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Brigitte Sommer

Chef, was suchen Sie?

Geschichten aus einem Sanitätshaus





BookRix GmbH & Co. KG
80331 München

Kapitel 1

Montag - oder so!

 

Ich glaube, für jeden arbeitenden Menschen ist der Montag der gruseligste Tag der Woche. Man befindet sich noch im Wochenend-Modus, das frühe Aufstehen ist schon Strafe genug. Man muss sich zunächst mal orientieren: Sind alle Kollegen da? Sind alle gesund? Und im Sanitätshaus werden Wetten entgegengenommen: Welches Hilfsmittel bei welchem Kunden hat das Wochenende überlebt und welches nicht?

An diesem Montag war es eine Wechseldruckmatratze. Das sind gekammerte, luft-gefüllte Matratzensysteme, die bei bettlägerigen, bewegungsunfähigen Menschen eingesetzt werden, um das Wundliegen zu verhindern. Ein Steuergerät reguliert den wechselnden Luftdruck in den einzelnen Kammern.

 

Meine Kollegin hat sich den Atlaswirbel einrenken lassen – eine langwierige und komplizierte Prozedur zur Korrektur des 1. Halswirbels, die, obwohl sie nur von speziell ausgebildeten Physiotherapeuten vorgenommen werden darf, häufig mit gravierenden Nebenwirkungen einhergeht. Rena ist jedenfalls seitdem zu nix mehr zu gebrauchen. Sie verkauft einer Kundin mit einer Kleidergröße 36 ein Nackenkissen für Herren Gr. 50/52, schreibt nur halbe Telefonnummern auf und weiß plötzlich nicht mehr, wo wir die zu bezahlenden Rechnungen sammeln (seit 6 Jahren). Kurz – sie steht neben sich.

Zu allem Überfluss hat sie sich jetzt auch noch krankschreiben lassen. Obwohl – na ja, dann macht sie wenigstens keinen Schaden.

Trotzdem, jetzt hocke ich wieder ganz allein auf dem ganzen Mist und kann zusehen, wie ich damit fertig werde.

Ich habe schlecht geschlafen, letzte Nacht (ob das noch die Vollmondreste sind?) und als Chef niesend und prustend zur Tür hereinschleicht kann ich mir schon denken, was mich erwartet. Kranke Männer sind ein Elend, kranke Chefs sind eine Katastrophe.

Dann ruft auch noch meine Lieblingssachbearbeiterin (mit der führe ich seit Jahren einen Kleinkrieg) einer Krankenkasse an. Ein Anti-Dekubitus-System in einer 30 km entfernten Kleinstadt ist platt. Das muss schnell gehen. Ich eröffne Chef seine Aufgabe und rufe bei dem Kunden an, um sein Kommen anzumelden:

„Guten Tag, Frau B. Bei Ihnen ist die Matratze defekt?“

„Wie bitte, ich höre Sie nicht!“

Ich schreie meine Frage ein zweites Mal ins Telefon, während sich auf Chefs verschwiemeltem Grippegesicht ein Grinsen breit macht.

„Ich mach mal Fernsehen aus – so, jetzt höre ich Sie!“

Aller guten Dinge sind drei, aber jetzt hat sie mich verstanden. „Ja, die ist platt!“

„Das ist nicht gut, wie lange liegt Ihr Mann denn jetzt schon auf dem defekten System?“

„Drei Jahre!“

Mich wirft es um: „Drei Jahre ist das System schon kaputt?“

„Nein, mein Mann liegt seit drei Jahren drauf, kaputtgegangen ist das erst gestern – und dann hat sich mein Enkel drum gekümmert!“

„Ach, was hat er denn gemacht?“

„Er hat was aus dem Internet ausgedruckt!“

Aha! „Konnte er denn helfen?“

„Nein, er hat das Ausgedruckte mit nach Hause genommen!“

Ach so! „ Macht das Steuergerät denn lautere Geräusche als sonst?“

„Das weiß ich nicht, wissen Sie, ich hab das Fernsehen immer recht laut, ich hör sonst nix!“

Ach ja, da war doch was. Chef sitzt an seinem Schreibtisch und kringelt sich schon vor Lachen.

„Wissen Sie denn, welches System Ihr Mann hat?“ (Natürlich stand in Chefs Computer mal wieder nur AD-System Grad 3!)

„Nein, das weiß ich nicht, so ein dickes mit Luft drin!“

Klasse! Das ist mir auch klar! „Was für ein Firmenname steht denn auf dem Steuergerät?“

„Moment, ich gucke mal nach! Ja, ich hab´s – da steht drauf: ON – OFF.“

Jetzt kann ich nicht mehr, ich beende relativ eilig das Gespräch, verspreche ihr noch, dass Chef in einer Stunde kommt, lege auf – und pruste erst mal los. Chef wischt sich eine Mischung aus Erkältungs- und Lachtränen aus dem Gesicht: „Hab schon verstanden, ich nehme mal besser ein Austauschsystem für Grad 3 mit und schaue mir das mal an!“ – spricht´s und verschwindet mit seiner Riesentasche im Auto.

Da sag noch mal einer was gegen Montage!