Shimona Löwenstein
Umweltschutz oder Klimawahn?
Der Paradigmenwechsel der Umweltpolitik
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Inhaltsverzeichnis
Titel
Vorwort
1. Naturzerstörung nach Plan
2. Geförderte Umweltverschmutzung
3. Klima statt Umwelt: Die CO2-Obsession
Anhang: Ein paar Überlegungen zur Begründung der Treibhaustheorie
Anmerkungen
Quellen
Abkürzungen:
Impressum neobooks
Es ist eine triviale Feststellung, daß Gesundheit nicht erst bei der Heilung von Krankheiten beginnt – das Hauptargument für unzählige „präventive“ oder „gesundheitsfördernde“ Maßnahmen. Nur beginnt Gesundheit auch nicht bei der Vorbeugung, wie auch immer man diese für erforderlich oder geeignet hält, wenn die Grundlage für ein gesundes Leben fehlt. Diese Grundlage stellt aber nicht das Gesundheitssystem dar, sondern unsere Umwelt in allen ihren Bereichen, beginnend mit der eingeatmeten Luft, dem Trinkwasser und den Nahrungsmitteln, über die sonstigen Einflüsse, denen wir durch unsere Lebensweise zwangsläufig ausgesetzt sind, wie Lärm, Smog, elektromagnetische Strahlung, bis hin zu psychischen Belastungen wie Streß oder Ärger. Ein Beispiel für eine sinnlose „gesundheitsfördernde“ Aktivität ist das modische „Joggen“ durch die Straßen einer Großstadt. Die sich darin betätigenden Menschen meinen, damit etwas Gutes für ihre Gesundheit zu tun, ohne zu berücksichtigen, daß sie während des Dauerlaufs ein Mehrfaches an Schadstoffen aus der durch Abgase verseuchten Luft einatmen. Damit schaden sie möglicherweise mehr ihrer Gesundheit als ihre weniger „sportlichen“ Mitmenschen. Bei der Sorge um eine gesunde Umwelt, die wichtiger ist als alle „gesundheitsfördernden“ Maßnahmen, scheinen jedoch der Staat und seine Repräsentanten kläglich zu versagen. Überall dort, wo Schutz der Natur, der Umwelt oder des Verbrauchers angesagt wird, erweist sich dieser weniger als Chance einer wirklichen Verbesserung der Lebensbedingungen, wie als Anlaß für Aktionismus, Verdienstmöglichkeiten oder Umsatzsteigerung einer bestimmten Interessengruppe.
Schlimmer als das scheint die fortschreitende Ideologisierung und Politisierung der Umweltproblematik zu sein, in der bestimmte umstrittene Sachverhalte als nichthinterfragte Wahrheiten hingestellt, zweifelhafte, ja zuweilen geradezu schädliche Anordnungen beschlossen und die ganze Bevölkerung direkt oder indirekt unter Druck gesetzt wird, sich „umweltgerechte“ Verhaltensweisen anzueignen. Das betrifft nicht nur die ungeheuer kostspielige Förderung von angeblich nachhaltigen Zukunftstechnologien auf Kosten aller anderen Belange, sondern vor allem die Anmaßung, die geforderten Maßnahmen unabhängig von deren tatsächlicher Relevanz für Natur und Umwelt und demokratischer Legitimierung durchzusetzen und die mit ihnen verbundenen Denkweisen als allgemeine Bürgerpflicht zu etablieren. Dabei geht es gar nicht darum, daß Natur- und Umweltschutz irrelevant oder belanglos wäre; Naturzerstörung und Umweltbelastung bleiben nach wie vor wesentliche Probleme unserer Gesellschaft, deren Lösung in vielen Hinsichten noch bevorsteht. Nur tragen die heutigen ökologischen Konzepte nur selten dazu bei, ja verhindern sogar durch ihre ideologischen Muster echte Ansätze zu tragbaren Lösungen, von denen einige schon in den 80er Jahren des vergangenen Jahrhunderts entwickelt wurden. Doch nicht nur der erfolgte Paradigmenwechsel in den ökologischen Theorien sorgte für eine fatale Schwerpunktverschiebung der Umweltpolitik, sondern vor allem die auf ziemlich zweifelhaften Voraussetzungen beruhende Hypothese vom menschenverursachten globalen Klimawandel, die sich zu einer absurden Theorie einer Klimakatastrophe durch mögliche Erwärmung Erde und der Vorstellung der Klimarettung durch Bekämpfung von Kohlendioxid entwickelte. Seitdem diese überall propagierte Auffassung gleichsam den Rang einer neuen Quasi-Religion angenommen hat, deren Kritik in der Öffentlichkeit nicht mehr geduldet wird, treten alle anderen Bemühungen um Naturschutz und sämtliche Umweltbelange in den Hintergrund, ja werden sogar bedenkenlos auf dem Altar der mutmaßlichen Klimarettung geopfert. Die Öffentlichkeit wird nicht nur in bezug auf die vermeintlich umweltfreundlichen Effekte beispielsweise des Wassersparens, der Wärmedämmung von Häusern oder des Biosprits getäuscht, sondern auch einer umfassenden Gehirnwäsche in bezug auf Ursachen und Folgen des Klimawandels und der angeblichen erforderlichen „Rettungsmaßnahmen“ unterzogen, die nicht nur ungeheure Kosten, sondern auch erhebliche Schäden an Natur und Umwelt verursachen.
Trotz der immer wieder aufkommenden Kulturkritik, die auf Schattenseiten unseres zivilisierten Lebens hinweist, wäre es einseitig, den Wandel von einer hauptsächlich agrarisch geprägten zur industriellen und anschließend postindustriellen Lebensweise als eine bedauerliche Entwicklung an sich zu beklagen, sofern man die Bekämpfung von Hunger, die Verbesserung der Lebensbedingungen und die Chancen bisher benachteiligter Bevölkerungsschichten berücksichtigt. Problematisch war diese Entwicklung eher von ihrem Ansatz her als eine durch dirigistische Regulierungsmaßnahmen vorgenommene Rationalisierung des Lebens und der Lebenswelt, einschließlich des Umgangs mit der uns umgebenden Natur, die nur noch unter dem Gesichtspunkt des in wirtschaftlichen Kategorien meßbaren Nutzens bzw. Ertrags betrachtet, unter Kontrolle gebracht, ausgebeutet und reguliert werden sollte. Diese Entwicklung bezog sich vor allem auf die Rationalisierung der nach dem 2. Weltkrieg größtenteils noch familienwirtschaftlich betriebenen Landwirtschaft.
Um landwirtschaftliche Erträge zu steigern, wurde eine Reihe von Maßnahmen ergriffen, die unter dem Namen Flurbereinigung bekannt sind. Die Forderung nach Zusammenlegung und Neueinteilung von zersplittertem oder unwirtschaftlichem Grundbesitz nach „neuzeitlichen betriebswirtschaftlichen Gesichtspunkten“ wurde dann im Flurbereinigungsgesetz vom 16.3.1976 (§ 37) gesetzlich festgelegt. Vom rechtlichen Standpunkt her handelte es sich um eine quasi Entmündigung der Besitzer durch die Annahme, die Flurbereinigungsbehörde könne über die vorgesehene Maßnahme besser entscheiden als die Beteiligten selbst, die als eine Körperschaft des öffentlichen Rechts (§ 16) unter ihre Aufsicht gestellt wurden (§ 17). Ihre Interessen hielt man dabei selbst dann für „gegeben“ (§ 4), wenn sich die Mehrheit gegen eine Maßnahme ausspricht, während deren Mitwirkung als sog. „Landschaftspfleger“ bei der Entscheidung nur „im Benehmen“ erfolgt. [1]
Abgesehen von dem großen bürokratischen Aufwand, samt den vielen Einschränkungen und Bestimmungen, und dem Zwangscharakter, mit dem angeblich Interessenkonflikte verhindert werden sollten, erzielte die sog. „Raumplanung“ keineswegs nur wünschenswerte Ergebnisse. Im Gegensatz zu den Zusammenlegungen der Felder wäre nach Wolfgang Haber eine „differenzierte Raumordnung“ sowohl ökologisch als auch wirtschaftlich von Vorteil gewesen: [2] Die Vergrößerung der Landflächen und die Konzentration der landwirtschaftlichen Betriebe bedeutete eine Monotonisierung der natürlich oder historisch gewachsenen Landschaft mit überproportionalen nachteiligen Nebenwirkungen auf benachbarte Naturbiotope (Störungs-Syndrom); [3] durch die Beseitigung der „überflüssigen“ Zwischenräume, Hecken und sonstigen ungenutzten Flächen und dem Streben nach einem „mittelfeuchten Einheitsort“ wurden im Zuge dieser Entwicklung eine Menge Naturbiotope zerstört, was die Hauptursache für das Aussterben vieler einheimischer Tier- und Pflanzenarten ist. [4]
Aus heutiger Sicht ergibt sich eine Paradoxie aus der Vorstellung der physiokratischen Lehre, welche die Produktivkraft der Natur gerade in der Landwirtschaft erblickte. In Wirklichkeit lösen die menschlichen „Nutz-Ökosysteme“ die natürlichen Verhältnisse eines Ökosystems zugunsten bestimmter Pflanzenarten auf und setzten ihre natürliche Regelung außer Kraft. Das war schon immer der Fall, wenn auch nur in begrenztem Ausmaß; die moderne Landwirtschaft zerstört jedoch die natürlichen Ökosysteme auf extreme Weise. Trotz dieser bekannten Zusammenhänge werden „ordnungsgemäße Land- und Forstwirtschaft“ seitens des Gesetzgebers als kein Eingriff in Natur und Landschaft angesehen, [5] ja es werden ihnen mit dem Hinweis auf ihre „landschaftspflegerische Bedeutung“ sogar Verdienste für den Erhalt einer hohen Lebensqualität zugeschrieben. Nach Meinung einiger Umweltökonomen (z.B. Günter Hartkopf und Eberhard Bohne) verletzen diese Landwirtschaftsklauseln das Vorsorge- und das Verursacherprinzip. [6] Denn sie vernachlässigen sowohl die von der Landwirtschaft verursachten Schäden an Natur und Umwelt und die damit verbundenen gesellschaftlichen Folgekosten, als auch notwendige Rücklagen für die Zukunft (etwa den Erhalt der Bodenfruchtbarkeit und der Selbstregulationsfähigkeit der Ökosysteme oder des Agrarmarktes). Genau das ist aber dasjenige, was man ursprünglich unter dem Begriff eines „nachhaltigen Wirtschaftens“ verstand, bevor dieser ideologisch mißbraucht wurde.
Der planerische Ansatz zeigte sich, selbst nachdem ökologische Belange zum angekündigten politischen Ziel geworden waren, als ungenügend, zum Teil allein wegen der unterschiedlichen Gewichtungen von Kriterien vermeintlicher Wirtschaftlichkeit und ökologischer Rücksichten. [7] Schließlich führte selbst die neuere, „umweltbewußtere“ Flurbereinigung seit etwa Ende der 70er Jahre nur zur weiteren Vergrößerung der Landflächen, zu Biotopenvernichtung und Konzentration der landwirtschaftlichen Betriebe, hauptsächlich unter dem Vorwand vermeintlicher Interessen der Landwirtschaft. [8] Es liegt aber auch in der Logik des manipulativen Zugangs zur Welt begründet, daß ihm jedes Stück Natur jenseits von Reglementierung ein Dorn im Auge, ein „Wildwuchs“ ist, was im Wort „Flurbereinigung“ deutlich zum Ausdruck kommt. Der verbal proklamierte, gesetzlich verankerte Naturschutz [9] zwecks „Erhalt von Biodiversität“ erfüllt bei den Planungsvorhaben eher eine Alibi-Funktion und Betätigungsmöglichkeit für verschiedene Natur- und Tierschutzorganisationen, ohne daß sich am fortschreitenden Artensterben viel geändert hätte. Das verwundert nicht, denn die Naturschutzmaßnahmen werden oft nur kleinflächig und selektiv betrieben, ohne Berücksichtigung ökologischer Zusammenhänge. Meistens werden nur seltene Arten oder Biotope geschützt. Dadurch passiert es manchmal, daß diese Arten (wie z.B. Kormorane) durch die Abwesenheit natürlicher Feinde selbst zu einer Plage werden. Es mutet jedenfalls etwas seltsam an, wenn einerseits Milliarden für das Artensterben in der Landwirtschaft verschwendet, andererseits wieder aufwendige Projekte gestartet oder Bauvorhaben verhindert werden, die viel geringere Schäden für die Natur verursachen, um einzelne Tiere zu retten: Für bestimmte wildlebende Tiere, wie Kröten, Hasen, Eidechsen, Igel oder Feldhamster, werden aufwendige Anlagen, Tunnel, Brücken, Erdwälle und sonstiges gebaut, um sie vor Verkehr, elektrischen Leitungen oder Bauvorhaben zu schützen. Andererseits sterben in Deutschland immer mehr Tierarten aus, weil es nach den Vorstellungen der Landschaftsplaner nicht zulässig ist, ein Stück Land unbewirtschaftet zu lassen.
„Flurbereinigung“ stand bis vor kurzem für Kahlschlag, Zerstörung, Gleichschaltung, Monotonisierung der Landschaft durch rücksichtslose Beseitigung von allem natürlich oder historisch Gewachsenen, ja greift inzwischen auch auf weitere Bereiche über als die „unwirtschaftliche“ bäuerliche Landwirtschaft. Der planerische Machbarkeitswahn bezog sich nicht nur auf den Ackerbau; ebenso mußten Wälder und Gewässer unter Kontrolle gebracht, d.h. begradigt und bewirtschaftet werden, was sich bald ebenfalls als Fehlprojekte mit unabsehbaren Folgen erwies. Die großen Überschwemmungen von 2002 waren schließlich keine bloße Naturkatastrophe, mit der sich gut Wahlkampf veranstalten ließ, sondern wurden von einer Reihe menschlicher Versagen mitverursacht: Begradigte Flüsse und geschädigte Wälder trugen dazu bei, daß der Boden nicht genug Wasser aufnahm, so daß ein Teil oberflächlich abfloß. Der Aufbau von Infrastrukturen, Ackerland und Gewerbeflächen in Auengebieten, kombiniert mit unzureichendem Hochwasserschutz, waren ebenfalls Fehler, indem aus angeblich wirtschaftlichen Gründen Umweltgefahren (in diesem Fall des Hochwassers) ignoriert wurden. [10]
Die scheinbare Rationalität hat sich als trügerisch und kontraproduktiv erwiesen; die Natur rächt sich für die durch kurzfristige Nützlichkeitserwägungen verursachten Schäden. Es sind nicht nur unerwartete Katastrophen, sondern auch weitere unberücksichtigte Folgen und Nebenwirkungen für Wirtschaft, Umwelt und Gesundheit. Inzwischen sammeln diverse Naturschutzvereine Spenden, um beispielsweise zuvor begradigte Flüsse und Bäche wieder zu renaturalisieren, weil durch die Begradigungen bestimmte Tier- und Pflanzenarten vom Aussterben bedroht sind. Dieses Anliegen ist nichtsdestoweniger schon deswegen fragwürdig, weil die Spender durch freiwillige Beiträge wiedergutzumachen helfen, was andere zuvor, oft mit staatlichen Zuschüssen (d.h. für ihr Steuergeld), zerstört haben. Mit Ausnahme einiger Tausend nicht allzu großen und selbstverständlich von menschlichen Eingriffen abhängigen Naturschutzgebieten gibt es in Deutschland kaum noch unberührte Natur, die sich selbst überlassen bleibt. Was als Natur gilt, wird aufwendig und kostenintensiv gepflegt, wobei die Pflege auf eine Weise von demselben planerischen Ansatz herrührt, wie die Zerstörung. Das gilt nach Gernot Strey auch für die sog. „Renaturalisierung“ von Lebensräumen. „Das Gestalten von Ökosystemen durch solche ‚Pflegemaßnahmen’ ist eher geeignet, unser Gewissen wegen anderer Schäden an der Nutzung zu beruhigen. Solche Aufrechnungsmentalität kann nicht tragen. (...) Das Ergebnis ist oft eine weit überdimensionierte ‚Pflege’. Leider kommt solches Tun noch unserer Machermentalität entgegen.“ [11]
Diese gilt nicht nur für die flurbereinigte Landwirtschaft; selbst ungepflegte Gärten, die kleine Biotope mit großer Artenvielfalt darstellen, oder geöffnete Dachbodenfenster und alte Scheunen, die Unterschlupf für Fledermäuse bieten, überhaupt etwas weniger ordentliche Verhältnisse, werden in Deutschland ungern gesehen. Der Rasen und die sonstige Gestaltung privater Grundstücke muß stets den örtlichen beschränkten ästhetischen Vorstellungen angepaßt werden. Mit dem Artensterben wird diese Ordnungssucht nicht in Zusammenhang gebracht, das schlechte Gewissen wird mit Spenden für verschiedene Rettungsprojekte kompensiert. Zuweilen verursachen sogar bestimmte Regelungen und Vorschriften, wie z.B. zur Verwendung kleinmaschiger Netze für den Fischfang das Gegenteil dessen, was sie als solche eigentlich verhindern sollten. Die feinmaschigen Netze führen zum Überfischen der Meere, weil darin auch Fische gefangen (und oft ohne Verwendung getötet) werden, die sich noch nicht vermehrt haben. Langfristig bewirkt diese unsinnige Politik den Verlust des Fischbestands und das Aussterben bestimmter Fischarten. [12]
Nach Ulrich Hampickes Meinung (von 1978) liege die Hauptursache der Naturzerstörung und Ausrottung der Arten in der Fehlallokation von Mitteln, insbesondere durch die öffentliche Hand, während ihr bloßer Abbau einen Großteil des erwünschten Naturschutzoptimums zum Nulltarif gewährleisten und die übrigen Kosten viel geringer ausfallen würden, wenn man auf aufwendige naturzerstörende, vordergründig der Produktionssteigerung nutzende Investitionen verzichtete. [13] Daran scheint sich seitdem wenig geändert zu haben. Dabei sind die Motive der Naturzerstörung keineswegs immer durch ökonomische Rentabilität gerechtfertigt: „Wie erklärt es sich dann, daß dort, wo keine ökonomischen Anreize für die Naturzerstörung bestehen, wo es unter heute gegebenen Umständen rentabler wäre, pfleglicher mit der Natur umzugehen – daß selbst dort Tier- und Pflanzenarten, sprudelnde Bäche, alte Bäume und derartiges einfach nicht geduldet werden? Obwohl die Forstwirtschaft in Deutschland über ihre roten Zahlen klagt, weigert sie sich, mehr als 0,3 % des Waldes (!) unbewirtschaftet wachsen zu lassen.“ Nach seiner Ansicht ginge es ihr ökonomisch besser, wenn sie es täte. Wasserbau, Dränage und Flurbereinigung verschlingen Milliardenbeträge pro Jahr, ohne daß dem, abgesehen von ökologischen Belangen, eine ökonomische Rechtfertigung beigemessen werden könnte. „Der Staat ächzt unter Finanzlasten und Verschuldung und treibt, anstatt Milliarden einzusparen, lieber Pfennige ein bei denen, die ohnehin nichts haben.“ [14]
Abgesehen davon brachte die Intensivierung der landwirtschaftlichen Produktion in bezug auf tierische Erzeugnisse einen häßlichen Nebeneffekt mit sich, der die moralischen Aspekte des Umgangs des Menschen mit seinen Haustieren betrifft. Seitdem sich die ökologische Einstellung verbreitet hat, bringen die Medien regelmäßig Berichte über brutale Bedingungen der Massentierhaltung [15] und industrielle Schlachtung von lebenslang gequälten und schließlich (mit Hilfe von europäischen Exportzuschüssen) über Tausende von Kilometern ohne Wasser und Nahrung hin und her transportierten Tiere. In anderen Berichten wurde die Tatsache angeprangert, daß bei der Produktion von Legehennen die männlichen Küken nach dem Schlüpfen massenweise vergast werden, weil sie nicht gebraucht werden. Als Lösung wurde eine (kostenaufwendige) Früherkennung des Geschlechts des Tieres angeboten, so daß seine Beseitigung bereits zu einem früheren Zeitpunkt erfolgen kann: Die männlichen Küken zu Brathähnchen aufwachsen zu lassen, wäre wohl unter einer so spezialisierten Produktion nicht möglich. Nach langem Hin und Her erzielten die Grünen an der Regierung einen Riesenerfolg: Die Hühnerkäfige wurden um ein paar Zentimeter größer. Und auf dem Markt können seit einiger Zeit neben Eiern aus Käfighaltung auch aus sog. „Bodenhaltung“ (die nicht viel besser ist, da die Hühner auf engem Raum zusammengedrängt leben) sowie aus vermeintlicher (oft gefälschter) „Freilandhaltung“ erworben werden. Mit dem tatsächlichen Umgang der auf tierische Erzeugnisse spezialisierten „Bauern“ mit ihren „Eiweißmaschinen“ hat dies wenig zu tun.
Mit der Tierquälerei sind die Nachteile dieser Spezialisierung und Massenproduktion noch keineswegs erschöpft. Es ist schwer verständlich, warum der Schlachtungsort so weit vom Aufzuchtsort entfernt liegen muß; durch Gülle völlig verseuchte Felder und gleichzeitig intensiver Gebrauch von chemischen Düngemitteln sind für den gesunden Menschenverstand keine nachvollziehbare Handlungsweise. [16] Da die Landwirtschaft ohnehin kräftig subventioniert wird, kann hierbei auch das Kostenargument kaum tragen. Es treten auch immer Tierseuchen auf, wie die Schweinepest, die Schwarzkopfkrankheit bei Puten oder die Klauenseuche. Es ist klar, daß sich Krankheiten unter den Tieren nicht nur bei Massenhaltung, sondern auch aufgrund der „modernen“ Zuchtmaßnahmen mit künstlicher Befruchtung und Züchtung von genetisch gleichartigen Tieren besser ausbreiten können als bei genetischer Vielfalt und herkömmlichen Zuchtbedingungen eines Bauerhofs. Außerdem handelt es sich dabei um eine leichtsinnige Reduktion des „genetischen Pools“ unserer Haustiere, deren Folgen noch schwer abschätzbar, aber jedenfalls nicht umkehrbar sind.
Ein weiterer bedenklicher Aspekt der sich häufenden Skandale in bezug auf diverse mit Massentierhaltung zusammenhängende Krankheiten sind die immer wieder festgestellten gesundheitlichen Risiken, die mit dem Konsum qualitativ minderwertiger Fleischprodukte verbunden sind. Der Zusammenhang zwischen „BSE“ bzw. „Rinderwahn“ bei Tieren und einem analogen Gehirnzerfall bei Menschen konnte zwar niemals wirklich nachgewiesen werden; die Abschlachtung Tausender Kühe war aber ein so überstürzter Aktionismus, daß die Vermutung naheliegt, die Massenschlachtung habe der Ablenkung der Aufmerksamkeit von anderen Problemen oder als geeigneter Vorwand zur Beseitigung von Überschüssen gedient. Die Minister stritten sich hauptsächlich darum, wer die BSE-Folgekosten tragen solle, während die EU und die Naturschützer die Menschen aufforderten, sogar mehr Rindfleisch zu essen, damit die beschlossene Tötung von Risikotieren umgangen werden könne. [17] Daß ihre Appelle mit dem rührenden Hinweis auf die „seelische und materielle Betroffenheit der Bauernfamilien“ eine Anmaßung gegenüber den verängstigten Verbrauchern darstellen, fiel weder den Interessenvertretern noch den zuständigen Politikern ein. Nur war der BSE-Skandal nicht das einzige, ja nicht einmal das wesentliche Problem, sondern wies nur auf die lange Zeit vertuschte Problematik der Massentierhaltung und ihre Folgen hin, welche die Menschen inzwischen unter dem Eindruck weiterer Skandale wieder vergessen zu haben scheinen.
Es gab insbesondere in den 80er Jahren ethische Diskussionen darüber, daß es den Menschen nicht zusteht, andere Lebewesen auszurotten, zu quälen, oder sie mit bloßen Nützlichkeitserwägungen zum Mittel menschlicher Bedürfnisbefriedigung zu degradieren. Die Schlußfolgerungen waren Forderungen nach Erweiterung des Tierschutzes auf artgerechte Behandlung und Verpflegung, bis hin zu Meyer-Abichs Ruf nach einer verfassungsmäßigen Regelung einer Rechtsgemeinschaft mit der Natur und damit auch mit den Tieren. [18] Man erwog somit nicht nur Naturschutzgesetze im Interesse der Menschen, sondern Tier- und Pflanzenrechte neben den Menschenrechten. Deren theoretische Begründung blieb indessen problematisch: So müsse nach Ansicht von Joel Feinberg die Postulierung von Rechten an bewußte tatsächliche oder zumindest potentielle Interessen geknüpft werden. [19] Diese nur an persönlichen Interessen oder Bedürfnissen orientierte Einstellung, die in der utilitaristischen Ethik ebenso wie in den Naturschutzbegründungen aus menschlichen Interessen zum Ausdruck kommt, wurde auch von anderen Autoren (Triebe, Spaemann) kritisiert. [20] Gegen die „deontologische Normbegründung“ von Tierrechten allein durch „moralische Pflichten der Menschen zu sich selbst“ wurde wiederum eingewendet, daß Pflichten gegenüber den Tieren ihrer selbst willen aufgrund ihrer Leidensfähigkeit postuliert werden könnten. [21] „Den Pflichten gegen sich selbst korrespondieren nämlich keine einklagbaren Rechte. Das Verhältnis zu sich selbst ist kein durch Regeln der Gerechtigkeit normiertes Verhältnis“, äußerte beispielsweise der konservative Philosoph Robert Spaemann. [22] Ebenso sei es abwegig, das Verbot der Tierquälerei in den Empfindungen der Tierfreunde begründet zu sehen. „Gerade jene Menschen, auf deren Mitgefühl sich die zuerst genannte Begründungsvariante beruft (...), würden darauf beharren, daß der Schutz primär den Tieren selbst und nicht den eigenen zarten Empfindungen gilt.“ [23]
Eine praktikable Lösung wäre allenfalls die Einführung des Rechts der Tiere auf artgerechte Behandlung mit dem Klagerecht ihrer Beschützer. Bei konsequenter Anwendung würde sich daraus ein Verbot der Massentierhaltung oder zumindest von deren abwegigsten Formen, sowie der unbegründeten Folter bei Tierversuchen [24] ergeben. Die Debatten um die ethische Begründung von Tierrechten und ihre praktische Umsetzung blieben allerdings nur auf theoretisch-moralischer Ebene, die Praxis war davon unberührt. Was den in der Landwirtschaft genutzten Tieren an Rechten zusteht, ist im allgemeinen Bewußtsein das Recht auf artgerechte Tötung, deren Methoden in der Praxis ebenfalls umstritten sind. Diskussionen gab es jedenfalls nicht über die üblichen Schlachtungsmethoden, sondern nur über die von religiösen Minderheiten, nämlich über das jüdische und islamische Schächten. Hierzu gab es umstrittene Gesetzentwürfe, wonach die religiösen Gemeinschaften nachweisen müssen, daß für sie erstens nur der Verzehr von Fleisch geschächteter Tiere bindend ist, zweitens daß das Tier dabei keine zusätzlichen Schmerzen, Leiden oder Ängste erleidet. Dieser Nachweis steht aber im Widerspruch zu der Beurteilung der üblichen Schlachtungsmethoden, bei denen (abgesehen von dem sonstigen qualvollen Umgang) längst nachgewiesene Todesängste nicht berücksichtigt werden. Daraus schloß man, daß hier der Tierschutz eher als Vorwand, wenn nicht Deckmantel für eine Diskriminierung von Minderheiten diente. [25] Ob das der Fall war, läßt sich nicht ohne weiteres entscheiden; auch über die unterschiedlichen Schlachtungsmethoden scheiden sich die Meinungen.
Wie auch immer man dazu stehen mag, jedenfalls vergießen seltsamerweise deutsche Tierschützer eher Krokodilstränen über Wale, Robben oder Elefanten, manchmal auch Hunde und andere Tiere, die man in Asien zu essen pflegt, statt sich gegen den ungeheuren Mißbrauch unserer europäischen Nutztiere einzusetzen, [26] und protestieren lieber gegen spanische Stierkämpfe als gegen die hiesigen brutalen Schlachtungsmethoden. Das ist legitim. Allerdings sollte dabei mitberücksichtigt werden, daß ein solcher Stier immerhin im Kampf stirbt und dabei wenigstens eine, wenn auch geringe, Chance besitzt, den Toreador aufzuspießen. Im Gegensatz dazu wird der mit zum Teil nichtvegetarischen Abfällen (Fischmehl) gefütterte Schlachtochse, wenn er nicht unterwegs zum Schlachthof, eingepfercht im Waggon aus Wassermangel oder Todesangst eingeht, auf einem Laufband durch einen Bolzenschuß in den Kopf wehrlos abgeschlachtet. Wenn es sich um einen Menschen handelte, wessen Schicksal wäre da als Schlimmer zu beurteilen? Die Frage ist allerdings, ob diese Tierschützer in der Lage sind, solche Vergleiche überhaupt anzustellen.
Ein anderes Beispiel der Kontraproduktivität von bestimmten Maßnahmen, die bestimmte Tierarten vor Mißbrauch durch Menschen schützen sollte, ist das allgemeine Verbot von Elfenbeinimport in die USA und EU von 1989. Nach bestimmten Angaben entspricht die Nachfrage nach Elfenbein ungefähr dem Bestand der Stoßzähne von alten und kranken Tieren, die ohnehin getötet werden. Da dieser aber aufgrund des Handelsverbots vernichtet wird, hat dies die Zunahme von Wilderei nach jüngeren und gesunden Tieren zufolge.
Auch den Tierversuchen, deren Grausamkeit durch den scheinbaren Nutzen für die medizinische (meist aber nur kosmetische) Forschung kaum gerechtfertigt werden kann, wird im Vergleich zur üblichen Praxis der industriellen Massenzüchtung, –fütterung und –tötung unverhältnismäßig mehr Aufmerksamkeit geschenkt. Wie verabscheuungswürdig sie auch erscheinen mögen, betreffen diese aber nur relativ wenige Tiere und können zumindest teilweise durch den Wunsch, Menschenleben zu retten, gerechtfertigt werden. Der Mißbrauch der Tiere in der heutigen Landwirtschaft betrifft dagegen Hunderte Millionen. Zu fragen bleibt auch, warum sich Tierschützwer nicht für das Verbot von Rattengift einsetzen, dessen Einsatz den Tieren (mit Absicht) einen langsamen und sehr schmerzlichen Tod beschert. Ginge es den Tierschützern tatsächlich um das Wohlergehen der Tiere, müßte nicht nicht da längst heftig dagegen protestiert werden?
In der Sicht eines rationalistischen Funktionalismus werden nicht nur Tiere auf ihre nützlichen Funktionen reduziert. Auch der „verhaustierte“ Mensch, wie es der Beobachter der Wildgänse und Begründer von Tierpsychologie Konrad Lorenz in seiner Zivilisationskritik auszudrücken pflegte, für dessen Bedürfnisbefriedigung die Tiere in bloße verwertbare Sachen umfunktioniert und mißbraucht werden, wird zum Objekt der Planung und Gestaltung der „Sozialingenieure“. Das gilt nicht nur für totalitäre Experimente, sondern auch für das architektonische Fehlprojekt der Stadtplanung. Die auf rationalistischen Vorstellungen vom Menschen und dessen Bedürfnissen begründeten Siedlungsbauprojekte mit den Postulaten von mehr Licht, Luft und Grün, die den Menschen eine vermeintlich bessere Wohnqualität bieten sollten als sog. „Mietskasernen“ (d.h. alte Häuser mit mehreren Hinterhöfen), scheiterten nicht nur im Osten. Nicht allein der heute verhaßte und inzwischen mehrheitlich abgelehnte sozialistische Plattenbau, sondern auch andere architektonische Projekte des „sozialen Wohnungsbaus“ haben sich als Fehlentwicklung erwiesen.
Die Architekten dachten an moderne Einrichtungen, Komfort und Grünanlagen und vergaßen dabei den psychologischen Faktor, das Bedürfnis nach Individualität, Kommunikation und Geborgenheit, das das eigentliche Zuhause ausmacht, dessen Merkmale jedoch zugunsten von Nützlichkeitserwägungen wegrationalisiert wurden. Mit ihren Vorstellungen von Zweckmäßigkeit berücksichtigten die Planer beispielsweise nicht die soziale Rolle der Einkaufsstraße, des Treppenhauses und Hofes als nachbarschaftlicher Begegnungsstätte; die (heute mancherorts zur Bandentreffpunkten und Drogenhandel benutzten) breiten anonymen Grünanlagen können diese Funktion nicht erfüllen. Mögen die Wohnungen auch ganz komfortabel sein, die langen schmalen Gänge, die an Krankenhäuser erinnern, und die geradezu beängstigende Atmosphäre, die den „rational“ gebauten Häusern anhaftet, wecken bei den Bewohnern das Gefühl von Isolierung, Einsamkeit, ja geradezu Bedrohung, Angstzustände und Aggressionen. Kleine „moderne“ Küchen vermitteln keine gemütliche Familienatmosphäre und niedrige Decken das Gefühl von Enge und Gefangenschaft, als befände man sich in einem Käfig. Im Gegensatz zu traditionellen „organisch“ gewachsenen Städten sind geplante städtische Siedlungen häufig unnatürliche und an den menschlichen Bedürfnissen vorbei geschaffene Lebensräume. Der genetischen Fixierung der Menschen auf Naturlandschaft und ihrem Wunsch nach eigenem Haus und Garten bzw. all den Problemen, denen man durch das Wohnen in Ballungsgebieten zwangsläufig ausgesetzt ist, werden sie nicht gerecht.
Trotz allen Bemühungen um die Einbeziehung ökologischer Faktoren (etwa der Grünflächen und Bäume als „klimaverbessernder“ Faktoren, Temperaturausgleich und Filter gegen gasförmige Schadstoffe) [27] dürften auch die späteren Landschafts- und Grünordnungspläne nicht die beste Art und Weise sein, der zunehmenden Denaturalisierung des Lebensraumes und den Problemen der Verdichtung und der Belastung der Städte mit Schadstoffen zu begegnen. Die Wirkung der Pflanzen und Grünanlagen beseitigt nur die schlimmsten gesundheitsschädigenden Auswirkungen, nicht ihre Ursachen. Außerdem sind auch die städtischen Grünflächen und Parkanlagen nicht nur unnatürlich gestaltet, sondern auch durch ihre übermäßige Pflegebedürftigkeit sehr kostenaufwendig. Grünanlagen dagegen, in denen (aus Geldmangel) auf Pflege verzichtet wird, entwickeln sich manchmal zu naturnahen Ökotopen; allein dadurch könne man viele Kosten sparen, meinte Ulrich Hampicke schon Mitte der 80er Jahre. [28] Auch die oft geschmacklosen privaten Kleingärten oder Laubenkolonien bieten mehr Vielfalt und Artenreichtum, während sie die gleichen Aufgaben ohne zusätzlichen Kostenaufwand für die Stadtökologie erfüllen, ja sogar im Falle von Verpachtung Gewinn einbringen können. Der Verzicht nicht nur auf flächendeckende städtische Planungen, sondern auch auf Manipulation und Pflege der Natur oder ihre Privatisierung bringt somit sowohl ökologisch als auch wirtschaftlich bessere Ergebnisse zustande als die aufwendigen Bebauungspläne mit peinlicher Beachtung von ordnungsmäßiger Einfügung der Natur in das Landschaftsbild, Einbringen von gebietsfremden und ordentlich zurechtgemachten Pflanzen und Vernichtung von sog. „Unkraut“ überall dort, wo es trotz ungünstiger Bedingungen zu wachsen versucht.
Die Vielzahl von Umweltvorgaben und diversen Festsetzungen in den Bebauungsplänen schränkt die Nutzungssouveränität und Gestaltungsmöglichkeiten der Eigentümer und damit deren Akzeptanz ein. Einen Teil von ihnen in tauschbare Nutzungsrechte oder Zertifikate umzuwandeln würde bessere Ergebnisse bringen, meinte beispielsweise Jürgen Bärsch 1996. [29] Dazu muß allerdings angemerkt werden, daß die inzwischen hochverschuldeten Kommunen heute eher dazu neigen, Grundstücke bedenkenlos zu verkaufen und dem Eigentümer zu fast beliebigem Gebrauch zu überlassen. Inwiefern dies eine positive Entwicklung darstellt, wird sich erst im Laufe der Zeit erweisen. Seitens der Wirtschaft wurde jedenfalls behauptet, daß ihre Standortpräferenzen mit den raumplanerischen Leitvorstellungen der „zentralen Orte“ in der Regel nicht übereinstimmen. Der planerische Ordnungsrahmen wurde zwar grundsätzlich nicht in Frage gestellt, er solle aber reformiert und in Zusammenarbeit mit der Wirtschaft flexibel weiterentwickelt werden. [30] Trotz der weitgehend sinnentleerten Management-Phraseologie, die die ganze Argumentation durchzog (wie Wirtschafts- und Erlebnisraum, Standortmanagement und –marketing, Events, E-Business usw.) wurde ersichtlich, worauf es den Befürwortern eines anderen Ansatzes für die Stadtplanung ankam: weniger bürokratische Einschränkungen, keine festgelegten Ladenöffnungszeiten, mehr private Initiative und Privatisierung des öffentlichen Personennahverkehrs, aber auch weniger Denkmalschutz, mehr Platz für Werbung und mehr Freiräume für individuellen Verkehr, also Autos. Ob diese Reform auch im Sinne nicht nur der Wirtschaft, sondern auch der Mehrheit der Bürgert war, blieb fraglich. Zum Glück hat sich dieser seit den 70er Jahren bestehender Trend in Deutschland noch nicht ganz durchgesetzt. Privatisierung und Übertragung von öffentliche Leistungen an private Partner (etwa durch das sog. „PPP-Verfahren“) [31] hat nicht nur am Arbeitsmarkt oft wenig wünschenswerte Ergebnisse gebracht. In beiden Fällen blieb nämlich das auf der Strecke, was einzig von Bedeutung sein sollte, nämlich das Wohl der Einwohner und ihre Möglichkeit, über die Gestaltung ihres Wohnumfeldes selbst entscheiden zu können. Die wachsenden Interessenkonflikte zwischen Investoren und Einwohnern, die man mit dem Schlagwort „Gentrifizierung“ bezeichnet, sind das Ergebnis dieser falsch verstandenen Liberalisierung. Davon zeugt auch die wachsende Zahl von Protesten und Bürgerbegehren, die sich gegen planerische Großbauprojekte der Politik oder auch den unverantwortlichen Verkauf von Grundstücken an Private mit zuweilen schwer nachvollvolzeihbarwen Argumenten [32] und bedenklichen Folgen wehren.
Die Folgen der Urbanisierung (Bodenversiegelung) und der Industrialisierung (Vergiftung von Luft, Gewässern und Boden) für Natur und Umwelt sind inzwischen gut bekannt. Dagegen wird der weit größere Anteil der Landwirtschaft an der Naturzerstörung eher übersehen oder verharmlost. Die ökologischen Schäden der sog. „Landschaftsplanung“ betreffen nämlich nicht nur die Lebensräume bestimmter Tier- und Pflanzenarten. Der Anbau von Reinkulturen erhöht die Anfälligkeit der Pflanzen gegen Krankheiten und Schädlinge, womit der Einsatz von diversen Pflanzenschutzmitteln (Pestiziden, Fungiziden und Herbiziden) gerechtfertigt wird, der mit den „Schädlingen“ zugleich viele weitere Tier- und Pflanzenarten, einschließlich ihrer natürlichen Feinde (zum Beispiel der Vögel), ausschaltet und die ersteren langfristig immun werden läßt. Der mit der Intensivierung der landwirtschaftlichen Nutzung zusammenhängende Einsatz von chemischen Düngemitteln führt wiederum oft zur Überdüngung (Überversorgung der Böden mit Stickstoff, Phosphat und Kalium), die Bodenerosion, Wasserverseuchung (vor allem durch Nitrate) [33] und Anreicherung der Schadstoffe in der Nahrung verursacht. Die subventionierte Ertragssteigerung wurde schließlich nur durch einen (ebenfalls subventionierten) überproportionalen Energieaufwand (Energiebeihilfen) erreicht. [34] Ein Teufelskreis selbstverursachter Scheinnotwendigkeiten wurde so geschaffen, der sich nur mit immer höherem Kosten- und Energieaufwand – bei sinkendem Grenznutzen – aufrechterhalten läßt.
An dieser offensichtlichen Fehlentwicklung ist die europäische Wirtschaftspolitik mit der Belohnung von ertragsintensiver Großproduktion mitverantwortlich. Die Gemeinsame Agrarpolitik (GAP) zur Schaffung eines Gemeinsamen Agrarmarktes war von Anfang an eines der schwerwiegendsten und aufwendigsten politischen Vorhaben der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft (EWG). Die Ziele der GAP waren:
Zu diesem Zweck wurden folgende Mittel eingesetzt:
Finanziert wird die gemeinsame Agrarpolitik durch den 1962 geschaffenen Europäischen Ausrichtungs- und Garantiefonds für die Landwirtschaft (EAGFL), der einen Großteil (heute immerhin noch 40 %) des gesamten EU-Haushaltes beansprucht.
Die anfangs für den gemeinsamen Agrarmarkt gesetzten Ziele (Angleichung und Intensivierung agrarischer Produktion, Sicherung der Einkommen der Landwirte) wurden bereits in den siebziger Jahren weitgehend erreicht, obwohl am Ende des Jahrhunderts erneut behauptet wurde, daß die Einkommen der Landwirte immer noch weit unter denen der übrigen Bevölkerung liegen. Inzwischen wurde jedoch immer mehr Aufmerksamkeit auf die ökologischen Aspekte der Landwirtschaft gerichtet. Aus der Diskrepanz zwischen wirtschaftlichem Nutzen (in diesem Fall der Landwirte) und den Umweltschäden schlossen Natur- und Umweltschützer sogar auf einen Widerspruch, ja Gegensatz zwischen Natur und Wirtschaft bzw. zwischen Ökologie und Ökonomie.
In Wirklichkeit war die Modernisierung der Landwirtschaft nach scheinbar rationalen betriebswirtschaftlichen Kriterien, die man einseitig im Sinne von Ertragssteigerung auffaßte, weder ökologisch noch ökonomisch rational. Schon die Heranziehung einzelwirtschaftlicher Kriterien, die aus makroökonomischem Gesichtspunkt irrelevant sein können, [35] ist eine fragwürdige Betrachtungsweise, weil sie die Wechselwirkung mit anderen Marktteilnehmern und der Umwelt außer Betracht läßt. Eine Produktionszunahme bzw. Ertragssteigerung eines Marktteilnehmers oder einer Branche muß demzufolge nicht immer das optimale gesamtwirtschaftliche Ergebnis bedeuten, sondern kann im Gegenteil die Gesamtwirtschaft belasten. [36] Nur die Berücksichtigung der gesamten Folgen und der geschätzten gesellschaftlichen Kosten könnte einen Einblick darin gewähren, inwiefern ertragssteigernde Investitionen und ihre Finanzierung durch Subventionen tatsächlich wirtschaftlich rational sind oder eher eine Fehlallokation von Mitteln darstellen, die man vielleicht auf eine andere Weise zum Wohl der Allgemeinheit oder zum Schutz der Natur hätte verwenden können.
Zu der großen finanziellen Belastung durch Agrarsubventionen müßten somit noch weitere Kosten hinzugerechnet werden, nämlich die zusätzlichen Kosten für Energie, Grundwasserverschmutzung und Gesundheit, die durch die genannten „externen Effekte“ der Landwirtschaft entstanden sind. „Die Öffentlichkeit und auch viele Spezialisten haben sich durch unvollständige Angaben der Landwirtschaft irreführen lassen. Es fehlen die Kosten für Energie und die Kosten, die die Gesellschaft für Umweltschutzmaßnahmen aufbringen muß, die bei dem intensiven Gebrauch von Maschinen, Düngemitteln, Pestiziden, Herbiziden und anderen stark wirkenden Chemikalien erforderlich werden.“ [37] Neuere Untersuchungen haben gezeigt, daß trotz der verschärften Vorgaben für Pflanzenschutzmittel diese externen Effekte (Rückstände in Trinkwasser und Nahrungsmitteln, Produktionsverluste, Biodiversitätsverluste usw.) weiterbestehen und damit hohe externe Kosten (Regulierung, Kontrolle und gesellschaftliche Folgekosten) in beträchtlichem Umfang verursachen. [38] Daraus schloß man, daß ordnungspolitische Instrumente (gegenüber den ökonomischen) ineffektiv sind. [39]
Überdies handelt es sich bei der Garantie von Mindestpreisen um einen klassischen Fall von direkten Eingriffen in die Preisbildungsmechanismen, der ein Überangebot hervorbringt – also den umgekehrten Fall von dem durch die Festsetzung von Höchstpreisen erzielten Unterangebot. Wenn sich Preise für landwirtschaftliche Produkte, wie auch bei allen anderen Gütern, auf dem freien Markt bilden würden, so lehrt die klassische Theorie, entstünde langfristig ein Gleichgewichtspreis mit der entsprechenden Gleichgewichtsmenge des angebotenen und zugleich nachgefragten Produktes. Wird aber ein Mindestpreis festgesetzt, der höher liegt als der Gleichgewichtspreis, entsteht ein Angebotsüberschuß, d.h. die angebotene Menge ist viel größer als die bei diesem Preis nachgefragte. Darin liegt die Ursache für die so entstandenen landwirtschaftlichen Überschüsse. Da alle Märkte in Wechselwirkung zueinander stehen, breiten sich Deformationen eines Marktes auf andere Märkte aus und verursachen Verzerrungen in der gesamten Volkswirtschaft. [40]
Durch die gewährten Absatzgarantien haben sich die Überschüsse weiter vergrößert, denn diese bilden einen starken Anreiz für intensivierte Bewirtschaftung (einschließlich Stickstoffdüngung und Pflanzenschutzmitteleinsatz) und zur Überproduktion samt aller damit verbundenen ökologischen und ökonomischen Folgen. Der Landwirt produziert somit unabhängig davon, ob er seine Produkte verkaufen kann oder nicht, denn die Überschüsse muß der Staat aufkaufen, lagern oder beseitigen. Daß man die sinnlos erwirtschafteten Überschüsse überdies nicht einmal dazu verwendet, um etwa hungernden Menschen in der Dritten Welt zu helfen, sondern daß sie auf Kosten der Allgemeinheit aufbewahrt und sogar vernichtet werden müssen, ließe sich als widersinnig und amoralisch werten, aus rein wirtschaftlicher Sicht zumindest als eine gigantische Ressourcenverschwendung. Der Verbraucher, der in der Regel mit dem Steuerzahler identisch ist, wird im Endeffekt gleich mehrfach geschädigt. Er muß:
Deshalb wird die Agrarpolitik auch als eine unzulässige Begünstigung von Partialinteressen auf Kosten der Allgemeinheit kritisiert. Demnach besitzt die Landwirtschaft Effizienzvorteile hauptsächlich bei der „Produktion politischen Einflusses“. Durch die Integration der EG wurde die Vorzugsbehandlung der Landwirtschaft verstärkt und die Abschirmung vor oppositioneller Wählerkontrolle stabilisiert. [41] Mit dem ursprünglichen „sozialen“ Anliegen, nämlich der Angleichung der stagnierenden Einkommen der Bauern an die der übrigen Bevölkerung, die ohnehin nicht erreicht wurde, haben die Agrarsubventionen jedenfalls nicht mehr viel zu tun. Da sie proportional zur Produktion gewährt werden, profitierten von ihnen am meisten nicht die kleinen „Bauern“, die es zumindest in Westeuropa kaum mehr gibt, sondern die größten und reichsten Landwirte bzw. die industrialisierten agrarischen Großbetriebe. Gegen den Verzicht auf Manipulation der landwirtschaftlichen Produktion durch Preisfixierung und Subvention wurde oft behauptet, dieser hätte zu einer noch größeren Konzentration der agrarischen Produktion und weiteren Verdrängung bäuerlicher Betriebe durch agrarindustrielle Großunternehmen und zur Produktion von billigstmöglichen Nahrungsmitteln mittels weiterführenden Raubbaus geführt. Diese Behauptung läßt sich nicht nachprüfen: Es ist zwar möglich, daß es unter den Bedingungen des freien Marktes zu einer ähnlichen Entwicklung gekommen wäre. Auf jeden Fall wirkt aber die Subventionspolitik nicht dem Trend entgegen, sondern unterstützt ihn.
Man behauptet heute, die riesigen Überschüsse („Butterberge“ usw.) gehören der Vergangenheit. Das bedeutet freilich nicht, daß die Agrarpolitik keine Probleme mehr verursacht. Manchmal sind es gerade die Lösungen, die mit der Beseitigung eines unerwünschten Effekts andere, möglicherweise noch größere, bewirken. Durch die Quotenregelung für Mengen und Qualität der Produkte, die hauptsächlich von den ex-sozialistischen EU-Mitgliedern als ungerechtfertigter Eingriff in ihre Wirtschaft und Lebensweise empfunden wurde, kam ein planwirtschaftlicher Ansatz zurück, der alle Abweichungen von den festgesetzten Normen verhindert, dem proklamierten Wettbewerbsprinzip zuwiderläuft und bekanntermaßen nicht funktionieren kann, zumindest nicht ohne einen ungeheuren Aufwand an externen Kosten, die mit den bewilligten Milliarden noch lange nicht erschöpft sind. Darüber hinaus wird auch schon lange kritisiert, daß die EuropäEinfuhrbeschränkungen und -zölleExportzuschüsseÜüüääüäüß