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DIE AUTORIN

Julie Plec arbeitet für Film und Fernsehen als Produzentin und Autorin. Sie ist Co-Autorin und Produzentin der Serie THE VAMPIRE DIARIES und Autorin des Spin-Offs THE ORIGINALS, das die Geschichte der Geschwister Klaus, Rebekah und Elijah, der ersten Vampirfamilie, erzählt.

Von der Autorin ist außerdem bei cbt erschienen:

The Originals – In Dunkelheit geboren (Bd. 1)

Julie Plec

THE
ORIGINALS

In Liebe vereint

Aus dem Englischen
von Michaela Link

Kinder- und Jugendbuchverlag

in der Verlagsgruppe Random House

1. Auflage

Deutsche Erstausgabe April 2016

Copyright © 2015 by Alloy Entertainment

Published by arrangement with Rights People, London

Die Originalausgabe erschien 2015 unter dem Titel

»The Originals: The Loss« bei Harlequin Books S.A.

»The Originals« created by © Julie Plec based on

The Vampire Diaries series

© 2016 für die deutschsprachige Ausgabe by cbt Verlag

in der Verlagsgruppe Random House GmbH, München

Alle deutschsprachigen Rechte vorbehalten

Aus dem Englischen von Michaela Link

Lektorat: Catherine Beck

Umschlaggestaltung: init | Kommunikationsdesign, Bad

Oeynhausen unter Verwendung des Originalumschlags,

Key Artwork © 2015 Warner Bros. Entertainment Inc.

All Rights Reserved.

jb · Herstellung: kw

Satz: Buch-Werkstatt GmbH, Bad Aibling

ISBN: 978-3-641-15525-4
V001

www.cbt-buecher.de

PROLOG

1766

Lily Leroux hatte sich vorgenommen, nicht zu weinen. Ihre Mutter hätte ihr Tränen niemals verziehen. Lilys Aufgabe bestand darin, in ihrem maßgeschneiderten schwarzen Kleid stark und selbstsicher zu wirken und außerdem die Beileidsbekundungen der Gemeinschaft entgegenzunehmen, ohne den Eindruck zu erwecken, sie brauche sie. Sie hatte jetzt das Kommando über die Hexen von New Orleans – oder das, was von ihnen übrig geblieben war. Sie musste sie führen, nicht sich auf sie stützen.

Gewiss konnten sie Führung gebrauchen. Lilys Mutter hatte ihr Bestes getan, um die Hexen zusammenzuhalten, nachdem der von ihnen heraufbeschworene Hurrikan die Stadt vor mehr als vierzig Jahren bis auf die Grundfesten zerstört hatte. Aber ihre eigenen Verluste damals waren ebenso katastrophal gewesen. Und noch schwerer hatte die Schuld daran gewogen, solche Zerstörung angerichtet zu haben.

In der Zwischenzeit hatten andere das von den Hexen hinterlassene Machtvakuum ausgefüllt. New Orleans war jüngst von den Franzosen an die Spanier abgetreten worden, die aber ihr neu erworbenes Gebiet nicht sehr zu interessieren schien. Stattdessen hatten die Vampire die Zügel der Macht ergriffen.

Die Mikaelsons – die Urvampire, drei der ersten überhaupt – hatten diesen Schritt zu einem idealen Zeitpunkt getan. Elijah, Rebekah und – der schlimmste von allen – Klaus beherrschten jetzt die Stadt. Die Hexen hassten sie voller Leidenschaft. Allerdings vermutete Lily, dass ihre Mutter eine Schwäche für sie gehabt hatte. Sie hatte jede Diskussion über eine mögliche Vergeltung stets durch den Hinweis beendet, dass die Hexen für ihre gegenwärtige Zwangslage selbst verantwortlich waren. Wenn sie nicht versucht hätten, rücksichtslos Rache an den Werwölfen zu nehmen, weil diese ihren Waffenstillstand missachtet hatten, würden sie jetzt nicht abgeschieden in den Nebengewässern des Bayou leben.

Aber Ysabelle Dalliencourts blinde Liebe zu den Vampiren hatte auch dazu geführt, dass ihre Beerdigung heute ein trauriger Schatten dessen war, was sie nach Meinung ihrer Tochter – Lily – verdiente. Ysabelle hatte ihre Leute aus der zerstörten Stadt geführt und ihre Gemeinschaft zusammengehalten; sie hatte ihnen von einem zerstörerischen Weg des Kriegs abgeraten und sie gelehrt, sich auf sich selbst und ihre Kunst zu konzentrieren, statt auf die wandelnden Gräuel, die auf ihrem ehemaligen Thron saßen.

Alle standen auf und Lily folgte benommen ihrem Beispiel. Sechs Hexen hoben sich den hölzernen Sarg ihrer Mutter auf die Schultern, und sie hörte Marguerite schluchzen, als sie den Sarg vorbeitrugen. Tröstend legte Lily ihrer Tochter eine Hand auf die magere Schulter und kämpfte gegen das Brennen in ihren Augen an.

Ihre Mutter hätte im Herzen von New Orleans in einem Schrein beigesetzt werden sollen, nicht in dem kleinen Schuppen, den die Hexen mitten im Sumpf gebaut hatten. Die Urvampire waren verantwortlich für diese Schmach, das wusste Lily. Sie hätten den Hexen ihre Schwäche nachsehen können, so wie die Hexen zuvor über die Brutalität der Vampire hinweggesehen hatten. Stattdessen hatten sich die Mikaelsons für ihre Freiheit entschieden, nachdem sie erst einmal davon gekostet hatten, und aus den Menschen von New Orleans eine Armee neuer Vampire erschaffen. Und dann die Hexen vertrieben.

Aber Lily wollte keine einzige Träne weinen. Wenn sie das tat, wäre der Sieg der Vampire vollständig – es würde das Zeichen sein, dass sie ihren starken Geist gebrochen hatten. Stattdessen zwang sich Lily, Isabels Dahinscheiden als Signal zu betrachten. Es war Zeit für eine neue Ära, einen Wachwechsel. Lily hatte es gründlich satt, unter der Tyrannei der Vampire zu leben. Die Mikaelsons mussten für ihre Sünden zur Verantwortung gezogen werden, und Lily Leroux würde dafür sorgen, dass sie für jede davon bezahlten.

KAPITEL 1

Klaus liebte solche Abende. Wein und Blut flossen in Strömen, und sowohl die entspannte Stimmung als auch die sommerliche Hitze hatten dazu geführt, dass alle ihre Kleider gelockert hatten. Er konnte nur vermuten, was im oberen Stockwerk vor sich ging, und wollte es für den Moment seiner Fantasie überlassen.

Es würde noch Zeit genug bleiben, um alles auszukosten. Das war einer der Vorzüge, wenn man sowohl König als auch Unsterblicher war: Er konnte tun, was immer er wollte und wann er wollte. Elijah kümmerte sich um die Verwaltung der Stadt, Rebekah kümmerte sich um die Mikaelsons, und Klaus war frei, sich um Klaus zu kümmern.

Zechende Vampire füllten jedes Zimmer im Erdgeschoss, aber auch im Obergeschoss wurde gefeiert. In den gut vierzig Jahren, die sie das ehemals bescheidene Heim eines sterbenden Waffenschiebers in Besitz hielten, hatten die Urvampire daran etliche Anbauten und Verbesserungen vorgenommen, aber trotz der Größe war es an diesem Abend brechend voll. Um erfolgreich über eine Stadt voller eifriger junger Vampire zu herrschen, würden die Mikaelsons vielleicht in ein größeres Haus umziehen müssen. Ein passendes Grundstück dafür zu finden, würde wahrscheinlich nicht mehr so schwierig sein wie einst. In einer von Werwölfen und Hexen freien Metropole kam man leicht an neuen Grundbesitz.

Die meisten der Werwölfe, die es geschafft hatten, den Hurrikan und die Explosion des Jahres 1722 zu überleben, waren weitergezogen, und diejenigen, die geblieben waren, hielten sich bedeckt. Den Hexen war es ein wenig, aber nicht viel besser ergangen: Sie hockten draußen im Bayou, ihre Gier nach Macht gebrochen. New Orleans war im Wesentlichen frei von Ungeziefer.

Jahrzehnte lag Viviannes Tod zurück, und doch: Wenn Klaus daran dachte, was die Hexen und Werwölfe ihr angetan hatten, verkrampften sich noch immer seine Eingeweide. Wie die Hexen sie den Werwölfen zur Heirat angeboten hatten, als hätte Viviannes einziger Wert in ihrem Erbe als dem Kind beider Clans gelegen. Nachdem die Hexen in einem Friedensvertrag Viviannes Leben weggegeben hatten, hatten die Werwölfe auf Schritt und Tritt mehr von dem Geist und Herzen der jungen Frau gefordert. Sie war zu jung gestorben, immer bemüht, es beiden Seiten recht zu machen.

Er drängte diese Gedanken beiseite und leerte seinen Whisky. Er hatte reichlich getrunken und sein Bestes gegeben, um sich wirklich in die festliche Stimmung um ihn herum einzufügen. Doch nach vierundvierzig Jahren erwartete er immer noch, dass Vivianne durch die Tür trat und ihn wieder vollständig machte.

»Ihr seid ja so still heute Abend, Niklaus. Soll ich Euch noch etwas zu trinken holen?« Eine vollbusige junge Vampirfrau ließ sich Klaus mit einem Kichern auf den Schoß fallen und durchbrach seine dunklen Gedanken. Ihr langes, rotblondes Haar roch nach Orangenblüten. Lisette, rief er sich ins Gedächtnis. Sie gehörte zu den neuesten Rekruten ihrer kleinen Armee, aber sie gab sich mit der Unbefangenheit eines Vampirs, der schon seit Jahrhunderten lebte. Die Urvampire schienen sie nicht einzuschüchtern, noch gab sie sich große Mühe, sie zu beeindrucken. Klaus fand diese Gleichgültigkeit ein klein wenig beleidigend.

Er blies sich einige ihrer langen Haarsträhnen aus dem Gesicht. »Möchtet Ihr Euch am Ende der Nacht immer noch wiedererkennen?«, fragte er mit drohendem Unterton.

»Ihr unterschätzt mich. Ich bin tiefgründig und mysteriös«, erklärte Lisette ihm mit einem gespielt ernsten Blick ihrer weit auseinanderliegenden grauen Augen. »Kommt mit mir nach oben und ich werde es Euch beweisen.«

Klaus strich ihr rötliches Haar beiseite und küsste sie zögerlich auf den Hals. Sie seufzte und drehte sich ein wenig, um seinem Mund einen besseren Zugang zu gewähren. »Nicht heute Nacht, Liebes«, murmelte er und ließ die Lippen über ihr Schlüsselbein gleiten. Wie ärgerlich Lisettes Anmaßung auch sein mochte, er musste zugeben, dass sie einen wunderschönen Hals hatte.

Am anderen Ende des Raums hatten zwei Vampire in ähnlicher Weise zueinandergefunden. Klaus, der sie beobachtete, fuhr fort, Lisettes leicht sommersprossige Haut mit den Lippen zu streicheln, ohne dabei allerdings etwas anderes als Leere zu empfinden. Er konnte sich dem Spiel überlassen, aber es würde ihn nicht wirklich mitreißen. Ganz gleich, auf welche Ausschweifungen er sich einließ, er konnte sich niemals ganz darin verirren.

Er wollte Vivianne zurückhaben. Das war der Kern der Sache. Er hatte versucht, sie zu begraben, um sie zu trauern und weiterzuziehen, weil er wusste, dass man so mit dem Tod umging. Das hatte er schließlich ungezählte Male mit angesehen. Allerdings würde niemand jemals gezwungen sein, seinen Verlust zu beklagen. Seine Mutter war eine Hexe gewesen, sein leiblicher Vater ein Werwolf, und um ihn vor dem Tod zu retten, hatte seine Mutter ihn zum Vampir gemacht. Klaus würde niemals sterben.

Es war nutzlos, wenn er sich selbst mit anderen verglich. Niklaus Mikaelson würde die Folgen eines normalen Todes niemals akzeptieren. Es war dumm und unter seiner Würde. Wenn er Vivianne Lescheres an seiner Seite wollte, wo sie für die Ewigkeit als seine Königin über New Orleans herrschte, warum sollte das eine unmögliche Forderung sein?

Lisette bewegte sich abermals und recht vergnüglich. Sie versuchte, seine volle Aufmerksamkeit zurückzugewinnen, doch es hatte keinen Sinn. »Ma petite Lisette, Ihr wollt Euch heute Nacht nicht mit mir einlassen«, sagte er und schob sie wieder auf die Füße.

»Wie Ihr wünscht«, erwiderte sie, bevor sie davonschlenderte – mit einem Blick über die Schulter, um sich davon zu überzeugen, dass Klaus ihr nachschaute. Natürlich tat er es – reine Höflichkeit, nachdem er ihre Avancen zurückgewiesen hatte. Und von hinten war sie ebenso ein Augenschmaus wie von vorn.

Er erhob sich ebenfalls und machte sich in die entgegengesetzte Richtung davon. Einige Männer und Frauen sprachen ihn auf seinem Weg durch die schwach beleuchteten Räume an, wo scharfe Zähne ihre Arbeit taten, klirrendes Gelächter erklang und sich Glieder im Sinnesrausch umschlangen. Er ignorierte alles, da ihm endlich klar geworden war, wie er diese Nacht verbringen wollte.

Er stieg die kunstvolle Wendeltreppe mit dem roten Seidenteppich hinauf, den Rebekah aus Ostasien hatte kommen lassen. Aus mehreren Schlafzimmern hörte er wieder seinen Namen rufen, aber diesmal von leiseren, kehligeren Stimmen. Er widerstand dem Impuls, in die Zimmer zu schauen, deren Türen jemand achtlos – oder vorsätzlich – offen gelassen hatte. Stattdessen ging er zu einer kleinen Treppe im Hinterhaus.

Klaus hatte seine Geschwister gebeten, diesen Teil des Hauses nur zu ihrer eigenen Benutzung zu reservieren, und Rebekah hatte einen mittelalterlichen Wandteppich ausgesucht, um den Zugang zum Treppenhaus dahinter zu verbergen: ein Einhorn mit golddurchwirkter Mähne, das Haupt sanft in den Schoß einer liebreizenden Maid gebettet. Rebekah hatte manchmal die seltsamsten Einfälle. Er blickte hinter sich und zog sich vor seinen Gästen und deren Ausgelassenheit hinter den Vorhang und in die Sicherheit seiner Zuflucht auf dem Dachboden zurück.

Dies war der einzige Ort im Haus, an den seine Schwester nicht ihre rastlosen Hände gelegt hatte. Der Dachboden war viel größer als zu der Zeit, da sie das Haus geerbt hatten, aber er hatte sich sein ursprüngliches ländliches Aussehen bewahrt. Rohe Balken stützten das hohe Giebeldach und die rauen Dielenbretter knarrten unter seinen Füßen. In die Giebel waren einige Fenster eingelassen, sodass tagsüber Sonnenlicht einfallen konnte.

Klaus folgte mit seiner Staffelei der Sonne und beobachtete, wie sich seine Bilder im Laufe des Tages verwandelten. Manchmal kam er bei Nacht hier herauf, entzündete einige Kerzen und trat von der Staffelei zurück, um all seine Leinwände gleichzeitig auf sich wirken zu lassen. Er hatte fieberhaft gearbeitet und konnte sich nicht daran erinnern, jemals so produktiv gewesen zu sein.

Doch es war reine Verschwendung, denn jedes Gemälde zeigte sie. Viviannes linkes Auge, schwarz in einem bleichen Meer aus Haut. Die Umrisse von Vivianne, wie sie mitten in der Nacht über eine gepflasterte Straße lief. Vivianne in seinem Bett in jener ersten Nacht, der letzten Nacht, jeder Nacht.

Es war nicht Arbeit, sondern Folter. Er konnte nichts anderes malen. Selbst wenn er mit einem anderen Thema begann, wurde das Bild unweigerlich zu einem weiteren Aspekt Viviannes.

Seine momentane Arbeit zeigte ihr Haar: schwarz und glatt wie Rabenflügel, aber mit einem Leben und einer Bewegung, die einzufangen Klaus Mühe bereitete. Im Licht seiner Kerze sah das Bild ausdruckslos und falsch aus, eine Geschichte, die er irgendwie nicht zu erzählen vermochte. Er griff nach einem Pinsel und begann zu arbeiten, fügte an manchen Stellen Textur und Licht hinzu, während er andere dunkel ließ.

Der Schutzzauber des Hauses heulte los, wie er das schon die ganze Nacht über immer wieder getan hatte. Niemand schenkte ihm Beachtung, weil alle zu sehr von der Feier in Anspruch genommen waren. Aber Klaus hielt inne, den Pinsel dicht über die Leinwand gesenkt, als er im Ostfenster eine Hexe erblickte. Sie hatte sich auf das äußere Sims drapiert wie auf eine Parkbank.

Klaus erkannte sie sofort. Auch wenn Ysabelle Dalliencourts alter Schutzzauber auf sie reagierte, war sie hier nicht unbedingt ein unerwarteter Eindringling. In Lilys Zügen sah er das Erbe ihrer Mutter, in der starken, geraden Nase und den langen Flächen ihrer Wangen. Ihr Haar war eher rostrot als kastanienbraun, aber ihre Augen waren von dem gleichen unergründlichen Braun wie die von Ysabelle.

Er eilte zum Fenster und wünschte, er könnte im Vorbeigehen all seine Leinwände bedecken. Vivianne und Lily mochten Cousinen gewesen sein, aber Lily hatte kein Recht, ihre Cousine so zu sehen, wie Klaus sie porträtierte. Ungeachtet ihrer Verwandtschaft war Lily eine von ihnen, eine Nachfahrin der Feiglinge und Schwächlinge, die Viv in ihr Verderben hatten gehen lassen.

Trotzdem öffnete er das Fenster und lud sie ins Haus ein, denn Lily war die erste Hexe seit über vierzig Jahren, die auf Klaus’ Annäherungsversuche reagierte. Daher konnte er es sich nicht leisten, sie zu kränken.

Die Wiedererweckung der Toten war schwierig, aber es war mehr als nur das. Sie erforderte dunkle und furchterregende Magie, die auch nur zu versuchen kaum jemand wagen würde. Jahrzehntelang hatte Klaus gestreut – leise und ohne seine Geschwister in etwas zu verwickeln, das sie wirklich nichts anging –, dass der Preis dafür, die Hexen wieder nach New Orleans zu lassen, Vivianne sei. Die Hexen wollten unbedingt wieder in ihre Heimat zurück, aber keine hatte sich je freiwillig gemeldet, um sich an der Aufgabe zu versuchen. Er wusste, dass es hauptsächlich an Ysabelle gelegen hatte. Aber sie war jetzt tot, und ihre Tochter war gekommen, um mit ihm zu feilschen.

»Ich kann Euch gewähren, wonach es Euch gelüstet«, sagte Lily Leroux ohne jede Einleitung. »Aber es wird Euch etwas kosten. Etwas für den Zauber und etwas für meine Tochter.«

»Wie ich gesagt habe …«, begann Klaus, aber sie winkte ungeduldig ab.

»Ich weiß, was Ihr bereit seid anzubieten«, rief sie ihm ins Gedächtnis. »Jetzt hört Euch an, was ich will.«

Klaus war niemals erpicht darauf, auf der falschen Seite eines Abkommens zu stehen, aber wenn es bedeutete, dass ihm Vivianne zurückgegeben wurde, würde er sich alles anhören, was die Hexe zu sagen hatte.

KAPITEL 2

Rebekah musste zugeben, dass Klaus wusste, wie man ein Fest gab. Sie und ihre beiden Geschwister lebten jetzt schon so lange relativ abgeschieden, dass ihr inzwischen neue Gesellschaft immer recht war, und Klaus schien immer bereit zu sein, reichlich Freunde für sie zu finden. Schlanke junge Vampire füllten die Villa, tanzten, sangen, tranken und bedachten einander mit verlockenden Blicken … einander und sie, Rebekah. Immer wieder sie. Sie war mehr als eine Berühmtheit unter ihnen; sie war praktisch eine Göttin.

Nach einigen Gläsern Champagner stellte Rebekah fest, dass es ihr recht gut gefiel, angebetet zu werden. Es gab einige – nun, sogar ein paar mehr – junge männliche Vampire, die um ihre Aufmerksamkeit wetteiferten, und sie ermutigte sie schamlos. Da waren ein Robert und ein Rodger, die sie ständig verwechselte, und Efrain, der außerordentlich blaue Augen hatte, aber bei ihrem bloßen Anblick erstaunlich wortkarg wurde. Heute Nacht jedenfalls wurde gefeiert und morgen Nacht wahrscheinlich auch.

Robert (sie war sich fast sicher) füllte ihr Glas wieder auf, bevor es leer war, und sie lächelte ihn träge an. Sie waren wie süße, bewundernde Welpen, die zu ihren Füßen saßen und jedes Krümelchen Aufmerksamkeit aufleckten. Es war unmöglich, einen von ihnen ernst zu nehmen, aber vielleicht war etwas nicht ganz so Ernstes genau das, was sie brauchte.

Sie war verliebt gewesen, und sie wusste, wie das geendet hatte. Aber sie würde sehr lange leben, und es war nicht realistisch, den Rest der Ewigkeit damit zu verbringen, vor jeder Art Beziehung davonzulaufen. Eine gute Affäre war eine amüsante Ablenkung … und dann vielleicht eine weitere danach.

Eine offensichtlich fröhliche Vampirfrau mit rötlich-goldenem Haar kam in den Salon geschlendert, und gleichzeitig bemerkte Rebekah, dass Klaus den Salon in die entgegengesetzte Richtung verließ. Er stiehlt sich wieder mal davon, vermutete sie. Er war so unwiderstehlich wie immer und lockte Menschen und Vampire gleichermaßen an. Auf seinen Vorschlag hin kamen sie ins Haus geschwärmt und dann versteckte er sich vor ihnen wie ein Eremit. Er würde wieder auf den zugigen Dachboden gehen, sie wusste es genau.

»Ich bedauere die Unhöflichkeit meines Bruders«, sagte sie dem weiblichen Vampir impulsiv.

Die grauen Augen des Mädchens weiteten sich für einen Moment vor Überraschung, als sei es ihr nie in den Sinn gekommen, sich durch Klaus’ abrupte Launen kränken zu lassen. Rebekah kam sich töricht vor, weil sie es überhaupt erwähnt hatte, aber dann lächelte das Mädchen unbefangen. Ihre Zähne waren so weiß und gleichmäßig wie eine schöne Perlenschnur. »Keine Ursache«, versicherte sie Rebekah so lässig, als seien sie einander ebenbürtig. »Er ist eben, wer er ist.«

»Weise Worte«, stimmte Rebekah zu, leerte ihren Champagner und sah Rodger vielsagend an.

Er eilte davon, um eine neue Flasche zu holen.

»Es ist Klaus nicht gegeben, an andere zu denken.«

Während der vergangenen gut vierzig Jahre hatte Klaus nur in eins wirklich Energie gesteckt: Rebekah und Elijah in den Wahnsinn zu treiben. Er hatte bei einem Kartenspiel ein schäbiges Bordell gewonnen, das ihm schon immer gefallen hatte, und es prompt wieder verloren. Das Southern Spot hatte eine ganze Woche lang unter dem neuen Namen – Schläge und Krallen – firmiert, bevor sein altes Namensschild wieder aufgehängt worden war. Trotzdem hatte Klaus unglaubliche Mengen an Zeit dort verbracht, getrunken und gehurt, als sei es immer noch seine Aufgabe, das Haus zu verwalten. Er war morgens nur hinausgestolpert, um die Kämpfe der französischen Armee zu stören und nach Belieben Blut zu trinken, sodass Rebekah wieder und wieder Zwang hatte anwenden müssen. Er hatte sich daran ergötzt, die französischen Gouverneure zu peinigen, bis sie aus der Stadt gejagt wurden, sodass die Urvampire beinahe den Anspruch auf ihr Land eingebüßt hätten, als die Franzosen die Kolonie nach dem Krieg an die Spanier übergaben.

Das rothaarige Mädchen setzte sich, ohne auf eine Einladung zu warten. Rebekah zog eine Augenbraue hoch, aber das kühne junge Ding schien sich davon nicht im Mindesten einschüchtern zu lassen. »Ich würde auch nicht von ihm erwarten, dass er an irgendjemanden als sich selbst denkt«, stimmte das Mädchen unbefangen zu. »Ich habe nur versucht, ihm aus seiner Stimmung zu helfen.«

»Und warum sollte er für Euch weniger launisch sein als für uns Übrige? Ich kenne Euch nicht einmal«, machte Rebekah geltend. Sie war sich sicher, das Mädchen schon mal gesehen zu haben, aber wahrscheinlich hatte sie Robert/Rodger zu viel Aufmerksamkeit geschenkt, um sie wirklich zu bemerken. Wie dem auch sei – nur weil jemand ein paar ihrer Feste besuchte, gehörte er wohl kaum zum Kreis der Vertrauten der Mikaelsons.

»Oh! Ich bin Lisette«, zirpte die junge Frau und streckte die Hand aus, als sei ihr das erst nachträglich eingefallen. Sie bot keine andere Erklärung oder Verteidigung für ihre Anmaßung an, und es schien, als sei sie sich deren gar nicht bewusst. Der geheimnisvolle Nimbus der Urvampire schien auf sie keine Wirkung zu haben. Nach der scharwenzelnden Aufmerksamkeit von Rebekahs Bewunderern war das wie ein Sprung in kaltes Wasser.

Rebekah zögerte für einen winzigen Moment, bevor sie Lisettes ausgestreckte Hand ergriff. Ein Teil wollte geziemende Ehrfurcht in das Mädchen hineinschütteln … aber der Rest von ihr genoss tatsächlich den Reiz des Neuen. Eine Affäre wäre wunderbar, aber eine Freundin … wie lange war es her, seit Rebekah eine echte Freundin gehabt hatte? Ihr Wesen, ihre Position und ihre Familie machten es buchstäblich unmöglich, weibliche Freunde zu finden, geschweige denn, sie zu behalten. Rebekah Mikaelson war gefährlich, Furcht einflößend, unsterblich und zurückhaltend. Aber Lisette schien das nicht zu stören.

»Also, erzählt mir von Euch, Lisette«, befahl sie, dann biss sie sich auf die Zunge und mäßigte ihren Ton. »Bitte?«

»Oh, über mich? Da gibt es wirklich nichts zu erzählen.« Lisette kicherte, aber das hinderte sie nicht daran, sofort einige schwatzhafte Details über die anderen Gäste hervorzusprudeln.

Sie sprach weiter und Rebekah genoss die Normalität des Gesprächs. Sie hätten in einem Alter sein können: junge Frauen, die gemeinsam ihren Weg suchten. Sie lauschte entzückt und stellte Fragen, wann immer Lisette ein wenig gedrängt werden musste, und Lisette kam ihrem Drängen mit einem erstaunlichen Fundus an Informationen über fast alle Gäste nach. Die meisten von Rebekahs Schoßtieren gaben nach einer Weile auf und schlenderten davon, und selbst der schüchterne, verliebte Efrain sah sich um, als wäre er lieber anderswo.

Aber Rebekah scherte das nicht. Bewunderung war dieser Tage leicht genug zu erregen, aber Lisette verschaffte ihr ein Vergnügen anderer Art. Sie unterhielten sich noch immer, als an der geschwungenen Haupttreppe ein Aufruhr entstand und Rebekah widerstrebend zu dem Schluss kam, dass sie der Sache auf den Grund gehen musste. Sie hatte zu viel Arbeit darauf verwandt, dieses Haus behaglich zu machen, um es vor die Hunde gehen zu lassen, ganz gleich, wie gut sich alle amüsierten.

Als sie jedoch die vordere Halle erreichte, wurde ihr klar, dass nicht die jüngsten Vampire das Problem waren. Klaus war aus seiner Schmollecke zurückgekehrt und schien entschlossen zu sein, die anderen an seinem Elend teilhaben zu lassen. Einige verängstigte Vampire, teils fast unbekleidet, kauerten sich auf der Treppe zusammen, während Klaus an ihnen vorbeidrängte. »Wenn ich feststelle, dass Ihr irgendetwas in diesen Räumen angefasst habt, werde ich Euch auf der Suche danach die Kehle aufschlitzen bis zum Rückgrat«, bedrohte er den Vampir, der ihm am nächsten saß und statt einer Antwort nur zitterte.

War irgendetwas verschwunden? Etwas, das Klaus gehörte? Was es auch war, es musste wichtig genug sein, dass er danach suchte, während die Feier noch im Gang war. Sie konnte sich nicht vorstellen, was ihn dazu provozieren würde, sich so bizarr zu benehmen, außer dass er vielleicht zu lange keine Szene mehr gemacht hatte und einfach nicht anders konnte.

»Meine liebe Schwester!«, begrüßte er sie, seine Stimme ein Hohn brüderlicher Wärme. Dann schien ihm ein Gedanke zu kommen. »Wahrscheinlich hast du es«, erklärte er kryptisch und ging wieder die Treppe hinauf.

»Ich … hast du vielleicht vor, in mein Zimmer zu gehen?«, kreischte Rebekah und lief ihm nach. »Niklaus, was zum Teufel ist in dich gefahren?«

Da war er doch auf seinem Dachboden brütend wesentlich besser aufgehoben gewesen.

Er antwortete nicht. Stattdessen riss er die Tür zu ihrem Zimmer auf und begann, in ihren Sachen zu wühlen. Ihren Sachen; er konnte nicht einmal diese eine winzige Ecke des Hauses in Ruhe lassen.

Sie packte ihn am Arm, aber er schüttelte sie ab und kippte den Inhalt ihres Schmuckkastens auf die Ankleidekommode. Perlen und Topase fielen überall hin, weiches Gold glitzerte auf dem bemalten Holz. »Es ist nichts«, murmelte er und machte sich nicht einmal die Mühe, überzeugend zu lügen. »Es ist nur ein Kleinod, das ich verloren habe, und es könnte hier oben gelandet sein.«

Er öffnete eine weitere Schachtel, durchwühlte sie achtlos und warf einen Rubinohrring auf den Teppich, ohne es auch nur zu bemerken. Eine silberne Kette zerriss unter seinen unvorsichtigen Fingern, eine Kette, die Eric Moquet Rebekah geschenkt hatte, als sie beide geglaubt hatten, sie könnten ihr Leben zusammen verbringen. »Hinaus mit dir!«, rief Rebekah und stieß Klaus mit aller Kraft zurück. Er flog mit einem befriedigenden Splittern in die Tür. »Was immer es ist, hier wirst du es nicht finden.«

Klaus sprang wieder auf die Füße und ging ins Nebenzimmer. Binnen Sekunden hörte Rebekah ein weiteres Krachen aus einem anderen Raum im Flur. Wenn sie ihrem Bruder nicht folgte, begriff sie, würde der Schaden ungeahnte Ausmaße erreichen. Er hatte sich diesmal nicht einmal die Mühe gemacht, die Leute aus dem Raum zu werfen. Rebekah fand ihn, wie er Kleider aus einem Schrank riss, während zwei Vampire ihn vom Bett aus beobachteten. Sie hatten sich eine bestickte Tagesdecke bis ans Kinn hochgezogen, als würde die dünne Seide sie vor einem irrsinnigen Vampir schützen. »Hör auf mit diesem Wahnsinn«, befahl sie.

Er wedelte geringschätzig mit der Hand, um sie wegzuschicken, und ging ans obere Ende der Treppe. Dann rief er nach unten, dass es an der Zeit sei, dass alle ihre Gäste fortgingen. Warum lag es bei Klaus zu entscheiden, dass das Fest vorüber war? Er hatte ein besonderes Talent dafür, schöne Dinge zu ruinieren.

Rebekah erreichte den Fuß der Treppe gerade rechtzeitig, um zu sehen, wie Klaus in Elijahs Arbeitszimmer verschwand. Sie war davon überzeugt, dass Elijah ihr dafür danken würde, ihn daraus fernzuhalten, und so knirschte sie mit den Zähnen und drängte sich durch die Menge.

Klaus hatte bereits mit Gewalt eine Schublade von Elijahs Schreibtisch geöffnet und Rebekah schnappte nach Luft. Elijah war noch nicht erschienen, aber sobald ihr Bruder sah, was Klaus tat, würde das Haus nicht mehr groß genug für sie drei sein.

»Fass das nicht an«, schrie sie und warf sich gegen die Schublade, um sie zuzuschlagen. Klaus stieß sie beiseite und brach das Schloss einer weiteren Schublade auf. Rebekah stieß ihn zurück, und er prallte gegen einen der großen Kerzenleuchter, die Elijah an den Wänden hatte. Der Kerzenleuchter schwankte gefährlich zum Fenster hin, und Rebekah hatte gerade genug Zeit, um zu sehen, wie sich ein Rauchfaden aus dem Stoff erhob, bevor Klaus auf sie zusprang.

Die Wucht seines Angriffs schleuderte sie beide hinaus in die vordere Halle, knurrend und um sich beißend. Vampire zerstreuten sich und irgendwo in der Nähe hörte Rebekah das Geräusch von brechendem Glas. Scharf riechender Rauch driftete aus der offenen Tür des Arbeitszimmers, und sie vermutete, dass die Vorhänge Feuer gefangen hatten. Klaus zerstörte alles.

Sie konnte nicht länger so leben, nicht mit Klaus, dem Gräuel. Er wusste nichts von dem zu schätzen, was sie oder Elijah für ihn taten. Er war so selbstsüchtig, dass er sich nicht vorstellen konnte, dass seine Geschwister vielleicht lieber nicht ihr Leben damit verbrachten, entweder die Folgen seines letzten Unheils zu bereinigen oder zu versuchen, das nächste vorherzusehen.

Während sie in Klaus’ Würgegriff um Atem rang, traf Rebekah einen Entschluss: Sie würde einen Weg finden, um zu vernichten, was von Klaus’ Glück übrig war – geradeso, wie er es immer schaffte, ihres zu ruinieren.

KAPITEL 3

Elijah strich Ava müßig mit einem Finger über den nackten Arm und war vollkommen in Frieden mit sich. Solch ruhige Heiterkeit war nicht leicht zu haben gewesen und nur zu einem hohen Preis, aber er hatte es geschafft. Er hatte seine Geschwister zusammengehalten und jedes Hindernis überwunden, das ihnen diese Stadt in den Weg geworfen hatte, und jetzt war es Zeit, den Lohn zu ernten.

Die Franzosen hatten ihren Zugriff auf die Region verloren, und jetzt hatte Spanien die Macht an sich gerissen und seine eigene Herrschaft über New Orleans etabliert. Aber es wurde schnell klar, dass König Carlos III kein Interesse daran hatte, tatsächlich die Stadt zu verwalten, und der spanische Gouverneur, den er hergeschickt hatte, fand die Aufgabe auch nicht besonders reizvoll. Die französischen Siedler widerte der Regimewechsel an und Elijah hatte menschliche Unruhen immer als Chance betrachtet.

Als Ergebnis seiner Klugheit und Voraussicht lief inzwischen alles, was in New Orleans von Belang war, über ihn. Handel, Bau, juristische Angelegenheiten … Elijah Mikaelson war das schlagende Herz der Stadt. Und sobald er begriffen hatte, dass die Hexen ihren Bann auf die Erzeugung neuer Vampire nicht länger durchsetzen konnten, hatte Elijah ein besonderes Entzücken daran gefunden, eine neue Gemeinschaft zu erschaffen. Seine Familie war das Herz seiner Welt, aber es hatte auch Vorzüge, eine Gesellschaft aufzubauen. Er hatte alles, was er wollte, und jetzt hatte er Ava, die entschlossen zu sein schien, sich alle möglichen neuen Dinge auszudenken, die er begehren konnte.

Sie streckte sich auf dem Himmelbett aus und das wechselnde Licht des Kaminfeuers malte eigenartige Muster auf ihre Haut. Gerade als er wieder die Hand nach ihr ausstreckte, hörte er ein Krachen, und von unten kam ein Schrei. Er wartete einen Moment lang ab und hoffte, dass der Schrei in dem gewöhnlicheren Lärm eines Fests untergehen würde, aber der Aufruhr schien nur lauter zu werden.

»Es kann doch nicht solch eine Katastrophe sein, dass Ihr gehen müsst? Ich höre kaum etwas«, protestierte Ava, als er sich vom Bett erhob, und das Glitzern in ihren katzenähnlichen Augen war beinahe genug, um ihn dazu zu bewegen, den Ärger zu ignorieren.

»So gern ich mich weiter an Eurem Anblick ergötzen würde, mir scheint, dass meine Aufmerksamkeit anderswo erforderlich ist«, sagte Elijah mit einem letzten schnellen Kuss, als er wieder in seine achtlos beiseite geworfene Kleidung schlüpfte. Er war nicht an die Macht gekommen, weil er Warnzeichen ignoriert hatte.

Im Flur konnte er in dem allgemeinen Getöse die Stimmen seiner beiden Geschwister ausmachen. Außerdem aber auch ein deutliches Prasseln und er roch Rauch. Elijah fand sich damit ab, sich mit dem zu beschäftigen, was dort unten vor sich ging, und Ava für die Nacht zu verlassen. Seine Bereitschaft, sich in solche Niederungen zu begeben, war der Grund, warum er das Sagen hatte, und nicht die Spanier. Aber manchmal erzürnte es ihn, immer derjenige sein zu müssen, der die Verantwortung trug. Er stürmte die Treppe hinab und aus seinem Arbeitszimmer schlug ihm der Gestank von Rauch entgegen.

Für einen Moment erstarrte Elijah in der Tür und nahm die Katastrophe in sich auf. Er hatte sein Arbeitszimmer häufig als Refugium benutzt, um sich von den endlosen Streitereien seiner Geschwister abzuschirmen, aber noch mehr als das hatte er es in schwierigen Zeiten zu seinem Arsenal gemacht. Die Urvampire besaßen Magie nicht auf die Art, wie ihre Mutter es getan hatte – sie waren Magie. Ihre ganze Existenz wurde von Magie umrahmt und ihr Leben hing davon ab. Elijah hatte eine beeindruckende Bibliothek von Büchern und Manuskripten zu dem Thema angelegt, zusätzlich zu all den gewöhnlichen Papieren, die seine herausragende Stellung in New Orleans erforderte. Es war ein unerwarteter Schlag, all das brennen zu sehen, und Elijah krümmte sich, um die rauchige Luft tief einzuatmen, während sich seine Nägel in seine Fäuste bohrten.

Zusätzlich zu den Vorhängen waren zwei hölzerne Bücherregale zu beiden Seiten des Fensters in Flammen aufgegangen, und vieles darauf sah aus, als könne man es nicht mehr retten. Aber die verkohlten Wände und Bücher waren nicht der einzige Schaden. Sein Schreibtisch – ein schweres Möbel aus Kastanienholz – stand schief im Raum, und einige der Schubladen, von denen er wusste, dass sie verschlossen gewesen waren, standen offen. Das Feuer war nicht einfach ein unglücklicher Unfall gewesen; irgendjemand war in diesem Raum gewesen und hatte seine Sachen durchstöbert.

Und Elijah konnte erraten, wer dieser Jemand gewesen war. Rebekah mochte ihn provoziert haben – sie konnte nicht immer an sich halten –, aber die Zerstörung in seinem Arbeitszimmer war Klaus’ Werk. Es gab niemanden sonst auf der Welt mit einem solchen Talent, Chaos zu stiften, wo man es am wenigsten gebrauchen konnte.

Trotz Elijahs ungewöhnlicher Stärke und Geschwindigkeit brauchte er einige Minuten, um das Feuer zu löschen. Im Hauptraum waren Rebekah und Klaus in einen sinnlosen Kampf verstrickt. Keiner von ihnen hatte einen Silberdolch oder, glücklicherweise, einen Pflock aus weißer Eiche – die beiden einzigen Waffen, die einen Urvampir töten konnten. Sie würden einander nur verärgern und sich zum Narren machen. Ihre Wunden würden heilen, aber die Peinlichkeit würde bleiben.

Elijah packte Klaus am Kragen und warf ihn rückwärts, dann trat er vor, um den Fuß auf Rebekahs Brust zu stellen. Er hörte Klaus, wie er sich mühte aufzustehen, und hob warnend eine Hand. »Das reicht«, sagte er leise. »Ihr beide wart es zufrieden, das Haus um euch herum niederbrennen zu lassen. Weswegen?«

Sie begannen sofort zu streiten, und er hob abermals die Hand, um sie zum Schweigen zu bringen. Dann deutete er widerstrebend auf Klaus. Lieber hätte er zuerst Rebekahs Version der Ereignisse gehört, da sie fast mit Sicherheit zutreffender war. Aber Klaus würde niemals ruhig dasitzen und sie erzählen lassen. Wenn er ihm dieses kleine Zugeständnis machte, würde das helfen, den Frieden wiederherzustellen.

»Unsere Schwester ist außer Kontrolle«, zischte Klaus verächtlich, während er aufstand und sich den Staub vom Mantel klopfte. »Ich habe sie gebeten, mir bei der Suche nach einem einfachen Schmuckstück zu helfen, und sie ist mir durchs Haus gefolgt und hat mich wie eine Wahnsinnige angegriffen.«

Zu Elijahs Schreck stürmte Klaus aus dem Raum, ohne auf ein weiteres Wort zu warten, und versprengte dabei die verbliebenen Gäste im Haus.

»Er hat den Verstand verloren«, erklärte Rebekah, schob Elijahs Fuß, der keinen Widerstand leistete, weg und richtete sich auf. »Ich weiß nicht, was er im Schilde führt, aber das, was er sucht, ist nicht nur ein Schmuckstück. Dafür will er es zu sehr.«

Es gab keinen Zweifel daran, dass sie recht hatte. Elijah konnte sich nicht vorstellen, wonach Klaus suchte oder warum es seinen Bruder plötzlich gepackt hatte, dass er diesen Gegenstand auf der Stelle haben musste, noch dazu mitten in der Nacht. Klaus hätte das Fest genießen sollen, statt das Haus auseinanderzunehmen. Irgendetwas hatte das bei ihm ausgelöst, und Elijah vermutete widerstrebend, dass er dieser Angelegenheit würde auf den Grund gehen müssen.

Gemeinsam folgten sie den verräterischen Geräuschen von Klaus’ erneuerter Durchsuchung von Elijahs Schlafzimmer. Ein schneller Blick verriet Elijah, dass Ava gegangen war. Ein Stich der Frustration durchzuckte ihn – Klaus’ Selbstsucht kannte keine Grenzen, oder auch nur Hemmungen, in das Leben aller anderen einzudringen.

»Du bist in diesem Zimmer nicht willkommen, Bruder«, warnte Elijah ihn mit kalter, drohender Stimme. »Was immer dir dieser Tand, den du suchst, bedeutet, du bist nach wie vor ein Mitglied dieser Familie, und dein Verhalten ist inakzeptabel.«

Er glaubte, Klaus leise kichern zu hören, als er Elijahs Kleiderschrank öffnete und sich auf die Suche machte. Elijah verstand, warum Rebekah die Geduld verloren und ihn angegriffen hatte – es schien keine andere Möglichkeit zu geben, in diesem Zustand zu ihm durchzudringen.

»Wenn wir wüssten, was er will …«, flüsterte Rebekah, deren blaue Augen zur Seite flackerten, während sie seinen Blick suchte. Sie hatte recht. Wenn sie es vor ihm finden konnten, hätten sie eine Handhabe, um Klaus dazu zu bringen … was zu tun? Sich zu entschuldigen? Sein Verhalten zu erklären? Nachzudenken? Nichts von alledem war wahrscheinlich.

Aber wo sollten sie anfangen? Das Haus war voller mächtiger Gegenstände, die sie im Laufe der Jahrhunderte gesammelt hatten, und Klaus konnte es auf jeden abgesehen haben. Ihre Mutter war eine der mächtigsten Hexen in der Geschichte gewesen und sie waren die ältesten und stärksten Vampire überhaupt. Nützliche, schöne und unbezahlbare Dinge waren in ihrem Haus so alltäglich, dass sie das Fehlen von einem davon niemals bemerkt hätten, wenn Klaus nicht diese wahnsinnige Suche angefangen hätte.

»Sag uns, was du willst, Bruder«, befahl Elijah.

Zu seiner Überraschung tauchte Klaus aus dem Kleiderschrank auf und wirkte beinahe vernünftig. »Ich will in Ruhe gelassen werden, Bruder«, gab er sarkastisch zurück. Seine Stimme war unbeschwert, aber in seinen blaugrünen Augen brannte eine Leidenschaft, von der Elijah dachte, dass sie an Wahnsinn grenzte. Vielleicht hatte Rebekah recht: Vielleicht verlor ihr Bruder tatsächlich den Verstand. Er war seit jener schrecklichen Nacht, in der Vivianne Lescheres gestorben war, nie mehr derselbe gewesen, aber es war nicht so, als hätten sie nicht alle während ihres langen Lebens Verluste erlitten.

»Du hast kein Recht, in Ruhe gelassen zu werden«, erklärte Elijah. »Ich habe alles dafür gegeben, diese Zuflucht für dich zu bauen – für euch beide.« Er sah Rebekah zusammenzucken, aber es kümmerte ihn nicht. »Ich habe Jahrzehnte darauf verwandt, ein Königreich für uns aufzubauen, und du brauchst nur dazusitzen und es zu genießen. Stattdessen verschwendest du deine Zeit auf diesen Unsinn. Du lässt unser Haus niederbrennen, während du nur daran denkst, was du willst. Das Gleiche wird mit dieser ganzen Stadt geschehen, wenn du nicht vorsichtig bist.«

Klaus ging einfach davon. Weder reagierte er noch beklagte er sich oder stritt. Stattdessen schlenderte er an ihnen vorbei, als habe er kein einziges Wort gehört.

Etwas hatte sich in seinem Bruder verändert. Sie hörten unten eine Tür zuschlagen, dann stellten sich die feinen Härchen auf Elijahs Armen auf. Er konnte Klaus pfeifen hören. Fröhlich.

»Den wären wir los«, murmelte Rebekah, sobald das Geräusch verhallt war.

Aber Elijah wusste, dass dies nicht das Letzte war, was sie von ihrem Bruder hören würden. Klaus führte nichts Gutes im Schilde, und was immer er vorhatte, fing gerade erst an.