Der Koran | Al-Qur'an
Für Kindle und ePub-Lesegeräte optimierte Originalausgabe
Nach der Übersetzung von Max Henning.
© q-medial 09/2011; 2. Auflage 03/2013
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Impressum
Al-Qur'an bedeutet sinngemäß etwa »Das Vorzutragende«, oder »Die Lesung«. Der Koran ist also seinem Wesen nach etwas, das in mündlicher, lebendiger Sprache vermittelt und weitergegeben werden sollte. Wenn aber schon eine schriftliche Festlegung, so gilt Muslimen nur eine einzige als »echter« Koran: Die einheitliche arabische Fassung, die in ihrem Text unverändert auf die als verbindlich erklärte Version des dritten Kalifen Uthman im Jahre 653 n. Chr. zurückgeht.
Alle Übersetzungen des Koran sind insofern problematisch, als eine Übersetzung immer auch eine Interpretation des Originaltextes darstellt. Und besonders die metaphernreiche, bildhafte und phantasievolle arabische Sprache lässt zahlreiche Deutungen einer einzigen winzigen Phrase oder eines einzigen Satzes oder Sachverhaltes zu. Dies führt dazu, dass sehr unterschiedliche Übersetzungen des Koran im Umlauf sind, die von den Muslimen mehr oder weniger geschätzt werden.
Moslemische Gläubige und vor allem Religionswissenschaftler werden eine Übersetzung des Koran nie als »Koran« bezeichnen, sondern immer als »Interpretation« oder »Auslegung« des Koran in der jeweiligen Sprache.
Auch die hier vorliegende Übersetzung von Max Henning ist nicht – wie auch keine andere – »perfekt«, sie hat aber den großen Vorteil, sehr präzise und sorgfältig, und in sich konsistent zu sein. Deshalb ist sie sowohl für Muslime, als auch für interessierte Nicht-Muslime verwendbar.
Nach moslemischen Glauben ist der Koran das direkte, gesprochene Wort Gottes (Allahs), das seinem Propheten Mohammed ab dem Jahre 610 in Mekka, und später in Medina, offenbart (»in sein Herz geschrieben«) wurde. Die erste Erleuchtung hatte Mohammed der Überlieferung zufolge in einer Höhle bei Mekka, In den folgenden 22 Jahren wurde ihm dann der gesamte Koran offenbart.
Bis kurz nach Mohammeds Tod (632) gab es keine einheitliche schriftliche Festlegung des Koran, doch seine inzwischen zahlreichen Anhänger erkannten rasch, dass sie dies besorgen müssten. Kurz nach dem Tod des Propheten entstand der erste komplette schriftlich fixierte Koranband, neben anderen fragmentarischen Bänden. Der dritte Kalif, Uthman ibn Affan (644 – 656), ließ diese uneinheitlichen Werke aus dem Verkehr ziehen und den bis heute erhaltenen Koran schreiben. Dabei mussten mindestens zwei Männer bei jedem Vers bezeugen, ihn direkt aus dem Munde des Propheten Mohammed gehört zu haben.
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Eine Ordnung des Textes ist zunächst nicht erkennbar. Denn die frühen Muslime haben eine – aus heutiger Sicht vielleicht sehr weise Entscheidung getroffen: Die Suren wurden lediglich nach ihrer Länge hin geordnet, die längsten am Anfang des Koran, die kürzesten (mit Ausnahme der Sure Eins) zum Ende hin. Dadurch wurde keinerlei thematische Gewichtung oder Vorauswahl getroffen. Jeder Bestandteil der göttlichen Botschaft ist gleich wertig und gleich wichtig.
Für »Anfänger» kann es eine Hilfe sein, den Koran von Hinten nach Vorne zu lesen: Denn die tendenziell kürzeren Suren sind in der Regel früher entstanden, geoffenbart in Mekka, und haben normativen, theologischen Verkündigungscharakter, während spätere, längere und sehr lange Suren häufig auf Detailfragen des Zusammenlebens eingehen.
Die unerklärten, mystischen Zahlen-Buchstaben-Gruppen am Anfang einiger Suren sind kein Übersetzungsfehler, sondern entstammen dem Urtext, und ihre Bedeutung ist unbekannt. Nur Allah, so der islamische Glaube, kennt die wahre Bedeutung all dieser Zeichen und aller Koranverse.
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Die Sprache des Koran ist durch eine Übersetzung nicht adäquat wiederzugeben. Einer der besten deutschsprachigen Kenner des Koran, Murad Wilfried Hofmann formuliert es so: »Kaum ein westlicher Leser kann [...] nachvollziehen, was für den muttersprachlich arabisch sprechenden Gläubigen offensichtlich ist: dass der Koran von so unnachahmlicher sprachlicher Schönheit ist, dass seine Rezitation zu Tränen rühren kann.«
Eine Besonderheit des Korantextes, im Vergleich zu anderen heiligen Schriften ist, dass seine Authentizität wissenschaftlich erwiesen ist. Der heutige Text entspricht genau dem, was »Tausende von Muslimen zum Todeszeitpunkt Mohammeds auswendig kannten ... [Auch] ist der Koran der bestbezeugte Text aus der Spätantike überhaupt. Er ist nicht nur aus einem Guss, sondern hat – computergestützte Sprachanalysen erhärten dies – einen einzigen Verfasser.« (Hofmann)
Die Verehrung des Koran in seiner Originalsprache habe nebenbei bewirkt, so Hofmann, dass das Arabische als einzige Sprache der Welt sich in den letzten 1400 Jahren nicht wesentlich verändert hat. Das Vokabular des Koran gehört noch heute zur normalen arabischen Umgangssprache.
Dies sind bemerkenswerte Eigenschaften dieses würdigen, für bekennende Moslems heiligen Textes.
Verstehen führt immer zu Verständigung. Wer sich mit dem Islam und dem Koran beschäftigt, wird feststellen, dass der Islam eigentlich nichts weiter war als die erste große Reformationsbewegung in der damals (um 600 n. Chr.) allzu dogmatischen und selbstbezogenen christlichen und jüdischen Kirche.
Der Koran war darum zunächst etwas Fortschrittliches. Im Vergleich zu Bibeltexten des alten Testaments ist er erstaunlich rational, sachlich und – vergleichsweise – frei von naturwissenschaftlichen Missdeutungen. Genau wie die Bibel enthält er Stellen, die für den heutigen Leser unzeitgemäß und überholt erscheinen, aber auch viel Weisheit. Für moderne Koranforscher ist unstrittig, dass die Texte des Koran allegorisch zu verstehen sind – wie auch andere alte heilige Schriften –, nicht wortwörtlich.
Die Gefahr freilich besteht immer, dass ein Text wie der Koran fundamentalistisch missbraucht wird, indem man einzelne Passagen herausgreift, und versucht, Menschen zu zwingen, ihre Lebenswirklichkeit im 21. Jahrhundert dem altehrwürdigen Text anzupassen – statt umgekehrt den Text zu verwenden und zu sehen, was man aus heutiger Sicht daraus gewinnen kann.
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Alle großen Religionen (auch im Christentum gibt es solche Tendenzen) sind übrigens heute in der Gefahr, sich zu fundamentalisieren und also ein Gegengewicht anzubieten zur »Werte-entleerten«, unverbindlichen und glaubenslosen Alltagswelt. Denn nach Werten, Halt und Richtung sehnen sich gerade heutzutage viele Menschen.
Doch die Zukunft liegt – anders als es manchen Kirchenfürsten und Mullahs als einfacher Weg erscheinen mag – nicht in mehr Repression und Dogmatismus, sondern in mehr Aufklärung und Freiheit. Wenn eine Religion die nächsten 500 Jahre überdauern will, dann kann dies nur eine neue, aufgeklärte, friedvolle sein.
[Sept/2011, Redaktion q-medial]