Das Buch
Hundert Jahre nach der Ankunft der ersten Kolonisten auf dem Mars ist es endlich gelungen, die Herrschaft der Erde über ihren Nachbarplaneten abzuschütteln. Die zweite Mars-Revolution war ein voller Erfolg. Während die Marsianer damit beschäftigt sind, sich eine Verfassung zu geben, herrscht auf der Erde das blanke Chaos. Die Südpolkappe ist geschmolzen und hat weltweit die Meere ansteigen lassen, und die Bevölkerungszahlen explodieren schon seit Jahren. Die Erde braucht das freie, unbewohnte Land auf dem Mars, wenn sie überleben will. Aber die Marsianer wollen ihren Planeten, der sich dank des Terraformings nach und nach zu einer zweiten blauen Welt wandelt, nicht einfach so den rückständigen Einwanderern von der Erde überlassen. Und auch untereinander sind sich die politischen Fraktionen auf dem roten Planeten alles andere als einig …
Der Autor
Kim Stanley Robinson wurde 1952 in Illinois geboren, studierte Literatur an der University of California in San Diego und promovierte über die Romane von Philip K. Dick. Mitte der Siebzigerjahre veröffentlichte er seine ersten Science-Fiction-Kurzgeschichten, 1984 seinen ersten Roman. 1992 erschien mit Roter Mars der Auftakt der Mars-Trilogie, die ihn weltberühmt machte und für die er mit dem Hugo, dem Nebula und dem Locus Award ausgezeichnet wurde. Kim Stanley Robinson lebt mit seiner Familie in Kalifornien. Im Wilhelm Heyne Verlag sind zuletzt seine Romane Roter Mars, Grüner Mars, 2312 und Schamane erschienen.
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ROBINSON
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WILHELM HEYNE VERLAG
MÜNCHEN
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Titel der amerikanischen Originalausgabe:
BLUE MARS
Deutsche Übersetzung von Winfried Petri
Durchgesehen und überarbeitet von Elisabeth Bösl
Für Lisa und David und Timothy
Vollständige Neuausgabe 3/2016
Copyright © 1996 by Kim Stanley Robinson
Copyright © 2016 der deutschen Ausgabe und der Übersetzung
by Wilhelm Heyne Verlag, München,
in der Verlagsgruppe Random House GmbH
Umschlaggestaltung: DAS ILLUSTRAT, München
Satz: Schaber Datentechnik, Austria
ISBN: 978-3-641-11641-5
V001
INHALT
ERSTER TEIL
PFAUENBERG
ZWEITER TEIL
AREOPHANIE
DRITTER TEIL
EINE NEUE VERFASSUNG
VIERTER TEIL
GRÜNE ERDE
FÜNFTER TEIL
ENDLICH ZU HAUSE
SECHSTER TEIL
ANN IN DER WILDNIS
SIEBTER TEIL
DIE DINGE IN GANG BRINGEN
ACHTER TEIL
GRÜN UND WEISS
NEUNTER TEIL
NATURGESCHICHTE
ZEHNTER TEIL
WERTEWANDEL
ELFTER TEIL
VIRIDITAS
ZWÖLFTER TEIL
ES GEHT SO SCHNELL
DREIZEHNTER TEIL
EXPERIMENTE
VIERZEHNTER TEIL
PHOENIX LAKE
ANHANG: TERRAFORMING MARS
ERSTER TEIL
PFAUENBERG
Der Mars ist jetzt frei. Wir sind jetzt verantwortlich. Niemand schreibt uns mehr vor, was wir zu tun haben.
Ann stand vorn im Zug, als sie das sagte.
Aber es ist so leicht, in alte Verhaltensweisen zurückzufallen. Eine Hierarchie wird abgeschafft, und eine andere tritt an ihre Stelle. Wir müssen auf der Hut sein, denn es wird immer Leute geben, die versuchen werden, hier eine zweite Erde zu erschaffen. Die Areophanie darf nicht enden, sie muss ein ewiger Kampf sein. Wir müssen schärfer denn je darüber nachdenken, was es heißt, Marsianer zu sein.
Ihre Zuhörer hatten sich in ihren Sesseln zurückgelehnt und schauten aus den Fenstern, hinter denen die Landschaft dahinglitt. Sie waren müde und hatten entzündete Augen. Rotäugige Rote. Im scharfen Licht der Morgendämmerung sah alles aus wie neu. Das windumtoste Land war kahl bis auf ein paar khakifarbene Flechten und Gestrüppe. Sie hatten alle irdischen Machthaber vom Mars verjagt. Es war ein langer Kampf gewesen, mit rücksichtslosen Schlachten, die der großen Flut auf Terra gefolgt waren. Sie waren müde.
Wir sind von der Erde zum Mars gekommen, und auf dieser Reise fand eine Art Reinigung statt. Viele Dinge sahen wir plötzlich klarer, und wir bekamen eine Handlungsfreiheit, wie wir sie früher nie besessen hatten. Eine Chance, das Beste in uns auszudrücken. Und so handelten wir. Wir erschaffen eine bessere Art zu leben.
Dies war der Mythos, mit dem sie alle aufgewachsen waren. Als Ann ihn jetzt wieder erzählte, starrten die jungen Marsianer durch sie hindurch. Sie hatten die Revolution geplant. Sie hatten auf dem ganzen Mars gekämpft und die terranische Polizei nach Burroughs getrieben. Dann hatten sie Burroughs überflutet und die Terraner nach Sheffield auf Pavonis Mons gejagt. Sie mussten den Feind nur noch aus Sheffield verscheuchen, das Weltraumaufzugskabel hinauf und zurück nach Terra. Es gab noch einiges zu tun. Mit der erfolgreichen Evakuierung von Burroughs hatten sie einen großen Sieg errungen; und einige der blassen Gesichter, die Ann anschauten oder aus dem Fenster blickten, schienen sich nach einer Pause zu sehnen, einem Moment des Triumphs. Alle waren erschöpft.
Hiroko wird uns helfen, sagte ein junger Mann und brach das Schweigen, während der Zug über das Land rauschte.
Ann schüttelte den Kopf. Hiroko ist eine Grüne, entgegnete sie, die allererste Grüne.
Hiroko hat die Areophanie erfunden, konterte der junge Eingeborene. Der Mars steht bei ihr an erster Stelle. Ich weiß, dass sie uns helfen wird. Ich habe sie kennengelernt. Sie hat es mir gesagt.
Es sei denn, sie ist tot, sagte jemand anderes.
Erneutes Schweigen. Die Welt zog unter ihnen dahin.
Schließlich stand eine große junge Frau auf, ging durch den Mittelgang und drückte Ann an sich. Der Bann war gebrochen. Worte waren nicht mehr nötig. Alle standen auf und drängten sich in dem freien Raum vorn im Zug um Ann, umarmten sie, schüttelten ihr die Hand oder berührten sie einfach – sie, Ann Clayborne, die sie gelehrt hatte, den Mars um seiner selbst willen zu lieben, und die sie in den Kampf um seine Unabhängigkeit von der Erde geführt hatte. Und obwohl ihre blutunterlaufenen Augen immer noch starr auf die steinige zerklüftete Weite des Tyrrhena-Massivs gerichtet waren, lächelte sie. Sie drückte die jungen Leute ihrerseits an sich, schüttelte ihnen die Hände und berührte ihre Gesichter. Alles wird gut, sagte sie. Wir werden den Mars befreien. Und die Leute bejahten und gratulierten einander. Sie sagten: Auf nach Sheffield! Die Arbeit beenden. Der Mars wird uns zeigen, wie.
Aber Hiroko ist nicht tot, wandte der junge Mann ein. Ich habe sie im vorigen Monat in Arcadia gesehen. Sie wird wieder auftauchen. Sie wird irgendwo wieder auftauchen.