Über das Buch:
Kalifornien 1860:

Insgeheim schwärmt Laney schon lange für den gutaussehenden Galen von der Nachbarranch. Doch wird er in ihr jemals mehr sehen als nur die kleine Schwester seines besten Freundes? Als Galen sich Laney endlich zu öffnen beginnt, scheint ihr Glück perfekt.

Doch durch die Ankunft zweier verwahrloster Jugendlicher, die Galen aus den Fängen ihres durchtriebenen Vaters retten will, werden die Karten neu gemischt. Er gibt den beiden Arbeit auf seiner Farm und kümmert sich darum, dass sie ein Dach über dem Kopf haben. Doch was als gutgemeinter Akt christlicher Nächstenliebe beginnt, endet in einem Fiasko.

Wie bittersüß kann die Liebe sein?

Über die Autorin:
Die erfahrene Krankenschwester Cathy Marie Hake hat sich - auch auf der Krebsstation – eine gesunde Portion Humor bewahrt. Der schimmert immer wieder in den zahlreichen Büchern durch, die sie geschrieben hat. Sie lebt mit ihrem Mann und 2 Kindern in Anaheim/Kalifornien.

7. Kapitel

Meine Fantasie geht mit mir durch. Galen ist viel zu bodenständig, als dass er sich innerhalb von ein paar Tagen von einem hübschen Gesicht beeindrucken lässt. Aber das Gleiche hätte ich auch über Josh gesagt und jetzt ist er völlig in Ruth vernarrt.

Galen bemerkte überhaupt nicht, wie sehr seine Worte Laney beunruhigten und erzählte weiter. „Miss Grubb war hier und hat sich um deinen Garten gekümmert, Ma. Sie hat Unkraut gejätet und Bohnen, Tomaten und Birnen geerntet, damit du erst morgen wieder an die Arbeit gehen musst.“

Mir musste Galens Mutter das Gärtnern erst beibringen. Ivy scheint schon alles zu wissen, sodass sie sich alleine um den Garten kümmern kann. Ein Farmer wie Galen braucht eine Frau, die an seiner Seite arbeiten und all diese praktischen Dinge erledigen kann. Ich habe einfach nicht schnell genug dazugelernt. Laneys Magen zog sich zusammen.

Über Kellys Lippen kam ein leises Lachen. „Ich hätte wissen müssen, dass du Hilfe hattest. Das Haus sauber zu halten war noch nie deine Stärke und mein Ofen funkelt wie neu.“

„Elaine Louise“, sagte Hilda und riss Laney aus ihren bedrückenden Gedanken. „Du solltest doch Wasser aufsetzen und die Nudeln kochen. Hör auf zu träumen und mach dich nützlich.“

Laney nickte nur und sagte lieber kein Wort, weil sie ihrer Stimme nicht traute. Ihr Glaube und ihre Gebete hatten nichts gebracht. Galen behandelte sie immer noch so, als wäre sie Joshs lästige kleine Schwester, anstatt in ihr eine erwachsene junge Frau zu sehen, die eine gute Ehefrau sein konnte. Und genau deshalb hatte er sein Herz einer anderen geschenkt.

* * *

Ivy zuckte zusammen, als sie den Eimer aus dem Bachlauf hob. Gestern hatte sie sich die Hand verbrannt – was schon seit Jahren nicht mehr passiert war. Die Hornhaut an ihren Händen beschützte sie normalerweise, aber ihr Dad hatte sie abgelenkt. Bis zum Morgen hatte sich in ihrer Handfläche eine Brandblase von der Größe eines Spatzeneis entwickelt. Der Seilgriff des Eimers schnitt nun unangenehm in die Wunde.

„Warum brauchst du so lange?“, knurrte ihr Dad sie an.

„Ich muss nur noch zwei Reihen wässern“, rief sie zurück. Und leise murmelte sie: „Wenn du nicht so unheimlich beschäftigt wärst, könntest du mir ja helfen.“

„Komm zu mir, damit ich was trinken kann.“ Dabei sah er sie nicht einmal an. Er schnitzte einfach weiter an seinem Stöckchen herum, umgeben von nutzlos heruntergefallenen Spänen.

Sie kam zurück und nahm den Eimer in die andere Hand. Ihr Dad rammte das Messer in den Baumstamm, auf dem er saß und steckte seine Hand in das Wasser.

Er zog die Hand zurück und schnappte: „Das ist nicht kalt genug.“

„Ich nehme es zum Wässern und hole dir dann frisches.“

Ärgerlich versetzte er dem Eimer einen Stoß, sodass Ivys Rock über und über mit Wasser begossen wurde. „Du bist so dumm wie du hässlich bist. Wie oft hab ich dir gesagt, dass ein Mädchen die Männer in ihrem Leben an erste Stelle setzen muss?“

Ivy trottete zurück zum Bach. Der dünne, durchtränkte Stoff ihres Kleides klebte an ihren Beinen. Sie wrang das Wasser raus, dann suchte sie sich ein schattiges Plätzchen, um den Eimer wieder zu füllen. Während sie so dort kniete, musterte sie den ausgeblichenen Schriftzug auf dem ausgeblichenen blauen Material. B-E-S-T.

„Das heißt best“, hatte Ishmael ihr vor Jahren erklärt, als sie den Rock aus einem alten Futtersack genäht hatte. „Und genau das bist du auch. Die beste Schwester, die man sich wünschen kann.“

Das gute weiße Mehl wurde in Baumwollsäcken verkauft; mittelmäßiges in einfachem Leinen. Jeder, der den Stoff ihres Kleides sah, wusste, dass sie bettelarm waren. Außer Ishmael hätte niemand bei dem Anblick ihres einzigen Kleides positive Worte finden können.

„Was ist denn jetzt schon wieder los?“ Ihr Dad spuckte laut aus. „Ich bin halb verdurstet, nicht mal Spucke hab ich noch.“

Pa führt sich auf wie eine Ziege mit brennendem Bart. Ishy weiß gar nicht, wie gut er es hat, dass er hier rauskommt.

„Mädchen!“ Ihr Dad stieß eine Reihe von Flüchen aus.

Ivy zog den Eimer aus dem Wasser und ging zurück zu ihrem Vater. „Hier. Kälter geht es nicht.“ Sie hielt ihm den Eimer hin und ihr Dad trank. „Da hast du aber schon ganz schön viele Späne gemacht.“

„Jep. Sie sind für mich wie pures Gold.“

Gold? Ivy sagte nichts dazu. Ihr Dad konnte nicht einfach trockene Blätter und Zweige nehmen, um das Feuer für seinen Brennkessel anzufachen, wie es jeder andere getan hätte. Nein, normalerweise bestand er auf Eichenholz, das in Richtung Osten gewachsen war. Wenigstens das ersparte er ihr heute.

„Steh da nicht wie angewurzelt rum. So hässlich, wie du bist, will ich dich doch nicht die ganze Zeit anstarren. Wir haben noch ’ne Menge zu tun heute. Ich habe nämlich nur noch eine Flasche übrig und die ist auch nur noch halb voll.“

Ivy ging in den entferntesten Teil des Gartens und leerte ihren Eimer aus. Sie musste noch fünfmal gehen, damit auch die letzte Reihe mit Wasser versorgt war.

Währenddessen wuchsen ihre Sorgen. Zu seinen besten Zeiten war ihr Dad mehr als ungehalten. Wenn er keinen Schnaps mehr hatte, würde er unausstehlich werden. Das Getreide wird nicht schnell genug reif sein und dann steht er ohne Schnaps da. Sonst hilft Ishy mir immer, wenn Dad ausrastet. Aber jetzt, wo er arbeitet, wie soll ich da alleine mit Dad fertigwerden?

„Hey.“

Ivy sah sich um und entdeckte ihren Bruder ein paar Reihen entfernt stehen. „Ishy! Was machst du denn hier?“ Er sah nicht bedrückt oder enttäuscht aus, trotzdem rief Ivy: „Du sollst doch für O’Sullivan arbeiten. Ist irgendwas schiefgelaufen? Hat er dich gefeuert?“

„Hör auf, dir Sorgen zu machen.“ Vorsichtig suchte sich Ishmael einen Weg zu ihr. „Seine Leute sind nach Hause gekommen. Dafür arbeite ich morgen den ganzen Tag. Und schau nur, was ich hier habe.“

Ivy legte den Kopf schief. „Eine Kiste?“

„Eine Kiste aus einem echten Restaurant. Das ist gekauftes Essen!“

„Das kann nicht sein. Es ist doch niemand so blöd und verpackt gekochtes Essen in einem Pappkarton.“

Ishmael musste ein Lachen unterdrücken. „Kommt drauf an, was für Essen. Aber die Frau in dem Diner scheint nicht die allerbeste Köchin zu sein. Mr O’Sullivans Ma und drei andere Frauen brauchten eine Stunde, um daraus etwas Essbares zu machen.“

„Das ergibt doch keinen Sinn. Niemand gibt Geld für Essen aus, das er mit nach Hause nimmt und da noch mal neu kocht.“

„Manche Leute sind eben seltsam. Aber ich werde bestimmt nicht nachfragen. Das ist die Familie von meinem Boss und ich mache mich garantiert nicht unbeliebt.“ Vorsichtig hob Ishmael den Deckel des Kartons an.

Ivy sah hinein und widerstand dem Drang, mit dem Finger in das Essen zu picken. „Was ist das?“

„Kartoffeln und Frick a See-Huhn. Oder so.“

„Was hat das Huhn denn mit einem See zu tun?“

„Keine Ahnung. Ich hab nicht nachgefragt. Aber Mrs O’Sullivan hat eine helle Bratensoße dazu gemacht und wir haben sie mit Nudeln zu dem Seehuhn gegessen.“

„Was sind das denn für kleine Stückchen?“

Wieder musste Ishmael sich das Lachen verkneifen. „Ein Teil von den Kartoffeln ist im Karton hängen geblieben. Sie haben auf der Ranch noch Eier und Käse unter die Kartoffeln gemischt und sie angebraten, damit sie besser schmecken. Das nennt man Kartoffelpuffer.“

Ivy lief das Wasser im Mund zusammen.

„Schmeckt wirklich gut. Mrs O’Sullivan hat mir den Rest von dem Essen mitgegeben. Sie meinte, dass sie nach der langen Fahrt keine Kraft mehr hätte, den auch noch zu Kartoffelpuffern zu verarbeiten. Die anderen Frauen – sie wohnen auf der Nachbarranch – haben gesagt, dass sie das Essen nicht brauchen. Die McCain-Frauen – eine ist Josh McCains Schwester, die andere seine Frau – also, als Galen ihnen erzählt hat, wie köstlich dein Frühstück schmeckt, haben sie mich gefragt, ob ich den Rest nicht mitnehmen will. Du könntest ja auch Kartoffelpuffer machen, meinten sie. Sonst hätten sie es an die Schweine verfüttert.“

„So was geht doch nicht!“ Ivy sah zurück zu der Kiste. „Obwohl, der Anblick erinnert schon ein bisschen an Schweinefutter.“

„Mrs O’Sullivan hat mir ein Riesenstück Käse mitgegeben.“ Er schüttelte den Kopf. „Du wirst es nicht glauben, Schwesterchen, aber ich habe heute einen Kuchen an die Schweine verfüttert.“

Ivy starrte ihn fassungslos an. „Einen Kuchen?“

„Wenn man das überhaupt so nennen konnte. Außen war er total verbrannt und innen flüssig. Als die Mutter vom Boss ihn angeschnitten hat, kam eine klumpige braune Masse rausgelaufen. Alle haben laut losgelacht, als wäre es ein Riesenwitz. Einer von den Jungs hat den Finger in den Teig gesteckt, um zu naschen. Danach brauchte er eine Tasse Milch, um den Geschmack wieder loszuwerden.“

„Das ist eine Schande.“

„Schwesterchen, wenn so jemand einen Job als Köchin in einem Diner bekommt, dann habe ich keine Zweifel mehr.“ Er drückte ihr den Karton mit dem Essen in die Hände. „Du hast eine gute Zukunft vor dir, Ivy. Denn du bist eine gute Köchin. Irgendwann kochst du in einem von diesen noblen Stadtrestaurants und die Leute kommen von weit her, um dein Essen zu genießen.“

Er nahm den Eimer und musterte das Feld. „Morgen stehe ich früher auf und wässere das Getreide.“

„Das brauchst du nicht.“

Sie gingen zurück zur Feuerstelle, wo ihr Dad saß und beim Schnitzen vor sich hin fluchte.

„Das sind ganz schön viele Späne.“ Ishmaels Stimme klang angespannt. „Ich dachte, du wärst gestern schon damit fertig geworden.“

Ihr Dad schüttelte den Kopf. „Ich habe heute Nacht kaum ein Auge zugemacht. Wusste erst nicht, warum. Heute Morgen ist es mir dann eingefallen. Östlich des Mississippi habe ich Zweige genommen, die nach Westen wachsen. Jetzt sind wir an der Westküste. Ich meine, da müsste ich doch Zweige nehmen, die nach Osten wachsen. Der, den ich gestern bearbeitet habe, ist in die falsche Richtung gewachsen. Das musste ich heute nachholen.“

Ishmael warf Ivy einen Blick zu. „Hast du noch Holz fürs Abendessen?“

„Nicht mehr viel. Ich habe fast alles aufgebraucht. Und Dad wollte einen Großteil für die Destille.“ Fast das gesamte Holz, das sie gesammelt hatte, hatte sich ihr Dad unter den Nagel gerissen. Sie zeigte auf einen kläglichen kleinen Haufen. „Das ist alles, was ich noch zum Kochen habe.“

Ishmael stellte den Eimer ab und nahm sich die Axt. „Da Dad am liebsten Eichenholz benutzt, werde ich mich mal nach Ahorn oder Pappel umsehen“, murmelte er leise.

„Ich werde noch viel Eiche brauchen, wenn es so weit ist.“ Dad warf den Rest des Stockes achtlos hinter sich. „Und ich brauche auch jetzt sofort einen neuen Ast. Eben ist ein Käfer über die Späne gekrabbelt.“

„Du hast doch schon ziemlich viele Späne geschnitzt.“ Ishmael besah sich die Späne, in deren Mitte ihr Dad saß. „Auf jeden Fall genug, wenn ich mir das so anschaue. Ich wette, du hast den ganzen Tag daran gearbeitet.“

„Tja, Pech gehabt. Der Käfer hat alles ruiniert. Ich mache morgen einen neuen Vorrat. Und du suchst mir jetzt einen Ast, der nach Osten zeigt.“

Ishmael stieß ein langes, übertriebenes Seufzen aus. „Sorry, Schwesterchen. Aber wir werden dieses köstliche Abendessen wohl doch nicht bekommen.“

„Hm?“ Endlich sah Dad sie an. „Warum nicht? Und was hast du da überhaupt?“

„Das ist egal, Dad.“ Ishmael musterte das Axtblatt. „Du sagst doch immer, wir sollen die Destille an erste Stelle setzen.“

Dads Gesicht verzog sich, so wie immer, wenn er sich eine Ausrede überlegte. „Ich denke, du kannst doch erst mal Holz fürs Kochfeuer schlagen. Der Käfer ist ja nur kurz auf den Spänen gewesen, also müssten sie noch gut genug sein.“

Ishmael nickte langsam. „Du weißt es am besten, Dad.“

„Mädchen, bring die Späne in den Unterstand. Aber pass auf, dass du keins von meinen kleinen Löckchen zerbrichst.“

„Das ist wirklich großzügig von dir, Dad.“ Ishmaels Grinsen war so breit, dass Ivy seine Backenzähne sehen konnte. „Dass Ivy sich um die Späne kümmern soll, damit wir Männer das schwere Holz schleppen. Wirklich, wie ein Gentleman.“

„Warte mal. Mein Rücken tut mir schon den ganzen Tag über weh.“

„Das bezweifelt niemand“, sagte Ivy.

„Dann binde ich ein Seil an den Esel“, sagte ihr Bruder. „Das schont deinen Rücken, Dad.“

Dad ließ sich zurückfallen. „Dann brauchst du mich ja nicht.“

„Ich kann aber erst mit dem Kochen anfangen, wenn ich das Holz habe“, sagte Ivy und versuchte, die Verbitterung aus ihrer Stimme herauszuhalten.

Dad zuckte mit den Schultern. „Es ist ja erst Nachmittag. Ishy hat noch genug Zeit.“

Ivy wandte sich ab. Es ist zwecklos, Dad zum Arbeiten bringen zu wollen. Wenn er in die Arbeit genauso viel Elan stecken würde wie in seine Ausreden, dann wäre das Leben um einiges leichter. Zumindest für Ishy und mich. Aber das ist Dad egal.

„Hey. Was glaubst du denn, was du da verdammt noch mal tust?“

Ivy wandte sich um und sah, dass ihr Bruder die albernen Spänchen in Händen hielt. „Da ich noch Zeit habe, dachte ich, ich könnte Ivy helfen.“

„Das ist Frauenarbeit.“

„Als wir meine Arbeitskraft angeboten haben, um hier auf diesem Land bleiben zu dürfen, hast du gesagt, dass Ivy und du das Land bestellen würden. Jedes einzelne Getreidekorn, was wir je geerntet haben, hast du Ivy und mir zu verdanken. Ivy macht Männerarbeit. Harte Arbeit. Jeden Tag.“

„Ist ja nicht meine Schuld, dass ich so schlimmes Rheuma habe. Das Mädchen hat einen starken Rücken. Sie muss nur aufhören, den ganzen Tag zu vertrödeln. Sie hat Stunden gebraucht, um das Feld zu wässern.“

„Ich weiß noch, dass wir vor ein paar Jahren ein ähnliches Problem hatten. Da haben wir einfach einen kleinen Graben ausgehoben, der das Wasser zu den Feldern transportiert hat, die weit vom Fluss entfernt waren.“

„Ich werde bestimmt nicht graben. Hab euch gesagt, dass mein Rücken das nicht mitmacht.“

Ishmael zog sein Hemd aus und kniete sich hin. „Schwesterchen, du gehst und suchst nach einer Weide.“ Er warf ein paar der Späne auf sein Hemd. „Ich kümmere mich hier drum. Wenn ich dann das Holz hole, kannst du Dad einen Weidenrindentee gegen die Schmerzen kochen.“

„Hier gibt es keine Weiden“, grummelte Dad.

„Vielleicht flussaufwärts. Ivy hat eine gute Nase, wenn es um so etwas geht.“ Zu ihr gewandt fuhr er fort: „Ivy, lass dir Zeit. Such eine gute Weide mit dicker Rinde, damit der Tee auch wirklich gegen Dads Beschwerden hilft.“

Ivy lächelte ihren Bruder an. „Und du schaffst das hier wirklich allein?“

„Hör auf, deinen Bruder zu ärgern!“

„Ach, Dad. Ivy hat doch nur Spaß gemacht. Deine Rückenschmerzen müssen wirklich ziemlich schlimm sein, wenn du noch nicht einmal das Zwinkern in ihren Augen gesehen hast.“

„Ja, mein Rheuma plagt mich sehr.“ Dad funkelte sie böse an. „Worauf wartest du noch? Besorg mir endlich diese Rinde.“

„Ich hole dir nicht einfach irgendeine Rinde, Dad. Ich gehe auf Nummer sicher und suche nach der wirkungsvollsten, dicksten Rinde, die ich finden kann.“ Sie stellte den Karton mit dem Essen ab, nahm den Eimer und ging davon.

Eine Weile später kam Ishmael zu ihr in den Schatten einer Weide geschlendert. „Und? Wie viel hast du schon?“

„Der Eimer ist schon halb voll. Ich dachte, dass ich vielleicht einen Teil davon trocknen könnte. Dad wird bestimmt bald etwas wollen, wenn gerade keine Weide in der Nähe ist.“

„Das ist eine gute Idee. Aber wo willst du es aufbewahren?“

„Erinnerst du dich noch an die Zigarrenkiste, die ich gefunden habe? Ich dachte, dass sie gut für solche Zwecke geeignet ist.“ Sie duckte sich, um unter einem tief hängenden Zweig vorbeizugehen, und sah den Esel in der Nähe stehen.

„Ich habe schon einen dicken Ast ans Feuer gezogen. Pass auf. Ich finde es schrecklich, dass Dad das Feuerholz benutzt, das du sammelst, aber es bringt nichts, mit ihm zu diskutieren. Ich sammle jetzt genug, dass es für die nächsten Tage reicht. Außerdem habe ich mir überlegt, dass wir in der Nähe ein paar geheime Stapel anlegen könnten. Dann kommst du leicht an das Holz, wenn ich gerade auf der Ranch arbeite.“

„Danke, Ishy.“

„Du brauchst mir nicht danken. Ich sollte eher dir danken. Während ich einen guten Boss habe und regelmäßig Essen auf der Farm bekomme, musst du hier bei Dad bleiben und allein für ihn schuften.“

„Daran bin ich doch gewöhnt.“ Ihr Magen knurrte laut. „Aber ich gehe jetzt zurück und mache etwas Leckeres aus diesem gekauften Essen.“

„Da musst du fast zaubern, aber wenn es jemand schafft, dann du.“

Sie führten den Esel zurück in Richtung Lager. Als es in Sicht kam, hätte Ivy am liebsten laut geschrien.

Dad saß immer noch auf dem Baumstumpf. Wenn nicht der Karton mit dem Essen auf seinem Schoß gestanden hätte, hätte Ivy geschworen, dass er sich die ganze Zeit über nicht gerührt hatte. Bei ihm saß ein Fremder und beiden schmeckte es scheinbar.

8. Kapitel

„Komm schon.“ Ishmael zog an dem Zaumzeug des Esels.

Ivy war sich nicht sicher, ob er mit dem Tier oder mit ihr sprach, aber sie trottete weiter. Das Essen war weder ansehnlich gewesen noch hatte es gut gerochen, aber in ihrem momentanen Zustand hätte sie alles verschlungen.

Dad sah sie an und schob dabei den Unterkiefer vor. „Wird auch Zeit, dass du endlich zurückkommst, Mädchen. Dir ist es wohl egal, dass ich stundenlang auf dich warte und verhungere. Meine Schmerzen sind kaum noch zu ertragen.“

„Ich habe Weidenrinde gegen deine Schmerzen gesammelt und ich habe auch ein paar Kräuter für die Suppe gefunden.“

„Ich weiß gar nicht, warum man dieses Essen noch verbessern soll. Es ist das Beste, was ich seit Langem gegessen habe. Nicht so wie das Zeug, das du uns immer auftischst. Da wusste jemand, was er tat.“

„Es war wirklich gut.“ Der Fremde beugte sich vor und musterte Ivy interessiert.

„Es war?“ Ishmaels Stimme klang entrüstet.

„Mr Smith und ich hatten ein Geschäftsessen. Daran ist nichts auszusetzen.“ Dad wedelte mit der Gabel in Ishmaels Richtung. „Du hast auf der Farm gegessen, also hast du keinen Grund zu meckern.“ Er warf die Gabel in den leeren Karton. Am Geräusch erkannte Ivy, dass sich nichts mehr von dem Essen darin befand.

„Ivy wollte –“

„Ist mir egal, was sie wollte. Sie sollte mir danken. Jetzt braucht sie nicht für uns Männer zu kochen. Also habe ich ihr Arbeit erspart. Sobald sie mir den Tee gekocht hat, kann sie sich selbst was machen.“

Der Fremde wandte seine Aufmerksamkeit wieder Ivy zu. Sein Mund verzog sich zu einem spöttischen Lächeln und in seinen Augen funkelte kalte Gemeinheit. „Sie ist ja tatsächlich so dürr, wie ich gehört habe.“

Ishmael funkelte den Fremden böse an. „Wagen Sie es ja nicht, so über meine Schwester zu reden.“

„Er hat doch recht.“ Dad winkte mit derselben Geste ab, mit der er lästige Fliegen von seinem Teller verscheuchte.

Ishmael zog den Esel zwischen den Fremden und Ivy. „Und wer redet bitte schön über Ivy?“

Der Esel bewegte sich zur Seite, sodass Ivy sehen konnte, wie der Fremde mit den Schultern zuckte. „Viele Männer mögen Frauen, die eine gute Figur haben.“

„Heute Morgen ist hier schon ein anderer Mann vorbeigekommen“, sagte Ivy leise zu ihrem Bruder. „Er hatte dunkleres Haar, aber ich würde wetten, dass es sein Bruder oder Cousin gewesen war.“

„Mr Jones hier …“, fing Dad an.

„Eben hat er ihn noch Smith genannt“, flüsterte Ivy.

„… ist mein neuer Partner“, redete er weiter. „Solange ich noch nicht genug Getreide zum Brennen habe, bringt er mir Korn und Zucker.“

„Das stimmt.“ Mr Smith oder Jones erhob sich und klopfte seine Hose aus. „Morgen komme ich wieder.“

„Übermorgen wäre besser. Nachmittags.“ Ishmaels Stimme klang fest.

„Je eher wir anfangen, desto besser“, sagte Dad. „Morgen hört sich gut an.“

Ishmael schüttelte den Kopf. „Dad, deinem Rücken ging es heute wirklich schlecht. Es bringt doch nichts, alles noch schlimmer zu machen. Übermorgen reicht aus. Da bin ich auch den ganzen Nachmittag und Abend da. Ich muss dir doch beim Abladen helfen, wenn Mr –“

„Johnston“, warf der Fremde ein.

„Mr Johnston die Säcke bringt.“

„Wir brauchen nicht zu warten.“ Dad klang ungeduldig. „Das Mädchen ist stark genug.“

„Dad, Mr Johnston hat doch selbst gesagt, dass Ivy dürr ist. Wenn sie einen Sack fallen lässt, platzt er womöglich auf. Übermorgen ist besser.“

„Er kann kommen, wann er will“, schnarrte Dad. „Mädchen, hör auf, faul herumzustehen und mach mir endlich diesen vermaledeiten Tee.“

Ishmael zog Ivy weg von dem Fremden. „Und hol einen Eimer frisches Wasser. Aber such die kühlste Stelle aus, mit dem besten Wasser.“

Ivy ging so weit sie konnte. Der schwarzhaarige Mann von heute Morgen war gut aussehend gewesen und so geschniegelt wie ein Rabe nach einem Bad. Er hatte eine lockere und freundliche Art an sich gehabt – ganz anders als der Fremde jetzt. Dads neuer Geschäftspartner ließ ihr die Nackenhaare zu Berge stehen. Viele von Dads Bekannten waren falsche Hunde, das wusste sie, aber mit diesem hier war wirklich nicht gut Kirschen essen.

Plötzlich vernahm sie hinter sich Schritte. Erschrocken fuhr sie herum.

„Ich bin’s nur, Schwesterchen.“ Ishy kam näher. „Der Typ ist weg. Das ist der Käse, den die Mutter vom Boss mir gegeben hat. Du kannst ihn essen.“

„Wollen wir nicht teilen?“

„Nein. Ich habe heute an der Arbeit schon so viel gegessen, dass ich fast geplatzt wäre.“

Ivy biss in den Käse und musste ein genüssliches Stöhnen unterdrücken, als sich das Aroma in ihrem Mund entfaltete. „Ishy, der ist unglaublich gut.“

„Hast du noch die Scheide für dein Messer?“

„Mhm.“ Sie schluckte und wartete mit dem zweiten Bissen, um den Geschmack noch länger auf der Zunge genießen zu können.

„Aber du hast sie nicht bei dir. Von jetzt an will ich, dass du dein Messer die ganze Zeit über dabei hast. Da ich nicht an Gott glaube, glaube ich eigentlich auch nicht an den Teufel – aber dieser Mann heute könnte mich das alles noch mal überdenken lassen.“

„Wertlose, faule Ziege“, hörten sie Dad aus der Ferne. Dann bellte er: „Ich sterbe, Mädchen. Und du lässt mich hier warten!“

Ivy füllte schnell den Eimer mit Wasser. „Von jetzt an habe ich mein Messer immer bei mir. Da kannst du sicher sein.“

* * *

„Ishmael und ich säen heute die Gerste.“ Galen stand vor der Waschschüssel in der Küche und wollte sich gerade rasieren. Dabei schaute er in den Spiegel, um die Reaktion seiner Mutter zu sehen.

„Ich habe mich schon gefragt, warum du das nicht schon gestern nach dem Pflügen gemacht hast.“

„Wir brauchen eine Vogelscheuche.“ Er drehte sich um. „Könntest du das mit Dale zusammen übernehmen?“

„So wahr ich hier stehe und atme.“ Ma setzte Kaffee auf. „Wenn der Markt nicht gewesen wäre, hätte ich sie schon lange fertig.“

„Du und die Jungs hatten Spaß und waren abgelenkt. Von daher hat sich der Besuch gelohnt.“

„Als ich meine Kleider anprobiert habe, hat das pinkfarbene nicht mehr gepasst. Anstatt es wegzuschmeißen, würde ich es gern verwenden und aus der Vogelscheuche dieses Jahr eine Vogelscheuchenfrau machen.“

„Eine weibliche Vogelscheuche? Das ist mal was ganz Neues.“ Er zuckte mit den Schultern. „Warum eigentlich nicht.“

Ma nickte. „Das dachte ich mir auch. Es ist mal was anderes.“

Galen wartete.

„Dein Dad war in den letzten Monaten so krank, dass er nur noch seine Nachthemden getragen hat. Gestern Abend habe ich einige seiner Sachen ausgeräumt.“ Ihr versagte die Stimme. „Galen, Schatz, du siehst deinem Vater so unglaublich ähnlich.“

Galen legte das Rasiermesser beiseite und ging auf seine Mutter zu. Zärtlich legte er die Arme um sie und drückte sie fest an sich.

Als sie sich an ihn schmiegte, wurde ihm zum ersten Mal bewusst, wie schrecklich zerbrechlich sie trotz all ihrer inneren Stärke war.

Seit sein Dad gestorben war, hatte Ma Galen darin bestärkt, sich eine Frau zu suchen. Er hatte den Gedanken abgelehnt, weil seine erste große Liebe mit einem Metzger aus Sacramento davongelaufen war. Dann hatte er sich für Ruth interessiert, doch die hatte Josh ihm weggeschnappt. Diese beiden Erfahrungen hatten ihn vorsichtig gemacht. Das ist jetzt vorbei. Ich werde den jungen Damen in der Kirche mehr Aufmerksamkeit schenken. Gott sagt, dass es nicht gut ist, wenn ein Mann alleine ist. Ich möchte eine Gefährtin haben und unser Heim mit Kinderlachen füllen. Meine Frau wird Ma helfen und die Kinder werden sie auf Trab halten.

„Ich glaube, ich könnte es nicht ertragen, wenn du Cullens Hemden tragen würdest.“

Galen hielt sie immer noch fest. „Mach dir keine Sorgen, Ma. Ich brauche Dads Hemden nicht.“

„Ich weiß. Aber ich habe mich gefragt, ob –“ Sie atmete zitternd ein, dann sagte sie schnell: „Würde es dir etwas ausmachen, wenn ich sie Ishmael geben würde? Wir haben Cullen in seinem Sonntagsanzug beerdigt und die beiden anderen Hemden sind nur einfache Arbeitshemden – und sehr abgenutzt.“

Herr, genau das hatte ich heute Morgen auf dem Herzen. Galen senkte den Kopf und drückte seiner Mutter einen Kuss aufs Haar. Wann hatte ihr Haar diese grauen Strähnen bekommen?

Sie strich sanft über seinen Rücken. „Wenn dir der Gedanke nicht gefällt …“

„Ma, Dad würde sich freuen, wenn jemand seine Hemden trüge.“ Selbst in ihrem Schmerz hatte sie noch das Wohl der anderen im Sinn. Genauso wollte er es auch machen. „Aber was ist mit den Jungs?“

„Ich sage euch, was ich denke“, kam eine Stimme von der Schlafstatt her.

„Sean Michael O’Sullivan. Du hast gelauscht?“ Galen sah ihn fest an.

„Nicht mit Absicht.“ Sean sah zu ihnen herunter. „Laney hat gesagt, dass es ein Segen ist, zu geben. Weil Josh uns neue Hemden gekauft hat, sollten wir jetzt wohl mal die Gebenden sein.“

Plötzlich tauchte Dale an der Seite von Sean auf. „Außerdem, der Vogelscheuche steht Mas Kleid vielleicht, aber Ishmael würde wirklich ziemlich albern darin aussehen.“

Plötzlich fiel die Tür hinter Colin ins Schloss, der gerade von der Toilette kam. „Was ist denn so lustig?“

Dale quietschte: „Wir haben uns dazu entschlossen, dass Ishmael nicht Mas pinkfarbenes Kleid anziehen muss.“

„Deshalb geben wir ihm lieber Dads alte Hemden“, brachte Sean die Erklärung zu Ende.

„Nein!“ Colin schüttelte vehement den Kopf.

Galen war sich nicht sicher, ob Colin damit seine Ablehnung ausdrücken wollte oder zwischen Ma und ihm hin und her sah, um den Schuldigen für diese Idee auszumachen. Galen ließ seine Ma los und trat einen Schritt vor. „Loslassen ist schwer. Man muss sich daran gewöhnen. Vertrau uns, Colin. Ma und ich haben das Gefühl, das Richtige zu tun.“

Schritte erklangen auf der Veranda und dann klopfte jemand an die Tür.

„Ja?“, rief Galen.

Ishmael öffnete die Tür nur einen Spaltbreit und flüsterte: „Der Milcheimer ist noch nicht in der Scheune.“

„Wir sind heute Morgen etwas langsamer, Ishmael. Ich schicke Sean zu den Kühen und du kannst den Stall ausmisten.“

„Okay.“ Die Tür wurde wieder geschlossen.

Ma sah Colin an, sagte aber nichts weiter.

„Wir machen das hier schon“, versprach Galen seiner Mutter.

„Dale und ich sammeln die Eier.“ Sie drückte Colin die Hand. „Und niemand sagt etwas zu Ishmael. Ich will nicht, dass einer meiner geliebten Söhne verletzt wird.“

Alle anderen waren schon aus der Hütte geschlüpft, doch Colin bewegte sich keinen Millimeter. Ein Gefühl unbändiger Wut ging von ihm aus.

Herr, schenke mir Weisheit.

„Du darfst Dads Hemden nicht weggeben!“

Galen sah in Richtung der Waschschüssel und stieß einen langen, leisen Seufzer aus. Sei bei uns, Gott. Das Tal der Trauer ist viel tiefer, als ich gedacht habe.

Galen legte seinen Arm um Colins angespannte Schultern und zog ihn zum Spiegel. „Der Baumwollstoff eines Hemdes hält nicht ewig. Er zerfällt und vergeht.“ Dann öffnete er die Schublade an der Waschkommode und nahm etwas heraus. „Du bist jetzt ein Mann, Colin. Aye, das bist du. Ich denke, Dad hätte gewollt, dass du das hier bekommst.“ Er drückte Colin den Gegenstand in die Hand.

„Dads Rasierklinge.“ Überraschung und Ehrfurcht vermischten sich in Colins Stimme.

„Aye. Und es ist eine gute Klinge. Ich benutze die, die früher unserem Großvater gehört hat. Ich bin stolz darauf. Diese hier – Dads Klinge – ist für die Ewigkeit gemacht.“ Er fuhr Colin ein paarmal übers Kinn. „Es wird Zeit, dass du deine Kindheit hinter dir lässt, Colin. Wir werden uns jetzt rasieren.“

Eigentlich hatte er seinen Rasierer schon geschärft, aber er tat es noch einmal. „Und jetzt du.“

Colin zog die Klinge mit mehr Eifer als Können über den Riemen, aber das war egal. Er zuckte zusammen, als er mit dem Daumen die Schärfe der Klinge prüfte und nickte dann fachmännisch, als wüsste er genau, wie sie sich anfühlen musste.

„Heißes Wasser ist am besten. Ma stellt morgens immer einen Topf auf den Ofen. Hol ihn bitte.“

Während er das Wasser zum Waschtisch brachte, fragt Colin: „Wie viel brauchen wir?“

„Nur einen kleinen Schluck. Sodass die Seife leicht bedeckt ist.“

Colin schüttete das Wasser in die Schüssel und zuckte zusammen, als er sah, dass es zu viel war.

„Da wir uns beide rasieren, ist die Menge in Ordnung.“ Galen zwang sich zu einem Lächeln. Genau das Gleiche habe ich bei meinem ersten Mal auch gemacht – und Dad hat mir dasselbe gesagt.

„Nichts riecht so gut wie McGillicuttys“, murmelte Colin.

„Das ist die beste Seife, ja.“ Galen entspannte sich bei dem Spruch, den auch sein Dad immer über seine Rasierseife gesagt hatte. „Jetzt streich sie auf dieses Tuch und reib es in Kreisbewegungen über deine Wangen.“

Bald standen sie mit weißem Schaum im Gesicht da. „Guck, wie ich es mache. Halte die Klinge so. Lass den Zeigefinger immer hier und heb dein Kinn. Dann leg den Kopf schief und zieh ganz langsam. Laaangsam.“

Vorsichtig tat Colin genau das, was Galen ihm vorgemacht hatte, und meisterte die ersten Striche mit Bravur. Dann wuchs sein Selbstbewusstsein zu sehr und er schnitt sich. „Autsch!“

Galen zog die Schublade auf und legte den Stift zum Blutstillen neben die Schüssel. „Das Alaun stoppt die Blutung, brennt aber wie ein Wespenstich.“

Ein Grunzen war die einzige Erwiderung – bis Colin den Stift benutzt hatte. Er verzog das Gesicht zu einer Grimasse, sog die Luft ein und stieß sie wieder aus. Eine halbe Minute lang. „Beim nächsten Mal bin ich vorsichtiger.“

„Aye.“ Galen fuhr mit seinen Erklärungen fort. „Wenn du deinen Schnurbart rasierst, musst du aufpassen, dass du die Seife nicht in die Nase bekommst. Sonst musst du niesen und verletzt dich noch schlimmer.“

Endlich wischte Colin die letzten Seifenreste aus seinem Gesicht. „Und?“

Galen tat so, als mustere er das Ergebnis kritisch. Dabei fuhr er seinem Bruder mit dem Daumen über das Kinn. „Ich würde sagen, du besitzt da eine exzellente Rasierklinge. Sehr gut gemacht.“

Colin warf einen Blick auf das Erbstück seines Vaters. „Ich werde nie vergessen, wie Dad sich damit rasiert hat.“

„Diese Erinnerungen machen uns stark. In den nächsten Jahren wirst du diese Klinge benutzen und dich an die weisen und guten Dinge erinnern, die er dir gesagt hat. Wir werden unsere Erinnerungen teilen und so bleibt er lebendig. Anderes müssen wir loslassen, Colin.“

„Du redest von Dads Hemden.“

„Das stimmt. Und es wird auch noch andere Dinge geben.“

„Aber warum?“

„Ich sage mir immer wieder, dass ich die Dinge loslassen kann, weil ich einen reichen Schatz an Erinnerungen habe, die mir niemand nehmen kann. Wir haben Freude daran, uns an Dad beim Rasieren zu erinnern. So eine einfache Sache – und doch unendlich gut.“

Sean kam zurück und auch Dale und Ma betraten die Hütte. Auf Mas Stirn bildeten sich Sorgenfalten, als sie Colin und Galen ansah.

„Also, Ma“, sagte Galen mit verschränkten Armen. „Du brauchst dir keine Sorgen zu machen. Colin hat sich kaum geschnitten.“

„Colin hat sich rasiert?“ Sean machte große Augen.

„Natürlich hat er das.“ Endlich lächelte Ma wieder. „Das wurde aber auch Zeit. Er verwandelt sich vor unseren Augen in einen jungen Mann. Und dazu noch in einen gut aussehenden.“

„Aye, man bekommt nicht gerade Kopfschmerzen, wenn man ihn anschaut, aber das ist nur das Äußere.“ Galen klopfte seinem Bruder männlich auf den Rücken. „In seinem Inneren, wohin Gott schaut, hat Colin ein reines Herz.“

„Das habt ihr alle.“ Ma sah ihre Söhne der Reihe nach an, dann ging sie an den Schrank. „Aber ich will auch, dass ihr was im Kopf habt. Darum beeilt euch, damit ihr nicht zu spät zur Schule kommt.“

Während der Speck in der Pfanne zischte, stellte Ma sechs Teller auf den Tisch. Es wirkte gleichzeitig falsch und richtig. Sie räusperte sich. „Ich mache Rührei, Galen. Es dauert nur noch ein paar Minuten. Am besten holst du Ishmael, damit er sich noch waschen kann.“

„Ich mach das.“ Colin war schon auf dem Weg nach draußen.

Während Sean und Dale sich wuschen, ging Galen zu seiner Ma und murmelte: „Ich hoffe, es macht dir nichts aus. Ich habe ihm Dads Rasierklinge gegeben.“

Ma gab die Eier in die Pfanne und machte dabei ein seltsames leises Geräusch. Dann blinzelte sie, um die Tränen zurückzudrängen. „Da Colin das Kinn seines Vaters hat, scheint mir das passend.“

Galen sah dabei zu, wie sie die Eier umrührte und diese sich in eine fluffige gelbe Masse verwandelten – ganz anders als die schwarzen Klumpen, die er produziert hatte. Seltsam, wie diese kleinen Dinge das Leben wertvoll machten.

„Galen, ich bin so froh, dass du mit ihm gesprochen hast.“ Ma lehnte sich an ihn. „Ich wusste nicht, wie ich Colin hätte trösten sollen. Ihm den Rasierer zu geben, war eine wunderbare Idee.“

„Ich glaube, Dad hätte es auch so gewollt.“

„Davon bin ich überzeugt.“

Nachdem sie sich alle zum Essen gesetzt hatten und Galen das Dankgebet gesprochen hatte, saß Ishmael da und rührte die Eier kaum an. „Mrs O’Sullivan, Ma’am, Colin hat mich gefragt, ob ich die alten Hemden seines Dads haben will.“

Ma nickte.

„Ich werde sie nicht nehmen, wenn es Sie schmerzen würde, mich darin zu sehen.“

„Nehmen Sie sie. Bitte.“ Ma reichte ihm die Schüssel mit den Eiern. „Die hier auch.“

„Ich glaube, Dad hätte es so gewollt“, sagte Colin.

„Dass Ishmael die Hemden nimmt oder die Eier?“, fragte Dale.

„Die Hemden.“ Sean nahm sich drei große Löffel voll Rührei und gab die Schüssel dann an seine Ma zurück. „Wir alle glauben, Dad hätte gewollt, dass sie jemand bekommt, der sie gebrauchen kann.“

„Ja, das hätte er“, stimmte Galen zu.

9. Kapitel

„Galen.“

„Ja, Ma?“ Er sah über den Rücken des Ponys hinweg, das er gerade abgesattelt hatte. Sie hielt einen Mehlsack in Händen.

„Du hast gesagt, dass die Grubbs auf unserem Land leben, aber ich weiß nicht, wo.“

„Am südlichen Ende, unten beim Bachlauf. Warum?“ Er sah, wie seiner Mutter Tränen in die Augen stiegen und ging um das Pferd herum zu ihr. „Was ist denn los?“

„Den Gedanken, dass die Grubbs hungern müssen, kann ich nicht ertragen.“ Nun flossen ihr die Tränen über die Wangen.

Galen nahm ihr den Sack ab, stellte ihn neben sich und nahm seine Mutter in die Arme. Beim Frühstück und Mittagessen hatte Ishmael offensichtlich versucht, nicht zu viel zu essen, aber immer, wenn Galen oder Ma ihm noch einen Nachschlag angeboten hatten, hatte er ihn dankbar angenommen und heruntergeschlungen wie ein hungriger Wolf.

„Wir wissen genau, wie es ist, wenn man nicht genug zu essen bekommt.“ Mas Worte klangen leise und rau.

„Aye, das ist wahr.“ Immerhin waren zwei seiner Brüder während der großen Kartoffelfäule gestorben, bevor sie noch in Amerika angekommen waren. Doch Galen hatte gedacht, dass seine Ma mittlerweile ihren Frieden damit gemacht hätte. Es war viele Jahre her und sie hatte immer wieder betont, wie gnädig Gott gewesen war, ihr drei weitere Söhne zu schenken, denen es nun an nichts mangelte. Aber Dads Tod schien die Trauer und den Schmerz wieder aufbrechen zu lassen.

„Ma, ich habe Ishmaels Schwester zweimal hier arbeiten lassen, als du nicht da warst. Sie hat als Bezahlung Gemüse und Obst mitgenommen.“

Ma zog sich von ihm zurück und trocknete ihre Tränen mit der Schürze ab. „Schön und gut, aber ich bringe ihnen trotzdem noch etwas vorbei und frage das Mädchen, ob es mir beim Aufstrichmachen helfen könnte.“

„Nein.“

„Aber du hast es doch selbst vorgeschlagen.“

Aber ich will nicht, dass du dorthin gehst. Ich vertraue Ebenezer Grubb nicht. Ishmael hat bewiesen, dass er klug und vertrauenswürdig ist und Ivy hat hart gearbeitet, als sie hier war. Doch ihr Vater ist ein Schwätzer und Tunichtgut. Warum lasse ich überhaupt jemanden, dem ich nicht vertraue, auf meinem Grund und Boden leben? Galen versuchte, seine Gedanken zu sortieren. „Wir fragen Ishmael einfach, ob er sie morgen mitbringt.“

Ein Lied wurde vom Wind zu ihnen getragen. Galen drehte den Kopf in Richtung der Quelle. Ishmael pfiff vor sich hin, während er die Vogelscheuche aufstellte. Die Melodie stammte von einem Lied, das sie auf der Beerdigung seines Vaters gesungen hatten.

„‚Ruhe in Christus‘“. Ma legte ihre Hand in die von Galen, während sie den Namen des Lieds nannte. „Du hast es heute nach dem Frühstück gesummt. Es ist ein großer Trost zu wissen, dass Cullen bei Gott seinen Frieden gefunden hat.“

Ishmael hat das Lied von mir. Er weiß nicht, dass es ein christliches Lied ist, aber es ist ein Anfang. Vielleicht sind sie genau deshalb hier – damit wir ihnen Jesus näherbringen können.

„Wir dürfen die drei nicht zu auffällig beschenken, Ma. Ich bringe ihnen den Sack. Überleg dir, wann du den Aufstrich machen willst und sag es Ishmael, bevor er geht. Er wird Ivy fragen.“

„Das ist wohl am besten.“

Ma ging nach drinnen und Galen versteckte den Sack. Dann kümmerte er sich weiter um den kleinen Mustang und brachte ihn auf die Weide, wo er sich ausruhen konnte.

„Also, Boss“, rief Ishmael, „was soll ich als Nächstes machen?“

Galen nickte in Richtung Schweinestall. „Tausch die untersten Bretter aus. Dale klettert immer wieder drauf, um Hortense und Mr Rüsselchen zu besuchen.“

„Rüsselchen?“ Ishmael schlug sich gegen die Stirn. „Oje, dann habe ich ihn immer missverstanden. Ich dachte, er hat das Schwein Mr Rotzelchen genannt, weil es unter der Nase so eine komische Farbe hat.“

„Das musst du unbedingt Dale erzählen. Er wird sich totlachen.“

„Mache ich. Aber jetzt kümmere ich mich erst mal um die Bretter. Soll ich sonst noch etwas austauschen?“

„Nein, den Zaun auf der Pferdekoppel habe ich gestern schon repariert, als du schon zu Hause warst.“ Galen musste Ishmael eine Weile beschäftigen, damit er heimlich Mas Sack abliefern konnte. „Wenn du mit dem Schweinestall fertig bist, hack bitte Holz. Ich bin ein wenig in Rückstand geraten und wir brauchen noch einiges für den Winter.“

„Haben wir Äste hier oder soll ich erst einen Baum fällen?“

„Das machen wir nächste Woche zusammen. Hinter der Scheune müssten noch ein paar Äste liegen, die du hacken kannst.“

Ishmael wusste, wo er das Werkzeug fand; er hatte ja schon geholfen, das Scheunentor zu reparieren. Als er alles Nötige eingesammelt hatte, machte er sich auf den Weg zum Stall.

Galen schnappte sich den Mehlsack und stahl sich davon. Ein Pferd konnte er nicht nehmen, weil man ihn sonst schon von Weitem gehört hätte. Deshalb machte er sich im leichten Dauerlauf auf den Weg.

Als er zum Lager der Grubbs kam, verlangsamte Galen seine Schritte und sah sich nach einem Ort um, wo er heimlich den Sack ablegen konnte. Er wollte nicht gesehen werden, aber er wollte trotzdem, dass Ivy das Mehl schnell fand.

„Ach du meine Güte!“

Galen fuhr herum.

Ivy stand vier Meter von ihm entfernt und hatte die Hand aufs Herz gepresst. Es entging Galen nicht, dass sie in der einen Hand ein Messer hielt. „Mr O’Sullivan, Sie hätten mich fast zu Tode erschreckt. Was schleichen Sie sich denn so an?“

Er legte einen Finger auf den Mund und schüttelte den Kopf.

„Ich hab Sie doch schon lange gesehen.“

Er stellte den Sack ab und sah sich um.

„Oh“, flüsterte Ivy jetzt. „Mein Vater soll nicht wissen, dass Sie uns etwas zu essen bringen?“

Er nickte.

„Egal was es ist, danke, Mr O’Sullivan.“

Galen lächelte und verschwand wieder, ohne ein Wort gesagt zu haben. Als er zurück zur Farm kam, hörte er das laute Schlagen der Axt. Er ging zu dem Maisfeld, das sie schon abgeerntet hatten, und entschied, dass die Stangenbohnen, die am Rand entlangwuchsen, noch etwa zwei Wochen lang Ertrag bringen würden.

Letztes Jahr hatte Dad geholfen, die letzten Bohnen zu ernten, doch er war viel zu schwach gewesen. Galen stand jetzt genau an der Stelle, an der sein Vater damals zusammengebrochen war. Natürlich hatte er gewusst, wie schwach sein Vater war, deshalb hatte er neben ihm gearbeitet und ihn aufgefangen.

„Sohn, lass mich hier auf meinem Grund und Boden sitzen. Es ist Zeit, dass wir miteinander reden und ich könnte mir keinen besseren Ort dafür vorstellen.“ Galen ging in die Knie, als die Erinnerung ihn traf. „Wir sind umgeben von Leben, Sohn – doch die Jahreszeiten ändern sich. Unser Erlöser wird mich zu sich nehmen, bevor wir noch eine gemeinsame Ernte erleben. Deine Ma und deine Brüder – ich vertraue sie dir an. Gott wird dir die Kraft geben, weiterzumachen.“

„Galen?“

Die panische Angst in Seans Stimme holte Galen mit einem Schlag zurück in die Gegenwart. Er bemühte sich, ruhig zu antworten. „Aye, Kleiner?“

„Bist du verletzt oder krank?“

Galen erhob sich und zog Sean zu sich, dann nahm er ihn an den Füßen, drehte ihn auf den Kopf und hielt ihn in die Luft, bis der Junge anfing zu kichern. „Ich bin so gesund wie ein Ackergaul. Aye, das bin ich.“ Er tat so, als ließe er Sean fallen, fing ihn auf und stellte ihn wieder auf die Beine. „Und du wirst immer größer und schwerer. Bald werde ich an dir zerren und ziehen und du wirst dich keinen Millimeter von der Stelle bewegen.“

„Heißt das, dass ich morgen bei der Maisernte helfen darf?“

Galen sah ihn mit einem Auge an und legte den Kopf zur Seite. „Hmmm.“

Sean baute sich in voller Größe vor ihm auf und machte sich so breit er konnte.

„Nicht ganz, ich glaube, nächstes Jahr bist du so weit. Aber morgen musst du dich zusammen mit Dale um die Bohnen kümmern, während Colin, Ma und ich das letzte Maisfeld abernten.“

„Ach, Galen!“ Sean trat in den Staub.

„Und du wirst auch Mas Blumengarten jäten.“

Sean verschränkte die Arme vor der Brust. „Dad hätte nie verlangt, dass ich Frauenarbeit mache.“

„Dad hätte dir für diesen Satz einen Klaps auf den Hintern gegeben.“ Das war das erste Mal, dass einer seiner Brüder seine Autorität infrage stellte. Sie werden nicht zu den Männern heranwachsen, die Gott und Dad sich wünschen, wenn ich nicht hart bleibe. Es ist passend, dass ich mich ausgerechnet hier zum ersten Mal beweisen muss.

Galen funkelte Sean böse an. „Ein Mann – ein echter Mann – tut, was getan werden muss. Adam und Eva waren die ersten Farmer und die einzige Aufgabe, die Gott allein der Frau gegeben hat, war es, Kinder zu gebären.“

„Nee, nee.“ Sean schüttelte den Kopf. „Eva musste die Blätter zu Kleidern nähen.“

Er prüft mich. Galen sah seinen kleinen Bruder fest an. „Kleidung zu machen, ist nicht nur Frauenarbeit. Gott selbst hat Kleider für Adam und Eva gemacht, als er sie aus dem Paradies geworfen hat.“

„Willst du mich veräppeln?“

„Unser Herr soll gepriesen und erhoben werden. Über sein Wort mache ich mich nicht lustig. Es steht im dritten oder vierten Kapitel von 1. Mose.“

Immer noch sah Sean ihn ungläubig an und legte den Kopf zur Seite.

Er versucht abzuschätzen, wie weit er gehen kann. Galen biss die Zähne zusammen. Er senkte die Stimme und sagte mit Nachdruck: „Das nächste Mal, wenn du versuchst, dich vor einer Aufgabe zu drücken, weil du denkst, dass sie unter deiner Würde ist und Ma sie lieber machen soll, wirst du so lange daran arbeiten, bis dein Hintern wehtut.“

Fassungslos machte Sean den Mund auf.

„Wir sind eine Familie und wir arbeiten zusammen. Egal welche Arbeit erledigt werden muss, wir tun sie.“ Er zog eine Braue hoch. „Hörst du mich, Sean Michael O’Sullivan?“

Sean nickte langsam.

Mehr als einmal hatte Dad gesagt, dass Gott seine Macht mit Weisheit paarte. Galen nahm sich das zu Herzen. Er hatte seinen Standpunkt klargemacht; jetzt konnte er Sean entlassen. „Geh jetzt und zieh dir ein altes Hemd an. Es gibt noch viel zu tun heute.“

Sean blieb stehen. „Galen? Eigentlich bin ich hier, um dir zu sagen, dass mein Pferd lahmt.“

Galen verschränkte die Arme vor der Brust. „Zieh dich um und komm dann zu mir in den Stall. Wir gucken uns das zusammen an.“ Als Sean ins Haus gerannt war, bückte sich Galen und klopfte den Staub von seinen Knien.

Zehn Minuten später hielt Galen den Huf der Stute zwischen Knie und Arm und führte Seans Hand, der ein kleines Messerchen hielt. „Siehst du das? Dieser Stein hat sich festgekeilt und jedes Mal, wenn Lightning auftritt, drückt er sich weiter rein. Armes Mädchen. Hol ihn ganz vorsichtig raus, Sean. Genau so. Es ist besser, sich Zeit zu nehmen, als den Job nur halb zu machen.“

„Aber ich würde lieber schnell machen, damit sie keine Schmerzen mehr hat.“

„Wenn Lightning den Huf nicht belastet, hat sie ja keine Schmerzen. Also, mach langsam weiter. Jawoll, geschafft! Du hast ihn rausgeholt!“

„Ich hab es geschafft!“ Sean strahlte. „Jetzt geht es Lightning wieder besser.“

„Aye.“ Galen ließ das Bein der Stute los und richtete sich auf. „Aber es war gut, dass du mich geholt hast. Hast du schon mal gesehen, wie Josh und ich zusammen ein Pferd untersuchen?“

„Ja.“

„Dafür gibt es viele Gründe. Eine zweite Meinung kann oft eine Lösung bringen, wo ein einzelner Mann vor einem Rätsel steht. Außerdem sind verletzte Tiere immer gefährlich, vor allem, wenn sie so stark sind wie ein Pferd.“

„So wie damals, als Mr Lufes Pferd so schlimm gebockt hat?“

„Genau so.“ Galen steckte das Messer wieder ein. „Eddie Lufe war klug genug, jemanden bei sich zu haben, sonst wäre er schwer verletzt worden. Verwechsle Tapferkeit nie mit Torheit.“

„Ganz bestimmt nicht, Galen.“ Sean bückte sich, um den kleinen Stein aufzuheben. Er betrachtete ihn bewundernd, dann steckte er ihn in die Tasche.

„Dann hol jetzt mal Dale. Ihr beide sollt noch Holz ins Haus bringen.“

Ein paar Minuten später hielt Galen Dale und Sean zurück, während Ishmael die letzten Äste zerhackte. Gerade, als er das letzte Stück auf den Hackklotz gelegt hatte und zuschlagen wollte, verrutschte das Holz. Die Axt verfehlte ihr Ziel und ein großes Stück Holz flog plötzlich durch die Luft und traf Ishmael mitten im Gesicht.

„Aaah!“, schrie der junge Mann laut auf und ließ die Axt fallen. Dann sank er zusammen und fuhr sich mit den Händen ans Auge.