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Titelseite

 

 

 

 

 

Für Elliot,
geboren in einem wunderbaren Jahr des Drachen,
wie diese Bücher.

Die Drachen von Pyrrhia

SANDFLÜGLER

Sandflügler

Aussehen: blassgoldene oder weiße Schuppen von der Farbe des Wüstensandes, giftige Schwanzspitze, gespaltene schwarze Zunge

Fähigkeiten: können lange ohne Wasser überleben, vergiften Feinde mit ihren Schwanzspitzen wie Skorpione, graben sich zur Tarnung in den Wüstensand ein, speien Feuer

Königin: Seit dem Tod von Königin Oasis ist der Stamm gespalten. Es gibt drei konkurrierende Anwärterinnen auf den Thron: die Schwestern Burn, Blister und Blaze.

Bündnisse: Burn kämpft an der Seite der Himmelsflügler und Erdflügler, Blister hat sich mit den Meeresflüglern verbündet, Blaze wird von den meisten Sandflüglern und den Eisflüglern unterstützt.

ERDFLÜGLER

Erdflügler

Aussehen: dicke, gepanzerte braune Schuppen, manchmal mit bernsteinfarbenen und goldenen Unterschuppen; große, flache Schädel mit Nüstern auf der Oberseite der Schnauze

Fähigkeiten: können Feuer atmen (wenn ihnen warm genug ist), bis zu einer Stunde lang den Atem anhalten, sich in großen Schlammpfützen verbergen; sind in der Regel sehr stark

Königin: Königin Moorhen

Bündnisse: zurzeit mit Burn und den Himmelsflüglern im großen Krieg verbündet

HIMMELSFLÜGLER

Himmelsflügler

Aussehen: rotgoldene oder orangefarbene Schuppen, riesige Flügel

Fähigkeiten: starke Kämpfer und Flieger, können Feuer speien

Königin: Königin Scarlet

Bündnisse: zurzeit mit Burn und den Erdflüglern im großen Krieg verbündet

EISFLÜGLER

Eisflügler

Aussehen: silberfarbene Schuppen wie der Mond oder blassblaue wie Eis; Krallen mit Furchen, um besseren Halt auf dem Eis zu haben; gespaltene blaue Zungen; schmale Schwänze, die in einer dünnen Spitze auslaufen

Fähigkeiten: können Temperaturen unter null und grellem Licht standhalten, atmen einen todbringenden Eisatem aus

Königin: Königin Glacier

Bündnisse: zurzeit mit Blaze und den meisten Sandflüglern im großen Krieg verbündet

REGENFLÜGLER

Regenflügler

Aussehen: Schuppen wechseln ständig die Farbe, in der Regel bunt wie Paradiesvögel, in der Regel Greifschwänze

Fähigkeiten: besitzen Tarnschuppen, die mit der Umgebung verschmelzen, benutzen ihre Greifschwänze zum Klettern; keine bekannten natürlichen Waffen

Königin: Königin Dazzling

Bündnisse: nicht am großen Krieg beteiligt

MEERESFLÜGLER

Meeresflügler

Aussehen: blaue, grüne oder grünblaue Schuppen, Schwimmhäute zwischen den Krallen, Kiemen am Hals, Leuchtstreifen auf Schwanz, Schnauze und Bauch

Fähigkeiten: können unter Wasser atmen, im Dunkeln sehen, große Wellen mit einem Schwanzschlag erzeugen; hervorragende Schwimmer

Königin: Königin Coral

Bündnisse: zurzeit mit Blister im großen Krieg verbündet

NACHTFLÜGLER

Nachtflügler

Aussehen: lilaschwarze Schuppen mit vereinzelten silbernen Schuppen auf der Unterseite der Flügel – wie ein Nachthimmel voller Sterne, gespaltene schwarze Zunge

Fähigkeiten: können Feuer speien, in dunklen Schatten verschwinden, Gedanken lesen, die Zukunft voraussagen

Königin: ein streng gehütetes Geheimnis

Bündnisse: zu geheimnisvoll und mächtig, um am Krieg teilzunehmen

DIE PROPHEZEIUNG
DER
DRACHEN

Wenn der Krieg getobt hat zwanzig Jahr,
werden die Drachlinge kommen.
Wenn das Land gepeinigt wird von Blut und Gefahr,
werden die Drachlinge kommen.
 
Die Schwingen des Meeres im Ei vom dunkelsten Blau.
Die Schwingen der Nacht gebracht aus nebligem Grau.
Das größte Ei hoch oben auf dem Berg gelegen,
wird Dir die Schwingen des Himmels geben.
Die Schwingen der Erde haben im Sumpf geruht,
in einem Ei so rot wie Drachenblut.
Und gut versteckt vor den Königinnen im Zwist,
wartet das Ei mit den Schwingen des Sandes dort, wo es ist.
 
Blister, Blaze und Burn, drei Königinnen gar,
zwei werden sterben und eine wird gewahr,
dass sie erlangt die Schwingen des Feuers,
wenn sie sich fügt einem Schicksal teuer.
 
Fünf Eier, geschlüpft in der hellsten Nacht,
fünf Drachlinge, geboren zu enden die Schlacht.
Dunkelheit steigt auf und bringt das Licht mit Macht.
Die Drachlinge kommen …

PROLOG

Die fünf Drachlinge stritten sich. Schon wieder.

Grüne, rote und goldene Schuppen fingen das Licht der aufgehenden Sonne ein, als die jungen Drachen zwischen den Felsen umherhuschten und die Zähne fletschten. Fünf gespaltene Zungen zischten vor Wut. Unter ihnen, am Fuß der Klippe, warf sich das Meer mit einem gedämpften Rauschen auf den Sand, als wollte es dem Gebrüll der Drachen keine Konkurrenz machen.

Es war einfach nur peinlich. Nautilus warf einen nervösen Blick auf den riesigen schwarzen Drachen neben ihm. Die Drachlinge waren so damit beschäftigt, sich gegenseitig anzubrüllen, dass sie ihn noch gar nicht bemerkt hatten. Nautilus wäre es lieber gewesen, er hätte Morrowseers Gedanken lesen können, so wie Morrowseer zweifellos gerade seine las.

Es wäre ihm auch lieber gewesen, mehr Klauen des Friedens in seiner Nähe zu haben, aber als sich die Ankunft des Nachtflüglers herumgesprochen hatte, hatten die meisten von ihnen plötzlich etwas Dringendes zu tun. An diesem Morgen war das Versteck der Friedensbewegung in den Klippen am Meer wie ausgestorben. Hin und wieder steckte ein Drache seine Schnauze aus einer der Höhlen, entdeckte Morrowseer und verschwand sofort wieder. Die anderen jungen Drachen, die bei den Klauen des Friedens lebten, waren noch rechtzeitig außer Sicht gebracht worden.

Die fünf Drachlinge, die sich immer noch lauthals stritten, waren die Einzigen auf den Klippen, denn offenbar hatte es niemand für nötig gehalten, sie davor zu warnen, dass Morrowseer kam, um sie in Augenschein zu nehmen.

»Nun ja«, sagte Morrowseer. »Sie sind … lebhaft.«

»Sie waren nur als Ersatz gedacht«, verteidigte sich Nautilus. »Niemand glaubte, dass wir sie brauchen würden. Vor allem nicht gleich alle. Vielleicht einen oder zwei, falls mit den ›echten‹ Drachlingen etwas schiefgeht. Bis jetzt haben wir nicht viel Zeit aufgewendet, um die Ersatzdrachlinge auszubilden.«

»Das sehe ich.« Morrowseer kniff seine dunklen Augen zusammen, als Viper, der Sandflügler, in eine Felsspalte fiel und Ochre, der Erdflügler, prompt ausrutschte und direkt auf ihr landete. Laut zischend warf sich Viper herum und biss Ochre in den Schwanz, was dieser mit einem jämmerlichen Jaulen quittierte.

»Entschuldige mich einen Moment«, sagte Nautilus. Er wusste schon, wie es enden würde. Hastig machte er einen großen Schritt auf die Drachlinge zu, gab Viper eine kräftige Ohrfeige und brachte Squid, den kleinen grünen Meeresflügler, in Sicherheit, bevor die anderen seinen Schwanz in Brand setzen konnten.

»Hört auf damit!«, zischte er. »Ihr werdet beobachtet!«

Flame, der rote Himmelsflügler, warf den Kopf herum und suchte die zerklüfteten Felsen der Klippe ab. In dem Moment trat Morrowseer in das Licht der aufgehenden Sonne und blickte majestätisch auf die Drachlinge herunter.

»Ich wusste es!«, jauchzte Fatespeaker, der kleine Nachtflügler-Drachling. Sie sprang von einer Felsnadel herunter und flatterte stolz mit den Flügeln. »Ich wusste, dass ein Nachtflügler zu uns kommt! Hab ich euch nicht gesagt, dass das passieren wird?«

»Hast du das?« Ochre kratzte sich an seinem großen braunen Kopf.

»Nein«, meinte Viper.

»Ich glaube nicht«, meldete sich Squid, der hinter Nautilus stand.

»Und selbst wenn – du hast auch ein Erdbeben und eine zweite Friedensbewegung vorhergesagt. Und dass es diese Woche etwas anderes als Möwen zum Frühstück gibt«, sagte Flame. »Und da nichts davon passiert ist, verstehst du sicher, warum wir dir nicht mehr zuhören.«

»Jedenfalls habe ich es gewusst«, erwiderte Fatespeaker ungerührt. »Ich habe es mit meinen Kräften gesehen. Und ich sehe voraus, dass er uns etwas Tolles zum Frühstück mitgebracht hat. Hast du doch, oder?« Sie sah zu Morrowseer hoch und strahlte ihn an.

Der Nachtflügler blinzelte langsam. »Hmmm … Nautilus, ich muss dich kurz sprechen.«

»Kann ich auch mitkommen?« Der schwarze Drachling tapste näher zu Morrowseer. »Ich habe noch nie einen anderen Nachtflügler getroffen. Aber natürlich spüre ich eine enorme geistige Verbindung mit unserem ganzen Stamm.«

»Bleib. Hier.« Morrowseer drückte ihr eine Klaue auf die Brust und schob sie zu den anderen Drachlingen zurück. Sie setzte sich hin und rollte mit einem beleidigten Schnauben den Schwanz um ihre Klauen.

Morrowseer kletterte von den Felsen herunter und ging außer Hörweite. Als er sich umdrehte, stellte er fest, dass Nautilus dicht hinter ihm war. Allerdings war er nicht allein – der Meeresflügler-Drachling klammerte sich an seinen Schwanz. Morrowseer starrte Squid missbilligend an.

»Ich kann ihn nicht mit den anderen allein lassen«, sagte Nautilus entschuldigend. »Immer wenn ich nicht hinsehe, beißt ihn jemand.«

»Oder alle«, schniefte der kleine grüne Drache.

Morrowseer ließ seine Zunge hervorschnellen und überlegte. »Mir ist klar geworden«, sagte der gewaltige Nachtflügler nach einem Moment, »dass es ein Fehler war, die Drachlinge in der Obhut der Klauen des Friedens zu lassen. Sowohl die echten als auch die falschen.«

»Wer?«, fragte der Drachling.

»Sei still«, befahl Nautilus, während er dem Drachling mit einer Klaue die Schnauze zuhielt. Als er Morrowseers Blick sah, fügte er schnell hinzu: »Das hast du dir doch gemerkt, Squid. Wir haben euch von der Prophezeiung erzählt. Du weißt schon, der Krieg, in dem die Drachenstämme gegeneinander kämpfen?«

»Den ihr beenden wollt«, sagte Squid. »Weil wir die Guten sind! Wir wollen Frieden!«

»Richtig«, sagte Nautilus. »Jedenfalls so ungefähr. Die Prophezeiung besagt, dass vor sechs Jahren fünf Drachlinge geschlüpft sind – ein Meeresflügler, ein Himmelsflügler, ein Erdflügler, ein Sandflügler und ein Nachtflügler –, die den Krieg beenden werden. Sie entscheiden, welche der Schwestern die neue Königin der Sandflügler werden soll: Burn, Blister oder Blaze.«

»Oh«, sagte Squid. »Hey, ich bin vor sechs Jahren geschlüpft.«

»Wirklich?«, wunderte sich Morrowseer. »Du bist nicht einmal so groß wie ein dreijähriger Drachling.«

»Dafür habe ich eine große Persönlichkeit«, erklärte Squid, als hätte man ihm das schon so oft gesagt, dass es alle wissen mussten.

»Und deine Freunde sind auch alle ungefähr sechs Jahre alt«, warf Nautilus schnell ein.

»Das sind nicht meine Freunde«, grummelte Squid. »Sie schikanieren mich alle. Bis auf Fatespeaker – die ist einfach nur komplett durchgeknallt.«

Morrowseer warf einen Blick auf Fatespeaker, den Nachtflügler-Drachling. Sie saß auf einer zerklüfteten Steinsäule und beugte sich so weit vor, dass es aussah, als würde sie gleich vornüberkippen und herunterfallen.

»Squid«, meinte Nautilus. »Und wenn du jetzt einer der Drachlinge aus der Prophezeiung wärst? Was würdest du dazu sagen?«

Der Meeresflügler warf Morrowseer einen verschlagenen Blick zu. »Würde ich einen Schatz bekommen?«

»Du würdest Ruhm und Macht bekommen«, erwiderte Morrowseer. »Aber nur, wenn du tust, was man dir sagt.«

»Und was ist mit dem Schatz?«, beharrte Squid.

Morrowseer sah Nautilus ungläubig an. »Verhandelt dieser Drachling gerade mit mir?«

»Ich finde Gold und Edelsteine eben gut«, versicherte Squid. »Die Klauen des Friedens sind nur deshalb so langweilig, weil keiner von ihnen einen Schatz hat.«

»Wir haben alle weltlichen Dinge aufgegeben, um für eine höhere Sache zu kämpfen«, sagte Nautilus. »Frieden ist viel wichtiger als Edelsteine oder Gold.«

»Gold wäre mir aber lieber«, murrte Squid.

»Wärst du denn bereit, den von uns ausgewählten Drachen zur Königin der Sandflügler zu bestimmen?«, fragte Morrowseer. »Falls ja, könnten wir eventuell über die Sache mit dem Gold reden.«

»Einverstanden«, sagte Squid mit einem Funkeln in den Augen. »Aber ich will nicht, dass Flame mitmacht. Er muss hierbleiben.«

»Warum? Stimmt was nicht mit eurem Himmelsflügler?«, wandte sich Morrowseer an Nautilus.

»Nein, er ist völlig in Ordnung«, erwiderte Nautilus. »Es liegt nur daran, dass sie sich heute gestritten haben.«

»Wir streiten jeden Tag!«, warf Squid ein. »Weil er so gemein ist!«

»Der Himmelsflügler ist nicht verhandelbar«, sagte Morrowseer.

»Du bist nicht verhandelbar«, sagte Squid.

»Squid, sei nicht so frech«, ermahnte ihn Nautilus.

»Ich weiß jetzt schon, dass ich es bereuen werde«, sagte Morrowseer, der mit gerunzelter Schnauze auf die beiden Meeresflügler herunterstarrte. »Aber ab jetzt übernehme ich die Ausbildung der Drachlinge. Sie sind schon zu lange falsch behandelt worden. Es liegt klar auf der Klaue, dass sie strengere Regeln brauchen.«

»Und was bedeutet das?«, fragte Nautilus, der spürte, wie ihm ein ungutes Gefühl über die Schuppen kroch. Er sah Squid an. Vielleicht hätten sie einen anderen Meeresflügler als falschen Drachling der Vorsehung aussuchen sollen. Wenn Morrowseer Squid etwas antut … wenn dem Kleinen etwas passiert … seine Mutter bringt mich um, dachte Nautilus.

»Es bedeutet, dass ich die Drachlinge mitnehme«, sagte Morrowseer, der mit dem Schwanz schnalzte.

»Wohin?«, wollte Squid wissen.

»Das wirst du erfahren, wenn wir dort sind«, erwiderte Morrowseer. »Und wenn du schlau bist, hörst du auf, neugierige Fragen zu stellen, und tust, was man dir sagt.«

»Ich kann das«, sagte Squid, »aber bei Flame und Viper bin ich mir da nicht so sicher.« Er überlegte einen Moment. »Und bei Fatespeaker übrigens auch nicht.«

»Moment mal«, sagte Nautilus. Er versuchte, an nichts Bestimmtes zu denken, damit der Nachtflügler seine Gedanken nicht lesen konnte. »Du kannst sie nicht mitnehmen. Bis auf Fatespeaker, die von euch stammt, gehören die Eltern der Drachlinge alle den Klauen des Friedens an – deshalb haben wir die Eier überhaupt erst bekommen. Sie werden nicht wollen, dass die Drachlinge gehen.«

»Bis auf Ochre«, warf Squid ein. »Seiner Mutter ist das egal. Das ist bei den Erdflüglern so.«

»Halt die Schnauze«, befahl Morrowseer. Er musterte Nautilus mit zusammengekniffenen Augen.

Denk nicht dran, denk nicht dran, denk nicht dran, wiederholte Nautilus im Stillen.

»Heilige drei Monde«, sagte Morrowseer mit Entrüstung in der Stimme. »Dieser Drachling ist dein Sohn.«

Nautilus starrte auf seine Krallen. Damals, als die Klauen des Friedens entschieden hatten, Ersatzdrachlinge zu beschaffen, schien es eine gute Idee gewesen zu sein. Squid war ungefähr zur richtigen Zeit geschlüpft, allerdings nicht genau in der hellsten Nacht. Außerdem bedeutete es, dass jeder in der Friedensbewegung den Drachling wie das kostbare Wesen behandelte, für das Nautilus ihn hielt.

»Natürlich bin ich sein Sohn«, sagte Squid. »Ist das nicht ein lustiger Zufall? Wow. Ich bin der Sohn des Anführers der Klauen des Friedens und ein Drachling der Vorsehung. Ich bin sogar noch wichtiger, als ich dachte.« Mit stolzgeschwellter Brust marschierte der kleine Meeresflügler zu den anderen Drachlingen zurück, wobei er wie immer vergaß, dass keiner von ihnen gern hörte, wie wichtig er war. Vermutlich würde es nicht lange dauern, bis ihm jemand die Schnauze ansengte.

Nautilus sah ihm hinterher und fragte sich, warum alles so schiefgegangen war. Warum hatten die Klauen des Friedens zugestimmt, mit Morrowseer zusammenzuarbeiten? Warum hatten sie sich überhaupt in die Prophezeiung hineinziehen lassen? Und wie waren ihnen die echten Drachlinge abhandengekommen? Fragen, die ihn wahnsinnig machten, weil er keine Antworten darauf fand.

Kestrel, Dune und Webs hätten doch imstande sein sollen, fünf Drachlinge unter Kontrolle zu behalten, vor allem, weil sie alle in einer geheimen Höhle gefangen waren. Stattdessen waren die fünf entkommen, hatten dann vermutlich Königin Scarlet getötet, das Königreich des Himmels in Aufruhr versetzt, Königin Coral gegen ihre Verbündeten aufgehetzt, den Palast der Meeresflügler in Schutt und Asche gelegt und waren dann in den Weiten Pyrrhias verschwunden.

Und was noch schlimmer war, es gab niemanden, den sie dafür bestrafen konnten. Kestrel und Dune waren tot, während Webs den Klauen des Friedens entkommen und verschwunden war. Und niemand wusste, wo die Drachlinge waren oder wann sie wieder auftauchen würden, um erneut Chaos zu verursachen.

»Na so ein Zufall«, fand Morrowseer, den Squids Bemerkung überhaupt nicht zu beeindrucken schien.

»Na ja«, sagte Nautilus. »Ich dachte, warum nicht? Von diesen fünf ist natürlich keiner in der hellsten Nacht geschlüpft, sonst wären sie ja die echten Drachlinge der Vorsehung, nicht wahr? Aber sie haben ungefähr das richtige Alter, und den Rest braucht ja niemand zu erfahren.«

»Bis auf die Drachen, die dabei waren, als sie geschlüpft sind«, gab Morrowseer zu bedenken. »Es wäre besser, wenn wir alle Zeugen töten könnten.«

Nautilus wurde blass. Gelten ihre Eltern als »Zeugen«?, fragte er sich, bevor er den Gedanken unterdrücken konnte.

»Kommt Zeit, kommt Rat«, sagte Morrowseer. »Wir wissen noch nicht, welche von ihnen eingesetzt und welche aussortiert werden.« Mit gerunzelter Stirn starrte er Fatespeaker an, die gerade Squid verhörte.

Nautilus wurde ganz elend. »Aussortiert?«, stammelte er.

Morrowseer schnaubte. »Also gut. Ich werde versuchen, deinen in einem Stück zurückzubringen.« Er rümpfte die Schnauze und sah so amüsiert aus, wie der Meeresflügler ihn noch nie gesehen hatte. »Aber ist Frieden denn nicht das Wichtigste, Nautilus? Sagst du denn deinen Drachlingen nicht die ganze Zeit, dass jedes Opfer gebracht werden muss, um diesen Krieg zu beenden?«

»Ja, aber …«

»Die Ersatzdrachlinge waren doch deine Idee. Eine gute Idee, wie sich jetzt herausstellt, denn die echten Drachlinge haben sich als unbrauchbar erwiesen.« Morrowseer fauchte leise. »Und daher werden wir die gefährlichsten von ihnen beseitigen. Den Ersatz für sie werde ich persönlich ausbilden.«

Als Nautilus sein Lächeln sah, bekam er ein flaues Gefühl im Magen.

»Und dann werden wir dafür sorgen, dass sich die Prophezeiung so erfüllt, wie wir es vorgesehen haben.«

1. Teil: Das Monster im Regenwald

1. KAPITEL

Es regnete seit fünf Tagen.

Glory machte keinen Hehl daraus, dass sie den Regen hasste.

Und sie fand es auch nicht gut, dass die anderen Drachlinge ständig Bemerkungen darüber machten, dass ihr »als Regenflügler« dieses Wetter doch gefallen müsste.

Dieses Wetter gefiel ihr ganz und gar nicht. In den Höhlen unter dem Berg hatte es nie, aber auch wirklich nie auf die Drachlinge geregnet. Dieser Wolkenbruch fühlte sich abscheulich und unaufhaltsam und geradezu widerlich nass an.

Es ist mir egal, ob ein »echter« Regenflügler so etwas mag, dachte sie, während dicke Regentropfen über ihre Schnauze rollten, durch ihre Schuppen sickerten und ihre Flügel durchnässten, bis sie schwerfällig hinter ihr herschleiften. Falls sie so ein Wetter tatsächlich mögen, stimmt etwas nicht mit ihnen. Kein vernünftiger Drache kann so etwas mögen.

Heilige drei Monde, lasst sie bitte vernünftige Drachen sein. Lasst sie nicht so sein wie in den Geschichten über Regenflügler.

Alle sagten, Regenflügler seien zu nichts zu gebrauchen und stinkfaul. Aber der Stamm lebte im Regenwald, abgeschnitten von den anderen Drachen, wo niemand sie je sah. Vielleicht hatten sich alle geirrt. Glory hoffte inständig, dass sie sich geirrt hatten.

Sie schüttelte sich und starrte in den nebelverhangenen Himmel. Sie brauchte mehr Sonne. Die Sonne hatte Glory ihr ganzes Leben lang gefehlt. Bis zu dem Tag, an dem die Drachlinge die Höhlen verlassen hatten, hatte sie sie nie auf ihren Schuppen gespürt. Gegen lange, sonnige Tage hatte sie überhaupt nichts einzuwenden.

Und was bekam sie stattdessen? Regen. Schlamm. Noch mehr Regen. Noch mehr Schlamm.

Und außerdem einen verwundeten, tropfnassen Meeresflügler, der die ganze Zeit jammerte und stöhnte und langsam wie eine Schnecke dahinkroch.

»Können wir anhalten?«, keuchte Webs. »Ich muss mich ausruhen.« Er wankte durch den Schlamm zu einer Stelle unter einem Baum, wo es ein wenig trockener war.

Glory kniff die Augen zusammen und starrte den blaugrünen Drachen an, als sich dieser auf den Boden fallen ließ. Die anderen Drachlinge blieben ebenfalls stehen und wechselten besorgte Blicke. Sie waren heute zu Fuß unterwegs, anstatt zu fliegen, weil Webs sagte, es sei besser für seine Wunde. Trotzdem mussten sie alle zehn Schritte eine Pause einlegen. Glory bekam langsam den Verdacht, dass er eigentlich gar nicht wollte, dass sie den Regenwald erreichten.

Aber warum?, fragte sie sich. Verheimlicht er etwas? Hat es etwas mit meinen Eltern zu tun?

Da es Webs gewesen war, der Glorys Ei bei den Regenflüglern gestohlen hatte, wusste er doch sicher, wo sie herkam. Aber sobald sie ihn danach fragte, wurde er einsilbig und vergesslich.

Clay untersuchte Webs’ Wunde. Solange es möglich gewesen war, hatten sie sie mit meerwassergetränktem Seetang umwickelt, doch inzwischen waren sie schon viel zu weit im Landesinneren, um noch mehr davon zu beschaffen. Der vergiftete Kratzer an Webs’ Schwanzansatz hatte sich zu einer klaffenden Wunde entwickelt und war von schwarz verfärbten Schuppen umgeben. Das Schwarz schien sich jeden Tag weiter auszubreiten. Keiner von ihnen wusste, was man gegen das Gift eines Sandflüglers tun konnte.

Ganz zu schweigen davon, dass wir keine Ahnung haben, warum Blister Webs unbedingt tot sehen wollte. Ich finde ihn furchtbar, aber sie kennt ihn ja nicht mal. Glory warf einen Blick auf Starflight, den schwarzen Nachtflügler. Er war der klügste Drachling, den sie kannte – und wenn sie mehr als vier Drachen kennen würde, wäre er das vermutlich immer noch. Sie fragte sich, ob er irgendwelche Theorien bezüglich Blister und Webs hatte.

Clay ließ seinen Schwanz durch den Schlamm schleifen und sah besorgt aus. »Ich hoffe, die Regenflügler können ihm helfen«, sagte er. »Es ist nicht das gleiche Gift wie ihres. Aber vielleicht fällt ihnen mehr dazu ein als uns.«

Glory schüttelte ihre Flügel aus und wandte den Blick ab. Es war ihr egal. Die anderen Drachlinge empfanden für ihren Erzieher so eine Art fehlgeleitete Loyalität, als wäre es ihre Pflicht, ihn zu retten.

Anscheinend war sie die Einzige, die nicht vergessen hatte, dass er damit einverstanden gewesen war, sie töten zu lassen.

Ihr Ei zu stehlen, war ebenfalls seine Idee gewesen. In der Prophezeiung war von einem Himmelsflügler die Rede gewesen, doch als die Klauen des Friedens ihr Himmelsflügler-Ei noch vor dem Schlüpfen verloren hatten, hatte Webs beschlossen, es durch einen Regenflügler zu ersetzen. Er war schuld daran, dass Glory in einer Höhle hatte aufwachsen müssen, weit weg von ihrer Heimat und ihrer Familie. Und das alles wegen einer Prophezeiung, in der sie nicht einmal vorkam.

Für die anderen war es einfach. Über ihr Schicksal gab es keine Zweifel. Glory dagegen … wenn sie tatsächlich mithelfen sollte, die Welt zu retten, warum hatte die Prophezeiung dann keinen Regenflügler verlangt? Und wenn sie für dieses großartige, erhabene Schicksal gar nicht gebraucht wurde, was für einen Sinn hatte das alles dann überhaupt?

Vielleicht war alles ein Riesenfehler. Aber wenn sie so anfing, endete es immer damit, dass sie Webs in ihren Träumen in Stücke riss. Daher war es besser, nicht darüber nachzudenken. Das Schicksal musste selbst sehen, wie es zurechtkam.

Wenigstens war sie nun auf dem Weg nach Hause.

Plötzlich begann der Zweig über Glory zu schwanken und kippte ganze Wagenladungen voll Wasser auf ihren Kopf. Mit einem lauten Zischen wich sie zurück und starrte in den Baum.

»Schhhh«, raunte Tsunami von oben. Sie ließ sich auf den Boden fallen und starrte in den nebelverhangenen Sumpf um sie herum. »Zwei Erdflügler sind hierher unterwegs, aber bei dem Wetter werden sie uns bestimmt nicht entdecken.«

Über dem Schlamm hingen Schwaden dichten grauen Nebels, der wie Rauch an Drachenhörnern um die verkrüppelten Bäume waberte. Es war schwer festzustellen, welche Tageszeit gerade war. Der Himmel war in allen Richtungen grau und der Regen prasselte unerbittlich auf sie herunter. Glory war der gleichen Meinung wie Tsunami. Bei diesem Wetter konnte ein Drache kaum seine eigenen Flügelspitzen erkennen, geschweige denn einen anderen Drachen.

»Wir sollten uns trotzdem verstecken«, sagte Starflight nervös. »Wir sind nur einen Flugtag von Königin Moorhens Palast entfernt. Wenn wir erwischt werden …«

»Schon wieder Gefängnis«, seufzte Clay.

Jede Königin, die sie bis jetzt kennengelernt hatten, schien wild entschlossen zu sein, die Drachlinge einzusperren. Königin Scarlets Gefängnis im Königreich des Himmels waren sie nur dank Glorys Gift entkommen – eine Geheimwaffe, von der selbst sie nichts gewusst hatte, bis sie sie gebraucht hatte.

Glory fuhr sich mit ihrer gespaltenen Zunge über die Fangzähne und starrte in den Himmel. Sie wussten immer noch nicht, ob Königin Scarlet das Gift überlebt hatte. Da sie vom Pech verfolgt wurden, war Glory ziemlich sicher, dass Scarlet noch am Leben war und fürchterliche Rache plante.

Nach ihrer Flucht aus dem Königreich des Himmels hatten sie bei Tsunamis Mutter, Königin Coral der Meeresflügler, Zuflucht gesucht. Und natürlich hatte auch Coral sie eingesperrt. Für Glory war das keine große Überraschung gewesen. Was die Prophezeiung anging, konnte man nicht einmal der eigenen Familie trauen. Jeder hatte seine eigenen Pläne dafür, wie dieser Krieg enden sollte.

Und daher würde Königin Moorhen der Erdflügler den Drachlingen vermutlich keinen Tee anbieten und ihnen nicht zum Abschied hinterherwinken, wenn sie sie in ihrem Gebiet fand.

Die Königin der Erdflügler hielt neben einem großen See an der Südgrenze ihres Königreichs Hof. Als Glory sich die Landkarte von Pyrrhia ins Gedächtnis rief, wurde ihr plötzlich etwas klar. Wenn Starflight recht hatte und sie nur noch einen Flugtag von dort entfernt waren, mussten sie auch nur einen Flugtag vom Regenwald entfernt sein. Vom Regenwald … und Glorys Stamm.

Und dann werde ich endlich einen Ort haben, an den ich hingehöre. Den Regenflüglern wird egal sein, dass ich in dieser bescheuerten Prophezeiung nicht vorkomme.

»Glory«, schimpfte Tsunami. »Knallgelbe Schuppen sind so ziemlich das Einzige, was sie erkennen könnten. Wechsel wieder zu deinem Tarnmuster.«

Als Glory an sich heruntersah, bemerkte sie die goldenen Flecken, die überall auf ihren Schuppen aufgetaucht waren. Soweit sie wusste, bedeuteten goldene Flecken wohl, dass sie glücklich oder aufgeregt war, denn sie hatte sie bis jetzt nur selten an sich gesehen. Es machte sie wahnsinnig, wenn ihre Schuppen die Farbe änderten, ohne dass sie es kontrollieren konnte. Das kam viel zu oft vor. Sie musste jede größere Gefühlsregung unterdrücken, damit man sie ihr nicht gleich an den Schuppen ansehen konnte.

Glory konzentrierte sich auf das gleichmäßige Tropf-tropf des Regens und starrte auf den dicken braunen Schlamm, der zwischen ihren Krallen hervordrang. Sie stellte sich vor, wie der Nebel sich auf ihre Flügel legte, in die Risse in ihren Schuppen drang und sich auf ihr ausbreitete wie die grauen Wolken, die über den Himmel zogen.

»Uuund weg ist sie«, sagte Tsunami.

»Sie ist doch immer noch da«, protestierte Sunny. Sie trippelte näher zu Glory und stieß gegen einen ihrer Flügel. »Siehst du? Genau da.« Sie streckte eine Klaue aus, aber Glory hatte sich ein Stück von ihr entfernt. Sunny tastete einen Moment in der Luft herum, gab es dann aber auf.

Der kleine Sandflügler war in den letzten Tagen ungewöhnlich ruhig gewesen. Glory vermutete, dass Sunny den Regen auch hasste – Wüstendrachen waren für sengende Hitze, pralle Sonne und Tage mit wolkenlosem Himmel geschaffen. Auch wenn Sunny ein etwas sonderbar aussehender Sandflügler war, besaß sie trotzdem die Instinkte ihres Stammes.

Clay war der Einzige, der sich über das Wetter freute. Nur ein Erdflügler konnte schmatzenden Schlamm unter seinen Klauen gut finden.

Plötzlich drehte Starflight den Kopf. »Ich glaube, ich rieche jemanden kommen«, flüsterte er. Er zitterte von den Hörnern bis zu den Klauen.

»Keine Panik«, flüsterte Tsunami zurück. »Clay, du verdeckst mich und Sunny. Starflight, du versteckst dich in den Schatten und ziehst deine Ich-bin-ein-zur-Salzsäule-erstarrter-Nachtflügler-Masche ab. Glory, du kannst Webs unter deine Flügel nehmen.«

»Nein danke«, sagte Glory sofort. Sie würde auf keinen Fall in die Nähe von Webs gehen, und ganz bestimmt nicht, um ihm das Leben zu retten. »Ich nehme lieber Sunny.« Sie berührte andere Drachen nur ungern, aber Sunny war immer noch besser als Webs.

»Aber …« Tsunami stampfte mit der Klaue auf.

Glory ignorierte sie. Sie hob einen Flügel und zog den kleinen goldenen Drachen an sich. Als sie den Flügel wieder sinken ließ, wurde Sunny von Glorys graubraunem Tarnmuster verdeckt.

»Oh, Mann«, stöhnte Clay. »Das ist so was von krass. Als wäre Sunny vom Nebel gefressen worden.« Bei dem Wort gefressen grummelte sein Magen sehnsüchtig und der Erdflügler trat verlegen von einer Riesenklaue auf die andere.

Starflight starrte auf die Stelle, an der Sunny verschwunden war, dann zog er seine Krallen durch den Schlamm.

»Sunny geht’s gut«, versicherte Glory. »Sei ein braver Drachling, und tu, was man dir sagt, sonst wirft dich Tsunami vielleicht den Aalen zum Fraß vor.«

Tsunami warf einen finsteren Blick in Glorys Richtung, aber Starflight trottete gehorsam davon und suchte sich einen dunklen Baum, vor dem seine schwarzen Schuppen mit den Schatten verschmolzen.

Jetzt konnte Glory es auch hören: das schmatzende Geräusch gewaltiger Klauen, die durch den Sumpf auf sie zumarschierten. Die Hitze von Sunnys Schuppen lag unangenehm warm auf ihrem Körper.

Webs hatte sich nicht bewegt, während sie geredet hatten. Er lag zusammengerollt auf den Baumwurzeln, die Schnauze auf den Schwanz gelegt, und sah ziemlich elend aus.

Clay bugsierte Tsunami neben Webs und breitete seine schlammfarbenen Flügel aus, um die beiden zu verdecken. Es war keine perfekte Lösung – auf einer Seite ragte ein blauer Schwanz heraus, auf der anderen der Rand von blaugrünen Flügeln. Aber im dichten Nebel sahen sie einem großen Erdhügel sehr ähnlich.

Stampf. Glucks. Stampf. Glucks.

»Mir gefällt es gar nicht, dass ich hier auf Patrouille muss«, beschwerte sich ein Drache mit tiefer Stimme. Beinahe wäre Glory zurückgewichen. Es klang, als stünden die Drachen nur zwei Bäume weiter. »Viel zu nah an diesem gruseligen Regenwald, wenn du mich fragst.«

»Nun sei doch kein Angstdrache«, sagte ein zweiter Drache. »Du weißt doch, dass dort nur Vögel und faule Regenflügler leben.«

Nur ihre in vielen Jahren erworbene Selbstbeherrschung bewahrte Glory davor, zusammenzuzucken. Die Beleidigung »fauler Regenflügler« hatte sie oft genug von ihren Erziehern unter dem Berg zu hören bekommen. Aber dass es jetzt ein völlig Fremder sagte, war für sie wie ein Schlag auf die Schnauze.

»Wenn das stimmen würde«, sagte der erste Drache, »würde Ihre Majestät uns gestatten, dort zu jagen. Aber sie weiß, dass es nicht sicher ist. Und du hast die Geräusche nachts doch auch gehört. Willst du etwa behaupten, dass die Regenflügler diese grauenhaften Schreie ausstoßen?«

Schreie?

Sunny, die immer noch unter Glorys Flügel steckte, reckte ein wenig den Kopf, als würde sie versuchen, noch mehr von dem Gespräch mitzubekommen.

»Nicht zu vergessen die vielen Kadaver«, murmelte der erste Drache.

»Das ist nicht so eine Art Regenwaldmonster«, sagte der zweite Drache, aber in seiner Stimme lag ein Zittern, das nach Unsicherheit klang. »Das ist der Krieg. Angriffe von Einzelkämpfern, die uns Angst machen sollen.«

»So weit hier unten? Warum sollten die Meeresflügler oder die Eisflügler den ganzen Weg hierherkommen, um hin und wieder mal ein paar Erdflügler zu töten? Anderswo gibt es größere Schlachten zu kämpfen.«

»Lass uns etwas schneller gehen«, sagte der zweite Drache nervös. »Sie sollten uns wirklich zu dritt oder zu viert auf Patrouille schicken anstatt nur zu zweit.«

»Wem sagst du das.« Stampf. Glucks. Stampf. Glucks.

»Was hältst du eigentlich von der Lage bei den Himmelsflüglern? Bist du für Ruby, oder glaubst du, dass …«

Glory spitzte die Ohren, doch die Stimmen der beiden Erdflügler-Soldaten verklangen im Nebel, als sie weiterplatschten. Sie wollte unbedingt wissen, was mit »der Lage bei den Himmelsflüglern« gemeint war. Vielleicht würde es ihren Freunden gar nicht auffallen, wenn sie sich für einen Moment heimlich verdrückte.

»Ich bin gleich wieder da«, flüsterte sie Sunny zu. Dann hob sie den Flügel und machte einen Schritt nach vorn.

Sunny riss die Augen auf und packte sie am Schwanz. »Geh nicht«, flüsterte sie. »Es ist gefährlich! Hast du denn nicht gehört, was sie gesagt haben?«

»Das mit den Regenwaldmonstern?« Glory verdrehte die Augen. »Darüber mache ich mir keine allzu großen Sorgen. Ich werde nicht weit gehen.« Sie schüttelte Sunny ab und schlich den Soldaten nach, wobei sie darauf achtete, nur auf trockene Stellen zu treten, damit ihre Klauen nicht durch den Schlamm platschten.

Es war geradezu beängstigend ruhig im Sumpf, vor allem, weil der Nebel jedes Geräusch erstickte. Sie versuchte, den Stimmen zu folgen und dem, was sie für die Schritte der marschierenden Erdflügler hielt. Doch schon nach wenigen Momenten hörte sie nichts mehr.

Sie blieb stehen und lauschte. Der Regen tropfte von den Bäumen und rann an den Zweigen herunter auf die Erde. An einigen Stellen gurgelte und gluckste Wasser aus dem Schlamm, als hätte der Sumpf Schluckauf.

Und dann zerriss ein Schrei die Luft.

Vor Angst stellten sich Glorys Flügelfächer am Hals auf und hellgrüne Streifen zuckten durch ihre Schuppen. Sie unterdrückte ihr Entsetzen und konzentrierte sich darauf, die Farbe ihrer Schuppen wieder auf grau und braun umzustellen.

»Glory!«, rief Sunny irgendwo hinter ihr.

Sei gefälligst still, dachte Glory wütend. Lenk doch nicht die Aufmerksamkeit auf uns. Verrate doch nicht jedem, dass wir hier sind.

Die anderen Drachlinge mussten das Gleiche gedacht und ihr die Schnauze zugehalten haben, denn Sunny rief nicht noch einmal.

Es sei denn, einer von ihnen hat geschrien. Aber es konnte keiner der Drachlinge gewesen sein. Der Schrei war von irgendwo vor ihr gekommen.

Glory warf noch einen Blick auf ihre Schuppen, um sich zu vergewissern, dass sie jetzt wieder getarnt war. Dann rannte sie zwischen den Bäumen hindurch in die Richtung, aus der der Schrei gekommen war.

Der Nebel war so dicht, dass sie die beiden dunklen Hügel, die wie umgestürzte Baumstämme aussahen, beinahe übersehen hätte. Aber als ihre Klauen etwas berührten, das mit Sicherheit ein Drachenschwanz war, wich sie zurück.

Die braunen Drachen lagen der Länge nach auf dem Schlamm, umgeben von Blutlachen, die bereits vom Regen weggespült wurden. Man hatte ihnen brutal die Kehle zerrissen.

Glory starrte in den wabernden grauen Nebel, aber bis auf den Regen bewegte sich nichts.

Die Erdflügler-Soldaten waren tot, und es gab keinen Hinweis darauf, wer oder was sie umgebracht hatte.

2. KAPITEL

»Würdest du mir bitte noch mal sagen, warum wir auf den Ort mit dem Monster und den Schreien und diesem Etwas, das Drachen tötet, zulaufen?«, fragte Clay.

»Wir könnten ja woandershin gehen«, schlug Starflight vor. »Vielleicht zu den Eisflüglern?«

»Die Eisflügler! Ja!«, sagte Clay. »Das hört sich wie ein guter Plan an. Das machen wir. Im Königreich des Eises gibt es keine drachentötenden Wesen, stimmt’s? Wie heißen noch mal die Viecher, die sie dort haben? Pinguine? Ich wette, einen oder zwei Pinguine könnte ich besiegen. Wie groß sind die eigentlich? Na ja, vielleicht auch nur einen Pinguin.«

»Dann willst du also lieber erfrieren«, erwiderte Glory. Sie würde sich von einem Gerücht und zwei toten Soldaten nicht vergraulen lassen, nicht jetzt, wo sie es schon fast geschafft hatte. »Toller Plan, Starflight. Mal ganz abgesehen davon, dass das Königreich des Eises einen halben Kontinent von hier entfernt ist, während der Regenwald quasi um die Ecke liegt.«

»Außerdem wird Webs den weiten Weg zum Königreich des Eises nicht schaffen«, gab Sunny zu bedenken. Sie warf einen nervösen Blick in die Bäume, die mit jedem ihrer Schritte größer wurden.

Und je weiter sie gingen, desto wärmer wurde es. In den Ranken der Kletterpflanzen über ihnen sah Glory immer wieder etwas Buntes aufblitzen. Die Gelb-, Violett- und Blautöne hätten Vögel oder Blüten sein können, aber eines war klar – sie waren bestimmt nicht charakteristisch für das von Brauntönen bestimmte Königreich der Erde. Glory war sich zwar nicht sicher, aber sie vermutete, dass die Drachlinge tatsächlich den Regenwald erreicht hatten.

Die verkrüppelten Bäume in den Sümpfen lagen einen halben Tag Fußmarsch hinter ihnen, und damit auch die Kadaver der Erdflügler. Tsunami hatte anhalten und die Gegend nach Spuren absuchen wollen, war aber von den anderen Drachlingen überstimmt worden, als Starflight sie darauf aufmerksam gemacht hatte, dass sie ganz bestimmt Schwierigkeiten bekommen würden, wenn man sie genau neben den Opfern eines Doppelmords erwischte … ganz zu schweigen davon, dass der Mörder der Soldaten nicht weit sein dürfte. Das hatte gereicht, um alle – auch Webs – dazu zu bringen, die ganze Nacht lang zu fliegen. Sie waren erst wieder auf festem Boden gelandet, als die Sonne aufgegangen war und sie nach etwas zu fressen gesucht hatten.

 »Seht ihr?«, sagte Glory zu Clay und Starflight. »Sogar Sunny ist mutiger als ihr Angstdrachen.«

»Sogar Sunny?«, empörte sich der kleine Sandflügler. »Was soll das denn heißen? Ich bin mutig! Ich bin die ganze Zeit mutig!« Sie warf den Schwanz hin und her und duckte sich, als Clay eine Klaue ausstreckte und ihr den Kopf tätscheln wollte.

Hier und da fanden Sonnenstrahlen den Weg durch das Blätterdach und ließen die Schuppen der Drachlinge aufleuchten. Glory erlaubte ihren Schuppen, die Farbe anzunehmen, die sie wollten. Von den Hörnern bis zu den Klauen breitete sich ein leuchtendes Grün auf ihrem Körper aus, das an einigen Stellen mit bernsteingelben Kringeln durchsetzt war. Sie genoss das Gefühl, so wie die Bäume und die Sonnenstrahlen auszusehen.

Bald sind wir da, dachte sie aufgeregt. Aber ich darf mir keine Hoffnungen machen. Vielleicht ist es ja gar nicht so, wie ich es mir vorstelle. Es würde schon genügen, wenn es besser ist als das Leben unter dem Berg, eingesperrt in einer Höhle, bewacht von Erziehern, die mich hassen. Das ist, glaube ich, nicht zu viel verlangt.

Links von ihr knackte etwas, doch als Glory herumfuhr, sah sie nur ein zotteliges graues Faultier, das von einem Ast herunterhing und sie verschlafen anblinzelte.

»Habe ich eigentlich schon erwähnt, dass mich der Wald hier nervös macht?«, fragte Clay.

»Ungefähr tausendmal«, erwiderte Glory.

»Wenn wir doch nur wüssten, worüber die Erdflügler sich unterhalten haben«, sagte Sunny. »Wie können sie direkt neben dem Regenwald leben und nicht wissen, warum es dort so gefährlich ist?«

»Wie können die Regenflügler im Regenwald leben, wenn es dort so gefährlich ist?«, entgegnete Glory.

Webs schniefte leise. Es war das erste Geräusch, das er seit Langem von sich gab. »Vielleicht, weil sie Regenflügler sind. Sie merken es vermutlich nicht mal.«

Glory starrte ihn wütend an. »Du möchtest wohl noch eine vergiftete Wunde auf der anderen Seite«, fauchte sie.

Tsunami wirbelte herum und packte mit beiden Klauen Webs’ Schnauze. Der größere Meeresflügler schnaubte überrascht und versuchte, zurückzuweichen, doch Tsunami hielt ihn fest und sah ihn zornig an.

»Jetzt reicht’s. Was weißt du über den Regenwald?«, fragte sie. »Du bist der Einzige, der je dort war. Gibt es da so eine Art Monster?« Sie schüttelte unsanft seine Schnauze. »Hör auf, die Flügel hängen zu lassen wie ein nasser Farn, und sag uns, was du weißt.«

»Nifts«, murmelte Webs durch Tsunamis Griff hindurch.

»Tritt ihm mal kräftig auf den Schwanz«, schlug Glory vor. »Oder hau ihm auf die Wunde. Das wird ihn schon zum Reden bringen.«

»Jetzt seid doch nicht so gemein«, bat Sunny. Mit ihrer Schnauze stupste sie die Schulter ihres Erziehers an. »Webs, bitte warne uns, wenn du etwas weißt. Für dich ist es doch auch gefährlich.«

Als Webs einen tiefen Seufzer ausstieß, ließ Tsunami ihn los.

»Ich schwöre, dass ich nichts von einem Monster weiß«, sagte er. »Ich habe nichts Gefährliches gesehen, als ich mich in den Regenwald geschlichen habe, um Glorys Ei zu stehlen. Ehrlich, es war ganz einfach. Es war die Nacht vor der hellsten Nacht, daher konnte ich genau sehen, welche Eier kurz vor dem Schlüpfen waren. Ich habe mir einfach eins genommen und bin dann zurück in die Berge geflogen. Ich bin keinem einzigen Regenflügler begegnet – und einem Monster schon gar nicht.«

»Meine Eltern haben ihr Nest nicht bewacht?«, fragte Glory.

Webs starrte auf seine Klauen und schüttelte den Kopf.

Das hat nichts zu bedeuten, dachte Glory, doch sie musste an das Dorf der Erdflügler und an Clays Mutter denken, die den Klauen des Friedens eines ihrer Eier für zwei Kühe verkauft hatte. Clay hatte ihr überhaupt nicht gefehlt und sie wollte ihn auch nicht zurückhaben. Glory hoffte inständig, dass ihre Eltern nicht genauso waren.

Sowohl Clay als auch Tsunami waren enttäuscht worden. Vielleicht enttäuschten einen Dracheneltern immer … vor allem, wenn man sich jahrelang vorstellte, wie sie wohl sein mochten.

Im Grunde genommen war es Glory egal, ob ihre Eltern die besten Drachen der Welt waren oder nicht. Sie wollte einfach nur andere Regenflügler kennenlernen und ihren Freunden beweisen, dass sie nicht nur faule Obstfresser waren, wie die anderen Stämme immer behaupteten. Mit ihren Tarnschuppen und dem geheimnisvollen Gift mussten sie doch sicher härter im Nehmen und stärker sein, als alle vermuteten.

»Vielleicht ist es ja ein neues Monster«, schlug Clay vor. »Etwas, das erst hierhergekommen ist, nachdem du im Regenwald warst.«

»Gut möglich«, erwiderte Webs. »Die Klauen des Friedens haben jedenfalls nie jemanden in diese Ecke der Welt geschickt.«

»Ich kann euch auch nicht viel über den Ort hier sagen«, gab Starflight zu, der verlegen auf seine Klauen starrte. »Wir hatten so gut wie keine Schriftrollen, in denen es um den Regenwald ging oder um die Drachen, die darin leben.«

Glory wusste das sehr wohl. Sie hatte jede einzelne Textstelle über die Regenflügler auswendig gelernt, aber sie hatten ihr so gut wie nichts gesagt, selbst wenn sie alle in ihrer Gesamtheit betrachtete. Es hatte eine Schriftrolle mit dem Titel Die Gefahren des Regenwaldes gegeben, daher wusste sie ziemlich viel über Treibsand, Giftschlangen und todbringende Käfer. Aber selbst dort waren die Regenflügler nur am Rande erwähnt worden. Und von Kreaturen, die groß genug waren, um Erdflügler-Soldaten abzuschlachten, war in den Schriftrollen ganz bestimmt nicht die Rede gewesen.

In den Zweigen über ihnen schnatterte etwas. Alle zuckten zusammen.

»Das war doch nur ein Affe«, sagte Glory, während sie ihre gereizten Nerven beruhigte, damit ihre Schuppen nicht die Farbe änderten. »Oder ein Tukan oder … so etwas Ähnliches.«

»Kann man Tukane fressen?«, fragte Clay sehnsüchtig.

»Nur wenn wir sie auch erwischen«, sagte Tsunami. Sie schüttelte ihre Flügel aus und starrte in die Zweige und Ranken über ihrem Kopf.

Jetzt, wo endlich die Sonne hinter den Wolken hervorgekommen war, hatte Glory keinen Hunger mehr. Jeder einzelne Sonnenstrahl fühlte sich an, als würde er ihren Magen besser füllen als eine ganze Kuh. Mit einem Anflug schlechten Gewissens erinnerte sie sich an den Palast der Himmelsflügler und den Marmorbaum, auf dem Königin Scarlet sie wie ein Kunstwerk ausgestellt hatte.

Dort hatte es so viel Sonne gegeben – so viel, wie sie in ihrem ganzen Leben unter dem Berg nicht gesehen hatte. Königin Scarlet hatte Glory immer ins Sonnenlicht gerollt, wo sie den ganzen Tag lang nichts anderes hatte tun müssen, als einfach nur die Farbe ihrer Schuppen zu ändern. Die Königin hatte nicht einmal versucht, mit ihr zu reden. Sie hatte Glory nicht berührt, sie hatte sie nicht angebrüllt, nicht beleidigt und auch nicht mit anderen verglichen. Scarlet hatte einfach nur gewollt, dass Glory schlief und schön aussah.

Aber es hat mir nicht gefallen, dachte Glory grimmig. Es war einfach nur neu und anders gewesen. Eine neue, andere Art, gefangen zu sein und mein Leben von jemand anderem bestimmen zu lassen. Ich bin mehr als nur ein Kunstwerk.

»KRÄCHZ! KRÄCHZ!«

Tsunami sprang in Kampfstellung und fletschte drohend die Zähne, während sich Clay einen Schritt hinter ihr hielt. Die anderen blieben stehen, während sie ihre Blicke umherschweifen ließ und nach der Quelle des Geräusches suchte.

»Ich habe euch doch schon gesagt, dass es nur Tukane sind«, schimpfte Glory. »Es gibt nichts, wovor ihr euch fürchten müsst. Ihr seid einfach nur nervös.«

»Und warum sollten wir nervös sein?«, erwiderte Tsunami. »Ach, ja. Die Kadaver.«

»Ich habe euch wenigstens davon erzählt«, giftete Glory, die die Flügelfächer an ihrem Hals aufgestellt hatte. »Du hast an deinem ersten Tag im Königreich des Meeres einen Kadaver von jemandem, den wir kannten, gesehen und es uns verschwiegen!«

»Hey, Leute …«, warf Starflight zaghaft ein.

»Das war etwas anderes! Das war Kestrel!«, rief Tsunami. »Ich musste doch auf eine Gelegenheit warten, um es euch schonend beizubringen.«

»Das ist dir auch hervorragend gelungen«, bemerkte Glory.

»LEUTE!«, brüllte Starflight. Sie blieben stehen und sahen sich nach ihm um. Der Nachtflügler rannte hektisch im Kreis herum und starrte auf die Bäume. Es dauerte einen Moment, aber dann begriff Glory, wonach er suchte, bevor er »Wo ist Sunny?« sagte.

Sie verstummten.

Sunny war spurlos verschwunden.

3. KAPITEL

»SUNNY!«, brüllte Clay aus Leibeskräften.

»Sie war wütend«, sagte Starflight beunruhigt. »Vielleicht ist sie weggerannt, weil sie wütend auf uns war.«

»Sie war wütend?«, wunderte sich Clay. »Warum war sie wütend?« Glory konnte sich auch nicht daran erinnern, dass Sunny wütend gewesen war.

»Ganz allein in einen fremden Regenwald laufen?«, sagte Tsunami. »Das passt gar nicht zu ihr.«

Glory schloss die Augen und durchwühlte ihr Gehirn. Giftschlangen. Tödliche Ameisenschwärme. Was waren die anderen »Gefahren des Regenwaldes« gewesen? Treibsand? Sie machte die Augen auf und starrte auf den Boden, aber er bestand lediglich aus nackter Erde, Überresten von Bäumen und ineinander verwachsenen Wurzeln. Wie Treibsand sah das nicht aus.

»SUNNY! SUNNY!«, brüllte Clay wieder.

Tsunami stöhnte. »Wir haben es durch das Königreich des Himmels und das Königreich des Meeres geschafft, ohne einen von uns zu verlieren. Jetzt sind wir gerade mal zwei Minuten im Regenwald und schon ist einer von uns verschwunden?«

»Sie ist nicht verschwunden«, sagte Starflight, dessen Stimme vor Panik zitterte. »Sie kann nicht verschwunden sein! Sie muss hier irgendwo sein. Gerade eben habe ich sie doch noch gesehen!«

Glorys Blick ging zu den Bäumen. An einem Ast in der Nähe hing noch ein graues Faultier und gähnte. Es war die vielleicht am wenigsten bedrohlich wirkende Kreatur, die sie je gesehen hatte. Sie starrte das Faultier finster an.

»Webs, was glaubst du? Was ist passiert?«, fragte Tsunami, die Glorys Blick folgte.

Sie bekam keine Antwort. Die Drachlinge drehten sich um.

Webs war ebenfalls verschwunden.

»Das kann nicht sein.« Clay breitete verwirrt die Flügel aus. »Eben war er doch noch da. Ich habe noch seine Schnauze gesehen, als wir gemerkt haben, dass Sunny verschwunden ist. Das war vor etwa zehn Sekunden. Er kann sich doch nicht in zehn Sekunden in Luft aufgelöst haben.«

»Doch, hat er«, rief Starflight. »Er hat sich in Luft aufgelöst, und Sunny auch.«

»Autsch!«, sagte Tsunami, die sich mit der Klaue auf den Hals schlug. »Mich hat gerade was gestochen.«