Allison Leigh
Milliardär sucht Braut
IMPRESSUM
BIANCA erscheint im CORA Verlag GmbH & Co. KG,
20350 Hamburg, Axel-Springer-Platz 1
Redaktion und Verlag: Brieffach 8500, 20350 Hamburg Telefon: 040/347-25852 Fax: 040/347-25991 |
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Vertrieb: | asv vertriebs gmbh, Süderstraße 77, 20097 Hamburg Telefon 040/347-27013 |
© 2008 by Allison Lee Davidson
Published by arrangement with HARLEQUIN ENTERPRISES II B.V., Amsterdam
© Deutsche Erstausgabe in der Reihe BIANCA
Band 1714 2010 by CORA Verlag GmbH & Co. KG, Hamburg
Übersetzung: Tatjana Lénárt-Seidnitzer
Fotos: Matton Images
Veröffentlicht im ePub Format im 12/2010 – die elektronische Ausgabe stimmt mit der Printversion überein.
eBook-Produktion: GGP Media GmbH, Pößneck
ISBN 978-3-86295-283-0
Alle Rechte, einschließlich das des vollständigen oder auszugsweisen Nachdrucks in jeglicher Form, sind vorbehalten.
CORA-Romane dürfen nicht verliehen oder zum gewerbsmäßigen Umtausch verwendet werden. Führung in Lesezirkeln nur mit ausdrücklicher Genehmigung des Verlages. Für unaufgefordert eingesandte Manuskripte übernimmt der Verlag keine Haftung. Sämtliche Personen dieser Ausgabe sind frei erfunden. Ähnlichkeiten mit lebenden oder verstorbenen Personen sind rein zufällig.
Juli
Grayson Hunt, kurz Gray genannt, war äußerst verstimmt über den Einberufungsbefehl, den er wie seine drei jüngeren Brüder von seinem Vater erhalten hatte. Um dem Aufruf zur „Hütte“ zu folgen, wie sie das eindrucksvolle Familienanwesen am Lake Washington seit frühester Jugend nannten, hatte Gray sechs wichtige Meetings absagen müssen. In seinem Büro in der Innenstadt von Seattle warteten darüber hinaus unzählige dringende Aufgaben auf ihn.
Die viele Arbeit wäre natürlich keine Entschuldigung gewesen. Denn als Vorsitzender des Familienunternehmens musste er stets fähig sein, sämtliche Verantwortlichkeiten zu bewältigen.
Sein Vater Harrison Hunt ließ sich jedenfalls nie für längere Zeit durch unvorhergesehene Ereignisse von der Pflicht abhalten. Als einziges Kind eines Ladenbesitzers und einer Hausfrau hatte er eine bahnbrechende Software entwickelt, die Computerfirma HuntCom gegründet und sie zu einem internationalen Multimilliarden-Konzern ausgebaut.
Gray war zweiundvierzig, Harrys Erstgeborener und sein Stellvertreter in sämtlichen Belangen. Angeblich war er seinem Vater sehr ähnlich. Das war Fluch und Segen gleichermaßen.
Gemeinsam warteten die vier Brüder nun in der geräumigen Bibliothek. Zum wiederholten Male misslang Gray ein Stoß am Billardtisch. Er schüttelte den Kopf über sich selbst und überließ seinem Bruder Justin, der mit vierunddreißig der Jüngste in der Runde war, das Feld.
Gekonnt lochte Justin eine Kugel ein und fragte: „Weiß eigentlich jemand, warum uns der alte Herr herbestellt hat?“
„Er hat nichts dazu sagen wollen.“ Als sein Handy vibrierte, holte Gray es aus der Tasche und blickte auf das Display. Es war eine SMS von seiner Sekretärin Loretta, die ihn überall und jederzeit in den wichtigsten Angelegenheiten auf dem Laufenden hielt.
Alex saß in einem der schweren Ledersessel und beugte sich vor. „Harry hat dich höchstpersönlich zu sich zitiert? Mich auch.“ Mit seinen sechsunddreißig Jahren war Alex der Zweitjüngste und leitete die Harrison Hunt Foundation, den wohltätigen Zweig der Firma. Auch er hatte wichtige Termine absagen müssen. Mit seiner Bierflasche deutete er zum Vierten im Bunde. „Und was ist mit dir, J.T.? Hat dich Harry auch mit einem persönlichen Anruf beehrt?“
„Allerdings.“ Der achtunddreißigjährige J.T. hielt ein Glas Bourbon in einer Hand und sah völlig erledigt aus. Als führender Architekt war er für sämtliche Immobilien und Baupläne von HuntCom verantwortlich und daher fast ständig auf Reisen. „Ich habe ihm erklärt, dass ich in Neu-Delhi für den Rest der Woche alle Termine absagen und für den Hin- und Rückflug jeweils einen Tag im Flugzeug verbringen muss. Aber er hat darauf bestanden, dass ich trotzdem komme.“ Müde blickte er zu Justin. „Und bei dir, Justin?“
„Dasselbe. Ich war auf der Ranch. Er wollte unbedingt, dass ich sofort komme.“ Nachdenklich drehte Justin das Queue zwischen den Fingern. „Aber er hat nicht gesagt, warum es so eilig ist.“
Niemand kannte den Grund für dieses Meeting. Und das ärgerte Gray. Schließlich wusste Harry, wie beschäftigt sie alle waren. Wozu trommelte er seine Söhne so überstürzt zusammen und ließ sie dann so lange warten?
Erneut holte er sein vibrierendes Handy heraus. Verdammt! Schon wieder ein Problem mit dem Aufkauf des neuesten Unternehmens für HuntCom. Um ungestört telefonieren zu können, wollte er den Raum verlassen. Bevor er jedoch die Tür erreichte, flog sie auf – sein Vater trat ein.
„Ah, da seid ihr ja alle. Hervorragend.“ Harry eilte zu seinem massiven Schreibtisch aus Mahagoniholz. Trotz des Herzanfalls, den er kürzlich erlitten hatte, legte Harry eine erstaunliche Energie an den Tag. „Kommt her, Jungs“, lud er sie beinahe so freundschaftlich ein, als täte er es jeden Tag.
Was nicht der Fall war. Dass er ein fürsorglicher aktiver Dad war, konnte man beim besten Willen nicht von ihm behaupten.
Ebenso wie seine Brüder ignorierte Gray Harrys Aufforderung, und die vier Stühle vor dem Schreibtisch blieben leer.
Harry dagegen setzte sich. Seine scharfen blauen Augen blitzten verärgert hinter der schwarzen Hornbrille. Ungehalten zuckte er die Achseln und murmelte: „Wie ihr wollt. Ob ihr sitzt oder steht, macht keinen Unterschied.“ Er räusperte sich. „Seit meinem Zusammenbruch im letzten Monat habe ich eine Menge über diese Familie nachgedacht. Bisher hat es mich nicht weiter gestört, dass ihr keine Anstalten macht, die Zukunft unseres Familiennamens zu sichern. Aber ich hätte an dem Herzinfarkt sterben können“, sagte er tonlos. „Ich kann jeden Augenblick sterben.“
Gray konnte sich das nur schwer vorstellen.
Denn Harry wirkte noch immer sehr vital und äußerst starrsinnig. Trotz seiner siebzig Jahre war sein Haar kaum ergraut. Doch obwohl er in vielerlei Hinsicht wie eine Maschine funktionierte, war es nicht von der Hand zu weisen, dass er älter wurde.
Er stand auf, beugte sich vor und stützte die Hände auf den Schreibtisch. „Und mir ist klar geworden, dass ihr vier nie freiwillig heiraten werdet – was bedeutet, dass ich keine Enkelkinder bekomme. Doch der Name Hunt darf mit euch nicht aussterben. Ich werde die Zukunft unserer Familie nicht länger dem Zufall überlassen. Ich gebe euch ein Jahr. Am Ende dieses Jahres wird nicht nur jeder von euch verheiratet sein, sondern auch ein Kind haben oder zumindest mit seiner Frau eins erwarten.“
Absolutes Schweigen breitete sich nach diesen Worten aus.
„Klar“, murmelte J.T. schließlich.
Harry ließ sich nicht beirren. Ruhig erklärte er: „Wenn nur einer von euch sich weigert, werden alle ihre Positionen bei HuntCom verlieren. Und damit auch die Sonderrechte, die euch so viel bedeuten.“
„Das kann nicht dein Ernst sein“, wandte Gray ein.
„Das ist mein voller Ernst.“
„Bei allem Respekt, Harry: Wie willst du denn die Firma ohne uns führen?“, wollte J.T. wissen. „Ich weiß nicht, woran Gray, Alex oder Justin arbeiten. Ich bin gerade mit dem Ausbau von drei Niederlassungen gleichzeitig beschäftigt: hier in Seattle, in Jansen und in Neu-Delhi. Wenn ein anderer Architekt die Bauleitung übernimmt, wird es Monate dauern, bis er auf dem Laufenden ist. Die Verzögerung würde HuntCom ein Vermögen kosten.“
Harry zeigte sich unbeeindruckt. „Das spielt dann keine Rolle mehr: Wenn ihr vier euch weigert, werde ich HuntCom nämlich verkaufen. In Stücken, wenn es sein muss. Dann gibt es keinen Neubau in Neu-Delhi. Und Hurricane Island ist auch Geschichte.“
Die Insel war J.T.s Zufluchtsort. Auf sie verzichten zu müssen würde ihn vermutlich härter treffen als der Verlust der Firma.
Harry heftete den stählernen Blick auf Justin. „Natürlich würde ich auch die HuntCom-Anteile an der Ranch in Idaho verkaufen.“ Er wandte sich an Alex. „Außerdem würde ich die Stiftung schließen.“ Schließlich betrachtete er Gray und teilte den letzten Tiefschlag aus. „Und wenn es keine Firma mehr gibt, braucht sie auch keinen Vorsitzenden mehr.“
Gray erstarrte und ignorierte ausnahmsweise sein vibrierendes Handy. HuntCom portionsweise verkaufen? Was für eine wahnwitzige Idee! Harry hatte die Firma gegründet, und sie war Grays Leben. Er konnte die Drohung nicht ernst nehmen.
Doch seit dem Herzanfall vor einem Monat verhielt Harry sich immer unberechenbarer – und er besaß die Aktienmehrheit. Somit konnte er praktisch schalten und walten, wie es ihm gefiel. Selbst wenn sich der gesamte Vorstand, der aus seinen Söhnen, seiner ältesten Freundin Cornelia und deren vier Töchtern bestand, gegen ihn stellte: Er konnte nicht überstimmt werden.
Alex trat einen Schritt vor. „Das ist doch verrückt! Was willst du damit denn erreichen?“ „Dass ihr alle eine Familie gegründet habt, bevor ich sterbe. Und zwar mit einer Frau, die eine gute Ehefrau und Mutter ist.“
Gray unterdrückte ein sarkastisches Lachen. Das war köstlich! Denn Harry selbst hatte nie eine solche Frau gewählt – für keine seiner insgesamt vier Ehen, aus denen die vier Brüder hervorgegangen waren.
„Ach ja. Cornelia wird sich eure Auserwählten vorher ansehen.“
„Tante Cornelia weiß Bescheid?“, fragte Justin fassungslos.
„Noch nicht“, gestand Harry ein.
Justin wirkte erleichtert. Offensichtlich baute er darauf, dass Cornelia Fairchild, die Witwe von Harrys bestem Freund, sich nicht als Komplizin für diesen absurden Plan hergab.
Da war Gray sich jedoch nicht so sicher. Ihre „Tante ehrenhalber“ bemutterte die vier Brüder zwar mehr, als ihre leiblichen Mütter das taten. Außerdem war sie die einzige Person, von der Harry sich wirklich etwas sagen ließ. Doch das bedeutete noch lange nicht, dass sie sich gegen ihn stellte, wenn er sich etwas in den Kopf gesetzt hatte. Immerhin kannten die beiden sich schon ewig und waren seit Kindertagen eng befreundet.
„Sie ist eine kluge Frau“, meinte Harry. „Sie wird erkennen, ob eure Kandidatinnen sich für die Ehe eignen.“
Zu schade, dass sie damals nicht deine Frauen ausgesucht hat. Dann wäre unser Leben ganz anders verlaufen …
„Ach ja, das hätte ich beinahe vergessen: Ihr dürft ihnen nicht verraten, dass ihr reich seid. Oder dass ihr meine Söhne seid. Ich will keine Schwiegertochter, die nur aufs Geld aus ist. Auf solche Frauen bin ich schließlich selbst immer reingefallen. Meine Fehler braucht ihr nun wirklich nicht nachzumachen.“
Dann sollte keiner von uns dazu gezwungen werden, in sein Unglück zu rennen. Denn nichts anderes bedeutet der Gang zum Altar.
Justin fasste noch einmal zusammen: „Tante Cornelia muss also unseren Bräuten zustimmen, die nicht erfahren dürfen, wer wir sind. Ist das schon alles?“
„Das ist alles.“ Harry holte tief Luft und sagte laut und deutlich in die angespannte Stille: „Ihr habt jetzt Zeit, darüber nachzudenken, und zwar genau bis in drei Tagen um Punkt acht Uhr abends – keine Minute später. Wenn ich bis dahin nichts von euch gehört habe, werde ich meine Anwälte anweisen, nach Käufern für die HuntCom-Unternehmen zu suchen.“
Und damit verließ er den Raum.
„So ein Mistkerl“, fluchte Justin nach einer Weile leise. „Ich glaube, er meint es wirklich ernst.“
Spöttisch verzog J.T. den Mund. „Es wird bestimmt nicht so weit kommen. Er wird HuntCom nicht verkaufen. Was den Rest angeht …“
Alex verzog das Gesicht. „Und wenn er es nun tatsächlich tut?“
Gray zog sich das Jackett an. Er hatte bereits genug Zeit in der „Hütte“ verschwendet. „Wir stecken gerade mitten in den Verhandlungen, um eine andere Firma aufzukaufen. Auf keinen Fall stößt er HuntCom ab, bevor diese Sache abgewickelt ist, und das kann noch Monate dauern. Er blufft nur.“
„Bist du dir da ganz sicher?“, hakte Alex nach. Er machte sich nichts aus Reichtum und Privilegien. Was sein eigenes Leben anging, hätte er auf jeden Cent verzichtet. Doch er hatte eben eine ausgeprägte wohltätige Ader – und das Firmenkapital gestattete ihm, Gutes in der Welt zu tun und es an Bedürftige zu verteilen. „Was ist, wenn du dich irrst? Willst du das Risiko wirklich eingehen und alles aufs Spiel setzen, wofür du achtzehn Jahre lang gearbeitet hast? Ich will jedenfalls nicht, dass die Hunt Foundation geschlossen oder von einem anderen geführt wird.“
„HuntCom ist das einzige Baby, an dem Harry je etwas gelegen hat“, gab Gray zu bedenken. „Letztendlich wird er nichts tun, das nicht zum Besten für die Firma ist. So ist es doch schon immer gewesen.“
„Ich kann nur hoffen, dass du recht hast“, murmelte Justin. „Wie ist er überhaupt auf die Idee gekommen, dass wir uns alle Bräute suchen sollen? Ich begreife das nicht.“
J.T. verzog das Gesicht und schüttelte den Kopf. „Also sind wir uns alle einig?“, fragte er. „Keiner von uns lässt sich auf diesen verrückten Plan ein?“
„Im Leben nicht“, bestätigte Gray, und das war für ihn das Ende der Diskussion.
Zehn Monate später
Gray steigerte den Laufrhythmus und mobilisierte seine letzten Kräfte, als der Joggingpfad vor ihm steil anstieg.
Keuchend blieb er auf der Kuppe des Hügels stehen. Er atmete tief durch und schaute hinab in das Tal, das noch fast im Dunkeln lag. Der Schweiß, der sein T-Shirt tränkte, fühlte sich kalt an.
Fast jeden Morgen kostete es ihn wertvolle Zeit, zu diesem Gelände zu fahren. Doch es befand sich eben so weit entfernt von seiner Wohnung an der Küste, dass er niemals auf Bekannte stieß.
Der Park war nicht besonders schön angelegt. Es gab keine befestigten Wege, keine Grillplätze oder Denkmäler. Nur selten begegnete Gray anderen Joggern. Meistens hatte er die bewaldete Hügellandschaft ganz für sich allein.
Genau so gefiel es ihm, denn beruflich hatte er ständig andere Menschen um sich und musste sich mit ihnen auseinandersetzen. Das war der Preis dafür, dass er der Leiter eines riesigen Konzerns war. Er zahlte ihn gern: Es war ihm in die Wiege gelegt worden, einmal das Ruder von HuntCom zu übernehmen.
Weder er noch sonst jemand hatten je daran gezweifelt, dass er seinen Vater eines Tages ablösen und Vorstandsvorsitzender werden würde.
Bis vor Kurzem.
Leise fluchend setzte er sich wieder in Bewegung, als gerade die ersten goldenen Sonnenstrahlen am klaren Horizont emporstiegen.
Beinahe ein ganzes Jahr war vergangen, seit Harry seinen verdammten Heiratsbefehl erteilt hatte. Bald darauf waren die vier Brüder übereingekommen, dass sie sich den Wünschen ihres Vaters beugen mussten: Letztendlich war keiner von ihnen bereit gewesen, genau das kampflos zu verlieren, was ihm am wichtigsten war.
Nachzugeben war Gray nicht leichtgefallen. Er hatte sich erst dazu entschlossen, nachdem der letzte Versuch gescheitert war, Harry zur Vernunft zu bringen. Und dann hatte er von seinen Anwälten einen wasserdichten Vertrag aufsetzen lassen, den Harry nach hitzigen Diskussionen unterzeichnet hatte.
Harry war ein sachlicher und nüchterner Mensch und hatte keine große Begabung, was zwischenmenschliche Beziehungen jeder Art anging. Weder seine Ehen noch seine Bemühungen um so etwas wie ein Familienleben waren sonderlich erfolgreich gewesen – deshalb wollte er nun verhindern, dass seine Söhne wie er endeten. Also mussten sie schaffen, was ihm selbst nie gelungen war: Sie sollten anständige Frauen heiraten, Nachwuchs zeugen und somit ihr Leben von Grund auf umkrempeln.
Gray biss die Zähne zusammen und lief schneller den gewundenen Pfad entlang. Seine Muskeln waren warm und geschmeidig vom jahrelangen Training; sein Kopf hingegen fühlte sich unangenehm kühl und schwer an. Lange Zeit hatte er gehofft, dass sein Vater seinen Fehler mit dem Ultimatum doch noch einsehen würde.
Doch Harry hatte sich unerbittlich gezeigt. Er hatte sogar bereits Kontakt zu Industriellen aufgenommen, die am Kauf von HuntCom-Anteilen interessiert waren.
Bisher war es Gray gelungen, jedes Ziel im Leben zu erreichen. Er hatte jede Aufgabe mit Erfolg lösen können. Doch in dieser verdammten Angelegenheit stand er …
… kurz davor, eine Person über den Haufen zu rennen, die unverhofft mitten auf dem Pfad hockte.
Er war zu schnell, um rechtzeitig anhalten zu können. „Aus dem Weg!“, rief er, aber zum Ausweichen war nicht genug Platz zwischen den dichten Bäumen.
Spontan beschloss er, mit einem großen Satz über die hockende Frau – ja, es schien definitiv eine Frau zu sein – hinwegzuspringen. Genau in diesem Moment richtete sie sich jedoch auf.
Mit voller Wucht prallten sie aufeinander. Sie ging zu Boden. Als er eine Vollbremsung versuchte, schlitterten seine Schuhe über den rutschigen Boden.
Sobald er schließlich zum Stehen kam, drehte er um und lief zurück. Betroffen murmelte er: „Ich habe Sie nicht rechtzeitig gesehen.“
Die Frau lag flach auf dem Bauch. „Ach, wirklich nicht?“, gab sie gedämpft zurück, während sie sich aufrichtete und auf den Knien sitzen blieb. Zwischen dem Bund ihrer grauen Jogginghose und dem Saum des dünnen T-Shirts leuchtete ein Streifen nackter heller Haut in den ersten Strahlen der aufgehenden Sonne.
Gray presste die Lippen zusammen – sowohl wegen des verführerischen Anblicks als auch wegen der ironischen Antwort. „Ich habe noch versucht, Sie zu warnen.“
Sie hob den Kopf und blickte ihn finster an. „Und wenn Sie mir mehr als eine Sekunde Zeit gelassen hätten, dann hätte ich sogar darauf reagieren können.“ Als sie nun aufstehen wollte, bemerkte er, wie wohlgeformt und reizvoll ihr Po war.
„Da haben Sie wohl recht. Lassen Sie mich Ihnen helfen.“ Mit einer Hand ergriff er ihren Arm, ließ aber sofort los, als sie schlagartig erstarrte. „Keine Panik. Ich will nur helfen.“
„Lassen Sie es bleiben. Das kriege ich schon allein hin.“ Mit offenbar steifen Gliedern raffte sie sich mühsam auf und drehte sich zu ihm um. Im nächsten Augenblick geriet sie ins Taumeln.
Er reagierte blitzschnell und fasste sie an den Oberarmen. „Vorsicht.“
Energisch zuckte sie mit den Schultern, um seine Hände abzuschütteln, und sogleich löste er sich von ihr. Sie beugte sich vor und zupfte an den Beinen ihrer Jogginghose.
Er stellte fest, dass der Stoff an beiden Knien zerrissen und blutig war. „Sie sind ja verletzt.“
„Wie kommen Sie denn darauf?“, entgegnete sie sarkastisch.
Gray verzog das Gesicht und fuhr sich mit den Fingern durchs Haar. „Sind Sie mit dem Auto hier?“
„Nein.“
„Schaffen Sie es den Hügel hinunter?“ Sein Handy lag in seinem Wagen. Er könnte einen Krankenwagen rufen und sie verarzten lassen. Dadurch würde er sichergehen, dass sie keine bleibenden Schäden davontragen würde, die ihm oder HuntCom angelastet werden könnten.
Sie nickte und wollte an ihm vorbeigehen. Im nächsten Moment stöhnte sie auf, beugte sich vor und umfasste ihr linkes Knie.
Stützend legte er einen Arm um ihre Schultern. Diesmal ignorierte er, dass sie sich erneut versteifte. „Wenn Sie sich setzen und hier warten, gehe ich schnell hinunter und rufe den Notarzt.“
„Nein.“
„Dann laufe ich mit Ihnen zusammen und stütze Sie. Sie haben die Wahl.“ Ihm fiel auf, dass ihre Hände ebenfalls aufgeschrammt waren. „Irgendetwas sagt mir, dass Sie sich nicht einfach von mir tragen lassen.“
Knapp versicherte sie ihm: „Das wird nicht nötig sein.“
Er musterte sie. In den Strahlen der aufgehenden Sonne glänzte ihr Haar goldbraun. Sie hatte eine zierliche Figur, und dennoch zeichneten sich zugleich sanfte Rundungen unter der Joggingkleidung ab. „Es tut mir sehr leid“, sagte er leise.
Sie presste die Lippen zusammen und blickte ihn an. Die Farbe ihrer Augen konnte er nicht erkennen, nur dass sie dunkel und von langen geschwungenen Wimpern umrahmt waren.
Schließlich entgegnete sie: „Mir auch. Ich bin stehen geblieben, um meinen Schuh zuzubinden.“ Sie wedelte mit dem linken Fuß.
„Das haben wir gleich.“ Behutsam ließ er ihre Schultern los und überzeugte sich davon, dass sie das Gleichgewicht halten konnte. Dann hockte er sich vor sie.
Sie stieß einen kleinen Laut aus.
Er hob den Kopf. „Ist etwas nicht in Ordnung?“
„Es ist nur … Ich … Es ist sehr lange her, dass mir jemand die Schuhe zugebunden hat.“
Sein Kopf war auf einer Höhe mit ihren Oberschenkeln. Er zwang sich, den Blick zu senken. Es fiel ihm schwerer, als ihm lieb war. Als er die Schleife festgezogen hatte, empfahl er ihr: „Machen Sie nächstes Mal lieber einen Doppelknoten.“
Er stand auf und bemerkte, wie ihre Mundwinkel belustigt zuckten. Doch sobald sie einen Schritt machte, verzog sie das Gesicht vor Schmerz.
„Wir müssen Sie ins Krankenhaus bringen.“
„Das ist wirklich nicht nötig.“
„Womöglich haben Sie sich den Fuß verstaucht. Oder sich sogar etwas gebrochen.“
Nachdrücklich schüttelte sie den Kopf. „Es ist nur eine Prellung. Mit Sicherheit.“
„Und Sie haben sich die Haut abgeschürft. Ich muss wenigstens dafür sorgen, dass die Wunden gereinigt werden. Außerdem können Sie ganz offensichtlich das linke Knie nicht belasten.“
Sie bedachte ihn mit einem Blick, den er nicht deuten konnte. „Ich brauche keinen Arzt.“
Und Gray konnte keine Anzeige wegen Körperverletzung gebrauchen. Er hatte seine gehobene Position nicht erreicht, ohne etwas über die Schattenseiten der menschlichen Natur zu lernen. Seiner Erfahrung nach gab es viele gierige Menschen auf der Welt. Er konnte nicht einmal behaupten, dass er in dieser Hinsicht eine Ausnahme bildete. Bisher deutete zwar nichts darauf hin, dass diese Frau ihn belangen wollte. Trotzdem wusste er, dass die Familie Hunt und HuntCom eine besonders reizvolle Zielscheibe darstellten – selbst für Leute, die normalerweise nicht an derartige Dinge dachten.
Das ist nun mal die Realität.
Doch es entsprach ebenfalls der Realität, dass sie verletzt und er verantwortlich dafür war. Schließlich hatte sie ihren Schnürsenkel nicht mit Absicht gelockert.
„Ich bestehe darauf“, entgegnete er entschlossen.
Sie zog die Brauen so hoch, dass sie unter den Ponyfransen verschwanden. „Ach, tun Sie das?“ Sie wollte noch etwas hinzufügen, presste dann aber die Lippen vor Schmerz zusammen.
„Wir können gerne weiter darüber diskutieren, wenn wir Sie von hier weggebracht haben.“
„Sie wollen damit sagen, dass Sie in jedem Fall Ihren Kopf durchsetzen.“
Gray musste lächeln. Es war nun mal eine Tatsache, dass er fast alles schaffte, was er sich vornahm. „Haben Sie etwas gegen Ärzte?“
„Nur gegen ihre Rechnungen. Ich bin gerade in einer Übergangsphase und kann mir ehrlich gesagt keine weiteren Kosten leisten.“
„Was für eine Übergangsphase?“
„Ich bin neu in meinem Job. Meine Krankenversicherung tritt erst in ein paar Wochen in Kraft.“
Alle neuen Angestellten von HuntCom mussten eine Probezeit von neunzig Tagen überstehen, bevor sie versichert wurden. Es war eine übliche Geschäftspraktik, doch er begegnete nun zum ersten Mal persönlich jemanden in der „Übergangsphase“, wie sie es ausdrückte. „Wo arbeiten Sie denn?“
Mit verschlossener Miene presste sie die Lippen zusammen.
Er betrachtete ihr glattes ovales Gesicht näher. Sie war ohne Frage sehr hübsch. Außerdem hatte sie eine Ernsthaftigkeit an sich, die auf ihn beunruhigend entwaffnend wirkte. „Sind Sie neu in dieser Gegend?“, erkundigte er sich.
„Ziemlich.“
„Als Einheimischer darf ich Sie dann nicht in dem Glauben lassen, dass wir uns auf Joggingwegen immer wie Rowdys verhalten.“ Erneut legte er einen Arm um sie.
Diesmal protestierte sie nicht. Sie stützte sich sogar auf ihn, während sie mühsam über den abschüssigen Pfad humpelte.
„Platz da!“, rief eine Männerstimme hinter ihnen.
Gray schob das Mädchen beiseite, sodass der Jogger sie überholen konnte. „Bei ihm hat’s geklappt.“
Sie lachte leise. „Er ist allerdings auch nicht mit achtzig Sachen unterwegs.“
Tatsächlich war er auf der unübersichtlichen Strecke viel zu schnell gewesen. Vermutlich hatte er versucht, vor dem „Unternehmen Brautschau“ davonzurennen, das ihn so belastete. „Sie sollten sich verarzten lassen“, beharrte er. „Die Rechnung übernehme ich.“
Prüfend musterte sie ihn unter ihren langen dichten Wimpern. „Gehören Sie etwa zu den Leuten, die ein Vermögen im Internet gemacht haben oder so?“
„Oder so“, murmelte Gray. Erkannte sie ihn wirklich nicht, obwohl er im Raum Seattle bekannt wie ein bunter Hund war? Oder war sie eine zu gute Schauspielerin? „Was haben Sie gesagt, woher Sie kommen?“
„Ich habe gar nichts dazu gesagt.“
Hinter der nächsten Biegung wurde das Gelände ebener. Eine Viertelmeile fehlte noch bis zu dem Parkplatz, auf dem sein BMW stand. „Wenn ich Sie nicht ins Krankenhaus bringen darf, dann wenigstens in eine Arztpraxis. Sie brauchen Erste Hilfe. Selbst Sie müssen das einsehen.“
Sie blieb stehen und betrachtete ihn forschend. „Warum tun Sie das?“
„Weil ich Sie umgerannt habe?“
„Ja, aber … Ich bin schon ein großes Mädchen. Ich kann selbst auf mich aufpassen.“
„Groß ist relativ. Ich könnte Sie in meine Tasche stecken.“
„Oder in den Kofferraum.“
Er runzelte die Stirn. „Sie brauchen sich vor mir nicht zu fürchten, glauben Sie mir.“
Sie wandte den Blick ab.
„Wenn Sie so misstrauisch gegenüber Fremden sind, warum joggen Sie dann so früh am Morgen? Es wird jetzt erst richtig hell, und hier kommen selten Leute vorbei.“
„Ich schiebe es vor der Arbeit ein. Und warum sind Sie zu dieser Stunde hier?“
„Ich schiebe es vor der Arbeit ein“, konterte er.
„Na dann.“ Sie humpelte allein weiter. „Hören Sie, ich will ja nicht unhöflich sein, aber ich brauche Ihre Fürsorge wirklich nicht. Und ich habe noch einiges zu tun, bevor ich zur Arbeit muss.“
Inzwischen konnte Gray den Parkplatz sehen. Nur ein Auto stand dort. Sein eigenes. „Sie wollen also zu Fuß nach Hause?“
„So bin ich auch hergekommen.“
Dass sie sich scheute, zu ihm ins Auto zu steigen, war eine seltsame Erfahrung für ihn. Gewiss gab es Leute, die ihn nicht mochten, aber bisher war ihm nie jemand mit so viel Misstrauen begegnet. Sollte er über sich selbst lachen, weil ihn das so erstaunte? Oder sollte er ihr zu ihrer Vorsicht gratulieren?
Unzählige Dinge standen auf seinem Terminkalender für diesen Tag, zu denen auch einer Besprechung mit Harry zählte. Dennoch widerstrebte es ihm, diese junge Frau einfach gehen zu lassen. Zumal ihm aufgefallen war, dass sie keinen Ring an ihrer schlanken Hand trug.
Dies schien eine außerordentlich günstige Gelegenheit zu sein – das war der einzige Grund für sein Interesse. Es lag nicht an den reizvollen großen Augen, die so sanft und tiefgründig wirkten.
„Kann ich jemanden für Sie anrufen? Einen Ehemann? Oder einen Freund?“
„Ich habe keinen.“
Insgeheim atmete er auf. „Wenn Sie schon nicht zum Arzt gehen wollen, darf ich Ihnen dann wenigstens Verbandszeug spendieren? Das ist das Mindeste, was ich für Sie tun kann, Miss …?“ Fragend hob er die Brauen und wartete.
„White. Amelia White.“
Braun mit goldenen Pünktchen. So sahen ihre Augen aus. Das erkannte er nun, da die Sonne richtig aufgegangen war. „Es freut mich, Sie kennenzulernen, Amelia. Ich bin …“, begann er und zögerte beinahe unmerklich, „… Matthew Gray.“
Sie deutete mit dem Kopf zu dem BMW. „Ich nehme an, der gehört Ihnen, Matthew Gray.“
„Firmenwagen“, erwiderte er, was zumindest nicht ganz geschwindelt war. Er war verwundert, dass sie offenbar tatsächlich keine Ahnung hatte, wer er war. Und es kränkte ihn auch ein bisschen.
Sie merkte nichts von seinem angekratzten Ego und stieß einen leisen Pfiff aus. „Was für eine Firma?“
„Eine Vertriebsgesellschaft“, improvisierte er.
„Das muss sehr einträglich sein“, sagte sie so milde und ernst, dass er nicht sicher war, ob es sarkastisch gemeint war oder nicht.
„Ich kann mich nicht beklagen. Zwingen Sie mich wirklich, Ihnen ein Taxi zu bestellen?“
Sie nickte. „Erst gestern habe ich meiner Nichte Molly eingeschärft, dass sie nicht mit Fremden reden soll, selbst wenn sie freundlich wirken. Was für ein Beispiel würde ich ihr da geben, wenn ich meinen eigenen Ratschlag nicht befolge?“
„Wenn Sie es so ausdrücken, kann ich wohl kaum widersprechen.“ Er half ihr über den Parkplatz.
Sie lehnte den wohlgeformten Po an die Motorhaube, während Gray sein Handy aus dem Auto holte und ein Taxi rief. Dann gesellte er sich zu ihr. „Wie alt ist Ihre Nichte denn?“
„Zehn.“ Sie betrachtete ihre abgeschrammten Handflächen und zog vorsichtig kleine Steinchen heraus. „Haben Sie Kinder?“
„Nein.“ Darum hatte er sich nicht gekümmert. Leider, denn sonst wäre seine Lage nun nicht so kompliziert.
Schweigend zog sie die Brauen hoch.
„Sie wirken überrascht“, merkte er an.
„Eigentlich nicht. Aber die meisten Männer in Ihrem Alter …“ Sie verstummte und wurde rot, als er auflachte.
„Sie sind eine echte Katastrophe für mein Ego, Amelia. Lassen Sie mich Ihnen sagen, dass ich noch nicht mit einem Fuß im Grab stehe.“
Ihre Wangen glühten. Er fragte sich, wann er zum letzten Mal einer erwachsenen Frau begegnet war, die noch erröten konnte. Nicht in den letzten zwanzig Jahren, so viel war mal sicher.
„Das habe ich nicht gemeint“, behauptete sie.
„Dass ich alt genug bin, um Kinder in Ihrem Alter zu haben?“
Sie schüttelte den Kopf. „Wohl kaum. Es sei denn, Sie sind sehr frühreif gewesen.“
„Wie alt sind Sie denn?“
„Alt genug.“
„Was muss ich tun, um Sie zu überzeugen, dass ich kein gefährlicher Unhold bin?“
„Das weiß ich nicht.“ Als ein Motorengeräusch ertönte, wandte sie den Kopf. Es war das Taxi. Sie richtete sich auf und humpelte zu dem leuchtend gelben Wagen.
Gray überholte sie und öffnete ihr galant die Tür. Während sie auf dem Rücksitz Platz nahm, gab er dem Fahrer durch das offene Seitenfenster ein paar Scheine. Das Geld würde auf jeden Fall für die Strecke zu ihrem Wohnsitz reichen, der im näheren Umkreis liegen musste. Selbst ein Umweg zur nächsten Apotheke wäre gedeckt. Dann bat er den Fahrer um eine Visitenkarte und schrieb seine private Handynummer auf, die bisher nur seine Familie, Loretta und seine Anwältin kannten.
Er reichte Amelia die Karte und zwei Fünfziger – die kleinsten Banknoten aus seiner Geldklammer. „Falls das nicht reicht oder Sie sonst etwas brauchen, rufen Sie mich an.“
Sie schob seine Hand fort. „Das ist nicht nötig.“
„Glauben Sie mir, es ist unbedingt nötig.“
Abweisend presste sie die Lippen zusammen und lehnte sich zurück.
Mit einem kleinen Lächeln faltete er die Scheine und steckte sie ihr in den Hosenbund. Ihre Haut fühlte sich kalt und warm zugleich an – und aufregend seidig.
Gray schloss die Tür und ging zu seinem Auto. Im Geiste sah er ihre großen Augen vor sich, während er dem davonfahrenden Taxi nachblickte.
Vielleicht muss ich nicht länger nach einer Frau suchen.
Allerdings reichte es in seinem Fall nicht, eine Braut zu finden. Er brauchte außerdem ein Kind.
Verdammt, warum hast du dir die Chance entgehen lassen, den Mann zur Rede zu stellen?
Verärgert schüttelte Amelia den Kopf und starrte ziellos in den Park, in dem sie seit einigen Wochen regelmäßig joggte.
Matthew!
So ein Lügner!
Nicht, dass etwas anderes von ihm zu erwarten war.
„Miss, ich kutschiere Sie natürlich gerne durch die Gegend, bis das Geld abgefahren ist. Ihr Typ hat mir ja genug gegeben.“ Der grauhaarige Taxifahrer grinste sie über die Schulter an. „Aber es ist einfacher, wenn Sie mir Ihre Adresse geben.“
„Er ist nicht mein Typ“, konterte sie. Es entsetzte sie, als sie bei dem Gedanken an ihn wohlig erschauerte – und nicht angeekelt zusammenzuckte.
Tatsächlich schien Grayson Hunt alias Matthew Gray ganz und gar nicht der Teufel zu sein, für den sie ihn hielt. Er hatte sich mit ihrer Schwester Daphne vergnügt und sie dann einfach abserviert. Bis zu diesem Tag verleugnete er das gemeinsam gezeugte Kind.
Eigentlich sollte sie nichts als Abscheu für den Mann empfinden, der wie ein Tyrann Macht über andere ausübte und sie wie Schachfiguren benutzte. Doch ihre Gefühle ließen sich nicht so einfach deuten.
Sie zerrte das Geld unter ihrem Hosenbund hervor, das er ihr gegen ihren Willen zugesteckt hatte, und rollte es fest zusammen. Zu schade, dass er seine anderen Pflichten, die weitaus wichtiger waren, nicht so ernst nahm.
Ebenso bedauerlich war, dass sie ihr Ziel eindeutig verfehlt hatte: Auf Grayson Hunt hatte sie wohl kaum wie eine ernst zu nehmende Gegnerin gewirkt.
Typisch.
Jemanden die Stirn zu bieten lag ihr einfach nicht. Wie könnte sie das auch, wenn es viel leichter war, sich von aller Welt wie ein Fußabtreter behandeln zu lassen?
„Miss? Wohin denn nun?“, drängte der Fahrer.
Sie zuckte zusammen und nannte die Adresse.
„Ist da eine Apotheke in der Nähe?“
„Tut mir leid. Keine Ahnung. Aber an der Ecke ist ein Lebensmittelladen. Der müsste reichen.“ Sie kaufte nicht oft dort ein. Die Preise waren wesentlich höher als in dem großen Einkaufszentrum, das einige Bushaltestellen entfernt war.
Seit drei Monaten lebte sie nun schon in Seattle. Sie war in das Apartment ihrer Schwester gezogen, die nach einem Schlaganfall im Krankenhaus lag und nicht so bald nach Hause zurückkehren konnte.
Eigentlich hätte Amelia sich inzwischen mit den umliegenden Geschäften besser auskennen sollen. Doch sie verbrachte ihre gesamte Zeit damit, das Chaos in Daphnes Leben zu bewältigen. Und für dieses Durcheinander war kein anderer als Grayson Hunt verantwortlich.
Horrende Rechnungen für Ärzte, Medizin und Krankenhausaufenthalte waren zu begleichen. Außerdem hatte sie einen wahren Papierkrieg führen müssen, um zum Vormund für Daphnes Kinder ernannt zu werden.
Und natürlich mussten diese Kinder versorgt werden. Jack war zwölf und schien sehr selbstständig zu sein – auf eine alarmierende Weise. Die zehnjährige Molly sprach nur noch im Flüsterton. Und Timmy hatte mit seinen drei Monaten nie in den Armen seiner Mutter gelegen: Während der Wehen hatte Daphne den Schlaganfall erlitten und drei Wochen im Koma gelegen. Seitdem erkannte sie ihre eigenen Kinder nicht mehr und ihre Schwester schon gar nicht.
Amelia starrte aus dem Fenster. Ihre Augen brannten, doch die Tränen waren vor Wochen versiegt – bis zur bitteren Neige vergossen. Sie weinte nachts, wenn die Kinder schliefen.
Sie machte sich Vorwürfe, dass sie nicht früher nach Seattle gekommen war. Als sie erfahren hatte, dass Grayson Hunt das Kind aus seiner kurzen Affäre mit Daphne nicht anerkennen wollte, hätte sie da sein sollen. Denn solange sie denken konnte, hatten sie und Daphne es stets allein mit dem Rest der Welt aufgenommen.
Obwohl Amelia sie gedrängt hatte, war Daphne damals nicht vor Gericht gegangen – und nun konnte sie es nicht mehr.
Dass sie sich geweigert hatte, war angesichts ihrer eigenen Kindheit nicht weiter verwunderlich. Ihr Vater hatte sich nur widerwillig zu ihnen bekannt. Und dazu hatte er sich nicht aus Liebe entschieden, sondern weil er gerichtlich dazu gezwungen worden war.
Daphne hatte sich stets nach Liebe und einer Familie gesehnt. Amelia dagegen hegte solche Wünsche nicht. Irgendwann würde sie natürlich heiraten. Aber sie wollte nur einen Mann, der ebenso karriereorientiert war wie sie und der keine Kinder wollte.
„Ist das der Lebensmittelladen, den Sie meinten?“
Sie schreckte aus ihren Grübeleien auf und blickte zu dem kleinen Geschäft, vor dem das Taxi hielt. „Ja, danke. Warten Sie auch ganz bestimmt?“
„Ich habe es Ihrem Typen versprochen.“
„Er ist nicht mein …“ Sie schüttelte den Kopf und gab sich kampflos geschlagen. Wie üblich. „Danke.“
Unbeholfen stieg sie aus dem Wagen und betrat den Laden. Das Angebot an Verbandszeug war sehr begrenzt. Wegen der hohen Preise wählte sie nur das Nötigste. Aber zusätzlich kaufte sie noch ein Vollkornbrot und ein riesiges Glas Erdnussbutter, von der Jack nicht genug bekommen konnte.
Das Taxi wartete tatsächlich. Anscheinend machte sie einen mitleiderregenden Eindruck: Als sie aus dem Laden kam, stieg der Fahrer aus und nahm ihr die Einkäufe ab. Er half ihr auf den Rücksitz und murmelte dabei: „Was sich die Mädchen heutzutage so alles gefallen lassen …“
Amelia errötete. „Es ist nicht so, wie Sie glauben. Ich bin beim Joggen hingefallen.“
Mit skeptischer Miene schloss er die Tür und setzte sich hinter das Steuer. „Ist Ihr Typ reich?“
„Er ist nicht mein … Ja, ich nehme an, dass er reich ist.“
„Sie können was Besseres finden. Suchen Sie sich einen netten jungen Mann, der ehrliche Arbeit leistet.“
Ich hatte schon mal einen netten jungen Mann, der ehrliche Arbeit leistet. Der wollte mich dann allerdings nicht mehr haben, als er gemerkt hat, wie reizvoll meine Kollegin Pamela ist.
Der Gedanke versetzte ihr einen Stich. Hastig schob sie die Erinnerungen beiseite, als das Taxi vor ihrem Wohnblock anhielt.
Beim Betreten des Gebäudes fiel ihr Blick auf das Schild am Fahrstuhl mit der Aufschrift Außer Betrieb. Es hing bereits so lange dort, dass sie gar nicht mehr daran gedacht hatte.
Es sind ja nur sechs Treppen, ermutigte sie sich im Stillen und setzte stöhnend einen Fuß auf die unterste Stufe.
Außer Atem kam sie oben an. Die dünnen Schlaufen der Plastiktüte schnitten ihr in die Handflächen, und ihre Knie schmerzten so sehr, dass ihr ganz übel war. An der dritten Tür blieb sie stehen und lehnte erschöpft die Stirn gegen den Rahmen. Schließlich hob sie eine Hand und klopfte an das dünne Holz.
Jack musste auf sie gewartet haben, denn er riss sogleich die Tür auf. Seine Augen, so dunkelbraun wie die seiner Mutter, blieben trotz ihre aufgelösten Erscheinung ausdruckslos. „Was ist passiert?“
„Ich bin gestolpert. Es ist nicht weiter schlimm.“ Als sie nun die Wohnung betrat, wurde ihr erst bewusst, wie ausgekühlt ihr Körper war. Sie nahm eine Strickjacke von der Garderobe und legte sie sich um die Schultern. „Timmy?“
„Schläft noch.“
„Und Molly? Ist sie schon fertig für die Schule?“
„Sie ist noch im Badezimmer.“ Jack trug bereits seine Schuluniform, die aus einer hellbraunen Hose und einem dunkelblauen Sweater bestand. Allerdings war er noch barfuß.
Amelia ging in die Küche. Zwei Müslischalen und zwei Löffel lagen abgewaschen auf dem Abtropfbrett neben der Spüle. Eine große Dose Milchpulver stand auf der Arbeitsfläche, und im Kühlschrank waren mehrere vorbereitete Fläschchen fein säuberlich aufgereiht. „Das hättest du nicht tun müssen. Trotzdem danke.“
Achselzuckend setzte Jack sich auf einen der Hocker am Küchentresen. Er holte das Glas Erdnussbutter aus der Tüte und schraubte es auf. „Wenn es nicht weiter schlimm ist, warum humpelst du dann?“
„Ich habe mir nur die Knie aufgeschürft. Mach dir keine Sorgen. Hier.“ Sie reichte ihm einen Löffel.
Mit dem Hauch eines Lächelns machte er sich gierig über die Erdnussbutter her.
„Hast du dich für den Mathetest vorbereitet?“, erkundigte sie sich und wusch sich die Hände in der Spüle ab. Als das Wasser auf ihre wunden Handflächen traf, zuckte sie zusammen.
„Ja, aber ich fall bestimmt trotzdem durch.“ Mit Schwung warf er den Löffel in die Spüle, sodass es klapperte.
„Jack …“
„Ich hole Mol.“ Er lief hinaus in den kurzen Flur, bevor sie weitersprechen konnte.
Kurz darauf kehrte er mit Molly zurück. Auch sie trug eine Schuluniform: einen dunkelblauen Rock und die passende Strickjacke über einer hellbraunen Bluse. Ihre dunklen Augen weiteten sich vor Schreck, als sie Amelias Knie sah.
„Es geht mir gut. Ich bin nur über meinen Schnürsenkel gestolpert“, beruhigte Amelia die Kleine sofort.
Einen Moment kaute Molly nachdenklich auf der Unterlippe herum. In letzter Zeit wirkte sie viel zu ernsthaft für ihr Alter und schien sich ständig Sorgen zu machen. Schließlich streckte sie wortlos die Hand aus, in der zwei Haarbänder und ein Kamm lagen.
Amelia atmete erleichtert auf. Als sie nach dem Kamm griff, ließ der Schmerz sie jedoch erneut zusammenfahren. „Heute mache ich dir nur Pferdeschwänze und flechte dir nicht die Haare, okay?“Sie scheitelte das lange blonde Haar und band es über den Ohren zusammen. „Fertig.“
„Besuchen wir Mommy heute?“, fragte Molly – im mittlerweile üblichen Flüsterton.
„Ja. Gleich nach der Schule.“
Leider reagierte Daphne, obwohl sie bei Bewusstsein war, immer noch nicht wie erhofft auf die Besuche ihrer Kinder: Sie behandelte sie wie Fremde.
„Ihr kommt zu spät, wenn ihr heute auf mich wartet.“ Amelia wandte sich an Jack. „Könnt ihr allein mit dem Bus fahren?“
„Das haben wir früher immer getan.“
„Ich weiß, mein Schatz.“
Früher – das war vor Timmys Geburt gewesen. Bevor seine Mutter krank geworden war und eine fast unbekannte Tante deren Platz eingenommen hatte.
Unwillkürlich strich Amelia ihm durch das rotblonde Haar. Wie erwartet wich er zurück: Mit seinen zwölf Jahren fühlte er sich zu alt für derartige Zuneigungsbekundungen.
„Übrigens glaube ich ganz fest daran, dass du den Mathetest schaffst. Lass dir nur Zeit dabei.“
Er verzog das Gesicht. Mathematik war das einzige Fach, das ihm ernsthaft Schwierigkeiten bereitete. „Hol deinen Rucksack, Mol“, forderte er seine Schwester auf.
Statt zu gehorchen, schlang Molly die Arme um Amelias Taille. „Bleibst du heute zu Hause?“
Amelia war froh, dass sie eine Stelle in der Bibliothek der Schule bekommen hatte, die Jack und Molly besuchten. Die Bezahlung war nicht so gut wie in ihrer alten Position an der Universitätsbibliothek von Oregon; dafür stimmte ihre Arbeitszeit mit dem Stundenplan der Kinder überein. „Ich komme nur etwas später“, versicherte sie und hoffte, dass der Rektor kein Drama daraus machen würde. Abgesehen von der Versicherung standen ihr außerdem noch keine Krankentage zu. „Hast du das Essensgeld?“
Molly nickte und schlüpfte in den Rucksack, den Jack ihr hinhielt. Dann folgte sie ihm zur Tür hinaus.
Einen Moment lang stand Amelia reglos in dem stillen Apartment. Die schlichte, aber heitere Einrichtung spiegelte Daphnes Persönlichkeit wider, auch wenn diese seit Monaten nicht mehr hier gewesen war. An den hellen Wänden hingen Reiseplakate von exotischen Orten, von denen sie geträumt und die sie jedoch nie besucht hatte. Die gewebte Decke auf der Couch war ebenso fröhlich bunt wie die Kissen auf den beiden Sesseln.
Nein, das Apartment war nicht prachtvoll. Es stellte einen gewaltigen Unterschied zu Grayson Hunts Behausungen dar. Das hatten ihre Recherchen in den vergangenen Monaten ergeben. Er wohnte nicht nur in dem Familienanwesen am Lake Washington: Zusätzlich besaß er ein überraschend modernes Penthouse am Wasser, das laut dem Bericht einer Architekturzeitschrift einen Dachgarten vom Ausmaß eines öffentlichen Parks aufwies.
Im Gegensatz zur Residenz Hunt bot Daphnes Wohnung keine Fensterwände mit unbezahlbaren Ausblicken. Auch die Möbel waren nicht von weltberühmten Designern entworfen und von Hand gefertigt worden. Trotzdem war es ein behagliches Zuhause, weil Daphne es dazu gemacht hatte.
Nun vegetierte sie in einem Heim dahin, in dem sie wegen ihrer geringen finanziellen Mittel nur die Grundversorgung erhielt.
Amelia verdrängte die düsteren Gedanken und rief in der Schule an, um ihre Verspätung zu melden. Dann ging sie in das Schlafzimmer, das sie sich mit Timmy teilte. Er schlief noch immer.
Drei Monate war er inzwischen alt. Sie kümmerte sich um ihn, seit er aus dem Krankenhaus gekommen war. Ohne seine Mutter. Seit drei Monaten konzentrierte sie sich nun auf die Dinge, die sie eigentlich aus ihrem Leben verbannen wollte. Dieses winzige Wesen machte allmählich ihre langjährigen Überzeugungen zunichte.
Eine knappe Stunde später klingelte Amelia mit Timmy auf dem Arm und der Windeltasche in der Hand an der Tür nebenan. Ihre Nachbarin war ihre einzige Freundin in Seattle, die in sämtliche Umstände eingeweiht war.
Paula Browning war mit Anfang vierzig schon verwitwet, und ihr einziges Kind ging bereits aufs College. Sie hatte sich als Babysitterin für Timmy angeboten. In Sachen Babypflege hatte sie stets gute – und dringend notwendige – Ratschläge parat.
Paula war aber auch scharfsinnig: Sofort entdeckte sie die Heftpflaster auf Amelias Handflächen. „Was ist passiert?“
„Ich bin nur beim Joggen gestolpert. Es ist nichts Ernstes.“
„Das kommt davon, wenn man noch vor Sonnenaufgang laufen geht.“ Sie schüttelte den blonden Kopf. „Dabei hast du die Bewegung wirklich nicht nötig. Du bist noch dünner geworden, seit du hier in Seattle bist.“
Amelia sah an sich herab. Es stimmte, dass ihre Kleidung in letzter Zeit ein wenig lockerer saß als sonst.
„Hast du heute denn Glück gehabt und bist dem gnädigen Herrn persönlich begegnet?“, erkundigte sich Paula.
„Er ist tatsächlich da gewesen. Ich konnte es zuerst kaum glauben. Ich habe ihn vorher noch nie zu Gesicht gekriegt. Und …“ Sie verstummte.
„Und?“
„Nichts. Ich habe mich von ihm umrennen lassen. Das war natürlich nicht beabsichtigt. Bis zu dem Zusammenstoß habe ich nicht mal gewusst, dass er überhaupt da war. Und dann ist nichts passiert: Ich habe ihm nicht gesagt, wer ich bin und dass ich mich an die Medien wende, falls er seinen Pflichten nicht nachkommt. Ich habe absolut nichts unternommen.“
„Na ja, jetzt weißt du wenigstens, dass deine Recherchen in den vergangenen Monaten nicht umsonst gewesen sind“, tröstete Paula sie.
Nur durch viel Fleiß und einen glücklichen Zufall hatte Amelia herausbekommen, dass Grayson Hunt eine Stunde Fahrzeit in Kauf nahm, um in dem kleinen hügeligen Park in aller Herrgottsfrühe zu joggen. Auf gut Glück war sie dieser Spur nachgegangen. Der Park lag in der Nähe des Restaurants, in dem Daphne früher gekellnert und in dem sie ihn kennengelernt hatte.
Ihre früheren Bemühungen, ein Treffen mit ihm zu arrangieren, waren nämlich allesamt fehlgeschlagen. Gewöhnliche Sterbliche wurden nicht ohne Weiteres zu ihm vorgelassen. Einer seiner Untergebenen hatte ihr einen Termin vermittelt – in sechs Monaten.
Sie hatte keine sechs Monate Zeit.
Viel entscheidender war, dass Daphne keine sechs Monate hatte. Wenn sich ihr Zustand jemals verbessern sollte, dann brauchte sie ein rasches Wunder. Ein geradezu göttliches Wunder – oder auch ein finanzielles.
„Und was willst du jetzt tun?“, fragte Paula.
Amelia seufzte. Daphne hatte sich entschieden, nicht für die Anerkennung der Vaterschaft zu kämpfen. Das warf den leisen Verdacht auf, dass sie sich gar nicht hundertprozentig sicher war, wer der Erzeuger war. Denn es hatte ihr nie an männlicher Gesellschaft gemangelt. Zum Glück hatte sie ihre Affären stets von ihren Kindern und ihrer Wohnung ferngehalten.
Andererseits schreckte Amelia vielleicht wegen ihrer eigenen Erfahrungen davor zurück, Druck auszuüben. Sie wollte Timmy ersparen, was es bedeutete, wenn der Vater dazu gezwungen werden musste, sich zu seinem Kind zu bekennen.
„Mir ist immer noch nichts anderes eingefallen, als mich an die Medien zu wenden – falls er mir mit einer Klage droht, so wie er es bei Daphne getan hat.“
Paula wirkte skeptisch. „Es ist ziemlich unwahrscheinlich, dass die Medien irgendwas Negatives über die angesehenen Hunts berichten.“
Demnach blieben nur die Skandalblätter. Erneut seufzte Amelia. „Ich will nicht, dass sich die Klatschpresse auf den Fall stürzt. Aber dieser Kerl ist meine letzte Hoffnung. Ich habe einen Anwalt angeheuert. Er hat mir erklärt, dass ich in Daphnes Fall absolut nichts erreichen kann, weil sie nicht krankenversichert ist. Ohne private Finanzspritze bekommt sie nicht die umfassende Versorgung, die nötig ist, damit sich ihr Zustand bessert.“
„Ich sage es ja nur ungern, aber womöglich bessert sich ihr Zustand nicht. Selbst dann nicht, wenn du es irgendwie schaffst, sie in dem Rehazentrum unterzubringen. Es ist tragisch, aber der Schlaganfall war nun mal so schwer, dass manche Leute ihn gar nicht überlebt hätten.“
„Ich muss es trotzdem versuchen.“