Anton Schaller

Gewalt im Alter

Berichte über ein Tabuthema

 

 

 

Inhaltsverzeichnis

Titel

Kapitel 1

Kapitel 2

Kapitel 3

Kapitel 4

Kapitel 5

Kapitel 6

Kapitel 7

Kapitel 8

Kapitel 9

Kapitel 10

Kapitel 11

Impressum neobooks

Kapitel 1

Gewalt im Alter

 

Aufgezeichnet

von

Anton Schaller

 

 

Vorwort

 

Gewalt im Alter ist ein absolutes Tabuthema, über das keiner gerne spricht, obwohl Gewalt in den verschiedensten Formen Tag für Tag gegen unsere alten Mitmenschen ausgeübt wird. In Heimen, in Krankenhäusern, in der Familie und in anderen sozialen Umgebungen. Die Gründe dafür sind vielfältig: Unkenntnis, Ungeduld, Überforderung, finanzielle Interessen, falsche Strukturen in der Altenbetreuung, zu wenig Personal, das schlicht und einfach überfordert oder für diesen schweren Beruf zu wenig ausgebildet ist. Und dann kommen da noch die vielen kriminellen Machenschaften dazu, die sich gezielt gegen Senioren richten, weil man von ihnen aufgrund des geistigen Verfalls den geringsten Widerstand erwartet. Alte Menschen sind in den meisten Fällen ihrer Umgebung hilflos ausgeliefert, können sich nicht wehren, haben kein Sprachrohr für ihre Anliegen und müssen sich einfach darauf verlassen können, dass man es gut mit ihnen meint. Die Seniorinnen und Senioren unserer Tage haben ein menschenwürdiges Leben in jeder Hinsicht verdient und jeder, der beruflich oder privat mit ihnen zu tun hat, sollte sein Bestes geben, ihren letzten Lebensabschnitt so angenehm wie nur möglich zu gestalten. Und jeder sollte seine Augen offen halten und sofort mit aller Entschiedenheit einschreiten, wenn er sieht, dass ein alter Mensch Opfer von Gewalt geworden ist.

Die verschiedenen Arten der Gewalt:

Die folgenden 10 Berichte zu den verschiedenen Formen von Gewalt gegen ältere Menschen basieren auf tatsächlichen Ereignissen, die der Autor aus erster Hand erfahren hat, und sind naturgemäß nur die Spitze des Eisberges. Gewalt im Alter passiert jeden Tag, immer und überall auf dieser Welt. Und dagegen sollte man ankämpfen.

Die Namen der handelnden Personen wurden natürlich zu deren Schutz geändert.

Der Autor wünscht sich von seinen Leserinnen und Lesern, dass sie, durch diese Berichte sensibilisiert, aufmerksam ihre Umgebung beobachten und immer dann einschreiten, wenn ein hilfloser alter Mensch auf irgendeine Weise Opfer von Gewalt wird.

Kapitel 2

Wo bleibt die Würde?

 

(Nach einem Erlebnis von Silvia W.)

 

„Kannst du nicht fester anpacken?“, schimpfte Doris, die Altenpflegerin, mit der ich seit einigen Tagen auf der Station arbeitete. „Die Huber ist verdammt schwer!“

Ich nahm alle Kräfte zusammen, und gemeinsam konnten wir dann die alte Frau aus ihrem Bett heben. Doris ließ sie ziemlich unsanft in den bereitstehenden Sessel fallen und schleuderte ihren Arm zurück, mit der sich die alte Dame an ihre Pflegerin geklammert hatte. Wütend biss ich die Zähne zusammen. Doch dann sprudelte es aus mir heraus. „Glaubst du nicht, dass du viel zu grob bist, Doris? So kann man doch nicht mit alten Menschen umgehen!“

„Die Huber kriegt das doch gar nicht mit!“, lachte meine Kollegin, während sie sich daran machte, das Bett neu zu überziehen. „Sieh doch selbst, wie verweht sie ist!“

„Auch in diesem Zustand spüren die Menschen, ob man liebevoll oder brutal mit ihnen umgeht!“, widersprach ich, doch Doris winkte ab und sagte: „Papperlapapp! Sei nicht so empfindlich, Silvia! Wenn du erst einmal so lange wie ich diesen beschissenen Job machst, dann vergehen dir diese sentimentalen Gedanken. Die alten Weiber sollen froh sein, dass man ihnen den Hintern putzt. Schließlich sind sie hier nicht in einem Luxushotel …“

Ich schüttelte den Kopf. „Mit deiner Einstellung, Doris, solltest du dir einen anderen Beruf suchen“, knurrte ich wütend, während ich meiner Kollegin half, das Leintuch zu spannen. „Jeder Mensch hat doch ein Recht darauf, würdevoll behandelt zu werden. Ganz besonders, wenn er alt und pflegebedürftig ist …“

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