LOVE TARGET
IMPRESSUM
1961 DER KING UND ICH
1
2
3
4
BLEIBEN BIS
5
1958 LAND DER UNBEGRENZTEN MÖGLICHKEITEN
6
7
8
9
10
11
ERSTE VERABREDUNG
12
1959 AUF EINE SPRITZTOUR MITGENOMMEN
13
ZWEIHUNDERT DOLLER PRO WOCHE
14
VORSPRECHEN
15
VEGAS – VERRÜCKTHEITEN
16
17
18
19
20
1960 KINDERMÄDCHEN
21
DER WELLENREITER
22
ZWEITE CHANCE
23
REISE MIT DEM FLIEGENDEN TEPPICH
24
25
FRANK SPRICHT
26
27
MAJOR RIDDLE
28
ROBERT EVANS
29
CARL
30
EDUARDO
31
32
33
HARRY
34
35
1961 BRANDO
36
LANCE
37
MATADOR
38
TRÄNEN – BEFLECKTE BRIEFE
39
EISKÖNIGIN
40
JETZT ODER NIE
41
42
43
1962 MÄNNER LIEBEN DAS
44
SPICE ON ICE
45
46
ANIS UND MUSKATNUSS
47
ITAKER
48
BOMBENALARM
49
1963 HARRY NOCHMAL
50
ARMAND
51
ENTHÜLLUNG
52
22. NOVEMBER
53
‘IT’ GIRL
54
MAFIOSO-GELIEBTE
55
56
57
58
1964
59
DAVID LOWENSTEIN
60
VERLIEBT
61
MARDI GRAS
62
63
CASSIUS
64
65
AL DENTE
66
MANDY
67
BOBBY
68
69
GLÜCKSSPIELE
70
1965 DRIVE-BY
71
HERR MERRICK
72
ÜBERWACHUNG
73
74
75
BESTER FREUND
76
SPAZIERGANG IM DUNKELN
77
BESCHICHTETE IM SCHNEE
78
1966 WISCHER-BLÄTTER
79
FBI-AGENTEN
80
UMSTÄNDE
81
82
HERR GRIBBS
83
HELDIN
84
RICKY
85
86
1967 GEPARD
87
RECHTS- MANNÖVER
88
89
90
HEIMGEZAHLT
91
92
WOHLIG WARM
93
1968 MANNY
94
95
GEORGIE
96
97
ANGEBOT
98
SCHNAUZE VOLL
99
WATTS
100
GUTER GOTT IM HIMMEL
101
KLEINER BRUDER
102
KOMIKER
103
1969 COAST TO COAST
104
105
NACKTE WAHRHEIT
106
107
1970 HOSENANZÜGE
108
119
110
1971 ANTNY
111
BARDAME
112
113
114
115
VERMÖGEN
116
1972 RÜCKKEHR DES KING
117
VÄTER, SOHN, HEILIGER GEIST
118
1975 BIG APPLE
119
UNMÖGLICH
120
1976 DIE SPIELTISCHE
121
LOCKVOGEL
122
124
123
124
VERHEXT
125
ARZT DER STARS
126
127
128
DER KING IST TOT
129
1978 AUS HEITEREM HIMMEL
130
131
132
GESPRÄCHE
133
1979 GESCHMOLZENE
134
DANKSAGUNGEN
ÜBER DIE AUTORIN
Copyright der eBook-Ausgabe © 2015 bei Hey Publishing GmbH, München.
Originalausgabe © Heidi Loeb Hegerich
Aus dem Englischen übersetzt von Viola Schöpf
Alle Rechte vorbehalten. Das Werk darf – auch teilweise – nur mit Genehmigung des Verlags wiedergegeben werden.
Covergestaltung: ZERO Werbeagentur, München
ISBN: 978-3-95607-019-8
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„Ingrid, ich habe einen Job für dich,“ sagte Georgie, als er in meiner Wohnung saß. „Wir können in P.R. einiges Geld verdienen. Ich habe eine Reise dorthin geplant.“
„P.R.“ bedeutete Puerto Rico. Georgie war der jüngere Sohn meiner Freundin Yoli. Er war 22, groß, attraktiv und eingebildet – und er hatte mich schon immer amüsiert. Georgie brannte darauf, ein schlimmer Gangster zu werden. Außerdem war er scharf auf mich. Und ein großer Teil seines Verknalltseins war, dass ich Armands Freundin gewesen war.
Georgie himmelte Armand an, das ging soweit, dass er sich größte Mühe gab, ihn nachzuahmen. Georgie protzte mit teuren Anzügen, wie ein Mann in den Vierzigern, trug ein Bündel Geld mit sich herum, warf mit Geld um sich und gab große Trinkgelder. Georgie war groß, wie sein irischer Vater und schaffte es, das Bild des Starken, Weltmännischen, Stillen abzugeben. Außerdem war er zweisprachig, wegen seiner dominikanischen Mutter und konnte sich leicht unter Spanisch-Sprechenden bewegen. Das würde ihm bei seinen Karriere-Ambitionen helfen: sich im Drogenhandel zu etablieren.
Georgie hatte Ehrgeiz und Fähigkeiten. Aber Armand, Vince und die Anderen schauten auf ihn herab. Georgie war kein Italiener; er hatte keine Verbindungen. Für sie war er nur ein weiterer großspuriger Stricher, wie Tausende anderer junger Kerle in New York.
Ich hatte Georgie bisher auch nicht allzu ernst genommen, aber jetzt hatte er auf jeden Fall meine Aufmerksamkeit.
Ein „Job,” was?
Nun, zumindest stammte Georgie aus einer kriminellen Familie. Seine Mutter war eine Hehlerin – und eine sehr erfolgreiche noch dazu. Ich hatte Yoli kennengelernt, kurz nachdem ich nach New York gezogen war, als die Italiener Kitty, Mandy, Winona und mich mit zu einer Party, in einer Wohnung, in einem der riesigen, alten Gebäude, am Riverside Drive, gebracht hatten. Die Party war voll und festlich, die Wohnung kostspielig. Vince hatte uns der Gastgeberin vorgestellt – einer elegant angezogenen, lateinamerikanischen Frau, mit starkem New Yorker Dialekt und karamellfarbener Haut, grau-melierten Haaren und schwarzen Augen. Yoli.
Vince sagte, Yoli könnte uns jedes Kleidungsstück, das wir wollten, mit einem großen Preisnachlass, besorgen. Binnen kurzer Zeit, machten wir vier Mädchen genau das. Wir gingen zu Yoli und sagten so etwas wie: „Im zweiten Stock bei Saks gibt es ein Kleid, Größe 6 und es ist von diesem Designer.“ Wir nannten ihr das Firmen-Label und gaben ihr eine Beschreibung der Farbe und des Stils der Kleidung. Yoli schrieb die Information auf und dann organisierte sie den Diebstahl. Sie hatte ein Netzwerk von Dieben.
Später rief Yoli uns an, um das Kleidungsstück abzuholen. Das Preisschild hing immer noch daran. Wenn auf dem Schild $ 800,00 stand, gaben wir Yoli $ 400,00 in Bar. Wir zahlten immer den halben Preis. Es war unsere Art des Schnäppchen-Kaufs. Es schlug allemal das Warten, bis die Preise im Laden um die Hälfte reduziert wurden.
Hehlerware zu kaufen war in New York Gang und Gäbe. Am Ende bestellte ich meine ganze Garderobe bei Yoli. Ich war eine gute Kundin. Wir wurden Freunde. Und natürlich brachte ich ihr eine Fülle von Kundenempfehlungen.
Im Geschäft dreht sich Alles um die Vernetzung. Und jeder in der Stadt schien Nebengeschäfte zu betreiben. Und jetzt war Yolis Sohn, Georgie, entschlossen, sein eigenes Drogengeschäft aufzubauen. Und er schloss sich mit mir zusammen: Armands Ex-Freundin – er bot mir einen Job an.
„Wir können nächste Woche hin fliegen, Ingrid.“
„Was muss ich machen, Georgie?“
„Du musst überhaupt nichts machen, Ingrid, außer mich zu begleiten. Du bist nur als Ablenkung da, um uns durch den Zoll am Flughafen zu bringen. Und es ist eine netter Haufen Kleingeld für dich drin.“
„Wie groß ist dieser Haufen Kleingeld?“
„Es wird genug sein. Vertrau mir. Aber es wird etwas riskant sein. Wir müssen quer über die Insel fahren.“
„Wie riskant wird es?“
„Wir werden einige Waren transportieren. Aber mach dir keine Sorgen. Du wirst keine Waren transportieren müssen. Das mache ich.“
Noch vor ein paar Monaten, hätte ich das Gespräch hier beendet. Drogen von Puerto Rico nach New York zu transportieren? Wirklich? Aber Geld kann eine große Motivation sein. Und kein Geld zu haben, erst recht.
Besonders, wenn man ein Kind zu versorgen hatte.
„Wer sind diese Leute, die wir treffen werden?“ fragte ich. „Sind sie gefährlich?“
„Du musst Nichts über sie wissen, außer, dass ich schon Geschäfte mit ihnen gemacht habe. Sie kennen mich. Vertrau mir, sie sind nur ein Glied in der Kette. Ich bin ein Glied in der Kette. Wir sind verbunden.“
„Ich weiß nicht, Georgie. Lass mich darüber nachdenken.“
„Schau, Ingrid, was gibt es da nachzudenken? Alles was du tun musst, ist mir zu vertrauen, ok? Es gibt keinen Anlass zur Sorge.“
WENN ES EINEN ANLASS ZUR SORGE gab, dann war es Georgies Angeberei. Wenn jemand so arrogant herüberkam, wie er es tat, fühlte er innerlich normalerweise das Gegenteil.
Als unser Flug auf dem Flughafen von San Juan landete, betete ich, dass Georgie wusste, was er tat …
In Puerto Rico war es sehr heiß, aber nicht so stickig und schwül, wie in Miami. Trotzdem begann ich, zu schwitzen. Ich trug einen hellgelben Rock und Bluse, meine Haare waren hochgesteckt und zu einem Haarknoten zurückgedreht, um mein Gesicht zu betonen. Georgie hatte mir gesagt, ich solle mich sexy zurecht machen.
„Du wirst Jeden ablenken. Deshalb begleitest du mich.“
Georgie mietete uns eine Schrottkarre am Flughafen. Wir fuhren aus San Juan hinaus. Einige Zeit später rumpelten wir unbefestigte Straßen entlang, tief in die Landschaft hinein. Auf beiden Seiten war die Straße von einem tropischen Bergwald eingepfercht, üppig bewachsene Bäume beschatteten die Straße.
„Du weißt, wo du hinfahren musst, oder?“ fragte ich und versuchte, mich nicht ängstlich anzuhören.
„Ich habe diesen Trip schon einmal gemacht, Ingrid,“ sagte Georgie ganz ruhig.
Ich sorgte mich um mehr als nur, ob wir uns verfuhren. Die Straßen krümmten sich hin und her und Autos hinter uns hingen an unserer Stoßstange und wir hingen an der Stoßstange des Autos vor uns. Manchmal kam auf den Straßen so plötzlich eine Kurve, dass der Gegenverkehr auf unsere Spur abdriftete. Dann hupten beide Fahrer und wichen aus.
Georgie steuerte lässig das Auto: mit versteinerter Miene und wie ein Macho, mit seiner Sonnenbrille und seinem zurück-gegelten, dunklen Haaren. Wie ein Gangster. In seinem blauen Anzugshemd, mit den obersten beiden Knöpfen geöffnet, und seinen dunkelblauen Gabardine-Hosen, schien er noch nicht einmal zu schwitzen.
Wir passierten Barackenstädte. Die Straße stieg bis über die Baumgrenze an. Auf Georgies Seite erstreckten sich steile, grüne Täler unterhalb. Puerto Rico war keine unschöne Insel. Nur verarmt. Deshalb zogen Puerto-Ricaner scharenweise nach Norden, in den Beton-Dschungel von New York. Sie tauschen Schönheit gegen Etwas zu Essen im Bauch.
Jetzt waren wir unten in Puerto Rico, um etwas davon mit nach New York zu bringen.
NACH ZWEI ODER DREI Stunden erreichten wir ein ärmlich aussehendes Dorf, von dem Georgie sagte, dass es das Dorf sei. Es war bettelarm. Armut hing in der Luft, wie Fliegen.
Wir waren mitten im Nirgendwo. Genauer gesagt – in der Mitte einer verarmten Ecke der Welt, die die Mietskasernen von Spanish Harlem wie Villen in Miami Beach aussehen ließen.
Mein Gott.
Georgie hielt vor einem kleinen Haus – sofern man das ein Haus nennen konnte. Es sah eher aus wie eine Hütte, die aus Sperrholzplatten zusammengeschustert worden war und inmitten eines Mischmaschs anderer klappriger Hütten stand, die gedrängt nebeneinander auf einem Hügel angesiedelt waren. Wäsche hing auf Leinen. Stille erfüllte die schwüle Luft, nur unterbrochen von einem aufgeregten Vogelschrei.
Wieviel Uhr war es? Vielleicht 5 Uhr. Ein paar Stunden vor Sonnenuntergang. Ich war schweißgebadet, meine Bluse war unter den Armen dunkel und klebrig. Das war die Kleinste meiner Sorgen. Wir waren dabei, uns auf dieses Geschäft einzulassen.
Worauf hatte ich mich da eingelassen?
Ich sah Rickys Gesicht vor mir.
Mein Baby! Er brauchte mich.
Georgie zog seine Sonnenbrille zurecht.
„Ingrid, denk daran, lass mich reden. Du bleibst einfach still, sagst Nichts, tust Nichts.“
Ich nickte.
Ein älterer Mann, mit schäbigen Hut, wankte die Straße herunter und beachtete unser Auto kaum, als er vorbei ging. In dieser drückenden Hitze waren wir nur ein Hindernis, das auf der Straße zu umgehen war.
Einen Augenblick später, kam ein kleiner, dunkler Mann, mit weißen Hosen und einem kurzärmeligen gelben Hemd, aus dem Haus und schlenderte auf uns zu.
„Kennst du ihn?“ flüsterte ich.
„Ja, ja. Julio,“ murmelte Georgie. Er öffnete seine Tür, stieg aus dem Auto und ging zu dem Mann hin.
Julio sagte ein paar Worte auf Spanisch.
Georgie kam zu meinem Fenster und lehnte den Kopf herein.
„Wir gehen hinein.“
„Wir beide?“
„Ja! Es wäre keine gute Idee, dich alleine hier draußen sitzen zu lassen.“
Schmetterlinge rührten sich in meinem Bauch. Wir passten nicht hier her. Ich wusste nicht einmal wo „hier“ war, geschweige denn, kannte ich den Namen des Dorfes. Aber hier war ich nun: Ingrid Liebschreiber, unverheiratete Mutter, die dringend Geld brauchte und nichts mehr zu verpfänden hatte, der nichts übrig blieb, als Drogenschmugglerin in einem bemitleidenswerten karibischen Land zu sein – und noch dazu eine nervöse, ängstliche, feige Schmugglerin.
In solchen Situationen verschwanden Leute. Mutti wusste nicht einmal, dass ich in Puerto Rico war. Ich hatte ihr gesagt, dass ich nach Miami Beach flog, um Astrid zu besuchen.
Ich holte tief Luft.
Bleib ruhig, Ingrid. Denk positiv. Leute bringen andauernd Drogen aus dem Süden, über die Grenze, nach New York. Wie sonst kam das ganze Kokain in die Nachtclubs? Ganz zu schweigen von Heroin und Marihuana und Drogen, die ich wahrscheinlich noch nicht einmal kannte.
OK. Dieses Geschäft wird schnell über die Bühne gehen und wir werden fort sein.
Oder, würden wir wirklich fort kommen?
Was, wenn wir ausgeraubt und zusammengeschlagen würden? Julio und wer sonst noch in dieser Hütte war, konnten uns total abzocken: das Auto und unser
Gepäck nehmen … und dann mit uns machen, was immer sie wollten. Wir würden für lange, lange Zeit nicht vermisst werden und dann wäre es zu spät. Unsere Überreste . wo immer man sie verrotten ließe – würden von tropischen Tieren und Käfern gefressen werden.
Was hatte ich mir dabei nur gedacht? Georgie zu vertrauen? Diesem jungen Rabauken, den keiner der Mafiosi ernst nahm?
Georgie holte seinen Koffer vom Rücksitz. Konnte ich ihm eine Ausrede erzählen? Konnte ich ihm sagen, dass ich im Auto bleiben wollte?
Ich konnte an Nichts denken.
Wenigstens hatte ich keine volle Blase. Ich war auf dem Flughafen zur Toilette gegangen. Ich hatte, auf dem Weg hierher, Nichts getrunken. Ich hatte mir erspart, die Toiletten-Situation zu ertragen, wie auch immer die in diesem Dreckloch war.
Georgie stand neben meiner Tür, mit dem Koffer in der Hand.
„Ok, gehen wir hinein.“
ICH FOLGTE GEORGIE UND Julio in die Hütte. Wir standen in einem winzigen, muffigen Wohnraum, der nach gebratenen Zwiebeln und Schweineschmalz roch. In der Ecke saß ein weiterer, dunkler, kleiner Mann, auf einem Bambus-Stuhl. Er hatte einen schmalen Schnurrbart und sah Julio sehr ähnlich. Er hielt einen Gewehrlauf in der Hand. Das Gewehr stand aufrecht neben dem Stuhl, mit dem Schaft auf dem Boden. Der Mann starrte kühl geradeaus.
Ein Perlenvorhang hing auf der gegenüberliegenden Seite des Raumes. Ich fragte mich, was auf der anderen Seite war.
Julio musterte mich, dann richtete sich seine Aufmerksamkeit auf Georgie. Ich starrte selbstvergessen in die Luft.
Georgie setzte sich die Sonnenbrille auf den Kopf. Seine Blick war kühl, gefasst. Er und Julio unterhielten sich in schnellem Spanisch. Julio zog die Nase kraus, wegen etwas, was Georgie sagte. Georgie wiederholte, was er gesagt hatte. Julio grinste. Seine oberen Schneidezähne fehlten. Er machte eine Kopfbewegung in Richtung des Perlenvorhangs.
Georgie hob seinen Koffer auf. Die beiden Männer gingen, mit rasselndem Klicken, durch die Perlen hindurch.
Es gab keinen Platz zum Sitzen. Ich zog es sowieso vor, zu stehen. Mir wurde bewusst, dass mein unregelmäßiger Atem laut in meinen Ohren klang. Ich konnte kaum das Gemurmel im anderen Zimmer hören. Ich versuchte es, hörte auf und versuchte es nochmal. Ich schaute seitlich im Raum herum.
Eine hölzerne Verpackungskiste diente als Kaffeetisch. Ein gerahmtes Poster von Jesus. Ein hölzernes Kreuz. Kerzen waren auf einem Regal aufgereiht. Der stumme Mann, dessen Hand den Lauf des aufrechten Gewehrs festhielt.
Unsere Blicke trafen sich. Seine Augen waren nur noch Schlitze. Keiner von uns lächelte. Ich schaute weg.
Georgie kam zurück, ausdruckslos, mit einem anderen Koffer in der Hand. Ich folgte ihm nach draußen. Er warf ganz lässig den Koffer auf den Rücksitz der Schrottkarre und wir stiegen wortlos ein.
Wir fuhren langsam davon. Nachdem wir das Dorf verlassen hatten, begann Georgie zu sprechen.
„Wir sind im Geschäft, Ingrid. Wir müssen nicht noch einmal herkommen.“
„Du bist fertig?“
Er nickte. „Wir fliegen morgen Nachmittag zurück. Ich besorge uns ein Zimmer in San Juan.“
In jener Nacht, im Hotelbett, im Überschwang und der Erleichterung, hämmerte Georgie drauf los, wie ein Prinz.
Auf dem La Guardia Flughafen gingen wir durch den Zoll und Niemand untersuchte unsere Koffer. Alles lief genauso ab, wie Georgie gesagt hatte.
Ich fragte ihn nie danach, was er geschmuggelt hatte. Ich vermutete, es war Kokain. Ich stellte mir vor, dass sein Koffer gespickt voll war mit Tütchen.
An diesem Abend kam Georgie mit einem Umschlag in der Wohnung vorbei. Darin waren 50 Hundert-Dollar-Scheine.
Wir landeten wieder im Bett. Er hämmerte drauf los, wie ein König.
Ich fand mein Goldmedaillon mit dem Heiligen Christopherus und küsste es.
Jetzt hatte ich Geld, um mich eine kleine Weile über Wasser zu halten. Bis ich einen richtigen Job fand und Ricky wie ein verantwortungsvoller Elternteil unterhalten konnte.
Yoli rief an. Ihre Stimme brach.
„Georgie wurde zusammengeschlagen. Er liegt im Krankenhaus.“
Ich fuhr ins Krankenhaus. Yoli und ihr Mann und Jack, ihr ältester Sohn, waren dort. Georgies Kopf war mit weißen Bandagen verbunden. Er hatte zwei Veilchen und sein ganzes Gesicht war aufgeschwollen.
„Er hat einen Schädelbruch,“ sagte Yoli. „Jemand hat ihm das angetan. Sie haben ihn auf den Kopf geschlagen.“
Armer Georgie! Er war dieser Sache überhaupt nicht gewachsen gewesen. Er hatte sich wahrscheinlich mit irgendeiner italienischen oder puerto-ricanischen Organisation eingelassen und war den falschen Leuten in die Quere gekommen.
Vielleicht hatte man ihm eine Falle gestellt. Vielleicht hatte Jemand beschlossen, dass Georgie leichte Beute war, ihn einen Job machen lassen, die Drecksarbeit für sie machen lassen – und ihn dann zusammengeschlagen.
Alles konnte passieren, wenn man nicht richtig vernetzt war. Alles passierte normalerweise auch, wenn man zu sehr versuchte, Jemand zu sein, der man nicht war. Besonders in New York. Die Stadt hatte keine Nachsicht für Narren.
Die Wahrheit war Allen immer klar gewesen, außer Georgie: Er war ein Klein-Krimineller. Es gab eine Horde junger Kerle wie ihn, in New York. Sie strotzten vor lauter Draufgängertum. Sie wollten ganz groß werden und benahmen sich, als ob sie schon da wären.
Sie wollten mit zu wenig zu viel erreichen.
GEORGIE HATTE GLÜCK. Er erholte sich von seinen Verletzungen. Er kam aus dem Krankenhaus nach Hause.
Er rief mich an.
„Ich möchte dich sehen, Ingrid. Ich muss mit dir reden.“
„Es tut mir Leid. Ich habe jetzt keine Zeit.“
Der Sex war toll gewesen, ich hatte etwas Geld verdient, aber ich wollte nichts mehr mit ihm zu tun haben. Meine Tage als Schmugglerin waren vorbei. Georgie war nicht die Art von Person, die ich in meinem Leben haben wollte.
Trotz all der Dinge, die ich getan hatte, seit ich mein Zuhause verlassen hatte – all meine Streifzüge durch Nervenkitzel und Gänsehaut – setzte die Anziehungskraft meiner strengen Erziehung, durch Papa und Mama, am Ende immer ein. Das hielt mich davon ab, aus der Umlaufbahn geworfen zu werden.
Ich würde niemals enden wie Mandy. Oder Geri. Oder eine Million anderer Mädchen, die auf die Überholspur gerieten und den Rest des Lebens dort stecken blieben, egal ob in New York, Miami oder Hollywood – oder wo auch immer Träumer träumten und Intriganten intrigierten und die Gierigen Schönheit verschlangen und das Blut der Jungen tranken.
GEORGIE HÖRTE SCHLIESSLICH AUF, ANZURUFEN. Sechs Monate später überbrachte mir eine gramerfüllte Yoli die Nachricht:
Die Polizei hatte seinen Körper im Kofferraum eines verlassenen Autos gefunden. Die Leiche war in einen Teppich gewickelt. Die Hände waren abgehackt.
Sie hatten nach zu viel gegriffen.
Wenn du die Stadt nicht schlugst, schlug dich die Stadt.
Und manchmal schlug sie dich tot.
Meine $ 5000,-- aus dem Puerto Rico Job hielten mich einige Monate über Wasser. Dann stand ich wieder hinter der 8er Kugel.
„INGRID, SAM SAGT, DU hast ihn bisher nicht angerufen. „Du solltest dich an der Wall Street anstellen lassen,“ sagte David beim Abendessen.
David hatte mich ins Quo Vadis ausgeführt, einem europäischen Restaurant, an der östlichen 63. Straße, nahe der Park Avenue. Ich hatte diese Orte vermisst! David ging mit mir ungefähr alle zwei Wochen zum Mittagessen und jetzt nahm er sich auch noch Zeit zum Abendessen. David war ein wirklicher Freund, ein Vertrauter. Ich teilte ihm alles mit. Ich weiß nicht, was ich ohne ihn gemacht hätte.
Vielleicht wäre ich in ein so tiefes Loch der Verzweiflung gefallen, dass ich einen weiteren nächtlichen Spaziergang im eisigen Manhattan unternommen und versucht hätte, eine Lungenentzündung zu bekommen und mich umzubringen.
Nein, das hätte ich nie getan. Armand war es nicht Wert. Kein Mann war es Wert. Außerdem musste ich mich um Ricky kümmern. Er war alles Wert. Ich würde mein Leben für meinen kleinen Jungen riskieren. Das hatte ich bereits getan, in Puerto Rico.
„Oh David, ich brauche schnell Etwas. Ich brauche einen Job. Es würde mich umbringen, wenn ich meinen Schmuck verliere.“
„Ich dachte, du wärst nicht noch einmal dort hin gegangen, Ingrid.“
„Doch. Ich habe meine Diamanten-Träne verpfändet. Ich darf gar nicht darüber nachdenken!“
Ich hatte die traumhafte Halskette aufgehoben, mich dagegen gewehrt, sie in das Pfandhaus hinunter zu bringen. Aber dann hatte Manny, der Pfandleiher, erklärt, dass er keinen weiteren Schmuck von mir nehmen konnte. Natürlich hatte er es sich anders überlegt, als ich den Tränen-Anhänger, an seiner Weißgold-Kette, vor seiner Nase baumeln ließ. Der tropfenförmige Stein glänzte in hellrosa und weißen Farbtönen. Seine Eulenaugen waren noch größer geworden, hinter seiner Goldrand-Brille.
Manny hatte die Brille abgenommen und eine Juwelier-Lupe auf sein rechtes Auge gesetzt und den Stein, als Vergrößerung, untersucht.
„Hmm, das Teil sieht nicht schlecht aus,“ hatte er gesagt.
„Es ist neu bei Tiffany’s gekauft worden,“ hatte ich gesagt. „Es hat zweieinhalb Karat.“
Manny hatte geseufzt. „Ok, schauen Sie, ich kann Zwölfhundert dafür geben. Das ist das Höchste, was ich zahlen kann. Es ist mehr, als ich normalerweise zahle. Sie werden nirgendwo einen besseren Preis bekommen. Sie können sich gerne umhören. Sie kennen unsere Öffnungszeiten.“
David lehnte sich am Tisch vor. Er hatte eine Fahne, von seinem dritten oder vierten Johnny Walker Black auf Eis. Das stach in meiner Nase wie Jod.
„Schau Ingrid, ich habe einen Vorschlag. Ich weiß, du liebst Armand. Ich werde dir helfen, ihn zurückzubekommen, so gut ich kann. Aber du kannst dich nicht mehr auf diesen Mann verlassen. Du kannst dich nur auf dich selbst verlassen. Und das kannst du gut. Du bist die stärkste Frau, die ich kenne. Auch wenn du verwöhnt bist. „
„Du sagst mir immer, ich sei verwöhnt!“
„Ja, weil du das auch bist. Aber ich genieße wirklich deine Gesellschaft. Du bringst mich zum Lachen. Ich liebe das. Und ich liebe es, dass ich mit dir reden kann, wie mit niemand sonst, auf der ganzen, verdammten Welt. Wenn ich mit meiner Frau reden könnte wie mit dir, dann würde ich eine glückliche Ehe führen. Aber das kann ich nicht. Sie ist ein Miststück. Wir sind keine Freunde. Du und ich, wir beide sind Freunde. Und ich werde meiner Freundin ein Angebot machen. Ein Stellenangebot. Ich biete dir einen Job an, Ingrid. Einen sehr speziellen Job.“
„Einen Job? Du willst, dass ich bei dir im Büro arbeite?“
David wackelte mit dem Finger. Er sah selbstzufrieden aus, zufrieden mit der albernen Idee, die er in seinem angetrunkenen Hirn zusammengebraut hatte.
Er hielt seine Faust zu spät vor den Mund, um einen Rülpser zu unterdrücken. Er tupfte die Lippen mit einer Serviette ab. Er war sehr angeheitert.
„Ingrid, das wird die perfekte Stelle für dich. Ich weiß, du hast ja Mutti als Baby-Sitter. Ich möchte, dass du meine Reisebegleitung wirst, wenn ich geschäftlich verreisen muss. Wir machen jetzt viele Geschäfte in Kalifornien. Wir werden jeweils zwei oder drei Tage fort sein. Ich werde natürlich die ganzen Reisen bezahlen. Aber du musst für mich auf Abruf sein. Im Gegenzug dafür, werde ich deine ganzen Lebenshaltungskosten bezahlen – einschließlich der Wohnung.
Das hörte sich zu gut an, um wahr zu sein.
„Was müsste ich machen, David?“
„Ingrid, du musst nur meine Assistentin und Freundin auf Reisen sein. Du musst nur dafür sorgen, dass ich alles für meine Geschäftstreffen habe und mir die Langeweile vertreiben.
Das war zu verrückt, um wahr zu sein. David war total betrunken.
„Hmm. Ich bin nicht sicher.“
David lehnte sich in seinem Stuhl zurück und hob sein Scotch-Glas. Er hielt inne, mit dem Glas an den Lippen, als ob er meine Gedanken las.
„Ohne weitere Bedingungen,“ sagte er – dann schüttete er sich den Whiskey in den Mund.
„David, das ist sehr aufmerksam von dir. Aber du bist sehr betrunken.“
„Ich weiß, dass ich das bin. Aber wenn dir das Sorgen macht, dann ruf mich morgen einfach im Büro an und ich werde dir das Gleiche nochmal sagen.“
Seine Augenlider fielen auf Halbmast. Seine großartigen blauen Augen glänzten fröhlich.
„Lass mich darüber nachdenken, David.“
IN DIESER NACHT lag ich im Bett, und grübelte über das Angebot nach.
Was, wenn das wirklich sein Ernst war?
Es gab ein Problem. David und ich kannten einander inzwischen so gut und eines wusste ich über David Lowenstein – er hielt es nicht mal eine Nacht ohne Frau aus. Er liebte das Geschäft – aber an zweiter Stelle kam Sex. An dritter Stelle gab es ein Remis zwischen Scotch, Golf und vielleicht noch Geschichtsbüchern.
Sex kam ganz knapp hinter dem Geschäft. Aber vielleicht meinte David, was er sagte und würde sich an diesen Teil des Angebotes halten. Keine weiteren Bedingungen. Vielleicht hatte er vor, meine Reisebegleitung auf einem streng beruflichen Niveau zu halten.
Wenn ich sein Angebot annahm – sofern es wirklich bestand – wäre es, als ob ein zerdrückendes Gewicht von meinen Schultern genommen würde. Mir gingen die Sachen aus, die ich noch verkaufen konnte.
AM NÄCHSTEN MORGEN wählte ich die Nummer von Davids Büro. Seine Sekretärin stellte mich durch.
David kam ans Telefon.
„Ingrid, bist du da? Das Angebot ist immer noch das Gleiche, Baby.“
Ich schnappte nach Luft. Ich wollte in die Luft springen.
Ich kriegte mich wieder ein und nahm einen tiefen Atemzug.
„David, danke. Ich habe es mit Mutti besprochen. Ich denke, wir könnten es versuchen.“
Ich hörte ihn in die Hände klatschen.
„Oh, das ist wundervoll! Dann ist es abgemacht. Also, trage das in deinen Kalender ein: Ich habe für den Zehnten eine Reise nach L.A. geplant.“
Ich brach in ein riesiges Lächeln aus. Ich hatte mich seit Monaten nicht so gut gefühlt. Vielleicht seit einem Jahr nicht mehr. Vielleicht seit zwei Jahren nicht mehr.
„Ich führe dich zum Mittagessen aus, um dich Willkommen zu heißen,“ sagte David. „Kannst du punkt zwölf Uhr fertig sein? „Ich werde mit Sam vorbeikommen.“
WIR SASSEN BEIM MITTAGESSEN. Während wir auf unser Essen warteten, wusste ich, das war der richtige Augenblick. Ich musste von Anfang an die Grundregeln festlegen.
„Nun, David, das ist ein sehr großzügiges Angebot. Aber denk daran, es kann keinen Sex zwischen uns geben.“
Er zuckte mit den Schultern. „Hatte ich dir das nicht gesagt? ‘Keine weiteren Bedingungen’.“
„Das ist dann OK, David.“
„Ingrid, ich habe das zuvor schon gesagt. Ich liebe es, mit dir zusammen zu sein. Du bringst mich immer zum Lachen. Ich schätze deine Gesellschaft sehr. Mir ist es das Wert, dich als meine Reise-Sekretärin zu haben.“
„Und werde ich dann mit Gehaltsschecks bezahlt?“
„Ich bezahle dich aus meinem eigenen Konto. Und, du wirst zwei Mal im Monat bezahlt. Dein Gehalt wird deine Lebenshaltungskosten abdecken, einschließlich der Wohnung, genau wie wir besprochen haben.
David nippte nachdenklich an seinem Scotch.
„Nun, weißt du, Ingrid, ich weiß, woran du gewöhnt bist, wie du lebst. Du bist verwöhnt. Ich kann dir dabei helfen, so zu leben, wie du es bei Armand getan hast. Der einzige Unterschied ist, du wirst selbst bei Tiffany’s und Bendel’s einkaufen. Alles wird astrein sein.“
David wusste Bescheid. Er und Armand waren in unterschiedlichen Branchen tätig. Was David damit meinte war: Ich war keine Geliebte mehr. Ich war jetzt ein Mitglied der normalen Arbeitswelt. Es würden keine Päckchen mehr aus dem Kofferraum geholt werden. Keine weiteren Pelze oder Halsketten, ohne Preisschilder oder Quittungen. Keine weiteren Umschläge, vollgestopft mit Hundert-Dollar-Scheinen.
„Und übrigens, ich brauche etwas von dir, Ingrid.“
„Was wäre das, mein Lieber?“
„Hast du deinen Pfandschein?“
„Ja, aber natürlich.“
„Ich schicke Sam später vorbei, um dich abzuholen. Kannst du, sagen wir, genau um vier Uhr fertig sein? Dann fahren wir hinunter, um deine Diamanten-Träne abzuholen. Wir werden das als Vorschuss auf dein Gehalt betrachten.“
Gerald, der Pförtner, rief eines Abends in meiner Wohnung an, ein paar Minuten, nachdem ich vom Einkaufen zurück war. Es fühlte sich wunderbar an, wieder Dinge kaufen zu können. Ich hatte gute Laune.
„Fräulein Liebschreiber, zwei Herren mit Abzeichen sind hier unten. Ich schicke sie hinauf.“
Schmetterlinge flatterten in meinem Magen. Mein Hals juckte.
„Ingrid, was ist los?“ fragte Mutti.
„Zwei Polizisten kommen herauf, um mit mir zu sprechen.“
„Mein Gott. Um was geht es? Was hast du gemacht?“
„Ich habe nichts gemacht, Mutti. Es ist wahrscheinlich wieder irgend ein Unsinn wegen Armand. Du musst dir keine Sorgen machen. Ich werde sie loswerden.“
Als es klingelte ging ich zur Tür und öffnete. Zwei verdrießlich aussehende Männer, mit grauen Anzügen, zeigten mir ihre Abzeichen. FBI.
Ich hörte nicht einmal darauf, mit welchen Namen sie sich vorstellten.
„Es tut mir Leid,“ sagte ich schnell. „Ich habe Ihnen nichts zu sagen. Ich habe seit langer Zeit keinen Kontakt mit Armand gehabt. Wir treffen uns nicht mehr.“
Der Größere der beiden Agenten hielt eine Hand hoch. „Fräulein Leib-schrieber, es ist nicht notwendig, dieses Gespräch mit einer feindseligen Haltung zu beginnen. Wir benötigen nur etwas von Ihrer Zeit, um einige Fragen zu stellen. Dürfen wir bitte hereinkommen?“
Ich ließ sie herein und schickte sie zur Couch.
„Bitte füttere Ricky-lein in seinem Hochstuhl,“ sagte ich zu Mutti. „Er kann danach sein Bad bekommen.“
Mutti hob Ricky vom Boden auf, wo er mit Holzklötzchen spielte. Trotz seines Kreischens und sich Wehrens, trug sie ihn in die Küche.
Ich setzte mich in den Sessel, den Agenten gegenüber. Es war ein Großer und ein Kleiner. Kurze Haare, glattrasiert, mit unbewegter Miene.
„Er ist ein hübscher kleiner Junge,“ sagte der Große. „Wie heißt er?“
„Er heißt Ricky. Entschuldigen Sie, wird das lange dauern? Ich muss das Abendessen für meine Familie vorbereiten.“
„Das ist eine ernste Angelegenheit,“ fuhr der Agent fort. Er hatte eine tiefe Stimme. Sie hörte sich vertraut an, wie die von Rod Serling. „Wir sind nicht Ihre Feinde, Fräulein Leib-schrieber. Wir ersuchen Sie einfach um einige Informationen und Ihre Kooperation. Glauben Sie mir, es wird in Ihrem eigenen Interesse sein, vollständig mit uns zu kooperieren. Und, entschuldigen Sie, wenn ich das so deutlich sage, aber in Ihrem eigenen Interesse – Sie möchten doch Ihren Sohn aufwachsen sehen, oder?“
Ich stutzte. Seine Worte hörten sich wie eine Drohung an.
Sie waren definitiv eine Drohung.
Mein Blut gefror.
„Was meinen Sie damit?“
„Der Vater Ihres Sohnes,“ fuhr der Agent fort, „Herr Armand Catalfamo, ist einer der größten Gauner von New York. Das wissen Sie sicher. Das FBI hat eine umfangreiche Akte über ihn und – glauben Sie mir – er wird sich wegen vieler ernster Vergehen vor Gericht verantworten müssen. Wir haben auch viele Informationen bezüglich Ihres Hintergrunds, Fräulein Leib-schrieber. Ich teile Ihnen das nur mit, um Ihnen den Ernst der Lage klarzumachen. Sie – als enge und intime Freundin von Herrn Catalfamo – sind nicht vor Strafverfolgung geschützt, falls das FBI beschließt, dass sie eine Behinderung und keine Hilfe, bei unserer Ermittlung, sind. Glauben Sie mir, in diesem Augenblick können Sie kein Nichtwissen vorgeben, Fräulein Leib-schrieber. Die Tatsache, dass Sie jetzt eine Bürgerin unseres Landes sind, bietet Ihnen keinen zusätzlichen Schutz gegenüber Ihrem vorherigen Status als Bürgerin von – ?“
Er hielt inne.
„Der Bundesrepublik Deutschland,” sagte der kleinere Agent. Er war älter als sein blonder Partner, und seine kurzen Haare fingen an, grau zu werden. Er hatte auch eine tiefe Stimme, wie ein Bellen.
„Richtig. Deutschland,“ sagte der Größere. „Das im Westen, nicht das Rote?“
„Das stimmt,“ sagte sein Partner.
Der ältere Agent starrte mich an.
„Sie haben die Wahl, Fräulein Leib-schrieber,“ sagte er.
„Verzeihung, aber meinen Namen spricht man „Liebschreiber“ aus.
„Wie auch immer, bitte ziehen Sie in Betracht, dass Sie nicht die Einzige wären, die darunter leiden würde, wenn Sie die unkluge Wahl, die unvernünftige Wahl, treffen. Sie müssen an Ihren Sohn denken. Er wird nicht bei seinem Vater aufwachsen und es wäre doch schade – eine persönliche Tragödie, wenn man es so nennen will – sollte Ihre Freundschaft mit Herrn Catalfamo und seinen Partnern, ihren Sohn auch noch der Anwesenheit seiner Mutter berauben, Fräulein Leib-schrieber.“
Dieser Bastard!
Ich fing an zu zittern. Ich war kurz davor, auf sie loszugehen. Ich konnte auf ihn springen, seine Augen auskratzen, nach der Pistole greifen, die er sicherlich unter seinem Mantel eingesteckt hatte und sie auf ihn richten – Wumms! – und dann auf seinen blonden Partner.
Ich konnte das. Ich konnte es wirklich!
Ich ballte die Hände zu Fäusten. Ich biss die Zähne zusammen.
Meine Knie schlotterten. Ich war ein Feigling.
Wie konnte ich diese FBI-Agenten aus meinem Heim bekommen? Ich hatte ihnen Nichts zu sagen. Ich war nicht mehr mit Armand zusammen. Ich war nie an seinen Gaunereien, seinen Zahlenwetten, beteiligt gewesen. Armand hatte nie mit mir über seine persönlichen Angelegenheiten gesprochen – und dafür war ich plötzlich dankbar. Ich erinnerte mich an seine Worte:
Eines Tages wirst du mir noch dankbar sein dafür, Ingrid, wie ich dich behandle, was ich mache. Du wirst mir noch dankbar sein, dass ich dich nicht überall mit hin nehme.
Tja, jetzt war ich dankbar. „Eines Tages“ war da. Und ich konnte damit umgehen.
Ich holte tief Luft. Ich verschränkte die Arme. Zu meiner Überraschung, war meine Stimme ruhig.
„Wie ich Ihnen schon zuvor gesagt habe, ich habe Ihnen Nichts zu sagen. Ich bin US-Bürgerin. Und ich arbeite für meinen Lebensunterhalt. Nun, wenn es Ihnen nichts ausmacht, muss ich das Abendessen machen.“
Die Agenten schauten einander an. Sie klopften sich auf die Schenkel, bückten sich vor und erhoben sich. Sie folgten mir zur Tür. Ich hielt sie für sie auf.
Der Größere von beiden, zögerte. Seine Lippen verzogen sich zu einem kleinen Lächeln. Seine Augen blickten kalt. Ich hatte ein seltsames Gefühl: So war also die Gestapo gewesen. Dieser blonde FBI-Agent war austauschbar mit einem Nazi-Geheimpolizisten.
„Wir werden Ihren Freund kriegen, Fräulein Leib-schrieber.“
„Ich habe Ihnen gesagt, mein Name ist Liebschreiber!“
„Wie auch immer, wir sind seit langer Zeit hinter Ihrem Freund her. Sie werden wieder von uns hören.“
Er hielt zwei Finger an die Schläfe und warf sie nach vorne zum Gruß.
„Einen schönen Abend noch, Fräulein Leib-schrieber. Auf Wiedersehen. Oder, wie die Franzosen sagen: Au revoir. Das heißt, wir werden Sie wieder sehen.“
David buchte für uns im Beverly Hills Hotel. Alles bei David Lowenstein war erstklassig. Das Beverly Hills Hotel war ein Fünf-Sterne-Haus und er hatte einen Bungalow in den üppigen Gärten spendiert. Mit getrennten Zimmern, natürlich.
„Das ist Nummer fünf,“ sagte David. „Dies war der Bungalow von Howard Hughes. Du und Yoli könnt aussuchen, welches Zimmer Ihr möchtet.“
David hatte mich Yoli, als Gesellschaft, mitnehmen lassen, weil er den ganzen Tag mit Besprechungen beschäftigt sein würde. Sie hatte gefragt, ob sie mitkommen könne, als ich erwähnt hatte, dass ich nach L.A. fahren würde.
„Ich habe darüber nachgedacht, in den Westen zu reisen,“ hatte sie gesagt.
„Kein Problem,“ hatte David gesagt. Er war so rücksichtsvoll! Egal um was ich bat, er tat es für mich. Obwohl unsere Freundschaft platonisch war, war er darauf aus, mich so zu verwöhnen, wie Armand. Da kam die konkurrenzbetonte Seite des männlichen Egos zum Vorschein. Männer waren so berechenbar.
Ich hatte keinen Grund, mich zu beschweren.
WÄHREND DAVID BEI seinen Geschäfts-Treffen war, lagen Yoli und ich, im Bikini, am Hotel-Pool.
„Ingrid morgen muss ich Jemand in der Stadt treffen. Möchtest Du mitgehen?“
„Oh, mit wem triffst du dich, Yoli?“
„Mit einem meiner Hehler.“
Sie machte Geschäfte an der Westküste?
„Es ist nicht gerade in der besten Gegend,“ fuhr Yoli fort. „Aber falls du mitkommen möchtest, es wird wahrscheinlich nur eine Stunde dauern.“
Warum nicht? Ich hatte nichts Besseres vor. Das könnte interessant sein. Vielleicht würde ich einen Teil von L.A. sehen, den ich noch nie gesehen hatte.
David hatte gesagt, wir könnten in der Stadt herumkommen, in dem wir einen Fahrer des Hotels nahmen. Dieser Service würde einfach auf seine Rechnung geschrieben.
Am nächsten Nachmittag bestellte ich an der Rezeption ein Auto. Yoli gab dem Fahrer eine Adresse in South-Central L.A.
„Watts?“ fragte der Fahrer.
„Watts,“ sagte Yoli.
„Watts?“ sagte ich. „Das ist das Ghetto, Yoli!“
„Na und, du warst auch schon in Harlem.“
„Ja, aber in Watts waren die ganzen Unruhen.“
Ich erinnerte mich an die Fernseh-Bilder: Banden, wütender Schwarzer, die Autos verbrannten, Läden plünderten und auf Polizisten und Feuerwehrleute schossen.
„Oh, Ingrid,“ sagte Yoli. „Das war vor einigen Sommern. Da ist es jetzt wie überall sonst.“
DAS LINCOLN TOWN CAR des Hotels hielt vor einer Bar an. Neon-Bierwerbungs-Schilder leuchteten im Fenster.
„Ich kann an der Ecke parken,“ sagte der Fahrer.
Er ließ uns aussteigen. Ich folgte Yoli durch den Eingang, in die Bar hinein. Wir blinzelten im Dämmerlicht. Kunden saßen auf Barhockern oder an Tischen und tranken. Schwarze Männer. Köpfe drehten sich zu uns um. Das leise Summen des Geredes hörte sofort auf. Sie starrten uns an – besonders mich. Ich war eine weiße Blondine.
Ein Mann, am Ende der Bar, nickte. Yoli ging schnell auf ihn zu. Ich hielt mich dicht hinter ihr.
Der Mann stand auf. Er war groß, wie ein Basketball- oder Football-Spieler. Er hielt Yoli seine Hand hin.
„Jerome, das ist meine Freundin Ingrid, aus New York,” sagte Yoli.
Jeromes breite Lippen verzogen sich zu einem Grinsen und er schüttelte langsam den Kopf. Er nahm meine Hand, mit großem, fleischigen Griff.
Yoli saß auf dem Barhocker neben Jerome und ich setzte mich auf den Hocker neben ihr. Die Luft war abgestanden, vom Rauch. Es war untertags und niemand war am Billard-Tisch. Es gab eine Jukebox, aber die spielte gerade nicht. Die Kneipe war nicht allzu voll.
Jerome bestellte Bier. Der Barkeeper stellte Flaschen und Gläser vor uns hin. Jerome senkte seinen Kopf zu Yoli und sie fingen leise an, zu sprechen.
Ich schaute beiläufig die Bar hinunter und auf die Tische hinter uns, bemühte mich, niemand anzustarren. Hier gab es keinen Ärger. Alles war cool. Ich war mit Yoli hier. Yoli kannte Jerome. Sie redeten mit leiser Stimme. Niemand konnte hören, worüber sie sprachen.
Weshalb sollte man sich so viele Sorgen machen?
Die Tür schlug auf und ein Mann taumelte herein. Sein Kopf schaukelte, wie verrückt, hin und her. Sein weißes Hemd hatte dunkelrote Flecken.
Der Mann hob seinen Arm vor sich hoch. Jemand schrie. Man hörte das Rücken von Stühlen und Tischen. Körper warfen sich auf den Boden.
Crack, crack, crack!
Jerome packte Yolis Arm mit einer Hand und meinen Arm mit der Anderen und zog uns von unseren Barhockern. Er schleppte uns zum Billard-Tisch und warf uns darunter.
Crack, crack!
Tumult. Wütende Schreie und das Stampfen von Füßen. Ein Tisch wurde umgeworfen und zerschlagen. Yoli und ich verdrehten die Köpfe und schauten einander ängstlich an.
„Bringt ihn raus!“ schrie ein Mann.
„Ich habe ihn! Ich habe ihn!“
„Ich habe die Knarre des Idioten!“
Ein Körper schlug gegen die Wand. Die Tür schwang auf. Dann hörte man in der Bar aufgeregte Stimmen von draußen.
„Ooh-wee!“ schrie jemand, vorne an der Bar. „Ooh-ooh-wee!”
Yoli kroch unter dem Billard-Tisch hervor. Sie steckte ihren Kopf wieder hinunter, ihr Gesicht stand auf dem Kopf.
„Ingrid, bist du ok?“
„Was ist los?“
„Baby, es ist ok. Sie haben ihn raus gebracht.“
Ich bekam kaum Luft. Ich hatte mir Ellbogen und Knie angeschlagen. Ich kroch hervor, erwartete Körper in Blutlachen liegen zu sehen, wie bei der Schießerei im Paolo’s 10:50, in Little Italy.
Es lagen keine Körper auf dem Boden.
Ich fing an zu kichern. Yoli schaute mich an und fing auch an. Wir beide lachten und lachten. Ich hatte Seitenstechen. Es fühlte sich an, wie Stiche einer Stricknadel. Es war wie damals, als Astrid und ich uns mit dem Oldsmobile in der Wüste überschlugen. Eine nervöse Reaktion auf die fürchterliche Angst.
Niemand in der Bar beachtete uns. Gäste unterhielten sich untereinander, während der Barkeeper Stühle und Tische wieder aufrichtete, die umgeworfen worden waren.
Die Tür öffnete sich und Jerome kam herein. Er schaute uns an und eilte herüber.
„Seid Ihr Frauen ok?“
Yoli und ich lachten immer noch wie kleine Mädchen.
Eine Sirene heulte in der Ferne.
„Alles ist cool,“ sagte Jerome. „Wir müssen unsere Geschäfte besprechen.“
„Wir gehen jetzt,“ sagte Yoli.
DRAUSSEN HIELTEN zwei schwarz-weiße Polizeiautos, mit blinkendem Blaulicht, an. Viele Leute standen herum. Wir hielten nicht an, um zu gaffen. Wir liefen schnell zur Ecke, wo das Hotelauto wartete. Wir kletterten auf den Rücksitz.
Unser Fahrer drehte sich mit aufgerissenen Augen zu uns um.
„Was war da drin los?“
Yoli machte eine wegwerfende Handbewegung. „Wir wissen es nicht. Wir haben nichts gesehen.“
Das Gesicht des Fahrers war bleich. „Das ist kein guter Teil der Stadt. Hier ist es nicht sicher. Ich muss irre gewesen sein, Sie hierher zu bringen. Das Hotel wird das nicht noch einmal erlauben.“
„Geben Sie Gas, Fahrer,“ sagte Yoli.
Der Lincoln fuhr abrupt an, bog mit quietschenden Reifen um die Ecke und raste los, nach Beverly Hills.
Es war Frühling. Ich war seit vier Monaten Davids Reisebegleitung. Ich begleitete ihn einmal im Monat nach Los Angeles oder sonst irgendwo hin, auf Geschäftsreise. Den Rest der Zeit hatte ich frei, um mich um Ricky zu kümmern, einzukaufen, mit Caroline Kahn Essen zu gehen und um die Kunstmuseen, Restaurants, Konzerte und Clubs von New York zu genießen.
Ich schwamm Runden im Pool des Wohngebäudes, in das wir gezogen waren, an der 84. Straße und East End Avenue. Das Schwimmen schien mich zu verjüngen. Ich war jetzt total über Armand hinweg. Ich sah ihn nur bei seinen immer selteneren Besuchen bei Ricky. Er alterte, seine Haare wurden grauer, seine Schultern begannen zu hängen.
Kitty erzählte mir, dass das FBI ihm nah auf den Fersen war.
Ricky wuchs schnell heran, als er sich seinem zweiten Geburtstag näherte – war groß und stämmig für sein Alter, redete viel und war voller Energie. Er hatte die männlichen Züge seines Vaters. Nur würde er nie wie sein Vater werden. Ricky würde zu einer aufrechten und ehrlichen Person heranwachsen. Er würde jemand auf der richtigen Seite des Gesetzes werden.
Das schwor ich.
ANFANG JUNI fuhr ich mit David nach L.A. Er buchte uns einen Bungalow mit zwei Schlafzimmern, im Beverly Hills Hotel. Getrennte Zimmer, wie immer.
Dienstags Abends kam er ins Hotel zurück und fand mich im Bikini, am Pool liegend, vor.
Er nickte mir zu und verzog das Gesicht.
Ich lächelte sonnig. „Wie war dein Tag, David?“
„Frag nicht!“
Er musste einen schweren Tag bei seinen Geschäfts-Treffen gehabt haben.
„Nun, David, möchtest du einen Drink? Können wir Essen?“
„Ja, wie wär’s mit etwas Soul Food?“ Sein Ton war kurz angebunden.
Er war wirklich mies gelaunt. Nun, ich würde ihn aufheitern.
„Oh, das hört sich interessant an. An was hattest du gedacht?“
David kannte alle tollen Restaurants in West L.A. Aber er beantwortete meine Frage nicht. Er war sehr sauer, nicht ganz auf dem Damm.
Aber bestimmt würden ihn ein schönes Abendessen – und einige Johnny Walker Black – aufheitern.
Ich folgte ihm aus dem umzäunten Poolbereich hinaus und entlang des Fußwegs, durch die Gärten, zu unserem Bungalow. Ich holte den Schlüssel aus meiner Badetasche und schloss die Tür auf. Wir gingen hinein.
Unsere Schlafzimmer grenzten an das Wohnzimmer. Um zu meinem Zimmer zu kommen, musste ich durch das von David gehen.
Plötzlich stampfte er auf. Ich erschrak mich fast zu Tode.
Davids Gesicht war knallrot, seine Augen wild.
Meine Kinnlade kippte runter.
„David, was ist los? Was ist heute passiert?“
Er schleuderte seinen Aktenkoffer gegen die Wand – whack! Er wirbelte herum zu mir.
„Ingrid! Ich stehe hier mit ein Paar blauen Eiern! Du rennst halb nackt herum! Du weißt, dass ich ein Mann bin! Mit dieser Abmachung ist Schluss!“
Er überkreuzte die Arme leidenschaftlich.
„Schluss!“ stieß er wütend hervor.
Ich wich zurück. Ich trat zurück, bis ich vor dem Bett stand.
„Entweder hast du Sex mit mir, oder mit Allem ist Schluss!“ schrie David.
Ehe ich wusste, wie mir geschah, packte er meine Schultern und warf mich zurück auf das Bett. Und dann wurde mein Bikini-Höschen meine Beine herunter gerissen.
Ich kam wieder zu Atem.
„David, Halt!“
Es war, wie der Versuch, mit einer wilden Bestie zu sprechen. Er zerrte meine Beine auseinander. Seine Hände umklammerten meine Hüften wie Eisengriffe.
Er vergrub seinen Kopf zwischen meinen Schenkeln.
„Oh – David.”
Etwas Feuchtes saugte an mir. Etwas Weiches und doch Festes drang in mich ein.
Seine Zunge.
Mein Gott!
Seine Zunge schnalzte hinein und heraus, wie die einer Schlange.
Guter Gott im Himmel!
Eine Welle der Wärme ließ mich erbeben. Ich hatte so etwas noch nie gespürt – niemand hatte das bisher mit mir gemacht. Ich fühlte mich, als ob ich schmolz.
„Oh! Mein. Gott“.
Ich konnte mich selbst stöhnen hören.
„Oh, David.”
Ich konnte meinen Kopf nicht heben, um zu sehen, was gerade passierte. Mein Kopf und Nacken sanken ins Kissen. Meine Finger tasteten blind hinunter, griffen nach dem sich ruckartig bewegenden Kopf, verflochten sich in seinen Haaren.
Zärtlich saugte, leckte und knabberte er an mir und küsste mich. Ein Heer von Nervenenden erwachte.
Die Zunge schnalzte schneller. Sie fand meine Klitoris und presste dagegen. Zähne nagten daran. Sie prickelte.
Nadelstiche der Entzückung schossen von der Spitze der Klitoris bis zum unteren Ende meiner Wirbelsäule.
Meine Ohren dröhnten.
Dann hörte die Stimulation auf.
Ich hob meinen Kopf und ließ ihn sofort wieder fallen. Die Zunge schnellte wieder in mich hinein.
Sie bewegte sich dick hinein und wirbelte herum, erforschte die Seiten der Höhle, kreiste herum und herum.
Vibrationen summten unter meiner Haut – breiteten sich aus, von den Ohren zu meinen Wangen, meinem Kinn, meinem Hals, meiner Brust, meinem Hintern, meinen Knien, meinen Zehen.
Meine Haarspitzen zitterten auf dem Kissen. Meine Handflächen kribbelten.
Ummmmm. Ahhhhhh.
Es war mir egal.
„Oh! Mein. Gott. David.“
David Lowenstein machte das. Davids Gesicht war zwischen meine Beine gepresst. Davids Mund.
Weshalb hatte ich mich vorher nicht von ihm lieben lassen? All die Jahre, die wir einander gekannt hatten. Dies war ein unglaubliches Geheimnis, ein Wunder, ein Tor zum Himmel.
Er wusste wirklich, was er tat! Und wie!
Meine Zehen verkrampften sich und rollten sich ein. Meine Finger krallten sich in die Haare des Kopfes, der zwischen meinen Schenkeln rieb.
Und dann, bebend, fielen meine Knie zur Seite. Mein Körper verkrampfte sich und dann explodierte der Vulkan.
Von dem Moment an, war ich nicht mehr Davids Reise-Sekretärin. Ich war seine Freundin.
In jener Nacht schliefen wir im selben Bett.
UNSER GLÜCK WURDE am nächsten Tag unterbrochen. Die ganze Stadt stand unter Schock.
Bobby Kennedy, der Spitzenreiter für die Nominierung des Präsidentschaftskandidaten der Demokratischen Partei, war kurz nach Mitternacht, in einer Küche des Ambassador Hotels, im Stadtzentrum von Los Angeles, in den Kopf geschossen worden. Er hatte gerade seine Siegesrede beendet, nach dem Gewinn der kalifornischen Vorwahlen.
Das Blut wich aus Davids Gesicht.
„Ich mag seine liberale Politik nicht, Ingrid, aber er ist ein guter Mann. Niemand sollte erschossen werden, nur weil er für ein Amt kandidiert. Wie tief ist dieses Land gesunken? Verdammte Anarchie! Zuerst Martin Luther King und jetzt das. Wann wird das aufhören?“
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