Über das Buch:
Es soll eine einzigartige Familienfeier werden, die die Wege der Baxters nach so vielen Windungen und Bergstrecken zusammenführt: Ashley, deren Leben an der Seite Landons eine ganz neue Richtung einschlagen könnte, oder Erin, die mit der Adoption eines Babys Licht und Hoffnung zum Greifen nahe sieht. Grund zum Feiern gibt es für alle.
Eine Nachricht jedoch platzt in die Vorbereitungen, die jeden Neubeginn grausam infrage stellen könnte – wenn Gott nicht ein Wunder tut.
Und doch gehen die Baxters unbeirrt auf ein Fest zu, das der Liebe gewidmet sein soll. Und dem, der auch in den dunkelsten Nächten dieser Welt gegenwärtig ist ...
Über die Autorin:
Karen Kingsbury war Journalistin bei der Los Angeles Times. Seit einiger Zeit widmet sie sich ganz dem Schreiben christlicher Romane. Sie lebt mit ihrem Mann, 3 eigenen und 3 adoptierten Kindern in Washington.
Kapitel 8
Bevor alle gingen, brachte Elizabeth die Kraft auf, eine Konferenzschaltung zu Erin und Sam und zu Luke und Reagan herzustellen. Mit gezwungener Freude erzählten zuerst Ashley und Kari ihre Neuigkeiten. Die Reaktionen waren natürlich sehr positiv. Besonders Luke stieß laute Freudenrufe aus, als er hörte, dass Ashley nicht HIV hatte.
Dann schloss John das Telefongespräch damit ab, dass er ihnen von Elizabeths Krebs berichtete. Elizabeth schloss bei diesem Teil die Augen. Sie hörte Erin im Hintergrund weinen. Sam musste für sie das Gespräch beenden, und er und Luke versprachen, am nächsten Tag anzurufen und zu fragen, wie es gelaufen sei.
Als schließlich die Kinder und Enkelkinder nach Hause gefahren waren, machte sich Elizabeth für die Nacht fertig und legte sich neben John ins Bett. „Du hattest recht.“
Er rollte sich auf die Seite und wischte ihr mit den Fingern eine Haarsträhne aus dem Gesicht. „Dass wir es ihnen sagen mussten?“
„Ja.“ Sie seufzte. „John, sag mir, dass das nicht das Ende ist.“ Sie schaute ihn an und suchte in seinen Augen nach einem Funken Hoffnung.
„Darüber haben wir schon gesprochen.“ Er sah müde aus. Die Stärke, die er vorher ausgestrahlt hatte, war verschwunden. „Wir bitten Jesus um ein Wunder, und wir glauben, dass es geschieht. Schau nur, was Gott bei Hayley getan hat.“ Johns Stimme verriet etwas von seiner früheren Stärke. „Wir müssen glauben, Elizabeth. Sonst sind wir von Anfang an zum Scheitern verurteilt.“
Sie nickte und sank tiefer in ihr Kissen. „Ich kann nicht aufhören, an ihn zu denken und mich zu fragen, wo er jetzt ist.“
John stützte sich auf einem Ellbogen auf. „Von wem sprichst du?“
„Du weißt von wem.“ Ihre Augen begegneten seinem Blick, und ein Wissen lag darin, ein Wissen, das auch John nicht leugnen konnte. „Komm schon, John. Erzähl mir nicht, du würdest nicht an ihn denken.“
Als er schwer ausatmete, verriet das sein lebenslanges Bedauern. „Ich versuche, nicht an ihn zu denken. Bis du ihn neulich erwähntest, hatten wir jahrelang nicht über ihn gesprochen, Elizabeth. Bestimmt vier Jahre.“
Stille legte sich über sie. „Ich habe an dem Abend vor Lukes Hochzeit an ihn gedacht.“ Sie blinzelte und starrte zur Decke hinauf und sah Bilder von jenem Winterabend in New York City vor sich. „Draußen schneite es. Erinnerst du dich?“
„Du bist aufgeblieben und hast ein Gedicht für Luke geschrieben.“
„Ich sagte dabei etwas, das mich nicht mehr losließ. Ich sagte, es sei schwer zu wissen, dass mein einziger Sohn jetzt heiratet.“ Ihre Stimme wurde angespannt, und sie schüttelte den Kopf. „Nur, dass das nicht stimmt. Er ist mein zweiter Sohn. Luke wird immer mein zweiter Sohn sein, selbst wenn du und ich die einzigen zwei Menschen auf der Welt sind, die die Wahrheit kennen.“
John ließ den Kopf auf sein Kissen zurückfallen. Sein Blick wich immer noch nicht von ihren Augen. „Wir haben es versucht, erinnerst du dich? Damals, als du das letzte Mal krank warst.“
„Ja.“ Elizabeth rieb sich über den Nasenrücken und kniff die Augen zusammen, als könnte sie irgendwie in jene Zeit zurückblicken. „Die Antwort war so, wie wir es erwartet hatten.“
„Es war eine geschlossene Adoption, Liebes.“ Seine Stimme klang wieder müde. „Es wäre ein Wunder nötig, um ihn zu finden, Schatz.“
„Er könnte uns finden.“
„Aber warum sollte er das tun? Es ist fünfunddreißig Jahre her. Er kann nicht wissen, dass du krank bist und an ihn denkst.“
Elizabeth nickte, und sie schwiegen lange. Schließlich küsste John sie auf die Wange. Es war der letzte Gutenachtkuss vor ihrer Operation. Das letzte Mal, dass sie in einem Bett lagen und sie noch vollständig war, bevor sie zerstückelt wurde und ihre Brüste für immer aus ihrem Körper herausgeschnitten würden.
„Küss mich noch einmal, John. Bitte.“ Sie drehte sich auf die Seite und schaute ihm tief in die Augen. Sie wusste, dass alles, was ihr Herz beschäftigte, auch ihn bewegte.
„Elizabeth … es ist nicht das letzte Mal. Das darfst du dir nicht einreden.“
Sie schaute forschend in sein Gesicht, sah die vertraute Form seiner Backenknochen, sein starkes Kinn. „Aber es ist so, John.“ Ihre Stimme war leiser als der Wind draußen. „In gewisser Weise ist es das allerletzte Mal.“
Er widersprach ihr nicht. Stattdessen nahm er ihr Gesicht in seine Hände und küsste sie. Es war kein Kuss voll Vorfreude oder plötzlicher Sehnsucht, sondern ein Kuss, der ihr sagte, dass er mit dem, was er sagte, nicht ganz ehrlich war. Ein Kuss, der einen Schlussstrich unter die körperliche Liebe eines ganzen Lebens zog, einer Liebe, die sich für immer ändern würde, wenn der nächste Morgen anbrach.
Als er zu Ende war, glänzten Tränen in ihrer beider Augen. John lehnte den Kopf an ihre Stirn, und seine Wangen lagen nass auf ihren Wangen. „Gott … allmächtiger Gott, wir wissen, was wir jetzt sagen sollten.“
Sie konnte fühlen, wie er neben ihr zitterte, sie konnte seine aufgewühlten Gefühle in seiner Stimme hören. Ihr Arm legte sich um seine Taille, und sie hielt ihn fest und war sich nicht sicher, wer von ihnen den anderen mehr brauchte, als John weiterbetete:
„Wir sollten dich bitten, dass morgen alles gut läuft. Wir sollten dankbar sein und voller Hoffnung, aber wenn ich ehrlich bin, Gott, sind wir im Moment verwirrt und nicht sicher, was wir fühlen.“
„Wir haben eine Todesangst“, flüsterte Elizabeth.
„Ja, wir haben eine Todesangst.“ John atmete schwer aus. „Ich wollte ehrlich sein, und jetzt sage ich auch den Rest. Gott, bitte schenke uns ein Wunder. Ich bitte dich, dass die Ärzte in diesen Operationssaal gehen und feststellen, dass sie überhaupt nicht operieren müssen. Ich bitte dich, dass der Krebs weg ist und Elizabeth frei von dieser furchtbaren Krankheit nach Hause gehen kann. Wenn nicht, dann bitte ich dich, dass du sie schnell heilst und dass der Krebs sich nicht weiter ausgebreitet hat.“ Er zögerte. „Wir flehen dich um ein Wunder an, Herr. Noch ein Wunder für unsere Familie. Bitte.“
John küsste sie noch einmal. Dieses Mal waren ihre Augen trocken, und John wünschte ihr flüsternd eine gute Nacht. „Glaube fest, Elizabeth. Hör nicht auf zu glauben.“
„Das werde ich nicht.“
Zehn Minuten später war er eingeschlafen. Er schlief oft vor ihr ein. Auch jetzt, als mehr Schmerz in seinem Herzen war als je zuvor, konnte er schlafen. Das war typisch für ihn.
Aber Elizabeth konnte nur zur dunklen Zimmerdecke hinaufstarren und ihre Gedanken zurückwandern lassen – zurück zu jener Zeit, als sie und John sich das erste Mal gesehen hatten. Damals, als sie gezwungen worden waren, etwas zu tun, das sie nie gewollt hatten.
Sie war sich nicht sicher, ob sie einschlief und es träumte, oder ob es ihr nur so vorkam. Jedenfalls schmolzen die Jahre dahin, bis sie wieder im Jahr 1967 war, in ihrem ersten Jahr an der Universität von Michigan. Ja, sie hatte Hauswirtschaft studiert, aber wenn sie ihren Kindern im Laufe der Jahre die Geschichte erzählt hatten, waren sie immer von ihrer ersten Begegnung gleich zu ihrer Hochzeit gesprungen. Nur Elizabeth und John kannten die Wahrheit. Dass zwischen diesen zwei Ereignissen viele Erfahrungen und schwere Lektionen gelegen hatten.
John war Medizinstudent, und sie lernten sich im Sommer vor ihrem ersten Studienjahr bei einer Party kennen. Die Party war für die Erstsemester und alle, die aus den Ferien zurückkamen, gedacht.
John hätte eigentlich gar nicht dort sein sollen; er war schon zu alt gewesen. Aber der älteste Sohn der Familie, bei der er wohnte, war in jenem Jahr auch an die Uni gekommen. John hatte ihn begleitet, um den Eltern des Jungen einen Gefallen zu erweisen. Es sollte ein gemütlicher Abend für ihn sein, ein Abend, an dem er ein wenig auf den Jungen aufpasste und dafür sorgte, dass er nicht zu spät nach Hause kam.
Stattdessen erblickte John schon nach fünf Minuten Elizabeth auf der anderen Seite des Raumes.
Sie stand bei einer Gruppe Studentinnen und unterhielt sich. Elizabeths Familie wohnte in der Nähe der Universität. Deshalb wohnte sie nicht wie die anderen Mädchen im Studentenwohnheim. Sie würde auf ihrem Weg, etwas zu erreichen, das noch keine Frau in ihrer Familie je erreicht hatte – nämlich einen Universitätsabschluss –, nur gelegentlich an gesellschaftlichen Veranstaltungen teilnehmen.
„Sprich heute Abend mit keinen Jungen“, hatte ihre Mutter sie gewarnt, als sie ihr schließlich die Erlaubnis gab, hinzugehen. Eine Nachbarin, ebenfalls eine Hauswirtschaftsstudentin, nahm sie mit zu der Party. Durch diese Kennenlernfeier wollte die Uni die neuen Studentinnen begrüßen, bevor das Semester begann.
„Mama ...“ Elizabeth erinnerte sich, dass sie verlegen gewesen war. Sie war eindeutig alt genug, um mit Jungen zu sprechen. „Ich gehe schon fast ans College. Findest du nicht, dass ich in der Lage sein sollte, mit Jungen zu sprechen?“
„Nicht mit Jungen, die du nicht kennst.“ Ihre Mutter kniff die Lippen zusammen. „Was haben wir dich immer gelehrt, Elizabeth? Jungen wollen immer nur eines. Vergiss das nicht.“
Elizabeths Familie hatte damals einer sehr strengen Kirche angehört, die nichts von lauter Musik, Ausgelassenheit oder Tanzen hielt. Auf keinen Fall Tanzen. Wenn ihre Mutter gewusst hätte, dass an jenem Abend getanzt wurde, hätte sie Elizabeth nie erlaubt, dorthin zu gehen.
Aber die Uni hatte geschickt Werbung gemacht und sorgfältig darauf geachtet, diesen Abend als harmlose Veranstaltung darzustellen, an der man fast teilnehmen musste, wenn man sein erstes Studienjahr erfolgreich bestehen wollte.
Elizabeth kannte die Studentin, die sie mitnahm. Die Familie des Mädchens ging in dieselbe Gemeinde. Also ließ ihre Mutter Elizabeth mit der letzten Ermahnung gehen: „Sprich nicht mit Jungen.“
Als Elizabeth in das Auto der anderen Studentin stieg, wusste sie, dass der Abend anders verlaufen würde, als ihre Mutter ihn sich ausmalte. Das Mädchen, Betsy, trug einen Rock, der nur bis knapp über ihr Knie reichte, und auf ihren Lippen lag kirschrote Farbe, die Elizabeth noch nie an ihr gesehen hatte.
„Du kannst tanzen, Elizabeth?“
Elizabeth schmunzelte und warf einen letzten Blick hinter sich auf das Haus ihrer Eltern. „Bestimmt nicht.“
Betsy drehte die Musik auf. „Nach dem heutigen Abend wirst du es können.“
Und so kam es, dass Elizabeth mit ein paar anderen Erstsemestern plauderte, als John auf sie zukam, sie anlächelte und sagte: „Hallo.“
„Hallo.“ Sie fühlte, wie ihre Wangen zu glühen begannen, und sie schaute sich um. Er musste mit jemand anderem gesprochen haben. Einem älteren und hübscheren Mädchen. Aber er blieb stehen, und seine Augen wichen nicht von ihr. „Ich bin Elizabeth.“
„Ich bin John. John Baxter.“ Er zuckte die Achseln. „Ich bin eigentlich zu alt und habe hier nichts verloren, aber ich habe meinen kleinen Bruder hergebracht.“
„Wirklich?“
„Nein, nicht ganz.“ John lehnte sich an die Wand und betrachtete sie. Später erzählte er ihr, dass es ein typischer Fall von Liebe auf den ersten Blick gewesen sei. Er war früher schon mit Mädchen ausgegangen, aber bei keinem hatte es ihm so den Atem verschlagen wie bei Elizabeth.
Er erklärte seine Situation. Er hatte keine Eltern – sein Vater war im Krieg gestorben, und seine Mutter wenige Jahre später an gebrochenem Herzen. „Ich wohne bei Freunden von meiner Mutter, einer Familie, die wir seit Langem kennen.“ Er deutete auf einen schlacksigen jungen Mann, der sich gerade einen Teller mit Essen belud. „Das ist Bill. Er ist der älteste Sohn meiner Vermieter. Ich habe ihnen gesagt, dass ich Bill alles zeige und dafür sorge, dass er gut nach Hause kommt.“
„Verstehe.“ Elizabeth wurde plötzlich scheu. „In welchem Semester bist du?“
„Ich bin schon mit dem College fertig. Jetzt studiere ich im dritten Semester Medizin.“ Er lächelte. „Abgesehen davon, dass ich heute Abend hier bin, war ich im letzten Jahr nur in der Bibliothek, in Vorlesungen und zu Hause.“
„Wie alt ist denn ein Medizinstudent im dritten Semester?“
John grinste sie an und schaute ihr in die Augen. „Dreiundzwanzig. Warum?“
„Ich bin nur neugierig.“ Elizabeth befiel ein plötzlicher Anfall von Mut. Sie sollte nicht mit Jungen sprechen, und hier stand sie und plauderte mit einem jungen Mann, der fünf Jahre älter war als sie selbst. Was würde ihre Mutter davon halten?
„Und du?“
„Achtzehn. Ich fange am College an.“
John schenkte zwei Becher Bowle ein und reichte ihr einen. „Dir wird es hier gefallen. An der Universität von Michigan kümmert man sich gut um Studenten.“
„Das hoffe ich.“
„Wohnst du im Studentenwohnheim?“
„Nein.“ Die Warnung ihrer Mutter hallte erneut in ihrem Kopf wider. „Zu Hause. Meine Eltern wohnen ganz in der Nähe der Uni.“
„Gut.“ Er nickte, und sie schwiegen eine Weile. Dann stellte er, ohne Vorwarnung, seine Bowle weg und ergriff ihre Hand. „Komm, Elizabeth. Tanz mit mir.“
Sie hatte ihren Becher noch in der Hand, und ein Anflug von Entsetzen schoss durch ihren Körper. Der Tanzboden war voll mit Tanzpaaren, die alle die Musik genossen. Aber das konnte sie doch nicht, oder? Ihre Mutter bekäme einen Anfall, wenn sie das herausfände. Sie würde sie zwingen, vor die Kirchenältesten zu treten und jede einzelne ihrer Sünden zu beichten.
Aber ihre Mutter war nicht hier.
Ein Lächeln zog über ihr Gesicht, und sie hob ihren Becher an ihre Lippen. In einem einzigen Schluck trank sie ihn leer und warf den Becher in einen Mülleimer in der Nähe. „Okay, aber ich muss dich warnen.“
„Wovor?“ Johns Augen funkelten, als er sie anschaute. „Wovor muss ein so hübsches Mädchen wie du einen so alten Kerl wie mich warnen?“
Sie lächelte ihn an. „Ich kann nicht tanzen.“
„Wirklich nicht?“ Er schien echt überrascht zu sein. Dann lachte er und zog sie auf die Tanzfläche. „Dann muss ich es dir wohl beibringen.“
Den restlichen Abend machte er genau das. Als die Party vorbei war, konnte Elizabeth eine abgewandelte Version des Charleston und des Jitterbug, und den Swing konnte sie im Schlaf tanzen. Ihre Beine schmerzten. Bevor sie sich verabschiedeten, fragte John sie nach ihrer Telefonnummer.
Die Warnung ihrer Mutter fiel ihr wieder ein: „Sprich nicht mit Jungen, Elizabeth. Egal, was du tust, aber sprich nicht mit Jungen.“
„Äh … ja ...“ Sie merkte, wie ihr Gesicht wieder zu glühen begann. „Gib lieber du mir deine Nummer.“ Sie schaute auf ihre schmerzenden Füße, da sie es nicht wagte, ihm in die Augen zu schauen. „Meiner Mutter gefällt es nicht, wenn ich Anrufe von Jungen bekomme.“
„Sie hat es lieber, wenn du sie anrufst?“ Sein Tonfall war locker, und sie lachten beide. Aber er kam ihrer Bitte nach, suchte einen Zettel und schrieb seine Nummer darauf. „Am College ist bis zum Herbst jedes Wochenende etwas los. Das weißt du, oder?“
Elizabeth hatte davon gehört, aber sie hatte nicht vor hinzugehen. „Ich weiß nicht genau.“
John erklärte, dass die Universitätsverwaltung es unterstützte, wenn sich die Studenten kennenlernten. „Am nächsten Wochenende gibt es einen Ausflug zum Michigansee mit einem Lagerfeuer am Strand. Am Wochenende danach gibt es einen Bowlingabend und eine Filmnacht.“ Er ergriff ihre Hände und schaute in den Teil ihres Herzens, den noch nie zuvor jemand gesehen hatte. „Ich gehe zu jeder dieser Veranstaltungen, wenn du dort bist.“
Diese Idee klang, als könnte sie sich verwirklichen lassen. Sie nahm seine Telefonnummer und verabschiedete sich von ihm. Auf dem Heimweg fragte sie Betsy nach den Veranstaltungen, die für den restlichen Sommer geplant waren. „Ja, es ist viel los. Ich gehe wahrscheinlich überallhin.“
„Könntest du mich anrufen und mich dazu einladen? Und meine Mutter in dem Glauben lassen, dass die Einladung von dir kommt?“
Betsy zog die Braue in die Höhe. „Ich habe dich mit diesem großen, gut aussehenden Medizinstudenten sprechen gesehen. Jedes Mädchen im Raum hatte ein Auge auf ihn geworfen.“
„Wirklich?“
„Ja, aber das kannst du nicht wissen ...“ Betsy versetzte Elizabeth einen freundschaftlichen Stoß. „Weil ihr beide nur Augen füreinander gehabt habt.“
Als Betsy sie zu Hause absetzte, stand der Plan fest. Betsy rief einige Tage später an und sprach mit ihrer Mutter. Ja, bei den Veranstaltungen wurde darauf geachtet, dass alles anständig zuging; ja, sie würde Elizabeth im Auge behalten. Nein, sie glaube nicht, dass Elizabeth an dem Abend mit irgendwelchen Jungen gesprochen hätte. Ja, sie würde sie auch bei künftigen Veranstaltungen im Blick behalten.
„Du verstehst das sicher, nicht wahr?“, hörte Elizabeth ihre Mutter am Telefon zu Betsy sagen. „Elizabeth ist ein gutes Mädchen, aber sie ist sehr hübsch. Sie weiß nicht, wie hübsch sie ist, aber die Jungen wissen es. Ihr Vater und ich wollen auf keinen Fall, dass sie sich auf einen Jungen einlässt. Sie muss zuerst ihr Studium abschließen.“
Elizabeth war entsetzt, dass ihre Mutter mit einem älteren Mädchen wie Betsy so über sie sprach. Aber am Ende ging der Plan bestens auf. Am nächsten Wochenende trafen sich die Studenten am westlichen Ende des Uniparkplatzes und fuhren gemeinsam zum Strand. Elizabeth fuhr mit Betsy zum Treffpunkt. Aber während der zweistündigen Fahrt zum Strand saß sie neben John Baxter.
„Das ist das Verrückteste, was ich je getan habe“, sagte sie an jenem Tag zu ihm. Das Fenster war nach unten gekurbelt, und ein warmer Wind spielte in ihren Haaren. „Ich kann nicht glauben, dass ich mit dir allein in einem Auto sitze und zum Michigansee fahre. Meine Mutter würde tot umfallen, wenn sie das wüsste.“
John erzählte ihr später, dass er sich nicht wohl dabei gefühlt hatte, als sie in den ersten Wochen solche Heimlichkeiten gehabt hatten. Aber er war von ihr so fasziniert gewesen, dass er nicht mehr klar hatte denken können. An jenem Abend, nachdem sie den ganzen Tag im Wasser gewesen und in der Sonne gelegen hatten, machten sie und John einen Spaziergang am Strand, statt sich ans Lagerfeuer zu setzen.
Als sie sich weit genug von der Gruppe entfernt hatten, blieb er stehen und drehte sich zu ihr um. „Elizabeth, fühlst du etwas?“ Seine Stimme war ruhig und leise wie der sanfte Wind über dem See.
Ihr Herz pochte so laut, dass sie sich sicher war, er könnte es hören.
Unter ihren Fingerspitzen fühlte sie ein starkes Pochen, fast als wäre John gerade ein Rennen gelaufen oder drei Stockwerke hinaufgerast. „Dein Herz, John? Was ist damit?“
Er ließ ihre Hand sinken, löste aber seine Finger nicht von den ihren. „Das bist du. So fühle ich mich, wenn ich bei dir bin. Ich bin der glücklichste Mann auf der Welt. Ich könnte den Rest meines Lebens hier stehen und dich anschauen.“
„Ich … ich weiß nicht, was ich sagen soll.“
„Fühle dein Herz.“ Er nickte ihr zu. „Komm schon, Elizabeth. Fühle es.“
Sie tat es. Sie hob die Hand und legte sie über ihr eigenes Herz. Er hatte recht. Das harte, schnelle Pochen, das sie gefühlt hatte, als sie seine Brust berührt hatte, klopfte auch in ihrem Herzen. Elizabeth betrachtete John, während das Mondlicht Schatten auf ihre Gesichter warf. „Was bedeutet das?“
Ohne ihr zu antworten, hob er den Abstand zwischen ihnen auf, nahm sie zärtlich in die Arme, achtete darauf, seinen Körper nicht an ihren zu drücken, und küsste sie.
Danach wusste sie zwei Dinge. Erstens verstand sie, warum ihr Herz so schnell schlug. Das lag daran, dass sie sich in weniger als einer Woche Hals über Kopf in John Baxter verliebt hatte. Und zweitens wusste sie, warum ihre Mutter sie davor gewarnt hatte, mit Jungen zu sprechen. Denn nachdem sie John geküsst hatte, interessierte sie sich nicht mehr für das College oder dafür, pünktlich nach Hause zu kommen, oder für irgendetwas anderes.
Alles, was sie wollte, war, für immer hier zu stehen, John zu küssen und sich in seinen Augen zu verlieren.