass die Frauen, die er traf, nicht auch schön gewesen wären. Sie waren meistens schön und klug und wären bestimmt gute Ehefrauen. Aber sie hatten nicht in dem Jahr, in dem er vierzehn wurde, in einer Sommernacht im Schneidersitz neben ihm gesessen und hatten ihm ihre tiefsten Geheimnisse erzählt. Sie hatten nicht in dem Jahr, als er siebzehn wurde, den ganzen Tag neben ihm am Ufer des Lake Monroe gesessen und hatten mit ihm geangelt und waren nicht mit ihm losgelaufen, um sich in Deckung zu bringen, als eines Nachmittags die Tornadosirene heulte.
Die anderen Frauen, die er kennenlernte, hatten mit ihm nicht einen ersten Kuss oder einen ersten Tanz oder die erste große Liebe geteilt. Und sie hatten ihm nicht zum ersten Mal gezeigt, was es bedeutete, Gott zu lieben. Gott wirklich zu lieben und den Wunsch zu haben, ihm zu gefallen.
Ryan wusste sehr wohl, dass Kari mit einem anderen Mann verheiratet war. Sie war eindeutig nicht die Frau für ihn. Aber er hatte es einfach nicht eilig, eine zu finden, die es sein könnte.
„Ryan, du wirst ganz schön alt“, sagte seine Mutter jeden zweiten Sonntag, wenn sie sich zum Essen trafen. „Wenn du so weitermachst, habe ich keine Zähne mehr und sitze im Schaukelstuhl, bevor ich von dir Enkelkinder bekomme.“
Ryan lachte dann immer und klopfte seiner Mutter auf die Schulter. „Du wirst bestimmt hundert Jahre alt werden, Mama. Mit dreiundfünfzig bist du noch jung genug für alles. Wahrscheinlich überlebst du uns alle noch.“
* * *
Das Training war an diesem Tag früher zu Ende. Aus irgendeinem Grund fühlte Ryan sich einsamer als sonst. Es war, als würde ein Stück seines Herzens einfach nicht richtig passen. Er schlüpfte in seine Arbeitsstiefel. Ein paar Stunden draußen im Garten würden ihm helfen, einen klaren Kopf zu bekommen.
Er schnitt zuerst die Sträucher vor seiner Hütte zu und war gerade im Haus, um etwas Wasser zu trinken, als das Telefon klingelte. Max, sein weißer Labradorwelpe, legte den Kopf schief und starrte den Hörer an, als Ryan dranging. „Ist schon gut, Max, mein Junge“, flüsterte er und bückte sich, um Max hinter den Ohren zu kraulen, bevor er auf den Knopf drückte und den Anruf entgegennahm.
„Hallo.“ Max jaulte und bellte zweimal mit seiner hohen Welpenstimme.
„Meine Güte, Ryan! Ich wusste gar nicht, dass du singen kannst.“
Die Stimme war Karis, aber der Tonfall war Ashleys. Leicht sarkastisch und von dem typischen Necken begleitet, mit dem sie schon immer miteinander gesprochen hatten.
Er lächelte und räusperte sich. „Ich arbeite noch an dieser Nummer. Ich brauche immer eine Weile, bis ich mich aufgewärmt habe.“
Sie kicherte. „Wetten, du weißt nicht, wer ich bin.“
„Die Stimmenpolizei? Du rufst mich an, um mir zu sagen, dass ich ins Gefängnis komme?“
Ein neues Lachen ertönte am anderen Ende der Leitung. „Ah ja, derselbe alte Ryan. Du veränderst dich nie, oder?“
„Nein, Ashley, nicht wirklich.“ Er zögerte und war neugierig, was sie wollte. Ashley hatte ihn noch nie angerufen. „Okay, was ist los? Nein, warte, lass mich raten. Karis Mann ist auf und davon, und sie schmachtet vor Sehnsucht nach mir, traut sich aber nicht, mich anzurufen.“ Er grinste über die Kühnheit seiner Worte und war sicher, dass Ashley genauso grinsen würde.
Stattdessen erstarb ihr Lachen, und es folgte eine lange Stille.
„Ashley?“ Ryans Herz schlug zweimal so schnell wie vorher. „Ashley, sag doch etwas. Was ist?“
Ihre Stimme war todernst. „Karis Mann ist auf und davon, und ich weiß nicht, ob sie vor Sehnsucht nach dir schmachtet, aber ich musste dich trotzdem anrufen.“
Jetzt war es an Ryan, still zu sein. In seinem Kopf drehte sich alles bei ihren Worten. Er überlegte, ob sie möglicherweise immer noch Spaß machte. „Sei ernst, Ashley.“
„Ich bin ernst.“ Sie zögerte. „Tim hat eine Affäre. Er ist bei einer Studentin eingezogen.“ Er hatte das Gefühl, der Holzboden unter ihm gebe nach. „Kari verbringt viel Zeit bei meinen Eltern. Sie wohnt seit ein paar Wochen hier. Ich dachte, das solltest du wissen.“
Ryan nahm den nächsten Stuhl an seinem kleinen Esstisch und setzte sich. Seine Knie zitterten. „Ist sie ... ist sie okay?“ Das war das Erste, was ihm einfiel. Seine Gefühle waren total aufgewühlt und durcheinander: Schmerz und Traurigkeit, Zorn und Rachegelüste. Wie kann er es wagen, dir das anzutun, Kari? Wie kann er es wagen ...
„Sie ist ziemlich durcheinander, Ryan. Sie sagt, sie will sich nicht scheiden lassen; sie betet dafür, dass Tim wieder zur Vernunft kommt.“
Ryan knirschte mit den Zähnen und spielte im Geist eine Vielzahl möglicher Dinge durch, die er tun könnte: Zur Universität fahren, den Kerl suchen und ihn dort in seinem Büro verprügeln. Oder zu den Baxters fahren, Kari in die Arme nehmen und sie so lange festhalten, bis der Schmerz nachließ. Beide Ideen waren nicht hilfreich.
Offensichtlich würde er sie wiedersehen; das wusste er, seit er vor drei Monaten wieder nach Bloomington gezogen war. Er hatte eigentlich erwartet, sie schon früher zu sehen. Sie konnten nicht in einer so kleinen Stadt wohnen, ohne sich irgendwo über den Weg zu laufen – wenn schon nirgends sonst, dann auf jeden Fall in der Kirche. Aber er hatte kein Recht, irgendetwas zu unternehmen. Es sei denn, sie bäte ihn um Hilfe.
Das Wissen, dass er nichts tun konnte, um Kari zu helfen, brachte ihn fast um den Verstand. Kari war verletzt worden. Von einer solchen Verletzung erholten sich manche Menschen ihr ganzes Leben nicht mehr. Obwohl er nur fünf Kilometer vom Haus ihrer Familie – von ihr – entfernt wohnte, konnte er nichts tun, um ihr zu helfen.
„So.“ Ryan konnte die Anspannung in seiner Stimme hören, als er unter Karis Schmerz genauso litt, als wäre es sein eigener. „Warum rufst du an?“
Ashley schwieg einen Augenblick. „Ich weiß nicht genau.“ Sie seufzte und klang genauso frustriert, wie er sich fühlte. „Vielleicht weil ich an längst vergangene Zeiten dachte, in der bei Kari alles gut und richtig lief, als wir fünf Geschwister uns ganz nahe standen und keiner von uns im Traum daran gedacht hätte, dass unserer Schwester jemals so etwas passieren könnte. Du warst damals immer für sie da, Ryan.“
Er drückte die Augen zu und massierte seinen Nasenrücken. Jene Tage waren so real, dass er glaubte, er bräuchte nur hinter sich zu greifen, dann könnte er sie berühren. „Ja ... ich erinnere mich.“
„Ich schätze, ich habe einfach immer gedacht, dass du da bist. Und jetzt ...“
„Was kann ich tun?“ Ryan schloss wieder die Augen. „Sie liebt ihren Mann. Das hast du gerade selbst gesagt.“
Ashley schien einige Sekunden über seine Worte nachzudenken. „Weißt du, was ich glaube, Ryan?“
Der Schmerz in seinem Herzen war so groß, dass er sich buchstäblich zwingen musste, ruhig sitzen zu bleiben, dass er sich nur mit Mühe und Not beherrschen konnte, um nicht zur Tür hinauszustürmen und zu Kari zu fahren. „Was?“
„Sie kann sagen, was sie will ... aber ich glaube, sie liebt dich immer noch.“