Sie haben einen Beruf gewählt, in dem Sie Kontakt mit Menschen haben. Sie üben ihn im Großen und Ganzen gerne aus, oder? – Wenn nur nicht die manchmal unangenehmen zwischenmenschlichen Situationen wären, Situationen, in denen Ihnen Kunden, Gäste, Patienten oder Klienten bewusst oder unbewusst das Leben schwer machen?
Tragen Sie dann abends in Gedanken den »unverdauten« Ärger nach Hause und können Sie sich bisweilen Jahre später noch an solch unerfreuliche Begebenheiten erinnern?
Ärgern Sie sich im Nachhinein vor allem darüber, dass Sie sich ärgern?
In diesem Fall kann Ihnen dieses Buch ein wertvoller Ratgeber sein. Es soll Ihnen helfen, solche Begebenheiten immer weniger als belastend zu empfinden, gelassener zu reagieren und unangenehme Erlebnisse besser wegzustecken, kurz – Ihre Arbeit mit Menschen immer erfolgreicher anzupacken.
Wie gelingt es mir, immer so freundlich und ausgeglichen zu bleiben, wie es von mir erwartet wird? Wie lerne ich, Kritik weniger persönlich zu nehmen? Wie stecke ich diese besser weg?
Warum lasse ich mir gelegentlich meine ganze Energie von Menschen rauben, mit denen ich niemals freiwillig einen Kaffee trinken würde?
Wie »verdaue« ich ungerechtfertigten Tadel in Momenten, in denen ich mich nicht wehren darf, weil ich stellvertretend für den Betrieb, in dem ich arbeite, dastehe? Warum schleppe ich die Erinnerung an einen unzufriedenen Kunden oder eine unzufriedene Kundin noch stundenlang mit mir herum?
Diese Fragen beschäftigen Dienstleistende aller Branchen. Ihr Wohlbefinden und damit auch ihre Leistungsfähigkeit im beruflichen Alltag sind entscheidende Erfolgsfaktoren jedes Unternehmens. Nur wer sich gut um sich selbst kümmern kann vermag über längere Zeit den Kunden so zu begegnen, wie diese es erwarten und zum großen Teil auch verdienen.
Außerordentliche Leistungen entstehen da, wo Leben und Arbeiten Sinn und Spaß machen. Freude an einer Arbeit haben wir aber ausschließlich dann, wenn wir den Anforderungen, die an uns gestellt werden, auch gewachsen sind.
Wer einen Beruf wählt, um Kontakt mit Menschen zu haben, besitzt ein grundsätzlich positives Menschenbild.
Menschen, die bewusst einen Beruf »für Personen« wählen, waren mehrheitlich schon als Kinder gewinnende Persönlichkeiten. Sie haben früh gelernt zu lächeln, freundlich und hilfsbereit zu sein und sich für die Bedürfnisse anderer zu interessieren. Solche Kinder sind sehr beliebt und haben Freunde.
Nur wer Menschen mag entscheidet sich bewusst später für einen Beruf, bei dem der Kundenkontakt im Vordergrund steht.
Die Entscheidung, einen Beruf zu ergreifen, fällt interessanterweise oft schon sehr früh. Das genaue Berufsbild kann sich noch ändern, doch die Grundrichtung ist relativ frühzeitig gegeben. So will ein Kind vielleicht zuerst Lehrerin, Krankenschwester oder Ärztin werden. Später entschließt es sich, die Hotelfachschule zu besuchen, und zwar aus der Freude heraus, andere Menschen zu verwöhnen, und in der Hoffnung, einen abwechslungsreichen Beruf auszuüben.
In diesem Zusammenhang ist es übrigens sehr aufschlussreich, welche Vorbilder in der Jugend verehrt wurden, welche Helden einen Menschen besonders geprägt haben.
Ich persönlich war beispielsweise schon früh voller Bewunderung für selbstlose Helden, die sich für andere, für das Allgemeinwohl oder für eine gute Sache einsetzten. Im Kindergartenalter war dies Otfried Preußlers »Kleine Hexe«, die jedermanns Schnupfen heilte und darüber den eigenen völlig vergaß. Später kamen all die klassischen Heldinnen und Helden dazu, die ausnahmslos für ihre edlen Überzeugungen auf dem Scheiterhaufen landeten, gehängt oder erschossen wurden.
Ein gemeinsames Grundprinzip lässt sich unschwer erkennen: Es ist gut, die eigenen Bedürfnisse zugunsten anderer oder einer guten Sache zurückzustellen. Doch geschieht dies nicht aus reiner Menschenliebe, sondern in der unbewussten Absicht, durch diesen Einsatz für andere ganz besonders gemocht zu werden.
Dienstleister legen großen Wert auf gute Umgangsformen.
In Berufen mit direktem Kundenkontakt wird den Berufsanfängern gleich zu Beginn ihrer Ausbildung beigebracht, welche Umgangsformen und Verhaltensweisen zu ihrem Berufsleben gehören und welche nicht. Mit den Jahren empfindet man dann diese »Richtlinien« als Selbstverständlichkeit und ist sich gar nicht mehr bewusst, dass man sie irgendwann einmal hatte erlernen müssen. Man verhält sich ganz automatisch korrekt und erwartet dies auch von andern.
Derart beeinflusste und trainierte Personen reagieren auf Form- und Anstandsverletzungen ihnen gegenüber besonders empfindlich, weil eine ihrer zentralen Überzeugungen verletzt worden ist, nämlich die Überzeugung, gutes Benehmen sei von großer Bedeutung.
Und aus ihrer Sicht stimmt dies auch.
Wer sich in andere hineinversetzen kann, ist feinfühlig. Und feinfühlige Menschen sind eben auch sensibel und verletzlich.
Auf die Frage »Warum haben Sie diesen Beruf gewählt?« lautet die Hauptantwort der Dienstleistenden im Kundenkontakt: »Weil ich den Umgang mit Menschen mag.«
Das bedeutet, dass dieser Kontakt offensichtlich ein Bedürfnis nach Kommunikation, Austausch und Abwechslung befriedigt. Diese Mitarbeiter werden in angenehmen zwischenmenschlichen Beziehungen immer sicherer und immer mehr befähigt, die Kundenbedürfnisse zu befriedigen.
Doch plötzlich kommt es zu weniger angenehmen und weniger harmonisch verlaufenden Kontakten! Was nun?
Ein Verhalten für solche Fälle wurde weit weniger trainiert. Je mehr wir das Positive, Erfreuliche suchen, desto größer ist unsere Hilflosigkeit und Betroffenheit in Momenten, in denen diese Bemühungen nicht gewürdigt werden und die Reaktionen anders ausfallen, als wir es erwartet haben oder gewohnt sind.
Personen im direkten Kundenkontakt sind »Beziehungsarbeiter« wie die »professionellen Helfer« im Gesundheits- oder Sozialwesen.
Menschen, die anderen Personen unterstützend, beratend, erziehend oder versorgend zur Seite stehen, nennt man in der Fachsprache Beziehungsarbeiter oder professionelle Helferinnen und Helfer. In erster Linie denken wir dabei an Ärzte, Psychologen, Pfleger, Lehrer, Pfarrer und ihre Berufskolleginnen, also an alle, die im Bereich des Gesundheits- und Sozialwesens tätig sind. Erst auf den zweiten Blick erkennt man, dass zahlreiche weitere Berufsgruppen in diese Berufskategorie gehören. Alle, die in irgendeiner Weise direkt für andere tätig sind, somit auch sämtliche Dienstleistenden mit direktem oder telefonischem Kundenkontakt, sind Beziehungsarbeiter.
Viele im zwischenmenschlichen Bereich auftretende Probleme gleichen sich in diesen Berufen. Vertreter der wirklichen »Helferberufe« lernen jedoch bereits im Laufe ihrer Ausbildung, über sich selbst, ihre Berufsrolle und die Art, wie sie diese wahrnehmen, nachzudenken und ihre Erfahrungen und Probleme mit anderen auszutauschen. Dies wird in anderen Dienstleistungsberufen kaum getan.
Die Auseinandersetzung mit der eigenen Aufgabe, ihren Gefahren für das persönliche Wohlbefinden und Strategien zur Bewältigung des Alltags sollten jedoch vermehrt in allen Dienstleistungssparten Einzug halten. Das Interesse an unseren eigenen seelischen Vorgängen ist eine wichtige Grundlage für unsere Fähigkeit, andere Menschen zu verstehen. Denn was wir verstehen können, ärgert uns bedeutend weniger!
»Meister, wie lange werde ich brauchen, um mein Problem zu lösen?«
»Keine Minute länger, als du brauchst, um es zu verstehen«, erwiderte der Meister.
Anthony de Mello
Die meisten Dienstleistenden erleben unangenehme Kundenkontakte gar nicht so häufig, wie es ihnen selbst manchmal vorkommen mag. Gelegentlich ärgern sie sich zwar heftig und intensiv über einen misslichen Vorfall, doch irgendwann heilt die Zeit dann diese »Wunden«. Da der Leidensdruck nicht besonders groß, das »Problem« zwar störend, aber noch durchaus erträglich ist, denken die wenigsten je daran, systematisch an sich selbst zu arbeiten, um zu lernen, solche Momente immer besser zu bewältigen.
So begegnen solche Mitarbeiter einer anspruchsvollen Situation beim nächsten Mal wieder mit demselben Erstaunen und Missbehagen wie beim ersten Mal, bedauern sich selbst und schimpfen über den unfreundlichen Kunden oder die arrogante Kundin. Da diese Ereignisse jedoch nicht wirklich gravierend sind und nur vereinzelt vorkommen, wird über eine nötige Verhaltensänderung nicht nachgedacht.
Wenn ich alle paar Monate mal Kopfschmerzen habe, sage ich mir zwar, dass ich am Vorabend wohl besser keinen billigen Weißwein hätte trinken sollen, leide während ein paar Stunden ein wenig und vergesse die Sache mit der Zeit. Erst wenn diese Kopfschmerzen häufiger auftreten und darum zu einem echten Problem werden, mache ich mir ernsthafte Gedanken über die möglichen Ursachen.
Sie, liebe Leserin, lieber Leser, sind bereits einen Schritt weiter: Sie haben gehandelt, Geld investiert und jetzt sogar Zeit, weil Sie etwas verändern möchten. Sie werden es schaffen, wenn Sie sich bewusst sind, dass Sie einen Entwicklungsprozess gestartet haben. Ski laufen, einen Computer bedienen, ein Musikinstrument spielen, Auto fahren oder Hemden bügeln lernt man schließlich auch nicht an einem Tag! Doch Ihr Unterbewusstes hat bereits angefangen, sich mit dem Thema auseinanderzusetzen. Nun gilt es, diesen Lernprozess aktiv zu unterstützen.