cover

Das Buch

Apulien 1921: Clare Kingsley hat eine lange Zugfahrt hinter sich: von England bis nach Süditalien. Gemeinsam mit ihrem Stiefsohn besucht sie ihren Ehemann Boyd, der dort als Architekt arbeitet. Doch das heiße und raue Leben in Apulien wird für die junge Frau zur Herausforderung. Boyd ist verschlossen, und Clare ahnt, dass er und sein Auftraggeber Leandro Cardetta eine dunkle Vergangenheit verbergen. Dann wird Leandros Neffe schwer verletzt in das Haus der Cardettas gebracht. Ettore hegt eine tiefe Abneigung gegen die privilegierte Lebensweise seines Onkels und nimmt nur widerstrebend dessen Hilfe an. Während sich außerhalb der schützenden Mauern die Konflikte aufheizen, kommen Ettore und Clare sich langsam näher. Er gibt ihr, wonach sie sich in ihrer Ehe sehnt, und obwohl Ettore nach dem Tod seiner Verlobten eine tiefe Trauer in sich trägt, zögert auch er seine Rückkehr ins Dorf immer weiter hinaus. Kann ihre Beziehung eine Zukunft haben? Und welchen Preis sind Clare und Ettore bereit, für ihre Liebe zu zahlen?

Die Autorin

Katherine Webb, geboren 1977, wuchs im ländlichen Hampshire auf. Nach ihrem großen internationalen Erfolgsdebüt Das geheime Vermächtnis folgten die Romane Das Haus der vergessenen Träume, Das verborgene Lied und Das fremde Mädchen, die allesamt zu SPIEGEL-Bestsellern wurden. Italienische Nächte ist das fünfte Buch der Autorin. Nach längeren Aufenthalten in London und Venedig lebt die Autorin heute in der Nähe von Bath, England.

KATHERINE

WEBB

Italienische

N ächte

ROMAN

Aus dem Englischen

von Katharina Volk

Diana_28mm_breit.jpg

Der Inhalt dieses E-Books ist urheberrechtlich geschützt und enthält technische Sicherungsmaßnahmen gegen unbefugte Nutzung. Die Entfernung dieser Sicherung sowie die Nutzung durch unbefugte Verarbeitung, Vervielfältigung, Verbreitung oder öffentliche Zugänglichmachung, insbesondere in elektronischer Form, ist untersagt und kann straf- und zivilrechtliche Sanktionen nach sich ziehen.

Der Verlag weist ausdrücklich darauf hin, dass im Text enthaltene externe Links vom Verlag nur bis zum Zeitpunkt der Buchveröffentlichung eingesehen werden konnten. Auf spätere Veränderungen hat der Verlag keinerlei Einfluss. Eine Haftung des Verlags ist daher ausgeschlossen.



Die Originalausgabe erschien 2015 unter dem Titel

The Night Falling bei Orion Books,

an imprint of The Orion Publishing Group Ltd, London

Copyright © 2015 by Katherine Webb

Copyright © der deutschsprachigen Ausgabe 2015

by Diana Verlag, München,

in der Verlagsgruppe Random House GmbH, Neumarkter Str. 28, 81673 München.

Redaktion  |  Angelika Lieke

Umschlaggestaltung  |  t.mutzenbach design, München

Umschlagmotiv  |  © Daniel Schoenen/LOOK-foto; Shutterstock

Autorenfoto  |  © Hartmuth Schröder

Satz  |  Leingärtner, Nabburg

Alle Rechte vorbehalten

e-ISBN 978-3-641-15068-6
V002

www.diana-verlag.de

TEIL EINS

Diese blinde Zerstörungswut, dieser blutige und

selbstmörderische Drang nach Vernichtung, lauert seit

Jahrhunderten unter der Geduld, mit der sie die tägliche

Mühsal ertragen. Jede Revolte der Bauern entspringt

dem elementaren Bedürfnis nach Gerechtigkeit am

dunklen Grund ihrer Herzen.

Carlo Levi, Christus kam nur bis Eboli

1

Clare, danach

A lle müssen in Bari umsteigen, und der Bahnsteig ist plötzlich voller schlurfender Menschen, zerknittert und verdrießlich wie eben erst aus dem Schlaf gerüttelt. Überwiegend Italiener und überwiegend Männer. Clare holt tief Luft und schmeckt das Meer, und auf einmal muss sie es unbedingt sehen. Sie geht allein davon und lässt gleichgültig alles zurück, was sie besitzt. Ohne Eile, wo sie früher einmal nervös gewesen wäre, weil jemand ihr Gepäck stehlen, ihr Verhalten als unschicklich gelten oder der nächste Zug ohne sie abfahren könnte. Diese neue Furchtlosigkeit gehört zu den Dingen, die sie gewonnen hat. Alles, was sie den Sommer über erlebt und empfunden hat, all die wilden Ereignisse haben ihr die Angst ausgetrieben, doch sie ist noch nicht sicher, ob Errungenschaften wie diese wettmachen können, was sie verloren hat.

Die Straßen der Stadt kommen ihr nach so vielen Wochen in Gioia und auf der masseria fremdartig vor – sie sind viel zu breit und zu lang. Doch da sind noch immer die gleichen Grüppchen rastloser Männer, und es herrscht die gleiche Atmosphäre drohender Gewalt. Clare zieht mit ihrer abgetragenen fremdländischen Kleidung, dem blonden Haar und ihrem distanzierten Ausdruck einige neugierige Blicke auf sich. Dies könnte der letzte Tag sein, den sie je in Apulien verbringt. Und wenn es nach ihr geht, wird er es auch sein. Wenn sie wieder in den Zug steigt, wird sie Puglia verlassen, und jede Sekunde, jeder Kilometer wird sie ihrem Zuhause näher bringen. Bei diesem Gedanken werden ihre Schritte zögerlicher. Zu Hause ist nicht mehr zu Hause. Es hat sich ver ändert wie alles andere. Zu Hause ist ein weiterer Verlust, der gegen den Gewinn aufzurechnen ist. Doch während sie immer weitergeht, denkt sie ein wenig darüber nach und kommt zu dem Schluss, dass auch das gut sein könnte. Ein Teil ihrer Befreiung.

Das Straßenpflaster schimmert, glatt poliert vom Alter und dem Salz in der Luft. Allmählich scheint der Himmel heller zu werden, höher und weiter. Ihr Blick wird für einen Moment nach oben gezogen, doch dann mündet die Straße in den Hafen, und vor ihr liegt das Meer. Die frühe Morgensonne liegt weich und sanft darauf, und seine Farbe ist eine Offenbarung. Clare geht bis zum äußersten Rand des Landes, sodass sie nur noch das Blau sehen kann. Ein Blau, das vollkommen lebendig erscheint, als atme es. Das hat sie gesucht, das wollte sie so gern sehen. Sie lässt sich von der Farbe durchtränken, wie sie auch den Himmel durchtränkt, und obwohl das schmerzhaft ist, fühlt es sich doch gleichzeitig tröstlich an. Eine Ermahnung, vorwärtszugehen und nicht zurückzuschauen. Sie bleibt lange dort stehen, denn sie weiß: Wenn sie dieser Farbe – diesem einmaligen Blau – den Rücken zukehrt, wird auch sie nur eine weitere Erinnerung sein, die süßeste und bitterste von allen.

2

Ettore

Auf dem langen, dunklen Marsch vor dem Morgengrauen hat er einen anderen Mann sagen hören, Hunger sei wie ein Stein im Schuh. Erst denkst du, du könntest ihn einfach ignorieren – er nervt, behindert dich aber kaum. Doch dann macht er dir das Gehen schwer, und du fängst an zu humpeln. Der Schmerz wird schlimmer. Er bohrt sich tiefer und tiefer hinein, lähmt dich, du wirst langsam bei der Arbeit und ziehst den grausamen Blick des Aufsehers auf dich. Wenn der Stein den Knochen erreicht, schleift er sich hinein und wird ein Teil von dir, und du kannst an nichts anderes mehr denken. Er lässt dein Skelett rosten und verwandelt deine Muskeln in fauliges Holz. Der Mann erwärmte sich für dieses Bild, während sie dahintrotteten und spürten, wie ihre Knochen rosteten. Noch Stunden später fielen ihm weitere Möglichkeiten ein, das Gleichnis auszuschmücken, und seine Bemerkungen, scheinbar aus dem Nichts heraus, verwunderten die Männer, die am Morgen nicht in Hörweite marschiert waren. Während ihre Arme die Sensen schwangen, den Weizen schnitten, die Sonne aufging und sie verbrannte, Blasen unter ihren Schwielen anschwollen und hölzerne Fingerschützer an hölzernen Griffen knarrten und klapperten, gab er immer neue Ausschmückungen zum Besten. Dann verwandelt er dein Blut in Staub. Dann streckt er dich nieder. Er wandert deinen Rücken empor und bleibt in deinem Gehirn stecken. Und die ganze Zeit über schwieg Ettore, obwohl er den Vergleich dumm fand. Schließlich könnte man den Schuh einfach ausziehen und den Stein herausschütteln.

Den Hunger kann er aber nicht aus sich herausschütteln, so wenig wie er aufwachen könnte, wenn Paola ihn nicht wecken würde. Sie rüttelt ihn grob und schlägt ihn – spitze Fingerknöchel an seiner knochigen Schulter –, wenn er nicht gleich wach wird. In der Dunkelheit vor dem Morgengrauen bewegt sie sich ebenso forsch und energisch wie am Ende des Tages. Es ist ihm ein Rätsel, wie sie das macht. Woher sie die Energie dazu nimmt und wie sie im Dunkeln so gut sehen kann. Andere Männer, die von klein auf daran gewöhnt sind, wachen von allein um drei, vier Uhr auf, spätestens um fünf, doch dann ist die Aussicht auf Arbeit schon mager – wer zuerst kommt, mahlt zuerst, und die Schlangen sind lang. Andere Männer brauchen nicht von ihren Schwestern geweckt zu werden wie Ettore. Ohne Paola würde er einfach weiterschlafen, tief und fest. Er würde den ganzen Tag verschlafen. Verhängnisvoll. Ein paar Augenblicke lang liegt er noch still und verlangt nichts von seinem Körper. Nur ein paar Sekunden noch ruhen in der Finsternis, die so vollkommen schwarz ist, dass er kaum sicher sein kann, ob er die Augen geöffnet hat oder nicht. Es riecht nach müder Luft, nach Erde und dem fauligen Gestank des Nachttopfs, der geleert werden muss. Im selben Moment, in dem Ettore das auffällt, hört er draußen den Sammler – die Hufe eines Maultiers klappern langsam auf dem kleinen Hof, Karrenräder quietschen.

»Scia’ scinn!«, ruft der Sammler müde und heiser. »Scia’ scinn!« Beeilt euch! Kommt herunter! Mit einem scharfen Seufzen vergewissert sich Paola, dass der hölzerne Deckel fest auf dem Keramiktopf sitzt. Dann hebt sie den schweren prisor hoch und trägt ihn hinaus. Der Gestank wird stärker. Im Dunkeln können die Nachbarn wenigstens nicht zuschauen, wenn man den Topf in das riesige Fass auf dem Karren kippt, sagt Paola. Doch wo der Karren vorbeifährt und über das unebene Pflaster rumpelt, hinterlässt er stets eine glitschige, stinkende Spur menschlicher Ausscheidungen.

Paola schließt vorsichtig die Tür hinter sich und schleicht durchs Zimmer. Das tut sie nicht aus Rücksicht auf ihren Bruder oder auf Valerio, sondern einzig, um ihren Sohn Iacopo nicht aufzuwecken. Es ist ihr lieber, die Männer sind schon weg, wenn er aufwacht, damit sie ihn in Ruhe stillen kann, aber das kommt selten vor. Das Kratzen und Zischen eines Streichholzes und das sanfte Licht einer einzelnen Kerze reichen, um das Baby aus dem Schlaf zu reißen. Er gibt einen überraschten Laut von sich und quengelt dann leise und protestierend, doch er ist vernünftig und heult nicht. Heulen ist anstrengend. Der Ammoniakgestank in dem beengten Raum kommt zum Teil von dem Kind. Es gibt kein Wasser, mit dem sie ihn oder seine Decken waschen könnte, und so wird man den Gestank nicht los. Er riecht auch ein wenig säuerlich nach Erbrochenem. Sobald Paola allein ist, wird sie ihn mit einem feuchten Lappen säubern. Ettore weiß es, aber sie passt auf, dass Valerio sie nicht dabei erwischt. Er hütet ihren Wasservorrat geradezu eifersüchtig.

Livia. Ettore verschließt die Augen vor der Kerzenflamme und sieht ihr Abbild rot in seinem Kopf auflodern. Das ist die Reihenfolge seiner Gedanken, jeden Tag: Hunger, der Unwille aufzustehen und dann Livia. Im Grunde eher Impulse als Gedanken – Livia ist genauso instinktiv mit seinem Körper verbunden, und weniger mit seinem Geist, wie die beiden anderen. Livia. Das ist eher ein Gefühl als ein Wort, unauslöschlich verbunden mit Erinnerungen an Gerüche und Berührungen, Geschmack und Verlust. Gutem und Schlechtem – Sorglosigkeit, ein paar Augenblicke lang, der Verlust von Verantwortung, von Angst und Zorn, alles weggewaschen von der schlichten Freude an ihr. Der Verlust von Zweifeln und Elend. Der Geschmack ihrer Finger, nachdem sie einen Tag lang Mandeln geschält hat – wie etwas Grünes, Reifes, in das man hineinbeißen möchte. Die Art, wie sie ihn zu nähren schien, sodass er seinen Hunger vergaß, solange sie zusammen waren. Er kann die Haut an ihren Waden noch genau vor sich sehen, dann weiter oben die Kniekehlen, weich und zart wie Aprikosen. Und da ist der Verlust von Livia wie eine klaffende Wunde, ein Riss mit zerfetzten Rändern. Er fühlt sich an wie prasselnder Hagel bei einem Sommergewitter: schmerzhaft, eiskalt, tödlich. Livia … verloren. Die Muskeln um seine Rippen ziehen sich zusammen und zittern.

»Aufstehen, Ettore! Wag es ja nicht, wieder einzuschlafen.« Auch Paolas Stimme ist hart und kalt, nicht nur ihr Gesicht und ihre Bewegungen. Alles an ihr ist hart geworden, von ihrem Körper über ihre Worte bis hin zu ihrem Herzen. Nur wenn sie Iacopo auf dem Arm hält, wird der Ausdruck in ihren Augen weich wie der letzte Schimmer nach dem Abendrot.

»Du bist der Stein in meinem Schuh, den ich nicht ignorieren kann«, sagt er, steht auf und streckt die Muskeln, die sich wie steife Taue seinen Rücken hinabziehen.

»Dein Glück«, erwidert Paola. »Wenn ich nicht wäre, würden wir alle verhungern, während du daliegst und träumst.«

»Ich träume nicht«, sagt Ettore.

Paola würdigt ihn keines Blickes. Sie geht zur anderen Seite des Zimmers, wo Valerio in einem Alkoven in der Wand schläft. Sie berührt ihn nicht, um ihn zu wecken, sondern sagt laut und nah an seinem Ohr: »Es ist schon nach vier, Vater.«

Wenn Valerio wach ist, merken sie das daran, dass er zu husten beginnt. Er rollt sich auf die Seite, krümmt sich zusammen wie ein Kind und hustet und hustet. Dann flucht er, spuckt aus und schwingt die Beine aus dem Bett. Paola starrt finster vor sich hin.

»Heute wieder Vallarta, wenn wir Glück haben, mein Junge«, sagt Valerio zu Ettore. Seine Stimme dringt rasselnd aus seiner Brust. Paola und Ettore wechseln einen kurzen, vielsagenden Blick.

»Dann beeilt euch besser«, sagt Paola. Sie schenkt beiden einen Becher Wasser ein und hebt den großen, angeschlagenen Krug dabei mit einer solchen Leichtigkeit an, dass er kaum mehr halb voll sein kann. Paola muss auf den festgelegten Tag warten, bis sie mehr Wasser vom Brunnen holen darf – entweder das, oder sie müssten das Wasser von einem Händler kaufen, und das können sie nicht. Nicht zu diesen Preisen.

Die Masseria Vallarta ist das größte Gut in der Umgebung von Gioia, gut tausendzweihundert Hektar. Selbst jetzt zur Erntezeit gehört es zu den wenigen Landgütern, die jeden Tag Arbeiter beschäftigen. Vor dem Krieg war dies die einzige Zeit im Jahr, in der allen Arbeit sicher war, wochenlang. Die Männer schliefen meist draußen auf den Feldern, statt jeden Morgen hin- und am Abend wieder zurückzulaufen. Sie erwachten mit Erde in den zerknitterten Kleidern, Tau auf dem Gesicht und scharfkantigen Steinen unter ihren schmerzenden Knochen. Endlich konnten sie die Schulden des vergangenen Winters hereinarbeiten und zurückzahlen – die Miete für ihre erbärmlichen Wohnungen, Geld für Essen und Trinken, Spielschulden. Aber jetzt garantiert nicht einmal mehr die Ernte ihnen Arbeit. Die Gutsbesitzer sagen, sie könnten sich die Tagelöhner nicht leisten. Sie behaupten, nach der Dürre im vergangenen Jahr und den Wirren des Krieges liefen ihre Geschäfte sehr schlecht. Wenn Ettore und Valerio heute Arbeit auf der Masseria Vallarta bekommen, werden sie zehn Kilometer weit laufen, um bei Sonnenaufgang mit der Arbeit zu beginnen. Es gibt nichts zu essen – sie haben gestern Abend alles aufgegessen. Wenn sie aufs Gut geholt werden, bekommen sie dort vielleicht etwas zu essen, das ihnen am Ende des Tages vom Lohn abgezogen wird. Die Männer steigen stampfend in ihre Stiefel und knöpfen die abgetragenen Westen zu. Ettore tritt hinaus in den kühlen Morgen, in die alterslosen Schatten des kleinen Innenhofs und der schmalen Straßen zur Piazza Plebiscito, wo sie nach Arbeit anstehen werden, und er erneuert sein Versprechen. Das tut er jeden Morgen, inbrünstig und mit ganzem Herzen: Ich finde heraus, wer das getan hat, Livia. Und dieser Mann wird brennen.

3

Clare

Es ist immer erschreckend, wie sehr Pip während des Semesters gewachsen ist, wenn er viele Wochen lang fort war, doch diesmal scheint sich etwas noch Bedeutenderes verändert zu haben. Er ist größer, sein Gesicht wieder etwas länger, die Schultern breiter, aber da ist noch mehr. Clare mustert ihn und versucht zu erkennen, was genau es ist. Er ist eingeschlafen, den Kopf an das staubige Zugfenster gelehnt und sein eselsohriges Exemplar von Bleakhaus auf der Brust. Ein paar dünne Strähnen sind ihm in die Stirn gefallen, und die Bewegung des Zugs lässt sie zittern. Wenn er wie jetzt die Augen geschlossen und den Mund leicht geöffnet hat, kann sie das Kind, das er einmal war, noch deutlich sehen, diesen kleinen, einsamen Menschen, der ihr damals begegnete. Jetzt ist sein Gesicht kantiger, der Kiefer kräftiger, die Nase etwas länger und spitzer, und die Brauen sind dichter und dunkler geworden. Doch sein hellbraunes Haar ist so störrisch wie eh und je, und er braucht sich noch nicht zu rasieren. Clare beugt sich vor: nein, nicht der geringste Bartschatten auf Kinn oder Oberlippe. Ihre tiefe Erleichterung darüber irritiert sie.

Sie wendet sich ab und schaut aus dem Fenster. Die Landschaft ist noch die gleiche. Ein Kilometer Ackerland nach dem nächsten, hauptsächlich Weizenfelder, hier und da ein Hain staubiger, ausgebleichter Olivenbäume und knorrige Mandelbäume mit verdrehten, dunklen Stämmen. Wenn Pip erst ein Mann ist, erwachsen und mit seiner Ausbildung fertig, wird er endgültig von zu Hause fortgehen … Clare versucht die aufsteigende Angst herunterzuschlucken. Aber natürlich kann sie das nicht verhindern. Sie darf sich nicht an ihm festklammern. Das wird sie sich nicht erlauben. Vielleicht ist es das, was diesmal anders ist: Er ist so weit gereift, dass sie nicht mehr leugnen kann, was geschieht. Er wächst zu einem Mann heran und wird sich eines Tages, bald schon, von ihr lösen und sein eigenes Leben beginnen. Sie ist nicht seine Mutter, also sollte das für sie vielleicht weniger schmerzlich sein. Doch eine Mutter hat eine unverbrüchliche Bindung zu ihrem Kind, das Band von Blut und Vererbung und das Wissen, dass dieses Kind einmal ein Teil von ihr war und in mancherlei Hinsicht immer sein wird. Das hat Clare nicht. Ihre Verbindung zu Pip fühlt sich schwächer an, zerbrechlicher. Es mag ebenso kostbar sein, könnte sich jedoch einfach spurlos auflösen. Davor fürchtet Clare sich am allermeisten. Er ist erst fünfzehn, beruhigt sie sich. Noch ein Kind. Der Wagen macht einen heftigen Ruck zur Seite, und Pips Kopf schlägt gegen das Fenster. Er schreckt hoch, schließt hastig den Mund und blinzelt.

»Alles in Ordnung, Pip?«, fragt Clare lächelnd. Er nickt freundlich.

»Wir sind bald da, oder?« Er gähnt wie eine Katze, mit schamlos aufgerissenem Mund. Seine Schneidezähne drängen sich ein wenig aneinander, als kämpften sie um Platz.

»Pip«, protestiert sie. »Niemand starrt gern in so einen Abgrund.«

»Entschuldige, Clare«, nuschelt er.

»Ja, wir sind fast da.« Clare blickt auf eine vergilbte Wiese hinaus, die verschwommen an ihnen vorbeirast. »Ganz bestimmt.«

Der Geschmack in ihrem Mund ist schal, ihre Kleider sind zerknittert, und ihre Haut fühlt sich klebrig an. In dem Abteil ist es stickig – kein Wunder, dass Pip immer wieder einnickt. Sie hätte selbst gern ein wenig geschlafen, aber Boyd hat sie vor den Italienern und ihren flinken Fingern gewarnt. Also ist sie zu besorgt um ihre Börse und ihr Gepäck und fürchtet sich davor, was Boyd sagen würde, wenn sie ausgeraubt würden, obwohl er sie gewarnt hatte. Sie möchte sich endlich die Beine vertreten, sich das Haar waschen, doch als die ersten vereinzelten Gebäude in Sicht kommen, will sie plötzlich nicht mehr in Gioia del Colle ankommen. Es hat etwas Wunderbares, das Reisen – so mühelos über die weiten Strecken der Erde bewegt zu werden. Alle Verantwortung fällt ab, denn der Zugführer ist hier Alleinherrscher. Man erreicht sein Ziel, indem man einfach nur geduldig abwartet. Und weil sie und Pip allein in ihrem Abteil sind, kann sie entspannt seine Gesellschaft genießen. Braucht nicht auf Manieren zu bestehen oder sich zu höflichem Geplauder zu zwingen. Die langen Zeiten des Schweigens mit ihm sind niemals unbehaglich. Und das, was sie am Ende dieser Reise erwartet, macht sie nervös.

Boyd hat sie verpflichtet, den ganzen Sommer mit Leuten zu verbringen, die sie noch nie gesehen hat und über die sie herzlich wenig weiß. Er ließ sich nicht umstimmen und beharrte trotz ihrer Proteste auf seinem Plan, und sie konnte ihr Widerstreben nicht einmal in einem Brief erklären. Das tat sie bei schwierigen Angelegenheiten gern, denn so konnte sie schlüssig und in sachlichem Tonfall argumentieren. Doch er war schon in Italien, und seine Anordnung, dass sie mit Pip nachfolgen solle, kam schwach über eine knisternde Telefonleitung. Verzweifelt schlug sie vor, dass sie für zwei Wochen kommen könnten statt der gesamten Sommerferien, aber Boyd hörte sie offenbar nicht. Und plötzlich hatte sich der erholsame Sommer zu Hause, auf den sie sich so gefreut hatte – allein mit Pip und nicht viel mehr zu tun, als den Wicken beim Erklimmen ihrer Bambusstangen zuzuschauen und im Schatten der hohen Gartenmauer Whist zu spielen –, in Luft aufgelöst. Die Italiener, bei denen sie zu Gast sein werden, sind Klienten von Boyd: Cardetta, ein alter Bekannter aus New York, und seine Frau, die Boyd als charmant beschrieb. Abgesehen davon weiß Clare nur, dass sie reich sind.

Der Zug rollt an kleinen kegelförmigen Steinhäusern vorbei, die wie abgelegte Hüte steinerner Riesen aussehen. Vorbei an Feldern voller Männer, die ihre Sensen schwingen – dunkle, hagere Männer, die nicht aufblicken, als der Zug vorüberrattert. Vorbei an kleinen Eselskarren und Ochsengespannen und an keinem einzigen Automobil. Abgesehen von dem Zug selbst weist nichts darauf hin, dass man das Jahr 1921 schreibt, es könnte ebenso gut 1821 sein. Clare versucht sich vorzustellen, was »reich« so tief im Süden bedeuten könnte. Womöglich gibt es weder elektrischen Strom noch eine Toilette im Haus, und sie fürchtet, das Wasser könnte sie krank machen. Im Norden hört man stets, dass man sich besser nicht weiter südlich aufhalten solle als Rom, und das Land unterhalb von Neapel sei karg und öde, besiedelt von Untermenschen – einem gottlosen, unterentwickelten Volk, zu nieder, um sich aus Armut und Elend emporzuarbeiten. Pips Schule entließ ihn bereitwillig früher in die Sommerferien, nachdem Clare dem Direktor geschrieben hatte, dass sie ihn nach Italien mitnehmen wollten. Man könnte sich für Philip kaum einen besseren Abschluss dieses Schuljahres wünschen als den Besuch ebenjener Kunstschätze und Stätten höchster Zivilisation, die er in den vergangenen Monaten studiert hat, schrieb der Direktor. Clare ließ ihm die Illusion von Rom, Florenz und Venedig, die er dabei offenbar sofort vor Augen hatte. Selbst von den größeren Orten hier im Süden hat sie noch nie gehört: Bari, Lecce, Taranto. Und das Dorf, in das sie fahren, Gioia del Colle, war auf der Landkarte nur mit Mühe zu finden.

Eine halbe Stunde später kriecht der Zug zwischen zwei fast menschenleeren Bahnsteigen in den Bahnhof. Clare lächelt Pip aufmunternd zu, als sie aufstehen, sich strecken und ihre Sachen einsammeln, doch in Wahrheit ist sie diejenige, die ein wenig Zuspruch braucht, nicht Pip. In der heißen, schweren Luft, die sie empfängt, hängt der unverkennbare metallische Geruch von Blut. Clare bleibt der tiefe, stärkende Atemzug im Halse stecken, und sie blickt sich angewidert um. Der Himmel ist makellos blau, die gelbe Sonne steht tief im Westen. Als sie sich von dem zischenden Zug wegbewegen, dringt das Summen zahlloser Insekten an ihre Ohren.

»Was ist das für ein Gestank?«, fragt Pip und hält sich den zerknitterten Ärmel seines Blazers vor die Nase. Doch da hören sie jemanden rufen und sehen einen Arm, der ihnen aus dem Fenster eines Automobils zuwinkt.

»Ahoi, meine Lieben!« Boyds Stimme klingt gepresst vor Aufregung. Er schwenkt den Hut durch die Luft, lacht und steigt aus – vielmehr entfaltet er seine langen Glieder und entrollt die Wirbelsäule. Er ist groß und schmal und fürchtet stets, ungelenk zu wirken, weshalb er sich übertrieben anmutig bewegt.

»Ahoi!«, ruft Clare erleichtert. Bis hierher hat sie sich und Pip gebracht, und es ist beruhigend, die Verantwortung wieder an ihren Mann zu übergeben. Rasch gehen sie zu dem Wagen, und Clare dreht sich nach dem Gepäckträger um und winkt ihn herbei.

»Vergewissert euch, dass alle eure Koffer da sind. Ich würde es denen zutrauen, etwas liegen zu lassen und bis Taranto mitzunehmen«, mahnt Boyd.

»Nein, das sind alle.« Boyd umarmt Clare, drückt sie an sich, wendet sich dann Pip zu und zögert. Auch das ist neu – diese leichte Befangenheit zwischen den beiden. Sie zeigt Clare, dass Boyd ebenfalls sieht, wie nah sein Sohn dem Erwachsenwerden ist. Sie schütteln sich die Hände, lächeln und umarmen sich dann ein wenig verlegen.

»Philip. Du bist ja so groß geworden! Sieh mal – du bist schon viel größer als Clare«, bemerkt Boyd.

»Ich bin schon seit vorletztem Weihnachten größer als Clare, Vater«, erwidert Pip ein wenig beleidigt.

»Ach ja?« Boyds Lächeln wirkt seltsam angespannt, und er blickt bekümmert drein – als hätte er sich daran erinnern müssen. Clare lenkt ihn hastig ab.

»Na ja, in den Ferien verbringst du die meiste Zeit sitzend, auf einem Stuhl, einem Fahrrad oder in einem Boot. Da merkt man nicht so, wie groß du bist«, sagt sie. In diesem Moment trägt eine Brise erneut den Gestank nach Blut und Brutalität heran. Boyd wird blass, und der letzte Rest seines Lächelns schwindet.

»Kommt, steigt ein. Einen halben Kilometer südlich von hier liegt der Schlachthof, und ich kann den Geruch nicht ertragen.«

Der Wagen sieht brandneu aus, obwohl ein zarter Staubschleier den scharlachroten Lack überzieht. Pip mustert ihn bewundernd, ehe er einsteigt. Der Fahrer, dunkelhäutig und mit regloser Miene, nickt Clare knapp zu, während er und der Gepäckträger ihre Koffer befestigen, doch sein Blick huscht immer wieder zu ihr herüber. Sie tut so, als bemerkte sie es nicht. Er wäre ein gut aussehender Mann, wenn die Hasenscharte nicht wäre. Seine Oberlippe und der Gaumen dahinter sind gespalten, die Zähne krumm und schief.

»Gewöhn dich an solche Blicke, mein Liebes«, raunt Boyd ihr zu, als der Wagen anfährt. »Das ist dein blondes Haar. Sieht man hier unten selten.«

»Ich verstehe«, erwidert sie. »Und ziehst du auch solche Blicke auf dich?« Sie lächelt, und Boyd nimmt ihre Hand. Auch sein Haar ist blond, ergraut aber allmählich und wirkt jetzt beinahe farblos. Auf dem Oberkopf ist es schütter, und der Haaransatz ist von Stirn und Schläfen immer weiter zurückgewichen, wie Wasser, das sich bei Ebbe vom Strand zurückzieht. Das fällt Clare als Erstes an ihm auf, wenn sie eine Weile getrennt waren – auch wenn es diesmal nur einen Monat lang war: dass er alt wird. Er erkundigt sich nach ihrer Reise, was sie gesehen haben, was sie gegessen und wie sie geschlafen haben. Er fragt, wie der Garten in Hampstead bei ihrer Abreise aussah und wann Pips Schulzeugnis kommen soll. All diese Fragen stellt er mit einer eigenartigen Verzweiflung in der Stimme, einer Gier, die Clare auf einer instinktiven Ebene, wo Erinnerungen und Erfahrungen aufbewahrt werden, in Alarmbereitschaft versetzt. Nicht schon wieder, fleht sie im Stillen. Bitte nicht. Hastig sucht sie ihre Erinnerungen nach irgendetwas ab, das ihr entgangen sein könnte – irgendein Anzeichen, etwas, das er am Telefon gesagt hat oder vielleicht schon vor seiner Abreise. Kein Hinweis darauf, wo das Problem liegen könnte. Sie hat getan, was er verlangt hat, und ist mit Pip den weiten Weg hierher zu ihm gekommen, aber trotzdem stimmt irgendetwas nicht. Das ist eindeutig. Sie lassen den Bahnhof hinter einer blassen Staubwolke zurück, und obwohl nun frischere Luft durch die offenen Fenster hereindrängt, hat Clare noch immer den Geruch von Blut in der Nase.

4

Ettore

Die Piazza Plebiscito ist voller Männer in der typischen schwarzen Kleidung. Das sind die giornatari, die Tagelöhner – Männer, die nichts besitzen und sich nur durch die Kraft ihrer Arme ernähren können. In der Morgendämmerung bilden sie unregelmäßige schwarze Flecken vor den hellen Pflastersteinen. Die murmelnden Stimmen sind gedämpft, die Männer treten von einem Fuß auf den anderen, husten, wechseln ein paar leise Worte. Hier und da bricht Streit aus, es wird gebrüllt und gerungen. Als Ettore und Valerio bei ihnen angekommen sind, riecht Ettore ihr fettiges Haar, den Schweiß der vergangenen Tage in ihrer Kleidung und ihren warmen, muffigen Atem. Dieser Geruch begleitet ihn, umgibt ihn schon, solange er zurückdenken kann. Das ist der Geruch von harter Arbeit und stetem Mangel. Der Geruch von Männern mit harten Muskeln und Knochen von jahrelanger Plackerei als Arbeitstiere. Auch die Aufseher sind da, zu Pferde oder neben ihren Tieren, die sie am Zügel halten. Manche sitzen auch in kleinen, offenen Kutschen. Sie heuern fünf Männer hier an und dreißig dort. Ein Schäfer will zwei Männer, die ihm helfen sollen, seiner Herde die Klauen zu schneiden. Das ist leichte Arbeit, aber er kann fast nichts dafür bezahlen, und die Männer beäugen ihn voller Abscheu in dem Wissen, dass der eine oder andere von ihnen das bisschen Lohn dennoch wird annehmen müssen.

Bis zum großen Krieg ging das so: Wer Arbeit will, kommt zur Piazza, wer Arbeiter sucht, ebenfalls. Es werden Löhne geboten und Männer ausgewählt. Es gibt keine Verhandlung. Doch durch den Krieg hat sich manches verändert. Zwei Jahre lang lief es anders – die Gewerkschaften und die Sozialisten erwirkten Zugeständnisse an die Arbeiter. Denn Männern wie Ettore und Valerio, die so wenig Grund zum Kämpfen hatten, wurde während des Krieges alles Mögliche versprochen, damit sie in den Schützengräben blieben. Man versprach ihnen Land, höhere Löhne, ein Ende der unendlichen Härte ihres Lebens. Danach kämpften sie darum, dass die Grundbesitzer diese Zusagen auch einhielten. Ein paar fiebrige Monate lang schien es, als hätten sie tatsächlich gewonnen. Sie richteten eine Arbeitsvermittlung ein, bei der nur Gewerkschaftsmitglieder vermittelt wurden und niemand von außerhalb des Bezirks. Löhne und Arbeitszeiten wurden festgelegt. Das Büro sorgte durch einen Plan dafür, dass die Arbeit unter den Männern gerecht verteilt wurde, und auf jedem Gut sollte es einen Gewerkschaftsvertreter geben, der die Einhaltung der Arbeitsbedingungen überwachte. Das war erst im vergangenen Jahr gewesen, gegen Ende 1920. Aber nun fällt all das wieder auseinander. In dieser schwelenden Fehde, die Jahrhunderte alt ist, hat sich das Blatt wieder einmal gewendet.

Ein seltsamer Konflikt – und das alltägliche Leben geht weiter, fließt darum herum wie ein Fluss um Felsen. Das muss es auch tun, denn Menschen müssen essen, und um essen zu können, müssen sie arbeiten. Also muss das Leben weitergehen, selbst wenn es sich bei den Felsen um Ereignisse wie das Massaker auf der Masseria di Girardi Natale handelt. Das war im vorigen Sommer. Arbeiter, bewaffnet nur mit ihren Werkzeugen und ihrem Zorn, wurden vom Landbesitzer und seinen berittenen Wachen zusammengeschossen. Jetzt werden die Verträge, die alle Landbesitzer unterschrieben haben, einfach ignoriert, und Männer, die protestieren, bekommen keine Arbeit. Es gibt Gerüchte über eine ganz neue Art Schlägertrupps, angeführt von ehemaligen Offizieren, denen noch der Wahnsinn der Schützengräben anhaftet und die die einfachen Bauern bis heute dafür verachten, dass sie nicht kämpfen wollten. An gedungene Schläger – mazzieri, benannt nach der mazza, dem Knüppel, den sie führen – als Aufseher sind die Landarbeiter gewöhnt, aber diese neuen Trupps sind anders. Sie bekommen Waffen und Unterstützung von der Polizei, inoffiziell natürlich. Sie nennen sich auch anders: fasci di combattimento, die »Kampfbünde«, bestehend aus Mitgliedern der neuen Faschistischen Partei. Und ihre Zielstrebigkeit macht den Männern Angst.

Manchmal geht Ettore abends in eine Kneipe und liest jenen, die nicht lesen können, aus den Zeitungen vor. Aus dem Corriere delle Puglie, aus La Conquista und Avanti!. Er liest von Angriffen auf Gewerkschaftsführer und Interessenvertreter der Landarbeiter, sogar auf sozialistische Stadträte in anderen Gemeinden. In Gioia del Colle hat sich die traditionelle Form des »Arbeitsmarktes« schleichend wieder ausgebreitet, und die beiden Parteien starren einander über diese bittere Kluft hinweg an – Arbeiter und Lohnherren. Als warteten beide darauf, dass der andere zuerst blinzelt. Im Februar kam es zu einem Generalstreik aus Protest gegen die Organisation und Bewaffnung der neuen Schlägertrupps, ihre Brutalität, und gegen den vielfachen Vertragsbruch der Grundbesitzer. Der Streik dauerte drei Tage, doch es war, als drückte man einen Finger auf einen klaffenden Riss in einem Damm – einem Damm, hinter dem die Flut unerbittlich und unaufhaltsam steigt.

Ettore und Valerio drängen sich zum Aufseher der Masseria Vallarta durch. Der Mann ist weit über sechzig und trägt einen üppigen weißen Schnauzbart. Sein Gesicht ist vollkommen reglos, seine Miene undurchdringlich. Pino ist bereits bei ihm, er fängt Ettores Blick auf und hebt zum Gruß leicht das Kinn. Giuseppe Bianco, genannt Giuseppino oder kurz Pino. Pino und Ettore leben schon von klein auf Seite an Seite. Sie sind gleich alt, haben dieselben Dinge gesehen, dieselben Hoffnungen und Nöte empfunden. Beide haben dieselbe lückenhafte Schulbildung und dieselben Erinnerungen an wilde Feiern an Allerheiligen, eher heidnisch als heilig. Sie waren zusammen im Krieg. Pino hat das Gesicht eines klassischen Helden mit riesengroßen, sanften Augen in einem ungewöhnlichen, warmen Braunton. Seine Lippen sind geschwungen, die Oberlippe überragt ganz leicht die Unterlippe, und mit seinem lockigen Haar und dem offenen Gesichtsausdruck wirkt er auf der Piazza völlig fehl am Platze. Auch sein Herz ist offen – er ist zu gut für diese Welt. Es gibt nur eines, was die beiden Männer nicht miteinander geteilt haben, und das hat dieses Jahr einen Keil zwischen sie getrieben: Pino hat seine Liebste geheiratet und Ettore seine verloren. Davor hatten alle Mädchen um Pinos Aufmerksamkeit gerungen. Sie erkannten Zärtlichkeit, wenn sie sie sahen, und träumten davon, den Rest ihres Lebens neben diesem Gesicht aufzuwachen. Manche geben sich immer noch alle Mühe, ihm den Kopf zu verdrehen, obwohl er jetzt verheiratet ist, aber Pino ist seiner Frau Luna treu. Der kleinen Luna mit ihren wippenden Brüsten und dem langen Haar, das ihr bis auf die breiten Hüften fällt. Soweit Ettore das beurteilen kann, ist Pino der einzige Mann, der im Morgengrauen auf der Piazza ein aufrichtiges Lächeln zustande bringt.

Pino lächelt ihm tatsächlich entgegen und boxt freundschaftlich gegen Ettores Oberarm. »Was gibt’s Neues?«, fragt er.

»Nichts. Gar nichts.« Ettore zuckt mit den Schultern.

»Luna hat etwas für das Baby gemacht. Für Iacopo«, sagt Pino voller Stolz. »Sie hat mal wieder genäht – ein Hemdchen. Sie hat es sogar mit seinen Initialen bestickt.« Luna arbeitet hin und wieder für eine Schneiderin und hebt sorgsam alle Reste von Stoffen und Garnen auf. Es reicht nie für Kleidung für Erwachsene, aber Iacopo hat inzwischen ein Leibchen, einen Hut und ein winziges Paar Schühchen.

»Sie sollte so etwas lieber für euer eigenes Baby aufheben«, sagt Ettore, und Pino grinst. Er wünscht sich sehnlichst Kinder – eine ganze Schar. Wie er sie alle ernähren will, ist eine Frage, von der er sich nicht verunsichern lässt. Offenbar glaubt er, Kinder könnten von Luft und Liebe leben wie Geister oder Engel.

»Bis wir ein Kind bekommen, ist Iacopo aus den Sachen herausgewachsen. Dann leiht Paola sie uns doch bestimmt.«

»Da wäre ich nicht so sicher.«

»Meinst du, sie will sie behalten, als Erinnerung daran, wie klein er einmal war?«, fragt Pino. Ettore gibt nur ein wortloses Brummen von sich. Er hatte eigentlich damit gemeint, dass er nicht sicher war, ob Iacopo so bald aus den kleinen Sachen herauswachsen würde. Sein Neffe ist sehr dünn und viel zu still. So viele Babys sterben. Ettore macht sich Sorgen um ihn, mustert ihn oft mit gerunzelter Stirn. Wenn Paola ihn dabei ertappt, schubst sie ihn weg und schimpft. Sie glaubt, seine Besorgnis werde noch irgendein grimmiges Schicksal auf ihren Sohn herabrufen.

Der Mann von der Masseria Vallarta zieht ein paar Blatt Papier aus der Tasche und faltet sie auseinander. Die wartenden Männer richten ihre Aufmerksamkeit ganz auf ihn und beobachten ihn ruhig und abwartend. Ein seltsames Ritual beginnt – das Gut hat eine Ernte einzufahren, und all die Männer hier wissen das. Trotzdem trauen sie dem Mann nicht. Sie werden erst glauben, dass sie wirklich Arbeit haben, wenn sie auf dem Feld stehen. Sie vertrauen nicht darauf, dass man sie bezahlen wird, ehe der Verwalter ihnen am folgenden Samstag die baren Münzen in die Hand drückt. Der Aufseher fängt Ettores Blick auf und erwidert ihn hart und ausdruckslos. Ettore starrt zurück. Er ist Gewerkschafter, und der Aufseher weiß das. Er kennt Ettores Namen und sein Gesicht. Manche haben die Streiks und Demonstrationen angeführt, während andere ihnen nur gefolgt sind, und Ettore gehört zu Ersteren. Vielmehr gehörte er dazu – seit er Livia vor einem halben Jahr verloren hat, hat er nichts mehr in dieser Richtung getan, nichts gesagt. Er hat gearbeitet, ohne nachzudenken, in einem konstanten Rhythmus, und seinen Hunger und die Erschöpfung ignoriert. Während all dieser Wochen hat er kein einziges Mal an die Revolution, an seine Brüder, die hungernden Arbeiter oder die ständigen Ungerechtigkeiten gedacht. Doch die Aufseher scheinen seinen Sinneswandel nicht bemerkt zu haben – den völligen Verlust von Sinn in seinem Leben.

Sein Ruf trägt also einen großen dunklen Fleck, der durch nichts zu entfernen ist. Aber er schuftet ohne Pause und bearbeitet den Boden mit der schwersten Hacke. Damit stellt er die Aufseher vor ein Rätsel: ein Unruhestifter, der schuftet wie ein Pferd. Der ehemalige Offizier mit dem breiten Schnauzbart heuert ihn mit einem kaum merklichen Nicken an und notiert seinen Namen. Dann zeigt er mit dem knorrigen Zeigefinger auf die anderen, die er ausgewählt hat. Pino ist auch darunter, und die beiden Freunde machen sich mit den anderen auf den langen Weg zum Gut. Valerio wird nicht ausgewählt. Er hat die Hacke so viele Jahre lang geschwungen, dass sie seinen Rücken verformt hat. Er ist krumm wie ein vom Wind gebeugter Baum und bemüht sich sehr, nicht zu husten, seit sie die Piazza erreicht haben. Doch man sieht ihm an, wie angestrengt er gegen seine Hustenanfälle kämpft – sein Körper verkrampft sich und wird immer wieder von einem Beben geschüttelt. Gestern hat er etwa halb so viel Weizen geschnitten wie einige der anderen Männer, und der unerbittliche Aufseher hat ein hervorragendes Gedächtnis für so etwas. Ettore drückt seinem Vater zum Abschied die Schulter.

»Geh du zu dem Schäfer dort drüben. Geh, ehe andere sich seinen Lohn holen«, sagt er. Valerio nickt.

»Immer fleißig, mein Junge«, sagt Valerio und gibt dem Hustenreiz nach. Ettore spart sich eine Erwiderung. Nur wer fleißig ist, bekommt auch morgen harte Arbeit, und andere Arbeit gibt es nicht.

Als sie das Gut erreichen, geht in zarten Farben die Sonne auf. Pino wendet ihr einen Moment lang das Gesicht zu, schließt die Augen und atmet tief ein, als würde die Sonne ihm die Kraft für den Tag geben wie einer Pflanze. Wenn der Himmel so leuchtet, denkt Ettore an Livia, wie sie ihre schwarzen Augen mit einer Hand beschattete. Wenn es regnet, denkt er daran, wie Livia mit zusammengekniffenen Augen zu den Wolken emporschaute und über die Tropfen lächelte, die auf ihre Haut fielen. Wenn es dunkel wird, denkt er dar-an, wie oft sie sich unter den überwölbten ältesten Gassen von Gioia trafen, wo sie einander nur durch Erspüren und am Geruch erkannten. Wie sie dann seine tastende Hand nahm und seine Fingerspitzen küsste, sodass pochendes Begehren in seine Lenden schoss. Er weiß, dass sich diese Gedanken an sie auf seinem Gesicht widerspiegeln, und er erkennt an Pinos Miene, dass sie ihm nicht verborgen bleiben. Ettore sieht seinem ältesten Freund an, dass er in solchen Momenten hilflos ist und nicht weiß, was er sagen soll.

Sie bekommen einen Becher Wasser und ein Stück Brot, ehe sie mit der Arbeit beginnen. Das Brot ist ausnahmsweise einmal frisch, und die Männer machen sich darüber her wie gierige Hunde. In dem Wasser schmeckt man den körnigen Stein der Zisterne. Gleich danach beginnen sie mit der Arbeit. Sie zwängen die Finger in die hölzernen Griffe, die ihre Hände schützen sollen – doch in Wahrheit schätzen die Landbesitzer sie deshalb, weil die Arbeiter damit eine größere Reichweite haben und so mit jedem Sensenzug eine größere Garbe Weizen schneiden können. Sie arbeiten immer zu zweit: Einer führt die Sense – der größere, stärkere Mann mit der größten Reichweite –, während der zweite hinter ihm die gemähten Halme zu Garben zusammenbindet.

Stundenlang ist nichts zu hören außer dem Schwingen der Sensen und dem Rascheln der Halme, wenn sie gebündelt werden. Hoch über ihren Köpfen kreisen Schwarzmilane in der aufsteigenden Hitze, als erregten der Geruch und die Bewegungen der Arbeiter ihre Neugier. Aus der Ferne sieht es nach einer guten Ernte aus: Ein goldenes Weizenfeld am anderen wogt im heißen Wind, der altina aus dem Süden. Doch aus der Nähe sehen die Männer, dass die Halme spärlicher sind, als sie sein sollten, mit zu wenigen, zu weit auseinanderstehenden Körnern an den Ähren. Der Ertrag wird geringer ausfallen als erhofft und damit auch ihr Lohn. Gegen Mittag wird die Sonne unerträglich. Sie lähmt die Männer, drückt sie nieder wie eine schwere Last. Die Pferde der Aufseher lassen ermattet die Köpfe hängen und schließen die Augen, zu erschöpft, um auch nur die Fliegen abzuschütteln. Der Oberaufseher befiehlt eine Pause, und die Männer ruhen sich aus und bekommen etwas Wasser – gerade genug, um die ausgedörrten Kehlen zu befeuchten. Sobald ihre Schatten zwei Handspannen lang gewachsen sind, sieht der ehemalige Offizier auf seine Taschenuhr, scheucht die Männer hoch, und die Arbeit geht weiter.

Pino und Ettore begegnen sich für kurze Zeit in Hörweite, wenn sie in ihren Reihen die gleiche Höhe erreichen.

»Luna will heute versuchen, Bohnen zu kaufen«, bemerkt Pino beiläufig.

»Dann wünsche ich ihr viel Glück. Hoffentlich haut der Krämer sie nicht übers Ohr.«

»Sie ist klug, meine Luna. Ich glaube schon, dass sie welche bekommen wird, und dann gibt es heute ein gutes Abendessen.« Das tut Pino sehr oft – von Essen reden. Von Essen fantasieren. Anscheinend hilft es bei ihm gegen den Hunger, doch bei Ettore bewirkt es das Gegenteil. Sein Magen windet sich und grummelt beim Gedanken an dicke Bohnen, gekocht mit Lorbeerblättern, vielleicht ein bisschen Knoblauch und Pfeffer, gestampft und mit einem kräftigen Olivenöl vermengt. Er schluckt.

»Sprich nicht von Essen, Pino«, bittet er.

»Tut mir leid, Ettore. Ich kann nicht anders. Das ist alles, wovon ich träume: Essen, und Luna.«

»Dann träum gefälligst still, verdammt«, schimpft der Mann, der hinter Ettore arbeitet.

»Ich habe nichts dagegen, wenn er von seiner Frau redet, solange er ja keine Einzelheiten auslässt.« Dieser Kommentar kommt von einem Burschen, der nicht älter sein kann als vierzehn und Pino schief angrinst.

»Wenn ich dich dabei erwische, dass du von meiner Frau träumst, schneide ich dir den Schwanz ab«, entgegnet Pino, dreht die Sense in Richtung des Jungen und hebt die bösartig scharfe Spitze an. Doch er meint es nicht ernst, und der Junge grinst noch breiter und zeigt ihnen dabei seine abgebrochenen Schneidezähne.

Der Wind frischt auf. Er riecht nach einer fernen Wüste und braust über die grauen Steinmauern um das Feld und durch die ledrigen Blätter des einsamen Feigenbaums in einer Ecke. Der Boden ist staubtrocken, der Weizen ausgedörrt, der Himmel erbarmungslos klar. Die Männer befeuchten sich mit der Zunge die Lippen, können aber nicht verhindern, dass sie rissig werden und aufspringen. Fliegen schwirren ihnen dreist um Kopf und Hals und stechen zu, als wüssten sie, dass die Männer sich nicht die Mühe machen werden, nach ihnen zu schlagen. Ettore arbeitet und versucht, an nichts zu denken. Als er auf ein Büschel wilder Rauke stößt, kärglich und bitter, pflückt er alle Blätter, die er finden kann, und stopft sie sich hastig in den Mund, wenn gerade niemand hinschaut. Der scharfe Geschmack der Rucolablätter würgt ihn in der Kehle. Die Wachen sind jetzt, gegen Ende des Tages, besonders aufmerksam. Mit scharfen Augen halten sie Ausschau nach Männern, die zu langsam werden, nach verstohlenen Pausen, nach Sensen, die als Stütze dienen, statt geschwungen zu werden. Der Mann, der den von Ettore geschnittenen Weizen aufsammelt, ist weit zurückgefallen. Er richtet sich immer wieder auf, presst die Finger in den Rücken und verzieht das Gesicht. Der Aufseher hat eine lange Lederpeitsche, die er zusammengerollt an der Hüfte trägt. Seine Hand verirrt sich immer wieder dorthin, als würde er sie zu gern gebrauchen. Ettores Magen verkrampft sich nach den heruntergeschlungenen Rucolablättern noch heftiger, und sein Kopf fühlt sich eigenartig leicht an, wie so oft gegen Ende des Tages. Sein Körper arbeitet trotzdem weiter – die Schultern schwingen die schwere Sense, die Muskeln im Rücken spannen sich, um den Schwung wieder zu bremsen, in der Taille verdreht, den Griff fest gepackt. Er spürt jede Sehne über Knochen reiben, doch seine Gedanken entgleiten ihm, treiben fort von Hitze, Plackerei und dem erstickend heißen Wind.

Er hat gehört, dass es bei einem Ort namens Castellana, fünfundzwanzig Kilometer von Gioia entfernt in Richtung Küste, ein Loch im Boden gibt. Dieses Loch ist weit und tief, und nichts, was dort hineinfällt, kommt je wieder heraus, bis auf Fledermäuse – Tausende flatternder Fledermäuse, die aufsteigen wie eine Rauchsäule. Manchmal rülpst es auch kleine Schwaden kalten weißen Nebels aus, angeblich die Geister von Menschen, die zu nah an den Rand getreten und hineingefallen sind. Die Einheimischen behaupten, es sei das Maul der Hölle, ein Schlund, der bis ins tiefste Herz der Erde reicht, wo die Finsternis so schwer ist, dass sie einen zerquetscht. Ettore denkt an dieses Loch, während sein Körper weitermäht, sein Rücken brennt, als steckte ein Messer darin, und seine Eingeweide sich um die Raukeblätter verkrampfen. Er stellt sich vor, wie es wäre, in das Loch zu springen und erst durch weißen Nebel und dann in kühle, feuchte Dunkelheit zu fallen. Wie es wäre, sich in der uralten, pechschwarzen Tiefe zusammenzurollen, im steinernen Herzen der Welt, wo Menschen nichts zu suchen haben, und dort zu warten. Auf nichts Bestimmtes – einfach nur zu warten, wo es kalt und ruhig und still ist.

Plötzlich wird ihm bewusst, dass jemand seinen Namen genannt hat. Ettore blinzelt und sieht Pino mit besorgt aufgerissenen Augen ein paar Meter weiter stehen. Ettore merkt, dass seine Sense stillsteht, dass er sich aufgerichtet und sie auf seinem Stiefel hat ruhen lassen. Er kann seine Hände nicht dazu bringen, sich wieder fest um den Stiel zu schließen. Hinter Pino sieht er zwei Wachen, die ein paar Worte wechseln und sich zunicken. Er sieht, wie sie ihre trägen Pferde kräftig vorwärtstreiben, in seine Richtung. Es fällt ihm so schwer, seine Gedanken aus diesem Loch im Erdboden zurückzuholen, aus der plötzlichen Sehnsucht danach. Mit aller Willenskraft packt er die Sense, hebt sie an, dreht den Oberkörper nach rechts und neigt die Klinge so, dass sie die richtige Anzahl Halme erfassen wird. Doch er steht zu weit davon weg, und das Gewicht der frei schwingenden Sense bringt ihn aus dem Gleichgewicht. Sein verdrehter Oberkörper löst sich wie eine gespannte Feder, ganz selbstverständlich. Er hat diese Bewegung schon Tausende Male an tausend Tagen gemacht, und Ettore kann sie ebenso wenig aufhalten wie seinen Herzschlag. Aber wenn er sich nicht ausbalanciert, wird er stürzen, und das wäre zwar besser als die Alternative, doch auch hier bleibt ihm keine Wahl. Sein Körper bewegt sich von allein, ohne Ettores Zutun, aus eigenem Antrieb, denn darauf hat Ettore ihn trainiert. Ettore taumelt und kippt nach vorn. Sein linkes Bein landet vor der schwingenden Sense, und obwohl er klar und deutlich sieht, was geschehen wird, kann er es nicht verhindern. Das Metall gleitet leicht und sauber in sein Bein. Er spürt, wie die Klinge auf den Knochen trifft und darin stecken bleibt. Pino schreit auf, der Mann hinter ihm ebenfalls. Blut spritzt auf die Weizenhalme, zu glänzend und zu rot, um echt zu sein, und Ettore fällt.