Cathy Marie Hake

Rose der Prärie

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Kapitel 7

„Ganz bestimmt nicht!“, wiederholte Mrs Crewel. „Ich werde hier auf keinen Fall länger bleiben als absolut notwendig. Außerdem, junge Frau, haben Sie überhaupt keine Manieren? Eine Dame wartet darauf, dass der Herr ihr einen Antrag macht. Sie wirft sich ihm nicht einfach an die Brust und entscheidet, dass sie heiraten werden.“

Während Maggie sie mit offenem Mund anstarrte, fing Onkel Bo an zu lachen.

„Todd, du musst uns sofort von hier wegbringen. Sie –“

„Wird ab morgen um diese Zeit zu unserer Familie gehören, Ma.“ Er griff über den Tisch hinweg nach Maggies Hand. „Meine Margaret hat mir gar keinen Antrag gemacht. Sie hat nur vorgeschlagen, die Hochzeit zu verschieben. Doch ich will davon nichts hören.“

Meine Margaret. Warum flatterten alle ihre Gedanken sofort aus ihrem Kopf, als er ihre Hand nahm und mit dieser tiefen, überzeugten Stimme sprach? Sie hatte angenommen, dass Onkel Bos hoffnungsvolles Gerede ihn dazu gebracht hatte, in ihren Augen fälschlicherweise so etwas wie Liebe zu sehen. Aber Onkel Bo hatte recht gehabt! Sie könnte hier sitzen und Todd Valmer bis in alle Ewigkeit anschauen und ihm zuhören. Aber das war körperliche Anziehung, keine Liebe.

Mrs Crewel jammerte: „Nein! Du heiratest keine beschränkte Hinterwäldlerin. Wir stellen eine Schwester an, die sich um mich kümmert.“

„Jetzt wird es mir aber zu bunt.“ Onkel Bos Hand krachte ärgerlich auf den Tisch.

Doch Todd unterbrach ihn schnell. „Schon lange sehne ich mich nach einer Frau und bete dafür und das weißt du genau, Ma. Ein Mann kann sich nur schwer gegen das wehren, nach dem er sich sehnt. Natürlich brauche ich bei deiner Pflege Hilfe. Doch wenn ich Miss Margaret unter anderen Umständen kennengelernt hätte, dann hätte ich mich trotzdem um sie bemüht. Eine bessere Frau werde ich niemals finden, selbst wenn ich noch Jahre suche.“

Nun gut, da war doch mehr als bloße Anziehung. Es ging auch um ihr Herz ... und das tanzte gerade wie wild in ihrer Brust. Als Maggie jedoch von Todd zu seiner Mutter sah, schmolz jedes Fünkchen Wärme unter ihrem eisigen Blick.

Todd drückte Maggies Hand, damit sie ihn anschaute. „Sie ist nur überrascht – das ist alles.“

„Entsetzt trifft es besser“, schnappte Mrs Crewel zurück. „Bevor du ihr einen Antrag machst, hättest du mit mir sprechen sollen. Ich hätte dich schon wieder zur Vernunft gebracht.“

„Ich habe meine Braut sorgfältig und mit viel Gebet ausgesucht. Du hättest mich nicht davon abbringen können.“ Todd warf ihr einen finsteren Blick zu.

Die anderen Männer murmelten aufgebracht vor sich hin oder schwiegen. Großvater stand auf. „Mrs Crewel, ich bin mindestens so alt wie Ihre Eltern, wahrscheinlich sogar noch älter. Deshalb nehme ich mir das Recht und sage Ihnen etwas, das Sie sich besser zu Herzen nehmen. Meine Maggie hat sich in meinen vielen Krankheiten und Wehwehchen immer liebevoll um mich gekümmert, und ich habe immer versucht, ihr meine Dankbarkeit zu zeigen. Daher weiß ich, wie wunderbar sie sich um Sie kümmern wird, solange Sie nur daliegen und ihre Hilfe brauchen. Sie werden auf der Farm nicht helfen können.“ Er schüttelte ungläubig seinen alten Kopf. „Ein freundliches Herz kostet Sie nichts. Deshalb sollten Sie besser Liebe säen statt Streit.“ Er setzte sich wieder, und die Männer um ihn herum sagten laut „Amen“.

„Mrs Crewel ist nur müde. Ich helfe ihr, sich in ihr Zimmer zurückzuziehen.“ Maggie befreite ihre Hand aus Todds Griff und stand auf.

Todd hob seine Mutter ins Bett. „Wenn du hier fertig bist, dann komm doch ins Wohnzimmer. Wir wollen gleich gut in unsere gemeinsame Zukunft starten und beten erst einmal zusammen.“

„Das wäre schön.“

Zärtlich legte er einen Arm um Maggie und zog sie neben sich. „Ma, ich möchte nicht, dass du je wieder so zu meiner Braut oder über meine Braut sprichst wie gerade eben.“

Mrs Crewels Lippen zitterten. „Es ... es tut mir leid. Ich w...war nur überrascht, das ist alles. Margaret, bleib jetzt bei mir. Du und Todd, ihr könnt morgen mit dem Beten anfangen.“

Leise Zweifel über die Echtheit dieser Reue stiegen bei diesen Worten in Maggie auf. Doch Großvaters weise Kommentare schafften es immer wieder, Menschen die Augen zu öffnen – warum also nicht auch bei Mrs Crewel? Außerdem würde der Heilige Geist Mrs Crewel mit der Zeit lehren, freundlich zu sein. Die Ruhe und Überzeugung in Todds Augen beruhigten sie. „Das ist ein wirklich nettes Angebot, Ma’am, aber ich werde dem Weg folgen, der mir seit früher Jungend beigebracht wurde. Mein zukünftiger Mann möchte mit mir zusammen beten und ich war damit einverstanden. Wenn Sie wieder aufwachen, reden wir über die Hochzeit. Vielleicht gibt es ja ein Lied, das Sie gerne singen möchten.“

„Sehr gut! Margaret, jeden Tag lese ich ein Kapitel aus den Sprüchen. Ich bin sicher, dass der Allmächtige unsere Ehe segnet, denn heute ist das einunddreißigste Kapitel dran, da geht es um das ,Lob der tüchtigen Hausfrau‘. Ich hole nur meine Bibel und komme dann ins Wohnzimmer.“ Mit diesen Worten verließ Todd das Zimmer.

Sofort veränderte sich der Gesichtsausdruck von Mrs Crewel. Sie sagte nichts, aber das musste sie auch nicht. In ihrem Blick war deutlich zu sehen, dass sie nicht viel von dieser Ehe hielt.

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„Was bist du doch für ein hübsches Ding.“ Onkel Bo schnappte nach Luft. „Ich bin so stolz, dass ich dich deinem Mann übergeben darf!“

„Vielen Dank, Onkel Bo.“ Maggie drehte sich zum Spiegel. Sie hatte letzte Nacht nicht viel geschlafen. Hätte sie gewusst, dass Onkel Bo das Hochzeitskleid bügelte, das sie vor Jahren von irgendwoher mitgebracht hatte, hätte sie überhaupt nicht geschlafen. Ein paar kleine Falten zierten den Rock, aber all die Liebe, die Onkel Bo ihr mit dieser kleinen Geste zeigte, war viel wichtiger als alle Bügelfalten dieser Welt. Gottlob hatte Onkel Bo nicht auch noch die märchenhaften Ärmel aus Klöppelspitze und das aus zarter Seide gearbeitete Oberteil mit dem Bügeleisen traktiert. Das Tuch mit dem Schottenmuster aus dem Rose Clan, das schon ihre Mutter bei ihrer Hochzeit getragen hatte, lag nun um Maggies Schultern.

„Deine Tante hat schon einmal mit dir über die besondere Verbindung zwischen einem Mann und einer Frau in der Ehe gesprochen. Du brauchst nicht rot zu werden. In einer Ehe sind solche Gefühle richtig und gut. Gott hätte uns nie aufgetragen, fruchtbar zu sein und uns zu vermehren, wenn er diese innige Verbindung zwischen Mann und Frau nicht gewollt hätte. Dadurch entsteht eine besondere Nähe.“ Onkel Bo drückte sie fest an sich. „Du wirst schon sehen. Es ist keine Pflicht, sondern reine Freude.“

Er wollte nicht, dass sie rot wurde, und dann sagte er so etwas? Sobald er sie wieder losließ, griff Maggie nach Mamas Schleier. Doch selbst wenn der Schleier zehnmal so dick gewesen wäre, hätte er ihre roten Wangen nicht verdecken können. Sie atmete ein paar Mal tief ein. Todd hatte bis heute auf seinen ersten Kuss gewartet. Vielleicht würde er ihr ein bisschen Zeit lassen, bevor sie sich so ... nahe kamen. Getröstet von diesem Gedanken steckte sie den Schleier mit ihrem wertvollsten Besitz fest: die ovale Haarspange mit dem kleinen Mädchen, das unter einem Baum sitzt. Mit unglaublicher Genauigkeit hatte ihr Vater den Baum geschnitzt, unter dem sie als Kind oft gesessen und gelesen hatte. An dem Tag, als er starb, hatte er ihr die Haarspange geschenkt. Bevor er sie an ihren alten Strohhut steckte, als wäre es ein edler Seidenhut, hatte er die Haarspange geküsst. Mamas Schleier und Papas Kuss auf der Haarspange – sie waren bei ihr an ihrem eigenen Hochzeitstag.

„Heute werde ich Todd zwar heiraten, aber du wirst immer einen besonderen Platz in meinem Herzen haben.“

Onkel Bos Augen wurden feucht. „Ich würde dich niemals gehen lassen, wenn ich nicht wüsste, dass er der Richtige ist. Und ich würde dich erst recht nicht gehen lassen, wenn du ihn nicht lieben würdest. Das tust du doch, oder?“

„Ja.“ Diese Erkenntnis beruhigte ganz plötzlich ihre zitternden Hände und ihre zitternde Stimme.

Onkel Bo führte sie aus dem Zimmer, und Jerlund sprang zwischen sie und Todd. „Maggie, ich bin der Trauzeuge!“

Todd trat einen Schritt zur Seite. Dankbar schaute Maggie ihn an. „Ihr macht mich richtig stolz, ihr beiden.“

Jerlund flüsterte laut: „Todd Valmer hat keinen Schottenrock.“

Die enorme Tragweite dieser einfachen Worte durchzuckte sie. Um ihr Ehre und Unterstützung im schottisch-irischen Stil zu erweisen, trugen alle ihre Onkel ihre Schottenröcke im traditionellen Schottenkaro in Clan-Farben. Doch ihr Mann hatte kein Schottentuch, keinen Clan, keine Ahnung von den Traditionen und Feiern, die so tief mit ihrem Wesen verwurzelt waren. Wenn sie diesen Mann heute heiratete, würde sie ein komplett neues Leben kennenlernen. Aber er hatte ihr versprochen, dass ihre Kinder die alten Geschichten hören, schnitzen lernen und die alten Lieder singen würden.

„Treu und wahrhaftig“ – Onkel Bo zitierte das Clanmotto ihres Vaters – „das ist der Clan, aus dem du stammst. Dieser Mann wird beides sein – treu und wahrhaftig.“

„Maggie, da liegt noch ein Kilt auf dem Stuhl. Wenn du nicht willst, dass Todd Valmer dich in Hosen heiratet, dann kann er doch den tragen?“

Maggie sah Todd tief in die Augen. „Ich nehme ihn so, wie er ist.“

Onkel Bo geleitete sie zu dem Pfarrer, den er hatte holen lassen, und die anderen stellten sich im Halbkreis um sie herum. Während Maggie ihr Ehegelübde sprach, sah sie Todd nicht in die Augen. Sie versprach ehrlich, ihn zu lieben. Doch wenn er die Liebe, die sie schon für ihn spürte, in ihren Augen sehen könnte, würde sie sich zu verletzlich machen.

Als sie sich zum Abendmahl hinknieten, landete sein Knie auf dem Rand ihres Kleides und als sie wieder aufstanden, trat er auf den Saum ihres Rocks. Seine Mutter lachte laut auf, und ihm schien es nicht im Geringsten peinlich zu sein. Erst jetzt bemerkte Maggie eine komische Spur aus Getreide auf dem Boden, die in einem kleinen Haufen endete, wo er stand. Auch auf ihrem Kleid lagen einige Körner, die Fruchtbarkeit symbolisieren sollten. Er sah ihr zu, wie sie ihr Kleid hin und her bewegte, um die Körner abzuschütteln, und ein Lächeln breitete sich auf seinem Gesicht aus. Wollte er sie ein bisschen necken? Fröhliche Ereignisse wie Hochzeiten waren die richtige Zeit, um sich einen Spaß zu erlauben. Er sollte am besten gleich wissen, dass er eine temperamentvolle Frau heiratete, die gern das letzte Wort hatte. Sie hatte auch schon eine Idee, wie sie sich revanchieren würde ...

„Hiermit erkläre ich euch zu Mann und Frau. Was Gott zusammengefügt hat, soll der Mensch nicht scheiden. Todd, Sie dürfen die Braut jetzt küssen.“

Todd legte seine Hände um ihre Taille, hob sie ein Stück hoch und beugte sich zu ihr. Bevor sich ihre Lippen trafen, murmelte er: „Salz und Korn für den Kuchen.“ Sie kicherte nervös. Das war der erste Kuss ihres Lebens, und sie hatten auch noch Zuschauer. Als ihre Lippen sich berührten, verstummte ihr Lachen ...

Dann drückte er sie an sich. „Jetzt gehörst du mir!“

„Bist du dir da so sicher?“

Seine Augen wurden immer größer. „Du stehst gerade auf meinen Zehen?!“

Zuschauen zu müssen, wie ihr Sohn so ein dummes Mädchen aus den Bergen heiratete, tat Helga in der Seele weh. Es war alles ihre Schuld. Er brauchte Hilfe und sie hatte ihn im Stich gelassen. Jetzt war sie nur noch eine Last – wie sie das auch schon für Arletta gewesen war. Nur statt sie einfach wieder wegzuschicken, hatte er dieses große Opfer gebracht und diese schreckliche Hinterwäldlerin geheiratet, um eine Krankenschwester für sie und eine Haushälterin für sich selbst zu haben. „Elster“ sagte eigentlich schon alles über diese Frau aus – ununterbrochenes Gerede und eine große Ansammlung von Müll.

Schon ihre erste Pflicht als Braut hatte sie nicht wahrgenommen – Salz und Brot in einer kleinen Tasche dabeizuhaben, als Symbol dafür, dass sie in ihrer Ehe immer genug haben würden. Wenigstens hatte Todd darauf geachtet, Getreide in der Hosentasche zu haben, das Reichtum, Glück und Fruchtbarkeit symbolisierte. Wenn ihre Nachlässigkeit lediglich durch Unwissenheit kam, zeugte das doch nur umso deutlicher davon, dass sie überhaupt nicht zu ihrem Sohn passte. Aber diese kleine Elster kannte immerhin den Brauch, dem Bräutigam beim Kuss auf den Zehen zu stehen. Todd hatte sich auf ihr Kleid gekniet und war auf ihren Saum getreten als Symbol dafür, dass er das Sagen in ihrer Ehe haben würde. Ihre Reaktion jedoch stellte sich dem entgegen und zeigte durch das traditionelle Zeichen einer trotzigen Braut, dass er das nicht schaffen würde!

Jetzt holte dieses sturköpfige Wesen mehrere hässliche Kleider aus einer Kiste, nahm Maß und wählte dann drei davon aus. Bis Helga sich wieder in ihr Korsett zwängen konnte, damit sie in ihre eigenen Kleider passte, musste sie diese schrecklichen, alten Kleider tragen, so als hätte sie keine eigenen. „Leg das mauvefarbene noch in die Reisekiste und nimm dafür das blau gestreifte wieder raus. Das sieht aus wie eine billige Matratze.“

„Eigentlich ist es grün kariert, und überall sind farbige Fäden eingewebt. Der Rock ist weit, bei dem anderen Kleid dagegen ist –“

„Ich bin also zu fett.“ Das hatte Arletta ihr schon hundert Mal gesagt.

„Ich würde sagen, Sie sind gut gebaut. Außerdem ist das ein Kompliment an die Kochkünste Ihrer Mutter. Sie hat Ihnen ihre Rezepte beigebracht, und Sie haben sich daran gehalten. Eine Frau, die sich an die Traditionen und Überlieferungen ihrer Familie hält, sollte man bewundern, nicht herabsetzen.“

Überrascht blinzelte Helga die junge Frau an. „Todds Vater hat das auch immer gesagt.“

Ein sanftes Lächeln erschien auf dem Gesicht des Mädchens. „Meine eigene Mutter und Tante waren großzügig gebaut und von außen genauso schön wie von innen. Wenn ich ihre Kleider nicht schon vor langer Zeit weggegeben hätte, würde ich sie Ihnen jetzt anziehen. Mein Herz ist voller Erinnerungen an all die Male, die ich mit Mama und Tante Maude am Herd oder im Rosengarten verbracht habe. Eines Tages, wenn Gott will, werden Sie und ich unseren Töchtern und Enkelinnen dasselbe beibringen.“

Ihre Worte erwärmten Helgas Herz, bis sie die nächste Generation erwähnte. Ein kalter Schauer lief ihr über den Rücken. Nur der Himmel wusste, welche komischen Sachen diese Maggie an ihre Kinder weitergeben würde. Bevor ihre Töchter alt genug dafür sind, werde ich ihre rauen Ecken abschleifen und sie ein bisschen polieren.

Maggie war sehr nett. Helga hätte nichts dagegen, sie als Nachbarin zu haben. Das Problem war nur, dass sie Todd in keinster Weise das Wasser reichen konnte. Diese Ehe war so ungleich, als würde man ein reinrassiges Westernpferd mit einem flohverseuchten Pony zusammen einspannen. Doch jetzt war es zu spät, um noch etwas zu sagen. Auf der Fahrt zum Bahnhof kämpfte sie gegen die Tränen.

Waggons, die mit Vieh, Kohle oder anderen Gütern beladen waren, formten eine lange Reihe auf den Schienen. Zwei Männer beklagten sich endlos über den Eisenbahnstreik und was für ein Glück Todd hatte, dass es überhaupt Personenwaggons gab. Das einzig wirkliche Gute war, dass sie diesen schrecklichen Ort endlich verlassen konnten.

Maggie kam mit tränenüberströmten Wangen zu ihnen, nachdem sie ihren Onkel ein letztes Mal geküsst hatte. Dann brach auch Jerlund in Tränen aus. Mit ihrer guten Hand zupfte Helga ihn am Ärmel. „Großvater braucht dich, damit du ihm Gesellschaft leistest und dich um ihn kümmerst. Todd braucht Maggie um sich und ich brauche sie, damit sie sich um mich kümmert. Komm, gib mir einen Kuss und wir schicken dir schon bald einen Brief nur für dich allein.“

Jerlund begriff sofort, dass er den Brief nicht bekommen würde, wenn Maggie und die anderen nicht wegfuhren und verabschiedete sich schnell.

Maggie flüsterte: „Vielen Dank, Ma.“

Der Rollstuhl passte nicht durch die enge Zugtür, deshalb trug Todd seine Mutter in den Zug. Dort entdeckte er, dass nur noch die schlechtesten Plätze frei waren: die ganz vorne, die keine Fenster hatten, und die ganz hinten in der Nähe der Toilette.

„Lassen Sie mich den Sitz für Sie umdrehen. Das habe ich für meine Familie auch gemacht.“ Ein Fremder machte sich an dem Sitz zu schaffen und bald kippte er tatsächlich nach hinten, sodass er dem hinteren Sitz gegenüberstand.

„Ist das nicht wunderbar? Vielen Dank für Ihre Hilfe“, bedankte sich Maggie bei ihm. „Das ist sehr freundlich.“

Angst machte sich in Helga breit, als Todd sie auf die Holzbank setzen wollte. Ich kann nicht alleine sitzen – ich falle sofort zur Seite. Aber Todd verstand sie. Er würde sich neben sie setzen. Kaum saß sie auf der Bank, kippte sie hilflos zur Seite.

„Ich brauche ein Seil, um Ma festzubinden“, raunte Todd Maggie zu.

Panik stieg in Helga auf. Ihr eigener Sohn würde sie festbinden wie einen Verbrecher und sie zum Gespött der Leute machen?

Jemand mischte sich ein: „Am einfachsten ist es, wenn man die nette, alte Dame mit Hosenträgern am Sitz befestigt. Ich habe gerade ein paar neue gekauft, Sie können die alten also gerne haben. Sie sind gleich hier in meiner Tasche.“

„Vielen Dank, aber wir haben schon eine bessere Lösung“, flüsterte Maggie. „Machen Sie sich keine Sorgen, Ma. Ich weiß schon, was wir tun können!“ Sie rannte zur Tür und schickte jemanden los. „Jethro ist losgelaufen, um mir seinen Lieblingsstuhl zu holen. Dass er es Ihnen erlaubt, ihn mitzunehmen, ist ein Zeichen seines Respekts für Sie.“

Ein Lieblingsstuhl! Helga hoffte, dass er ein ordentliches Kissen hatte. Die Holzbänke im Zug wurden schon nach wenigen Stunden äußerst unbequem. Eine schöne, lange Lehne würde auch ihren Kopf stützen. Vielleicht hatte Jethros Stuhl sogar Armstützen. „Aber der Zug fährt doch gleich ab“, rief Helga besorgt.

„Erst in ein paar Minuten.“ Jemand rief ihren Namen, deshalb lief Maggie zurück zur Tür.

Helga atmete erleichtert auf. „Heb mich wieder hoch, mein Sohn. Ich will in diesem Stuhl sitzen. Alles ist besser als die schreckliche Holzbank.“ Als Todd sie hochhob, kniff sie die Augen zusammen, damit sie die mitleidigen Blicke der Leute nicht sehen musste.

Etwas holperte über den Boden. „Ich habe die Seiten mit einem Quilt ausgestopft. Du kannst Ma jetzt hineinsetzen, Todd.“

Helga entfuhr ein erleichtertes Ahhhhhhh, als Todd sie in den Stuhl setzte. Umgeben von weichem Stoff und gut gestützt von allen Seiten konnte sie sich entspannen. Diese junge Frau hatte die ganze Zeit gewusst, wovon sie sprach. Helga schuldete Maggie ihren Dank. „Mein Kind ...“, begann sie und öffnete ihre Augen. Sofort verschlug es ihr vor Entsetzen die Sprache. „Du hast mich in ein Whiskyfass gesetzt!“

„Das hat schon seit Ewigkeiten keinen Tropfen von dem Feuerwasser mehr gesehen. Jethro hat fast die Hälfte der Fassdauben herausgenommen und einen Sitz hineingeklebt. Damit hat er sich seinen eigenen Glücksspielstuhl gebaut. Die gebogenen Holzplanken hier auf den Seiten, die kann man an einem Scharnier hochklappen. Am Tag lassen wir sie offen, und in der Nacht machen wir sie zu. Dann passt sogar noch ein Kopfkissen mit hinein.“

Ein Glücksspielstuhl, der aus einem Whiskyfass gebaut worden war. Was war nur los auf dieser Welt? „Ich werde nicht hier sitzen bleiben. Hier war mal Whisky drin.“ Dann sagte Helga Valmer Crewel etwas, das sie selbst bis heute noch nicht für möglich gehalten hätte. „Ich trage lieber die Hosenträger von diesem Herrn da.“

„Das brauchen Sie nicht. Das hier ist viel besser. Und das Wichtigste ist, dass Sie bequem sitzen.“

„Margaret.“ Todd nahm sie am Arm und bedeutete ihr, sich zu setzen. „Der Zug fährt ab.“

Er wird seiner Braut schon noch richtiges Benehmen beibringen. Ein bitterarmer Farmer hatte sowieso schon genug zu tragen, auch ohne die zusätzliche Last einer unpassenden Braut. Mehr als alles andere wollte Helga doch nur das Beste für ihre Kinder. Sie hatte Mr Crewel geheiratet, weil er versprochen hatte, für beide eine gute Ausbildung zu finanzieren. Arletta war gegangen und hatte alle Erwartungen übertroffen. Ja, sie hatte es sogar so weit gebracht, dass sie die Aufmerksamkeit eines sehr wohlhabenden Junggesellen erregt und in eine Familie von Rang und Namen eingeheiratet hatte.

Doch sofort nachdem sie zu ihrer Tochter gezogen war, merkte Helga, dass sie dort nicht hingehörte. Eine Farmerin, die es gewohnt war, von ihren Erzeugnissen zu leben, noch dazu mit einem deutschen Akzent und selbst genähten Kleidern war dort aufgefallen wie ein Holzeimer unter Porzellanschüsselchen. Zwei Jahre gespickt mit Arlettas Beschwerden, Sticheleien und offenen Anweisungen hatten sie zu einer etwas gesellschaftsfähigeren Frau gemacht. Doch egal wie sehr Helga sich auch angestrengt hatte, immer wieder sagte oder tat sie etwas Falsches. Nach jedem Besuch oder gesellschaftlichen Empfang zählte Arletta ihr ihre Fehler auf, damit sie sie nicht noch einmal machte.

Wenn Arletta mich jetzt sehen könnte! Was würde sie wohl sagen?

Zwei Jahre vergingen so, aber kein Nachwuchs stellte sich ein, um den Helga sich hätte kümmern können. Dann planten Arletta und ihr Mann eine Reise nach Europa und Helga ergriff die Chance, zu Todd zu ziehen. Und obwohl eine Dame eigentlich nicht allein reisen sollte, gab Arletta keinem Dienstboten die Anweisung, ihre Mutter nach Texas zu bringen. Stattdessen kam Todd und brachte ein großes Opfer, sowohl finanziell als auch für die Farm. Und die Besserwisserin Arletta machte sich auf den Weg nach Europa, ohne ihrer Mutter auch nur einen Cent für die anstrengende Reise quer durch den halben Kontinent zu hinterlassen. Helga sank deprimiert in sich zusammen und das Fass verhinderte, dass sie umfiel. Bitterkeit erfüllte sie.

Mit fruchtbarem Land, aber kaum Geld hatte Todd sicher finanzielle Sorgen. Helga zuckte aus Mitgefühl zusammen, als sie ihn die Hand in die Tasche stecken sah, um Geld hervorzukramen. Plötzlich huschte ein verwirrter Ausdruck über sein Gesicht. Er drehte sich zu Maggie und sagte leise ihren Namen. „Da ist etwas in meiner Tasche.“

„Solange es reicht, gehört es dort auch hin. Wir gehören jetzt zusammen. Und alles, was mein ist, ist auch dein.“

Der Schaffner kam vorbei. „Begleiten Sie einen Patienten, Miss Rose?“

„Sie heißt jetzt Mrs Valmer.“ Todd klang so stolz wie ein Hengst mit einer Herde Stuten.

Maggie verwickelte den Schaffner in eine Unterhaltung und klang wie eine aufgezogene Spieluhr. Sie stellte ihnen den Schaffner vor, erzählte ihm, dass sie von jetzt an auf einer Farm in Texas leben würde, und hörte aufmerksam zu, als ihr der Schaffner von einem Ausschlag auf seinem Arm berichtete. Ein Ausschlag! Nach ein paar Minuten holte Maggie ein kleines Gefäß mit Salbe aus einer Tasche, die neben ihr stand. „Nehmen Sie das hier gegen den Ausschlag!“

„Vielen Dank, Miss Ro– ähm, Valmer?“

„Es heißt nun Mrs Valmer“, berichtigte ihn Todd und griff in seine Tasche, um das Fahrtgeld zu bezahlen. „Da es in Carvers Holler keinen Fahrkartenschalter gab, müsste ich jetzt noch –“

Doch der Schaffner winkte ab und schnaubte: „Für den Transport der Pferde und das andere ist bereits alles bezahlt. Und ich nehme einfach das Geld, das ich für die Salbe bezahlt hätte, um die Kosten für die Fahrkarte der Dame zu begleichen.“

„Das ist nicht nötig –“

„Es ist so nett von Ihnen, dass Sie uns das zur Hochzeit schenken“, mischte sich Maggie ein. „Es ist fast so, als würden Sie mich damit direkt nach Texas in das Zuhause meines Mannes schicken. Dennoch würden wir gerne für den zusätzlichen Platz bezahlen.“

Warum musste sie so deutlich darauf hinweisen, dass das Fass zwei Plätze belegte?

Schmunzelnd schüttelte der Schaffner den Kopf. „Jeder einzelne Mann in der Gegend wird mich als Held dafür feiern, dass ich den Stuhl des alten Jethro Bugbee losgeworden bin, der ihm beim Spiel immer so viel Glück gebracht hat.“

„Ihre Frauen werden Ihnen noch dankbarer sein.“ Maggie grinste ihn an.

Mit versteinertem Gesicht schüttelte Todd dem Schaffner die Hand. Als der Schaffner gegangen war, warf er Maggie einen finsteren Blick zu. „Valmers nehmen keine Almosen an.“

„Genauso ist das hier in der Gegend auch. Unsere Fahrkarten, der Transport meiner Schätze und deiner Belgier – das begleicht ziemlich genau die recht hohen Schulden, die mein Onkel noch hätte eintreiben müssen. Sei ganz beruhigt, Todd. Du schuldest hier niemandem einen Cent oder einen Gefallen.“

Ein paar Stunden später kam der Schaffner noch einmal zu ihnen. „Mr Valmer, Ihre Frau hat ein Händchen dafür, Menschen zu beruhigen und sie zu heilen. Wir brauchen sie dringend –“

Noch bevor Todd das Ende der Bitte hören konnte, sprang Maggie schon auf und sagte entschlossen: „Zeigen Sie mir den Weg.“

„Brauchst du mich?“, fragte Todd, ohne darüber nachzudenken, dass er Helga damit ganz alleine lassen würde.

Maggie strich beruhigend über seinen Ärmel. „Vielen Dank für das Angebot. Wenn ich Hilfe brauche, lasse ich dich holen.“

Als sie endlich wieder zurückkam, äußerte Todd die Frage, die alle um sie herum brennend interessierte. „Was ist passiert?“

„Nicht wirklich viel.“ Maggie winkte ab. „Wenn ich jemanden behandle, dann ist das vertraulich und ich spreche mit dir nicht darüber.“

Helgas Mund stand weit offen. „Eine Ehefrau hat keine Geheimnisse vor ihrem Ehemann!“

„Ma, es wäre bestimmt leichter, einen Vogel vor die Kutsche zu spannen oder einem Schwein das Singen beizubringen, als mich dazu zu bewegen, das Vertrauen meiner Patienten zu missbrauchen.“

Todd beugte sich vor und murmelte seiner Mutter beschwichtigend zu: „Seit dem Tag, an dem du krank geworden bist, hat Maggie mit niemandem über deinen Zustand geredet. Es ist falsch, jemandem keine Privatsphäre zuzugestehen.“

Helga starrte Maggie an. „Die Dinge sollten zwar im Stillen und diskret gehandhabt werden, aber –“

„Ganz genau!“, unterbrach sie Todds Frau. „Diskretion. Ich wusste, dass Sie mich verstehen würden!“

Helga zog die Augenbraue ihrer nicht gelähmten Körperhälfte hoch und warf Maggie einen eisigen Blick zu. „Es ist unhöflich, jemanden zu unterbrechen. Impulsives Handeln und zu offene Worte können eine Frau zu Fall bringen. Du musst lernen, dein wildes Temperament zu zügeln.“ So. Jetzt hatte sie es gesagt. Und mit fast so eleganten Worten, wie Arletta es getan hätte.

„Ma’am, ich zögere normalerweise nicht lange. Wenn es etwas zu tun gibt, dann kann ich nicht einfach auf meinen Händen sitzen und abwarten – das geht mir gegen den Strich. Ich bin immer ehrlich und direkt mit anderen, genauso wie ich mich immer freue, wenn andere das auch bei mir sind. Mein Temperament ist, wie es ist. Es wird sich nicht ändern. Onkel Bo ist ein kluger Mann, und er sagt immer: ‚Liebe bedeutet, dass wir einander mit Gottes Augen anschauen sollen, nicht mit dem Vorsatz, die anderen so hinzubiegen, wie wir sie gerne hätten.‘ Ich nehme an, Onkel Bo hätte mich Todd niemals heiraten lassen, wenn er sich nicht sicher gewesen wäre, dass er mich nicht zu etwas machen will, was ich nicht bin.“

„Es ist wichtig, dass eine Frau Temperament hat.“ Todd und Maggie sahen sich vernarrt an.

Angewidert gab Helga auf. Sie lehnte sich in ihrem Whiskystuhl mit der absoluten Gewissheit zurück, dass selbst ein ganzes Fass Whisky den Schmerz nicht ertränken könnte, den sie in der Gegenwart von Todds Frau spürte.

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Als Todd aufwachte, roch er den Duft von Rosen. Maggie kuschelte sich an seine Seite und er drückte sie sanft an sich. Vorsichtig strich er über die losen Haare in ihrem Nacken, die sich aus ihrer Frisur gelöst hatten. Er wusste nicht, ob er der glücklichste Mann auf Erden war, weil er nun mit ihr verheiratet war, oder der unglücklichste, weil sie ihre Hochzeitsnacht auf einer harten Bank in einem kalten Zug verbracht hatten – mit seiner Mutter direkt gegenüber. Schlaftrunken hob Maggie ihren Kopf von seiner Brust und schaute ihn verwirrt an. Mit vom Schlaf geröteten Wangen und leicht geöffneten Lippen war sie wunderschön und er spürte das starke Verlangen, allen Anstand über Bord zu werfen und sie in der Öffentlichkeit zu küssen. Ich bin also gleichzeitig glücklich und unglücklich.

Plötzlich weiteten sich ihre Augen. Mit einem Ruck saß sie kerzengerade auf der Bank und versuchte, ein Stück von ihm wegzurücken. „Oh, ähm ... guten Morgen! Hast du überhaupt geschlafen? Wie viel Uhr ist es eigentlich?“

Da sein Arm immer noch um ihre Schultern lag und sie festhielt, konnte sie nicht von ihm abrücken. „Ich habe etwas geschlafen und es ist ein sehr guter Morgen, da ich neben dir aufgewacht bin.“ Nur schwer konnte Todd den Blick von ihren Lippen losreißen. Langsam sah er sich um und bemerkte Mas Reisetasche. „Bei unserem ersten Halt nach dem Frühstück schicke ich ein Telegramm los. Für deine vielen Kisten und Mas Rollstuhl brauchen wir heute Abend Hilfe beim Tragen, damit wir alles nach Hause bekommen.“

Leise flüsterten sie miteinander und lernten sich so etwas besser kennen. Und Ma konnte in aller Ruhe weiterschlafen ... bis Maggie plötzlich aufschrie. „Wirklich? Ich werde endlich Frauen als Nachbarn haben?“

Sie hatte für ihn alles zurückgelassen, was sie kannte und liebte – aber das war etwas, das er ihr bieten konnte, etwas, was sie sich wirklich wünschte. Todd lächelte. „Du wirst ganz schnell viele Freundinnen finden.“

In ihrer Begeisterung hatte sie Ma geweckt. Ma war deshalb ungehalten, also packte Maggie schnell einen Korb aus, den sie unter der Bank verstaut hatte. „Ich habe uns ein Picknick gemacht: hartgekochte Eier und Brot mit getrockneten Pflaumen.“

Pflaumenbrot. Todd hasste Pflaumenbrot.

Ma kicherte böse. „Todd hat sicher Hunger – besonders auf das Brot! Hab ich nicht recht, mein Sohn?“

Todd setzte ein Lächeln auf und würgte ein Stück herunter.

„Da du mein Pflaumenbrot so sehr zu mögen scheinst, kannst du meine Scheibe auch essen, während ich für Ma das Ei schäle.“

„Das kann ich nicht machen.“

„Natürlich kannst du das“, sagten Ma und Maggie wie aus einem Mund.

In diesem Moment betraten zwei Schaffner den Waggon. Jeder von ihnen trug ein mit einem Leinentuch bedecktes Tablett. Neben Todd und Maggie blieben sie stehen. „Mrs Valmer, Mrs Ludquist bedankt sich bei Ihnen und lässt fragen, ob Sie ihr vielleicht eine Flasche mit Ihrer besten Lotion zukommen lassen könnten?“

Maggie zog eine Flasche Lotion aus ihrer Tasche und legte noch ein Stück Seife dazu. „Bitte richten Sie ihr unseren Dank aus.“

Die Schaffner zogen die Tücher von den Tabletts. Während Todd vor Entzücken seufzte, fing Maggie an zu lachen. „Meine Güte, was für ein Frühstück!“

Nachdem er das Tablett vor Maggie hingestellt hatte, nahm der Schaffner die Lotion und die Seife an sich. Er schien völlig gleichgültig, als er sagte: „Ich habe den Auftrag, Ihnen zu sagen, dass das Frühstück mit den besten Wünschen der Familien Ludquist, Kleinfeld und Maus serviert wird.“

Sofort verstand Todd die Anspielung. Jemand war gestern von Maggie beruhigt worden. Eine reiche Frau mit Namen Mrs Ludquist hatte sich vor einer kleinen Feldmaus erschreckt. Und Maggie, deren Mund sonst niemals stillstand und die gerne Geschichten erzählte, hatte kein Wort darüber verloren. Er hatte wirklich eine Frau mit Diskretion und Mitgefühl geheiratet.

Nur ihre Augen verrieten ihre Gefühle, ansonsten konzentrierte sie sich mit ausdruckslosem Gesicht auf das Tablett. „Ma, sagen Sie einfach, was Sie am liebsten essen möchten.“

Ma biss die Zähne zusammen und zischte: „Du hast hier eine Szene gemacht, und alle beobachten uns. Ich will damit nichts zu tun haben.“

„Da du nichts von den Tabletts willst, kannst du ja das hier essen.“ Todd drückte seiner Mutter das ungewollte Stück klebrigen Pflaumenbrots in die Hand. Es wäre nicht richtig, dem Herrn dafür zu danken, dass er das Pflaumenbrot doch nicht zu essen brauchte. Aber Ma musste ja schließlich irgendetwas essen und wollte von den Tabletts nichts annehmen. Todd wandte sich seiner Braut zu. „Ich habe Getreide auf den Feldern, Gott in meinem Herzen und dich in meinen Armen. Heute Morgen bin ich schon gesegnet aufgewacht ... und jetzt haben wir auch noch dieses gute Frühstück. Würdest du zur Abwechslung mal das Tischgebet sprechen?“

Später, als Maggie kurz zu Mrs Ludquist ging, um sich zu bedanken, sagte Todd stolz zu seiner Mutter: „Ich habe wirklich eine gute Braut gefunden. Meine Margaret hat ein gutes Herz und willige Hände.“

Unglaublich müde seufzte Ma: „Das haben auch viele Hausmädchen und Dienerinnen. Das heißt aber noch lange nicht, dass sie gut genug sind, den Hausherrn zu heiraten.“

Todd schnaubte. „Du hörst dich an wie die alte Frau Schwarz. ‚Kein Mädchen ist gut genug für meinen Sohn.‘ Diese alten Männer in Arkansas hingegen glauben, dass ich nicht gut genug bin für Margaret!“

„Aber ich ... ich habe recht! In der nächsten Zeit wirst du schon merken, dass sie nicht weiß, wie sie dir eine gute Ehefrau sein kann. Bisher hat sie bei Holzschnitzern gelebt, nicht auf einer Farm.“

„Meine Margaret hatte ihren eigenen Garten und hat Gemüse und Obst selbst angebaut und eingemacht. Außerdem hat sie für dreizehn Männer gekocht. Sie ist gut vorbereitet. Wenn es ihr hier und da noch an Kleinigkeiten fehlt, dann bist du ja da, um ihr zu helfen.“

Mit strahlendem Gesicht kam Maggie zurück. „Ich habe gerade Plätzchenrezepte ausgetauscht. Möchtest du gern wissen, um welche Plätzchen es sich handelt?“

„Ja, um welche Plätzchen geht es?“

„Pflaumenplätzchen?“, riet Ma ist einem düsteren Ton.

Mit leuchtenden Augen erwiderte Maggie fröhlich: „‚Himmel auf Erden‘, so heißen sie. Oh, endlich mache ich ,Himmel auf Erden‘!“

Todd konnte seine Augen nicht von seiner schönen Frau losreißen. „Ja, das tust du in der Tat!“

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Gaslampen flackerten, als der Zug in Gooding einfuhr. Ma jammerte, als Todd sie aus dem Zug trug.

Erleichtert ließ Maggie ihre Reisetaschen auf eine Bank fallen und jubelte: „Wir haben es geschafft, Ma. Wir sind da.“ Besorgt runzelte sie die Stirn, als sie die Quilts richtig feststopfte, damit Ma nicht zur Seite fiel. „Wir müssen sie so schnell wie möglich nach Hause und ins Bett bringen.“

Todd grunzte zustimmend.

Maggie zog sich den Schal als Schutz gegen die kühle Nachtluft etwas enger um die Schultern. Es war bereits Mitternacht. „Ich bitte den Schaffner, den Rollstuhl als Erstes auszuladen, dann hole ich die Pferde.“

Kurz danach kam Mas Rollstuhl. Doch Todd schaffte es nicht, seine Mutter bequem hinzusetzen. Das war immer Maggies Aufgabe gewesen. Um ehrlich zu sein, gab es in seinen Augen eigentlich nichts, was sie nicht konnte.

Ich habe alles, was ich mir immer gewünscht habe. Todd beobachtete, wie Maggie die Verladerampe herunterging und ihr die riesigen, struppigen Belgier folgten wie gehorsame Hündchen. Er hatte sich wirklich eine besondere Braut ausgesucht! Der Anblick freute ihn außerordentlich – bis er sah, dass sie ein Geschirr um ihren Hals trug. Gerade wollte er sich schon bei seiner Braut bedanken, dass sie die Tiere zum Anschirren bereitgemacht hatte, da hielt Margaret die Tiere an und kletterte die Rampe wieder hoch. Das konnte nur bedeuten, dass seine Braut irgendeinen Anhänger oder Wagen heimlich mitgenommen hatte!

Die Gaslampen am Bahnsteig erleuchteten das Ausmaß ihrer Heimlichkeit. Eine ganze Kutsche! Sie hatte eine ganze Kutsche voll von ihrem Zeug mitgenommen! Er wettete, dass zwischen all den Kram, den Margaret aufgeladen hatte, nicht mal mehr eine Angelschnur gepasst hätte. Nicht Margaret. Auch nicht Maggie. Für Maggie war der passende Name – Elster. Sie war wie eine Elster und hortete ihre Schätze. Todds Kehle tat weh von der Anstrengung, ihren Namen nicht einfach laut und ärgerlich herauszubrüllen.

„Guten Abend, Mr Valmer.“ Linette Richardson trat neben ihn. „Mein Vater ist gerade dabei, seine Kutsche abzustellen, damit Sie sie für Ihre Kisten benutzen können. Ich kann gerne so lange bei dieser Dame hier bleiben, bis sie jemand holen kommt.“

In seinem Telegramm stand, dass seine Mutter krank war. Wie immer bot Linette ihre Hilfe an. Sie hatte das Herz auf dem richtigen Fleck, aber manchmal war sie eine Meisterin darin, in Fettnäpfchen zu treten. „Das ist meine Mutter, Mrs Crewel. Ma, das ist Miss Linette Richardson. Danke, dass Sie bei Ma bleiben.“ Er verabschiedete sich für den Moment mit einem kurzen Nicken, dann ging er zu seiner Frau. Erleichtert fiel ihm ein, dass er als verheirateter Mann nicht mehr länger unter Linettes Annäherungsversuchen würde leiden müssen.

Linettes Vater pfiff leise durch die Zähne. „Schaut euch das an. Belgier!“

„Man merkt, dass du ein alter, verheirateter Mann bist, Richardson“, lachte Toomel. „Hast du denn nur Augen für die Pferde und nicht für die Schönheit, die die Zügel hält?“ Der Nachbar, der sich während seiner Abwesenheit um sein Land gekümmert hatte, schlug Todd freundschaftlich auf die Schulter. „Wir sprechen uns später. Jetzt will ich mir die Chance nicht entgehen lassen –“

„Meine Braut kennenzulernen.“

„Deine Braut!?“, brüllte John Toomel erstaunt.

Von der anderen Seite des Bahnsteiges her kam Piet Van der Vort angelaufen und blieb plötzlich wie angewurzelt stehen. Obwohl er hier im Ort die Kutschen baute, Pferdegeschirre verkaufte und damit gute Pferde zu schätzen wusste, waren es doch nicht die Belgier, die seine Aufmerksamkeit erregten. Ein etwas neidischer Klang in seiner lauten Stimme war unverkennbar. „Valmer, ich hoffe, du redest nicht über diese hübsche, junge Frau, die gerade die Pferde –“

„Genau die.“ Verärgert wie er war, musste sich Todd doch eingestehen, dass er auf seine Frau wirklich stolz war. Er hob sie von der Rampe, zog sie an seine Seite und stellte sie den Männern vor.

Piet kratzte verlegen mit dem Stiefel über den Boden. „Da hast du uns ja ganz schön zum Narren gehalten! Niemals hätten wir gedacht, dass du eine Braut mit nach Hause bringst. Im Telegramm stand nur, dass deine Mutter eine Kutsche braucht.“

„‚Mutter krank. Brauche heute Abend Kutsche‘“, zitierte Maggie leise. Bei Telegrammen bedeutete kürzer auch billiger. Sonst redete sie zwar viel, aber sie hatte jedes überflüssige Wort aus Todds Telegramm gestrichen.

„Wie? Das ist nicht das, was auf dem Telegramm stand.“ Toomel zog ein zerknülltes Stück Papier aus der Tasche und glättete es, so gut er konnte. „‚Mutter braucht abends Kutschen.‘ Wir haben gedacht, dass sie noch mehr Kram mitbringt. Tim hat das, was letzte Woche gekommen ist, schon zu dir gebracht.“

Lachend schlug Piet Todd auf den Rücken. „Da hat wohl jemand ein paar Morse-Zeichen am Fernschreiber durcheinandergebracht!“

Maggie löste sich von Todd und trat neben Adam. Der Hengst war etwas unruhig geworden. Sofort griff Todd nach Maggie, um sie zurückzuziehen. Doch sie war schon außer Reichweite.

„Du flohverseuchter, alter Sturkopf, hör damit auf.“ Sie gab dem Hengst einen ordentlichen Klaps auf die Schulter und er wandte ihr sofort den Kopf zu.

Die Männer erwarteten besorgt, dass der große Belgier nun einen Tobsuchtsanfall bekommen würde.

Stattdessen schnupperte Adam an ihrer Wange und sie strich sanft über seine Stirn. „Wir sind jetzt in Texas. Du zeigst diesen Männern hier, wie gut du dich benehmen kannst. Spiel dich bloß nicht auf! Sonst fängt Eva auch noch damit an.“ Adam blies ihr ins Gesicht und sie musste lachen.

Todd legte beschützend einen Arm um ihre Taille und drückte den riesigen Kopf des Pferdes von ihr weg. „Frau –“

„Bitte sei deinen neuen Pferden nicht böse. Sie brauchen nur etwas Zeit, um sich hier einzugewöhnen. Adam wollte dich mit seiner kleinen Show nicht verärgern.“

„Show?“ Piet wischte sich den Schweiß von der Stirn. „Ma’am, der Hengst könnte Sie in wenigen Sekunden zertrampeln.“

„In nur einem einzigen Augenblick“, korrigierte Todd mit rauer Stimme.

„Adam ist für mich so harmlos wie ein Welpe.“ Maggie lächelte. „Für jeden anderen kann er eine große Gefahr sein, aber nicht für mich, denn er vertraut mir. Das Vertrauen habe ich mir hart verdient, denn wahre Liebe treibt alle Furcht aus.“

Die verrückte Frau nickte, als würde der Bibelvers die Situation völlig erklären. „Ich führe Adam und Eva jetzt nach dort drüben, während du die anderen Sachen auslädst.“ Sie spitzte die Lippen, machte ein Kussgeräusch und die beiden Kolosse folgten ihr willig.

„Todd, du kannst sie gerne haben. Ich wäre schon nach dem ersten Tag mit ihr ein nervliches Wrack.“ Piet schüttelte den Kopf. „Noch nie habe ich gesehen, dass ein Hengst sich das gefallen lässt. Aber eines Tages ...“

John stopfte die Hände in die Taschen und wechselte freundlicherweise das Thema. „Es gibt noch mehr zum Ausladen? Die Frau und die Pferde sind doch schon eine ansehnliche Beute.“

Stöhnend stieg Todd in den Gepäckwagen. John stand an der Tür und pfiff durch die Zähne. „Was für eine Schatzkammer!“

„Sei dir da mal nicht so sicher.“ Eine Kiste nach der anderen wanderte aus dem Gepäckwagen hin zu den Kutschen. Todd seufzte: „Manches davon können wir wirklich brauchen, aber meine Braut kann sich schlecht von Dingen trennen, die ich schon längst weggeworfen hatte. Ich habe ihr versprochen, dass sie ihre Schätze mitnehmen kann – doch ich dachte, es wären nur zwölf Kisten.“

John lachte laut auf. „Frauen bringen mich auch völlig durcheinander. Sag mir Bescheid, wenn du verstehst, was sie sagt und wie sie es meint.“

„Nur die Männer in der Bibel haben dafür lange genug gelebt.“

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Leider war der Himmel wolkenverhangen, sodass Maggie im düsteren Mondlicht nicht viel von der Farm erkennen konnte. Mr Richardson und Mr Toomel fuhren nach links auf die Scheune zu. Maggie lenkte die Kutsche in Richtung Haus, konnte aber nicht viel davon sehen.

Todd saß neben ihr und hielt seine Mutter fest an sich gedrückt. Die arme Frau lehnte schwer an seiner Schulter, zu erschöpft, um die Augen aufzumachen. Sie jammerte: „Hat der Mann auf dem Bahnhof gesagt, dass mein Bett hier auf mich wartet?“

Maggie zog die Bremse und legte die Zügel aus der Hand. Dann zupfte sie an Mas Decke und tröstete sie: „Ja, bevor ich irgendetwas anderes mache, helfe ich Ihnen erst einmal ins Bett.“

Der Mann vom Bahnhof streckte Todd die Arme entgegen, um Ma zu übernehmen.

Todd legte sie in seine Arme, sprang von der Kutsche und nahm sie ihm sofort wieder ab. Mit großen Schritten ging er zum Haus und ließ Maggie einfach auf der Stufe der Kutsche stehen, ohne ihr beim Absteigen zu helfen.

Der Mann starrte sie an, schüttelte entschuldigend den Kopf und trat auf sie zu, um ihr herunterzuhelfen. „Ma’am.“

Eine gute Ehefrau überging die Fehler ihres Mannes in der Öffentlichkeit – selbst, wenn er dabei ihre Gefühle verletzte. „Vielen Dank. Mein Mann macht sich große Sorgen um seine Ma.“ Verlegen plapperte sie weiter, während sie die Reisetasche mit den Sachen, die sie für die Nacht brauchten, aus der Kutsche holte. „Es ist wirklich nett, dass Sie uns helfen, und es tut mir schrecklich leid, dass ich mich nicht an Ihren Namen erinnern kann.“

„Piet Van der Vort. Gehen Sie nur. Wenn Sie sich um die alte Frau gekümmert haben, können Sie immer noch entscheiden, was Sie heute Abend unbedingt brauchen.“

Mit schnellen Schritten ging Maggie zum Haus und rief über die Schulter: „Bitte versuchen Sie nicht, die Kutsche selbst zu bewegen. Adam wird das nicht gefallen.“

Ein schmaler Lichtschein fiel durch die angelehnte Tür und führte sie in ihr neues Zuhause. Ich sollte dankbar dafür sein, dass Todd die Tür nur angelehnt hat, damit mich das Licht hierherführt. Sie schob die Tür mit der Tasche auf. Trotzdem konnte sie ihre Enttäuschung über den lieblosen Empfang in ihrem neuen Zuhause nicht verbergen. Mit gesenktem Kopf trat sie über die Schwelle. Ich hoffe, es macht keinen Unterschied, ob ein Bräutigam die Braut beim ersten oder beim zweiten Mal über die Türschwelle trägt.

Ein sanftes Licht von einer Lampe auf einer hübschen Kommode erregte ihre Aufmerksamkeit. Die Kommode passte zu einem Bett, das daneben in der Ecke stand. Maggie drückte die Tür mit dem Fuß zu, stellte die Tasche ab und eilte an Mas Seite. „Jetzt sind wir hier – endlich zu Hause.“

„Es i-ist e-eisk-k-kalt h-hier.“ Mas Zähne klapperten.

„Ich mache ein Feuer an.“ Todds zuversichtliche Worte wärmten Maggie von innen. Irgendwie beruhigte es sie sehr, dass er sich immer sofort um alle grundlegenden Bedürfnisse kümmerte.

Vorsichtig zog Maggie Ma die Schuhe aus und sprach leise mit ihr. Jetzt, da sie eine Familie und zu Hause waren, fand Maggie es sei an der Zeit, Ma zu duzen. „Ich werde dich in ganz viele weiche, warme Quilts wickeln. Und morgen früh, wenn wir ganz viel warmes Wasser haben, wasche ich dich, das wird deine Muskeln entspannen.“

Ma stöhnte, als Maggie sie auf die Seite drehte. „Arme Ma, ich weiß, nach dem langen Sitzen tut alles weh.“ Dann zog sie die Quilts bis an Mas Nase und versprach: „Meine Weidenrinden- und Mentholsalbe wird deine Gelenke wieder aufwärmen und die Schmerzen etwas erträglicher machen. Ich hole sie schnell.“

Als sie sich aufrichtete, bemerkte sie dankbar, wie gut die Risse in den Wänden des Hauses verputzt waren. Nachdem sie diese schöne Ecke gesehen hatte, die von Todd für seine Mutter vorbereitet worden war, konnte Maggie es kaum erwarten, den Rest des Hauses zu sehen.

„Komm und zeig mir, was ich noch für dich ins Haus tragen soll.“

Maggie drehte sich nach Todds Stimme um und erstarrte. Im Schein der Lampe auf der Kommode und der Laterne, die er in der Hand hielt, hatte sie offensichtlich schon fast alles gesehen, was es von der Hütte zu sehen gab.