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Fußnoten

Bald Guyz stellt Kopfwischtücher, Feuchtigkeitsgel und alle mögli-chen anderen tollen Sachen für Männer her, die sich für ein haarlo-ses Leben entschieden haben. Das Unternehmen hat sich für diese Erwähnung bisher nicht erkenntlich gezeigt, ich hoffe jedoch sehr, dass das noch nachgeholt wird oder dass man mir ein Paket mit Gra-tisprodukten zusendet.

Ich hätte über so viele Passagen in Claire Tomalins wundervoller Biografie begeistert schreiben können. Nach der Veröffentlichung der Kolumne stellte sich heraus, dass dieser Brief eine Fälschung war und dass die beiden großen Männer sich nie begegnet sind. Sie sollten ihr Buch dennoch lesen.

Endnoten

Michel de Montaigne, Essais, übersetzt von Hans Stilett, »Die andere Bibliothek«/Eichborn, Frankfurt 1998 (S. 101)

Sarah Bakewell, Wie soll ich leben? oder Das Leben Montaignes in einer Frage und zwanzig Antworten, übersetzt von Rita Seuß, C. H. Beck, München 2012 (S. 15)

John Updike, Heirate mich! Eine Romanze, übersetzt von Angela Praesent, Rowohlt, Reinbek 1978 (S. 15 und S. 152/53)

Jon Ronson, Die Psychopathen sind unter uns: Eine Reise zu den Schaltstellen der Macht, übersetzt von Martin Jaeggi, Klett-Cotta, Stuttgart 2012 (S. 74/75)

David Almond, Mina, übersetzt von Alexandra Ernst, Ravensburger, Ravensburg 2011 (S. 135 u. S. 82)

Von den Herausgebern des Believer

Dies ist die dritte auf Deutsch erscheinende Sammlung von Kolumnen des preisgekrönten englischen Romanciers, Drehbuchschreibers, Journalisten und Kritikers Nick Hornby aus der amerikanischen Literaturzeitschrift The Believer. Sie enthält Hornbys Lesetagebuch aus anderthalb Jahren, das in der Zeitschrift regelmäßig unter der Überschrift »Zeug, das ich gelesen habe« erscheint. Die Kolumne beginnt immer gleich: Hornby listet die Bücher auf, die er im vorangegangenen Monat gekauft hat, danach die Bücher, die er gelesen hat. Erfahrene Leser, vertraut mit den Unwägbarkeiten des Buchsammlerlebens, können sich wahrscheinlich denken, dass es in fast keinem Monat Überschneidungen zwischen den beiden Listen gibt.

Hornbys Berichte bieten einen überraschenden, anregenden und witzigen Einblick in die Weite eines zutiefst toleranten und wohlmeinenden Intellekts. Hornbys Lektüre ist breit gefächert, seine Neugier ist unnachahmlich menschenfreundlich, gelegentlich aber auch sarkastisch. Die Essays dieses Bandes führen die Leser zu großartigen Büchern aller Genres und Epochen, von verstaubt bis poppig, sie stellen womöglich übersehene, abgelehnte oder auch schlicht gekaufte und dann im Stapel anderer Bücher vergessene Werke vor.

Wer Weniger reden … in seine eigene Liste der gelesenen Bücher einreiht, erneuert damit seine Leseenergie, um so den nächsten Stapel unbezwungener Taschenbücher anzugehen, und erwirbt gleichzeitig eine tolerantere Haltung gegenüber dem Anwachsen solcher Stapel.

Die Rückkehr des Bumerang-Kindes; Ärger Luft machen; Kritik von Seeleuten aus dem Hafen von Chatham; Mass Observation; versuchter Kitzel

Gekaufte Bücher
Gelesene Bücher

Es ist nicht leicht, nach Hause zurückzukehren, wenn man draußen in der Welt gescheitert ist. Als ich diese Seiten 2008 für beendet erklärte, war meine Einstellung in etwa: »Lebt wohl, ihr Nerds und Loser! Ich habe so einiges vor – Dinge ausprobieren, die Welt sehen, Leute treffen!« Na gut. Was will man machen, wenn sich die Leute nicht treffen lassen wollen? Ich bin nun zu einem jener jämmerlichen modernen Phänome geworden, von dem Sie vielleicht schon gelesen haben: ein Bumerang-Kind – ein Kind, das hocherhobenen Hauptes aus dem Haus stolziert (typischerweise mit gestrecktem Mittelfinger), sich ein paar Jahre lang mit einem schlechten Job bei einer Zeitschrift oder einer Bank durchschlägt und dann mit eingekniffenem Schwanz zurückkommt, um sein Kinderzimmer wieder zu beziehen und sich zu wundern, wieso seine Eltern sich samstagabends so gut amüsieren.

Ich habe beschlossen, meinem Ärger Luft zu machen, indem ich mich mit einer Reihe von Büchern beschäftige, die, so hoffe ich, die Leserschaft dieser Zeitschrift keinen Deut interessieren werden. David Kynastons hervorragendes Werk Austerity Britain ist über sechshundert Seiten dick und beschäftigt sich mit nur sechs Jahren (1945–51) im Leben meines Landes. Der zweite Band der Serie – Family Britain, 1951–57 – ist bereits veröffentlicht, und darauf werde ich mich als Nächstes stürzen; Kynaston will

Ich habe noch nicht mal ein Drittel von Austerity Britain gelesen, aber das reicht, um es als ein Hauptwerk der Sozialgeschichte zu erkennen: süffig, herausragend recherchiert, informativ und fesselnd. Zum Teil beruht Kynastons triumphale Leistung auf seiner ungeheuren Fähigkeit, sämtliche zur Verfügung stehenden Materialien zu verarbeiten und zu ordnen: Manchmal gewinnt man den Eindruck, er habe jeden im betreffenden Zeitraum geschriebenen Roman gelesen sowie jede Autobiografie, ob sie nun von einem Mitglied der Labour-Nachkriegsregierung stammte oder von einem Mitglied der englischen Nachkriegs-Cricketmannschaft. (Auf Seite 199 meiner Taschenbuchausgabe zitiert er den ehemaligen stellvertretenden Vorsitzenden der Labour Party, Roy Hattersley, den Rolling-Stones-Bassisten Bill Wyman und die Kochbuchautorin Elizabeth David, alle zum Thema des ungewöhnlich kalten Winters 1947.) Und selbstredend hat er jede Radiosendung gehört und jede Zeitung durchforstet.

Kynaston erzielt damit eine außerordentliche Wirkung: Großbritannien ändert sich von Monat zu Monat, wie ein Kind, und am Ende hat man das Gefühl, dass jeder Mensch die Gelegenheit haben sollte, ein so gutes Buch über sein eigenes Land zu lesen. Ich bin aber froh, dass es noch nicht jeder Mensch in Großbritannien gelesen hat (obwohl es sich ziemlich gut verkauft), denn man kann Anekdoten daraus klauen und sie als seine eigenen ausgeben. Eine meiner Lieblingsstellen bisher ist der Bericht des Regisseurs David Lean darüber, wie er seinen Film Begegnung in

Das beste Material gewinnt Kynaston aus dem britischen »Mass-Observation«-Projekt, das von den späten 30er-Jahren bis Mitte der 60er lief. Die Gründer von MO – der Anthropologe Tom Harrisson, der Dichter Charles Madge, der Filmemacher Humphrey Jennings und viele andere (sogar der kolossale und kolossal kluge Literaturkritiker William Empson wirkte an irgendeiner Stelle mit) – gewannen fünfhundert Freiwillige, die für sie Tagebuch führten und Fragebögen ausfüllten, und die Ergebnisse sind ein unübertroffenes Dokument dessen, was der

Es geht aber natürlich nicht nur ums Wichsen. Austerity Britain beschreibt die mentale Verfassung eines ramponierten und bankrotten Landes und seine Versuche, sich wieder aufzurichten; es geht um Lebensmittelrationen und Stadtplanung, um Wohnraum und Kultur, um Sozialismus und Aufstieg, und das Buch vergisst keine Sekunde, dass die vielen (vor allem grauen und braunen) Steinchen zusammen ein riesengroßes Mosaik unserer kleinen, belagerten Insel ergeben. Wenn Sie Prosa lesen oder schreiben, dann freut es Sie vielleicht zu sehen, wie Kynaston sich auf zeitgenössische Literatur stützt, um seiner Darstellung Farbe und Authentizität zu verleihen. Es heißt immer, dass allzu zeitgebundene Romane nicht von Dauer seien; aber was taucht sonst so tief in das Denken und Fühlen einer bestimmten Epoche ein? Ich vermute, in fünfzig oder hundert Jahren werden wir uns kaum dafür interessieren, was

Es war ein Monat, in dem ich an unwahrscheinlichen Stellen Lesefreude gefunden habe, und David Kynaston möge mir verzeihen, dass ich mich vorher gefragt habe, ob ein dickes Sachbuch mit dem Wort »Austerität« im Titel Spaß machen werden würde. Francis Spuffords Roman Rote Zukunft behandelt Nikita Chruschtschows Planwirtschaft und enthält den Satz (zugegebenerweise in den ausführlichen Fußnoten am Ende) »die Multiplikatoren, von denen Kantorowitschs Lösung der Optimierungsprobleme abhing«, und er ist großartig. Sicher, das Lesen gestattet einem auch eine Portion Selbstgefälligkeit – »Seht mich an! Ich lese ein Buch über Engpässe in der sowjetischen Gummiindustrie Anfang der 60er-Jahre, und ich liebe es!« Aber ehrlich gesagt sind solche Gedanken völlig fehl am Platz und werden Spufford absolut nicht gerecht, denn er hat es geschafft, das womöglich trostloseste Ausgangsmaterial aller Zeiten in ein unglaublich kluges, überraschend fesselndes und zutiefst exzentrisches Buch zu verwandeln, eine Hammer-und-Sichel-Version von Robert Altmans Nashville mit Zentralkomitee anstelle von Countrymusik. (Aus Rote Zukunft ließe sich wahrscheinlich ein wunderbarer Film machen, aber ich überlasse es anderen, diesen Vorschlag einem Hollywoodstudio zu unterbreiten, das dafür zahlen soll.) Spufford bietet ein großartiges Ensemble auf, eine Mischung aus realen und fiktiven Figuren, und zeigt in Hunderten von Vignetten, wie sich Chruschtschows

Francis Spuffords Name ist in dieser Kolumne schon einmal gefallen: The Child That Books Built ist sein brillantes Erinnerungsbuch darüber, was wir lesen, wenn wir jung sind, und warum. Und ich bin zwar nicht der Einzige, der ihn für einen der originellsten Köpfe der zeitgenössischen Literatur hält, aber wir sind eindeutig zu wenige. Daran ist zum Teil seine geradezu perverse Themenwahl schuld – außer Rote Zukunft und den Lesememoiren hat er Bücher über Eis und englische Tüftler und Erfinder geschrieben –, aber am Ende ist man immer überzeugt, dass das verstaubte Thema seiner Wahl so mannigfaltig nachhallt, wie man es nie geahnt hätte. Eins seiner Themen in diesem Buch ist die schiere Geisteskraft, die für das erstaunliche Experiment namens Sowjetkommunismus benötigt wurde; wir wissen inzwischen, dass das Experiment scheiterte, aber alle Aspekte von Angebot und Nachfrage kontrollieren zu wollen ist auch sehr viel komplizierter, als sich einfach zurückzulehnen und alles vom Markt regeln zu lassen. Wie sich zeigt, braucht man dafür Genie. Für Konzeption, Recherche und Verfassen dieses außerordentlichen Romans war nicht ganz so viel vonnöten, aber das liegt nur daran, dass geniale Romane nicht ganz so viel brauchen wie geniale Wirtschaftssysteme. Ganz im Ernst.

Vor ungefähr einem Jahr wählten mein Mitherausgeber und ich eine Kurzgeschichte von Philipp Meyer für eine Anthologie aus. (Die Sammlung erschien tatsächlich.

Meine Ausgabe von Rost schmückt sich mit lobenden Zitaten von Patricia Cornwell und Colm Tóibín, was den Roman schon ganz gut einordnet: Rost ist eins der seltenen Bücher, das dem Leser nicht nur ein bedeutendes Thema bietet – das lange, langsame Sterben der amerikanischen Arbeiterklasse –, sondern auch einen packenden Plot, der uns mitten ins Thema hineinkatapultiert. Isaac und Poe, Anfang zwanzig, planen beide die Flucht aus ihrer kaputten Heimatstadt in Pennsylvania, die hauptsächlich aus verfallenden Stahlwerken besteht (das Buch schreit eigentlich auch noch nach einem Klappen-Zitat von Springsteen). Isaac ist klug und will auf eine Uni in Kalifornien; Poe hat ein Sportstipendium angeboten bekommen, ist aber zu planlos, es anzunehmen. Und dann tötet Isaac jemanden, und alles geht den Bach runter.

Diesem Buch fehlt nichts, soweit ich das beurteilen

Sie müssen zugeben: Wenn ich drei so gute Bücher direkt nacheinander lese, dann gebührt mir schon die größte Anerkennung. Sicher, ich weiß das handwerkliche Können zu schätzen, mit dem diese Bücher verfasst wurden, die Recherche, die Liebe, die Geduld, die Fantasie, das ungeheure Talent – so wie ich auch das handwerkliche Können zu schätzen weiß, mit dem ein vollkommen runder Fußball liebevoll von Hand genäht wird. Aber bei allem Respekt für Kynaston, Spufford und Meyer, es ist doch der Leser, der wirklich zählt und der den Ball ins Netz haut. Er schießt, er trifft. Drei Mal. Ein Hattrick, und das in der ersten Kolumne nach dem Comeback! Er kann es noch!

Geschichten eines Oscar-Nominierten; quantitative Analyse von Jennifer Anistons Karriere als Thema geistiger Beschäftigung; der Kinderfrieden

Gekaufte Bücher
Gelesene Bücher

Im letzten Monat war ich also bei der Oscar-Verleihung. Und zwar als Nominierter , wie ich betonen möchte (kursiv und unterstrichen), nicht bloß als irgendein Loser, obwohl ich das gemeinerweise im Lauf der Veranstaltung wurde, und zwar infolge des archaischen und ganz bestimmt korrupten Abstimmungsprozesses der Academy. Und nun besteht meine Aufgabe darin, die Erwähnung dieser Tatsache in meiner Kolumne übers Lesen irgendwie relevant klingen zu lassen und nicht bloß willkürlich und selbstgefällig. Ich glaube, ich kann das schaffen: Mir ist aufgefallen, dass man so ziemlich jedes Buch, das ich in den letzten Wochen gelesen habe, als Antithese zu den Oscars

Austerity Britain zu Ende zu lesen war zweifellos meine größte Leistung in diesem Monat, sogar befriedigender, als dreieinhalb Stunden lang auf einem Plüschsessel anderen Menschen zu applaudieren, die sich kleine Statuen

Während ich über die Geburtsstunde unseres National Health Service las, gewann Präsident Obama gerade die Schlacht um die Ausweitung der öffentlichen Gesundheitsversorgung in den USA; da ist es heilsam, den Erinnerungen der Ärzte zu lauschen, die in jenen ersten Tagen Briten aus der Arbeiterschicht behandelten. »Ich kann auf jeden Fall sagen, dass in den ersten sechs Monaten nach dem Beginn des NHS am 5. Juli 1948 bestimmt zwanzig oder dreißig Frauen mit den unglaublichsten gynäkologischen Beschwerden zu mir kamen – also, von diesen zwanzig oder dreißig war es bei mindestens zehn zu einem vollständigen Gebärmuttervorfall gekommen, und sie mussten das Organ mit einer Handtuchbinde im Körper halten, so als trügen sie eine große Windel.« Etwa acht Millionen kostenfreie Brillen wurden im ersten Jahr ausgegeben, dazu zahllose dritte Zähne. Es war nicht so, dass die Menschen ohne kostenfreie Gesundheitsversorgung starben; ihre