Wie aus einer Idee am Küchentisch, die erfolgreichste TV-Show Europas wurde
Frank Elstner ist der Erfinder von Wetten, dass ..? Monate suchte er nach einer Idee, schließlich fiel ihm die Show am Küchentisch ein.
Wer Frank Elstner nach der Entstehungsgeschichte von Wetten, dass ..? fragt, begibt sich auf eine Reise in die Geschichte des Fernsehens. Eine Zeit, in der zwar schon in fast jedem Haushalt ein Fernseher stand, die Hälfte davon aber empfing nur schwarz-weiß und wurde selten oder fast gar nicht eingeschaltet. Fernsehen war eine ernsthafte, mitunter recht steife Angelegenheit. Es gab drei Programmknöpfe und zwei Arten von Briefen, die bei den Sendeanstalten eingingen: Beschwerdebriefe von Zuschauern, die die für ihren Geschmack zu vergnügungssüchtigen Intendanten mahnend an den Bildungsauftrag der Öffentlich- Rechtlichen erinnerten, und Bittbriefe der Fernsehgeräte-Hersteller, die mehr Spaß und Unterhaltung verlangten, um die Zuschauer zum Kauf neuer Geräte zu bewegen. Kurz: Die Lage war verzwickt, das Fernsehgeschäft dümpelte vor sich hin und der Samstag galt branchenintern als »tot«.
Mathias Heul, der »Schmied von Attendorn«, wettete in der ersten Sendung, er könne ein Eisen allein durch Hammerschläge zum Glühen bringen.
»Es war eine Zeit, in der jeder neue Konzepte und ich eine neue Herausforderung suchte«, erzählt Frank Elstner. Denn nach neun Jahren als Programmdirektor von Radio Luxemburg und sechs Jahren als Moderator der Montagsmaler stand er am Scheideweg: Fernsehen oder Radio? »Beides zusammen ging nicht.« Als Dieter Stolte, damals designierter Intendant des ZDF, ihn fragte, ob er nicht eine Idee für eine große Show habe, sah er darin ein Zeichen: »Ich habe beschlossen beruflich erst mal gar nichts zu machen und dann zu sehen, ob mir fürs Fernsehen etwas einfällt.«
Monatelang reiste er durch Europa, guckte amerikanisches Fernsehen, grübelte, entwickelte Ideen und verwarf sie wieder. In einer der damals vielen schlaflosen Nächte war es dann aber so weit. Ein Geistesblitz: »Ich rannte in die Küche und schrieb in einer Stunde auf fünf Seiten das bis heute größtenteils unveränderte Konzept für Wetten, dass ..? herunter, rief meinen besten Freund an und sagte: »Heinrich, ich hab’s, komm sofort her.«
Elstners »Wettfieber« wirkte ansteckend: Zunächst infizierte es Heinrich, dann den ZDF-Unterhaltungschef Wolfgang Penk, den Intendanten und schließlich das ganze ZDF. Eine Show, in der Prominente auf die außergewöhnlichen Leistungen normaler Leute wetteten und die sogar noch die Zuschauer mit einband, das versprach Spannung, Action und Quote. Und die Begeisterung machte selbstsicher: »Ich fing an, wirklich groß zu denken«, sagt Elstner. »Ich wollte die Eurovision, die größten Stars, die meiste Technik …« Mehr als einmal musste das ZDF angesichts der forsch vorgetragenen Wünsche schlucken, »und wäre Unterhaltungschef Wolfgang Penk nicht ein so großartiger Diplomat gewesen, wer weiß, ob ich das jemals alles durchbekommen hätte.« So groß dachte Elstner, dass er sich sogar nicht scheute, den Papst einzuladen: »Ich hatte damals eine Audienz bei Kardinal Ratzinger, erzählte ihm, dass wir einen Studenten hätten, der alle 274 Papstnamen auswendig wisse, und bat ihn, Johannes Paul II. in meinem Namen zu fragen, ob er nicht Lust hätte, im deutschen Fernsehen aufzutreten.«
»Ich wollte die größten Stars, die schönsten Kulissen und den Samstagabend.«
Am 14. Februar 1981 war die Premiere. Die Schauspieler Curd Jürgens und Barbara Valentin waren da. Ein Schmied wettete, dass er ein Stück Eisen durch reine Muskelkraft zum Glühen bringen könne, ein Kandidat pustete eine Wärmflasche auf, bis sie platzte, ein dritter konnte die Zahl Pi bis auf 100 Stellen hinter dem Komma auswendig, und der Vater einer 16-jährigen Schülerin wettete, dass seine Tochter vom 1-Meter-Sprungbrett springen könne, ohne mit dem Kopf unterzutauchen.
Fernsehen war in den 80er-Jahren eine sehr steife Angelegenheit, Überraschungen gab es kaum. Wetten, dass ..? aber war erfrischend anders. Gleich in der ersten Sendung überzog Elstner bereits um 43 Minuten.
Die Zuschauer übers Telefon mit in die Sendung zu holen, war die wahrscheinlich genialste Idee des Showmachers. 17 Millionen Deutsche sahen die Premiere am Valentinstag 1981.
Es war ein großer, von vielen Menschen sehr unterschiedlich empfundener Abend. Elstner war souverän, doch auch für ihn war alles neu. Die Erklärung der Show dauerte, nicht jeder verstand sofort, worum es ging. Am Ende hatte er fast eine Stunde überzogen und hinter der Bühne stand noch immer eine Schülergruppe aus Aarhus und wartete auf ihren Auftritt. Regisseur Alexander Arnz glaubte, den größten Flop der Fernsehgeschichte gelandet zu haben, und schwänzte aus Scham die Premierenfeier.
… und wetteten für sich, ob der Schmied das Eisen tatsächlich durch reine Muskelkraft zum Glühen bringen würde. Das Ende der Wette: Er konnte. Eine ganz neue Art von Fernsehen.
Doch die Zuschauer dachten anders. 17 Millionen (!) schalteten ein. Was sie sahen, gefiel ihnen. Es gab zwar Längen und ein paar Pannen, aber alles war auf erfrischende Art anders. Tausende gingen am Sonntag ins Hallenbad, sprangen vom Sprungbrett und versuchten, den Kopf über Wasser zu halten. »Und das«, so Elstner, »war mehr, als wir uns hätten träumen lassen: eine Show zu machen, die am Samstag läuft und über die die Menschen noch am Montag im Büro reden, das ist ein Traum!«
Eine Show macht Weltkarriere
Das Konzept von Wetten, dass ..? ist mittlerweile in 23 Länder verkauft worden. Mit besonderem Erfolg läuft es derzeit in China, wo im Schnitt über 61 Millionen Zuschauer einschalten. Höhepunkt jeder Show ist der Auftritt deutscher Wettkandidaten, die ihre hier gezeigte Wette dort noch einmal aufführen.
Stimmt es …
... dass Wetten, dass ..? Europas größte und erfolgreichste TV-Show ist? Ja, stimmt. Gemessen an der regelmäßigen Zuschauerzahl gibt es keine erfolgreichere Show. Zwar sind auch bei Wetten, dass ..? die Quoten in den vergangenen Jahren gesunken, mit durchschnittlich zehn Millionen Zuschauern pro Sendung führt die Show aber noch immer die Hitliste in Europa an.
… dass sogar der Papst mal zu Wetten, dass ..? kommen wollte, Frank Elstner ihm aber abgesagt hat? »Ja, das stimmt«, sagt Frank Elstner. »Es war nach den ersten Shows von Wetten, dass ..?. Der Erfolg war gewaltig, die Zuschauer liebten die Sendung, und ich hatte damals wohl einen kleinen Höhenflug. Jedenfalls bat ich den damaligen Erzbischof von München, Joseph Ratzinger, tatsächlich darum, er möge in meinem Namen den Papst in die Show einladen. Ratzinger schaute natürlich ziemlich verwirrt, aber ich sagte ganz kess: ›Oh, das ist ganz ernst gemeint, wir haben da einen jungen Mann, der kann alle Päpste der Geschichte auswendig herauf- und wieder herunterleiern. Der Papst wäre dafür doch der ideale Wettpate …‹ Um es kurz zu machen: Eines Tages bekam ich einen Anruf aus dem Vatikan. Der Papst, so hieß es, könne leider nicht kommen, aber er würde sich gerne über eine Satellitenleitung zuschalten lassen – und ich habe abgelehnt! Heute weiß ich natürlich, wie doof das war, aber ich dachte damals wirklich, wenn das Schule macht, würde sich künftig jeder Gast nur noch zuschalten lassen.«
... dass alle Kandidaten eine Geheimhaltungsklausel unterschreiben müssen? Ja. Eine bei Wetten, dass ..? eingereichte Wette darf in dieser Form vorher noch niemals im Fernsehen aufgeführt worden sein. Und damit sichergestellt ist, dass die Zuschauer im Vorfeld nicht erfahren, welche Wetten in der Show zu sehen sind, werden die Kandidaten zum Schweigen verpflichtet. Nur der engste Familienkreis darf wissen, was passieren wird, und mitunter noch nicht mal der. So rannte, nachdem Danijel Peric am 21. März 2009 15 Autos über seinen Bauch hatte fahren lassen und dabei »O sole mio« gesungen hatte, seine im Publikum sitzende Mutter auf die Bühne und fiel ihrem Sohn schluchzend um den Hals. »Wussten Sie nicht, was er macht?«, fragte Gottschalk. »Nein, er hat mir nichts erzählt.«
… dass, es für Wetten, dass ..? keinen Ersatzmoderator gibt? Stimmt. Gottschalk darf nicht krank werden. Ein paar Mal war es zwar knapp, dennoch war er zu Showbeginn immer wieder fit – wenn auch mit Hilfe eines Arztes. 1999, beim ersten Sommerspecial auf Mallorca, hielt er sich nach einem Bandscheibenvorfall mit Schmerztabletten auf den Beinen, und 2007 rückte noch während der Generalprobe am Freitag der Arzt an, um dem stark vergrippten Gottschalk eine Spritze zu geben. Dass die Show irgendwann wegen Krankheit ausfällt, ist (fast) unmöglich: »Zur Not«, sagt Gottschalk, »lasse ich mich rechts und links stützen und durch die Sendung tragen.«
… der Andrang zu jeder Show so groß ist, dass die Karten unter den Bewerbern verlost werden? Ja. Es klingt zwar fast unglaublich, aber: Seit der ersten Show am 14. Februar 1981 waren alle Sendungen restlos ausverkauft. Im Schnitt gehen pro Sendung rund 20 000 Ticketanfragen ein, je nach Halle gibt es aber nur 2000 bis 3500 Tickets. Alle Termine und Bestellfristen unter: www.wettendass.zdf.de.
… dass Thomas Gottschalk die Stars auf der Couch persönlich einlädt? Hier lautet die Antwort Jein. Die Gästeliste wird zwischen der Redaktion und dem Moderator besprochen, beide Seiten kümmern sich um die Einladungen. Einen Star zu bekommen, kann nämlich ganz schön kompliziert sein. »Zu Wetten, dass ..? kommen die meisten sehr gerne«, erklärt ein ZDF-Redakteur. »Das Problem ist, einen Termin zu finden.« Denn wer gerade »ganz oben« ist, hat meist auch einen vollen Kalender. Tägliche Telefonate mit dem Management gehören zum Alltag eines VIP-Experten.
… dass, Thomas Gottschalk sein Warm-up selbst macht? Ja. Während die Zuschauer am Bildschirm Thomas Gottschalk um 20.15 Uhr das erste Mal sehen, begrüßt er das Saalpublikum bereits um 20 Uhr. Anders als andere Moderatoren ist Gottschalk vor der Kamera nämlich am besten, wenn er sein Publikum kennt. Es sind heitere Minuten: Gottschalk erklärt, was in der Show passieren wird, reißt Witze, die er bei laufender Kamera niemals erzählen würde, spaßt mit den im Publikum sitzenden Kindern herum, erfüllt Foto- und Autogrammwünsche. Und wenn Sie sich schon immer mal gefragt haben, wie der donnernde Applaus am Anfang der Show zustande kommt: Es ist Gottschalks letzte Bitte, bevor er wieder in den Kulissen verschwindet. »Wenn ich hier vorne bis zur Linie gehe, dann mache ich so abwehrende Bewegungen, die für Sie überhaupt nichts zu bedeuten haben. Klatschen Sie einfach weiter …«
... dass sich die Stars aussuchen dürfen, ob sie live oder Playback spielen? Ja! Grundsätzlich singt zwar jeder in der Show auftretende Künstler live (sonst müsste er ja nicht auftreten), aber es kommt vor, dass ein Sänger stimmlich nicht in Stimmung ist. Dann hat er die Möglichkeit auf ein Vollplayback auszuweichen. Das heißt, Musik und Stimme kommen vom Band, der Sänger bewegt nur die Lippen. Der häufigste Fall aber ist das Halfplayback. Dabei kommt die Musik vom Band (die Band tut nur als würde sie die Instrumente spielen), der Künstler aber singt live. Vorteil für die Produktion: Die Tonproben halten sich zeitlich im Rahmen. Selten spielen Band und Sänger live. Der Grund: Der Aufwand bei den Tonproben ist hoch. So musste für den Auftritt der Weltklassegeigerin Anne-Sophie Mutter (»Mozart hört man am besten live«) beispielsweise ein zusätzlicher Tonwagen angemietet werden. Mehrere Stunden dauerten ihre Proben. Zeit, in der die Halle blockiert war. Für das Team und die Zuschauer aber bietet so ein Auftritt die Chance auf großen Musikgenuss. Schon in den Proben hörte man, wie schön eine Stradivari klingen kann.
… dass bei Wetten, dass ..? gefährliche Wetten nicht genommen werden? Ja, das stimmt. Manche Wettvorschläge sind so risikoreich, dass die Redaktion die Wette aus Sicherheitsgründen ablehnen muss. So wettete einmal ein Blinder, dass er am Steuer eines Rennwagens um den Hockenheimring fahren könne. »Der Mann hat in einem Treffen zwar gezeigt, dass er das wohl kann«, erklärt eine Redakteurin. »Wir hätten aber die ganze Bahn mit Fangseilen ausstatten müssen und hätten damit trotzdem noch nicht jedes Risiko ausgeschl0ssen.« Grundsätzlich aber gilt: Je spektakulärer, desto besser. Der Isländer Gisli Gunnar Jonsson zum Beispiel wettete, dass er in einem selbst gebauten 1000 PS starken Fahrzeug 300 Meter über Wasser fahren könne. Eine spektakuläre Wette, bei der es auf Geschwindigkeit ankam. Das Auto wurde von den Sicherheitsingenieuren auf Herz und Nieren geprüft, das Risiko für vertretbar gehalten. Dass er dennoch kein Wettkönig wurde, lag wohl nur daran, dass er kurz vor dem Ende der Strecke nicht mehr genug Schub hatte und sprichwörtlich baden ging.
... dass, es viele Wege gibt, sich mit einer Wette zu bewerben? Ja. Wettvorschläge können schriftlich per Brief oder E-Mail eingereicht werden. Außerdem hat die Show bei YouTube einen eigenen Channel und ist auch auf auf der Internetplattform Facebook vertreten. Weitere Infos und ein Bewerbungsformular gibt es unter www.wettendass.zdf.de.
Das Team von Wetten, dass ..?
Gruppenfoto vom Sommerspecial 2010 auf Mallorca. Rund 200 Handwerker, Techniker und Redakteure gehören zum festen Team.
13 Tonnen Lichttechnik, 500 Scheinwerfer, 23 Kilometer Ka- bel für Licht, Ton und Bild. 20 Bürocontainer, ein Kunstmaler, sieben Maskenbildnerinnen, sechs Kostüm- und Garderobeberater, vier Aufnahmeleiter, acht Bild- und neun Tontechniker, 19 Bühnenarbeiter, 15 Lichttechniker, zehn Feuerwerker, sechs Kameramänner, ein Steadycam-Operator plus Assistent, drei Mann am Kamerakran, 15 Bühnenbauer, neun Sicherheitsleute, ein Simultandolmetscher, vier Gästebetreuer … insgesamt fast 200 Mitarbeiter beschäftigt eine Ausgabe von Wetten dass ..? vor Ort. Jede Show ist eine logistische Herausforderung. Vom Einzug in die Halle bis zum Erklingen der Eurovision-Hymne vergehen zwei Wochen Vorbereitungszeit. »Das sind 14 sehr anstrengende, aber auch sehr fröhliche Tage«, sagt ein Mitarbeiter aus der Produktion. Und wer das erste Mal hinter die Kulissen blickt, hat tatsächlich das Gefühl, zu einem Klassentreffen zu kommen. Fast jeder kennt jeden. Ständig trudeln neue Leute ein, Grüße werden durch die Halle gerufen, viele umarmen sich: »Wie geht es dir?« »Was ist seit der letzten Show passiert?«
Wird eine neue Ausgabe produziert, reist das Wetten, dass ..?-Team aus der ganzen Welt an. Die Kamerakran-Besatzung kommt aus Hamburg, die Aufnahmeleiter stammen aus Wiesbaden, Mainz und Mallorca. Der Moderator reist aus Los Angeles an, die Sicherheitsfirma sitzt in Hürth, die Großbildmonitore werden aus Frankfurt geliefert. Die Lichtgitter über der Bühne werden von einem Team aus Bremen angebracht. Die Show ist für jede Sendung in einer anderen Stadt, da ist es nicht wichtig, woher der Einzelne anreist.
Fremde Gesichter im Team sieht man eher selten. Sechsmal pro Staffel eine solche Livesendung auf die Beine zu stellen, funktioniert nur, wenn sich das Team gut kennt und jeder weiß, was der andere macht. Ein Prinzip, das bisher gut funktionierte. »Es ist beinahe unglaublich«, heißt es aus der Produktion, »aber seit wir auf Sendung sind, hat es hier noch nie eine echte Panne gegeben.«
Buchstäblich ein Team: Betriebsausflug zum Strand..
Der »Wanderzirkus« ist Teil des Konzepts. »Als die Show vor 30 Jahren entwickelt wurde, wollten wir das Fernsehen zu den Leuten bringen«, sagt ein ZDF-Sprecher – ein Gedanke, der heute nicht mehr so originell ist wie vor 30 Jahren, für den die Zuschauer die Show aber immer noch lieben. Und unabhängig davon, ob eine der im Oktober 2001 eingeführten »Stadtwetten« gespielt wird: Wenn Wetten, dass ..? in der Stadt ist, tobt auf den Straßen der Bär.
Elf Tage für den Aufbau, drei, bis die Halle wieder geräumt ist. Jede Ausgabe der Show ist eine Meisterleistung – logistisch, technisch, handwerklich
Mega-Stars, Mega-Quoten und ein Mega-Aufwand. Als Frank Elstner das ZDF vor 30 Jahren davon überzeugte, die »größte Show der Welt« zu machen, kam auch die Idee auf, jede Ausgabe aus einer anderen Stadt zu senden. »Wir wollten das Fernsehen zu den Leuten bringen«, sagt Elstner – ein charmanter Gedanke, der einen großen Erfolg (bisher war jede Show restlos ausverkauft), aber auch eine unglaubliche Herausforderung an das Team bedeuten sollte. Denn bevor es heißt: »Guten Abend, Deutschland, Servus nach Österreich und ein Grüezi in die Schweiz«, vollbringen Techniker und Handwerker für jede Sendung eine logistische Meisterleistung.
Ein Blick hinter die Kulissen der Mega-Show am Beispiel einer Sendung aus Düsseldorf
13-mal in Basel, 12-mal in Saarbrücken, schon 11-mal in Berlin, noch nie in Hamburg. Warum nicht? »Weil es in Hamburg keine Halle gibt, die groß genug für uns ist und die wir zwei Wochen belegen und dann auch noch bezahlen können«, sagt ZDF-Sprecher Peter Gruhne. Zwei Wochen? Kopfnicken. »Zwei Wochen!« Wetten, dass ..? ist nicht nur Europas größte und erfolgreichste TV-Show, sondern auch die aufwendigste. »Wenn wir die Halle übernehmen, ist sie in der Regel komplett leer«, sagt Lars Dembeck von der Produktion. Kein Stuhl, kein Licht, nur wenige Steckdosen. »Später stehen hier Stuhlreihen für bis zu 2000 Zuschauer, gut ausgestattete Werkstätten, Bürocontainer mit Telefon- und Internetanschlüssen. Wir haben eine Kantine, Garderoben, Aufenthaltsräume … Es ist ein richtiges kleines Dorf.«
Der Aufbau ist kompliziert, Zeit kostbar. Noch während vor der Halle die ersten Materialcontainer angeliefert werden, wird an der Hallendecke bereits ein riesiges Lichtgerüst befestigt. Rund 1400 Scheinwerfer, Lautsprecherboxen, Geräte und Motoren für die Spezialeffekte werden am Showabend daran hängen. Gesamtgewicht: etwa 30 Tonnen. Und noch während die »Rigger«, also die Gerüst- bauer, in 8,50 Meter Höhe schrauben, wird unten mit dem Zusammenbau des Bühnenbodens begonnen: 2000 Quadratmeter millimetergenau verlegte Spanplatten, die noch am gleichen Tag grundiert und gestrichen werden müssen. »Das ist echte Knochenarbeit, und wir müssen an einem Tag damit fertig werden, weil alle anderen Gewerke bereits ungeduldig in der Warteschlange stehen.«
Sechs Tage haben die Arbeiter und Techniker Zeit, die Bühne, die Licht- und Tonanlage aufzubauen und zu programmieren. Etliche Kilometer Kabel müssen verlegt, unzählige Stromanschlüsse installiert werden. Von morgens bis abends kurven Stapler, Steiger und Scherenhub-Bühnen durch die Halle. Bürocontainer für die Redaktion werden aufgebaut, Garderoben und Aufenthaltsräume für die auftretenden Stars und Gäste eingerichtet. Ein Tisch, zwei oder drei Stühle, ein Spiegel, ein paar nicht alkoholische Getränke – die Ausstattung ist schlicht und zweckmäßig. Doch was, wenn der Musiker Sonderwünsche hat? »Manche möchten, dass ihre Garderobe in einer bestimmten Farbe eingerichtet ist, oder bestehen auf bunten Tüchern über den Lampen«, erzählt Dembeck. »Solange sich das alles im Rahmen hält, machen wir mit, mitunter sind die Wünsche aber größer.« So reiste der Rapper 50 Cent beispielsweise in Begleitung von fast 20 Freunden, verlangte für seine Garderobe gleich ein Dutzend Sofas und ein extragroßes Buffet. Popstar Madonna forderte ein speziell für sie aus dem Ausland importiertes, über die Maßen teures Mineralwasser und einen persönlichen Toilettenwagen. Und weil die Weltklassegeigerin Anne-Sophie Mutter bei der Vorstellung ihrer neuen Mozart-CD darauf bestand, mitsamt ihrem Ensemble live zu spielen, musste das ZDF einen zweiten Tonwagen anmieten. »Wir ziehen den Hut vor so viel Perfektionismus, stellen den Plattenfirmen solche Extrawünsche aber in Rechnung.«
Eine Extratoilette für Madonna und extragroße Sofas für 50 Cent
Am Donnerstag vor der Show muss die Halle bereit sein. Die Redaktion, die Wettkandidaten und der Moderator treffen ein, der Backstagebereich füllt sich mit Menschen. Fast 200 Mitarbeiter aus ganz Deutschland gehören zum festen Wetten, dass ..?-Team. Die meisten sind seit Jahren dabei, kennen sich gut und wissen, wen sie in unerwarteten Situationen um Hilfe bitten können. »Die meisten Gäste sind sehr professionell und umgänglich«, erzählt eine Gästebetreuerin. Es gibt aber auch Ausnahmen, und vom Trunkenbold bis zur Hysterikerin war auch schon alles dabei. Zum Beispiel Paris Hilton: Beim Sommerspecial in Aspendos stand sie auf der Gästeliste und reiste auch an, ob sie wirklich auftreten würde, wusste aber bis kurz vor Sendungsschluss niemand. Das Problem nämlich war, dass ihr der eigens für sie eingeflogene Friseur mit einer Brennschere die Haare versengt hatte, woraufhin sie ihn aus der Garderobe warf und selbst auch nicht mehr auftreten wollte. Um die Situation zu retten, bedurfte es aller Kräfte: Einer tröstete und beruhigte die Hotelerbin, ein anderer besorgte einen neuen Friseur, ein Dritter sprach mit dem Management und ihren Begleitern … »Sieben Minuten vor Ende der Show haben wir sie dann auf der Bühne gehabt. Sie lächelte, sie strahlte und uns allen fiel ein großer Stein vom Herzen.«
Bisher pannenfrei: Das Team kennt sich seit Jahren, jeder arbeitet Hand in Hand
Mit dem Proben der Wetten beginnt am Donnerstagnachmittag der redaktionelle Teil der Show. Die Kandidaten sollen sich an die Bühne und die Zuschauer gewöhnen. Abends werden die Show-Acts geprobt, zwischendurch wird immer wieder umgebaut, geändert, am Detail gefeilt – und mitunter auch Nothilfe geleistet: »Wir hatten zum Beispiel mal einen Kandidaten, der hatte seine Wette zu Hause am Küchentisch geprobt«, erzählt Redakteurin Beate Weber. Der in der Halle stehende Tisch sah genauso aus, trotzdem ging jeder Versuch der Wette an diesem Tisch daneben. »Also haben wir einen Kurier zu ihm nach Hause geschickt und seinen Tisch geholt. In der Show lief dann alles wie geschmiert.« Psychologie ist alles, auch – oder gerade – im Showbiz.
Die Couch von Duisburg: Armin Rhode, Oliver Bierhoff, Roberto Benigni und Michelle Hunziker. Nicht im Bild: Tom Cruise, mit dem Gottschalk später eine Verfolgungsjagd inszenierte - auf einem Kinder-Dreirad.