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DIE AUTORIN

Siobhan Curham ist eine preisgekrönte Roman- und Sachbuchautorin, Motivationstrainerin und Life-Coach. Sie schreibt für Jugendliche und Erwachsene. Wenn sie gerade mal nicht mit Worten spielt, dann verrenkt sie sich auf ihrer Yogamatte, hört wunderbar knisternde Musik auf Vinyl oder träumt mit offenen Augen davon, doch noch eines Tages Tänzerin zu werden.

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1. Auflage 2016
© 2015 Siobhan Curham
Die Originalausgabe erschien 2015
unter dem Titel „True Face – Be real. Be Fearless. Be You.“
bei Faber & Faber Ltd, Bloomsbury House,
74-77 Great Russell Street, London WC1B 3DA
© 2016 für die deutschsprachige Ausgabe cbt Verlag
in der Verlagsgruppe Random House GmbH,
Neumarkter Str. 28, 81673 München
Alle deutschsprachigen Rechte vorbehalten
Aus dem Englischen von Kattrin Stier
Lektorat: Kerstin Kubitz
Umschlaggestaltung: zeichenpool, unter Verwendung von Motiven von © Shutterstock (ayelet-keshet, foxie, Martina Vaculikova, Elinalee, Apolinarias)
Vignetten © Shutterstock (ayelet-keshet, foxie, Martina Vaculikova, Elinalee, Apolinarias)
TP • Herstellung: MH
Satz: DTP im Verlag
ISBN: 978-3-641-16358-7
V002

www.cbt-buecher.de

Dieses Buch ist DIR gewidmet!
Wage zu träumen, liebe furchtlos und
lebe dein wahres Leben!

Zeig mir nicht dein Tweet-Gesicht
und txte nicht nur mit mir.
Zeig mir dein wahres Gesicht
und lass dein Herz sprechen.

Inhalt

Einleitung

True Face

1 Wer bist du?

2 Wer warst du?

3 Nimm die Maske ab

4 Entdecke deine Star-Eigenschaften

5 Hör nicht auf deine Selbstzweifel

Die wahre Liebe

6 Wahre Selbstliebe

7 Wahre Liebe

8 Zeig dich, wie du wirklich bist

Das wahre Leben

9 Dein wahres Körperbild

10 Dein wahrer Stil

11 Wahre Freunde

12 Deine wahre Berufung

Zum Schluss

Einleitung

„Die ganze Welt ist Bühne und alle Frau‘n und Männer bloße Spieler“, schrieb der englische Dichter William Shakespeare vor mehr als 400 Jahren. Man muss nur einmal kurz unsere Twitter- und Facebook-Feeds durchschauen, um zu erkennen, dass dieses Zitat zwar jahrhundertealt, aber zutreffender denn je ist.

Heutzutage könnte man allzu oft das Gefühl haben, wir führten unser Leben wie im Theater vor einem riesigen Publikum auf und würden dabei von einer Vielzahl widersprüchlicher Regieanweisungen überflutet. Das Internet, Zeitschriften und andere Medien bombardieren uns geradezu mit Bildern, wie dünn, sexy und schlicht perfekt wir zu sein haben (wobei alle darüber hinwegsehen, dass es sich bei diesen Bildern meist um retuschierte Illusionen handelt). Irgendwelche Stars erklären uns ständig, wie wir leben, was wir essen und wie wir lieben sollen – nur um sich gleich im Anschluss selbst in Therapie zu begeben/sich zu einer Essstörung zu bekennen/von einem treulosen Liebhaber betrogen zu werden. In der Schule oder an der Uni verlangen uns die Lehrer Entscheidungen ab, von denen der Verlauf unseres ganzen weiteren Lebens abhängt, aber keiner macht sich die Mühe, uns zu fragen, wie wir uns dieses Leben überhaupt vorstellen. Und auch wenn Freunde und Familie es stets gut mit uns meinen, können sie doch immer nur Ratschläge erteilen, die auf ihrer eigenen, ganz persönlichen Weltsicht beruhen, nicht auf unserer.

Diese Art zu leben bringt im Kern ein großes Problem mit sich: Sie ist nicht wahrhaftig. Wenn du zulässt, dass dir andere Leute und Ereignisse diktieren, wie du dein Leben zu leben hast, dann verlierst du dein wahres Ich aus den Augen. Du wirst, um mit Shakespeare zu sprechen, zum „bloßen Spieler“ und landest am Ende in Situationen, die bei dir ein Gefühl von Leere, Unzufriedenheit und Angst hinterlassen. Aber wenn du dir die Zeit nimmst, herauszufinden, wer du wirklich bist und was du wirklich willst, dann wird deine Lebensgeschichte weit aufregender als jedes Theaterstück oder jeder Film. Und die gute Nachricht dabei ist: Sobald du aufhörst, eine Rolle zu spielen, wirst du wirklich und wahrhaftig du selbst.

Eine Frau, die zu ihrem wahren Ich steht, fürchtet sich nicht davor, sie selbst zu sein, entschuldigt sich auch nicht dafür und gibt sich nicht mit Notlösungen zufrieden. Sie hat die volle Kontrolle über ihr Leben und ist nicht bloß (Schau-)Spielerin. Sie ist faszinierend, vielschichtig, verletzlich, stark, wagemutig, klug und einzigartig. Sie ist auf perfekte Weise unperfekt. Sie ist du.

In diesem Buch geht es um Geheimnisse und um Abenteuer. Das Geheimnis, das es zu ergründen gilt, bist du und wer du wirklich bist. Und das Abenteuer besteht darin, das Leben zu planen, das du wirklich führen willst. In den folgenden Kapiteln werde ich dich dabei unterstützen, die verschiedenen Schichten von „Rollen“ abzulegen, die du spielst, und dir den Weg zurück zu deinem wahren Selbst zeigen. Ich werde dir dabei von meinen eigenen Erfahrungen sowie von anderen berichten, die diesen Weg bereits gegangen sind. Es ist mir zum Teil sehr schwergefallen, meine persönlichen Erinnerungen zu Papier zu bringen, weil sie mir so peinlich waren. Aber ich habe sie dennoch aufgeschrieben, weil mir klar geworden ist, dass man nichts erreichen kann, wenn man nicht ehrlich mit sich ist. Und damit du den größten Nutzen aus diesem Buch ziehen kannst, musst auch du ehrlich mit dir selbst sein.

Am Ende jedes Kapitels findest du Übungen, die dich auf deinem persönlichen Weg der Selbsterkenntnis weiterbringen sollen. Bei vielen dieser Übungen muss man etwas schreiben oder sich spontane Gedanken notieren, es wäre also nützlich, wenn du dir zusätzlich zu diesem Buch noch ein Heft oder Notizbuch zulegst – dein TrueFace-Tagebuch. Du kannst die Übungen kapitelweise machen; aber wenn du das Buch zuerst ganz durchlesen möchtest, kannst du auch anschließend die interaktiven Teile als Workshop benutzen. Ganz wie du magst. Am Ende der einzelnen Kapitel stehen jeweils Tweets mit dem #TrueFace-Hashtag, die du gerne auf Facebook oder Twitter teilen kannst, wenn du magst. Du kannst auch einzelne Abschnitte des Buches markieren, damit du sie bei Bedarf leichter wiederfindest. Zusammen werden wir uns auf eine wunderbare Entdeckungsreise zu uns selbst begeben. Von nun an wird der Wahlspruch nicht mehr lauten „Keep Calm and Carry On – Ruhe bewahren und Weitermachen“, sondern „Forget the Fake and Keep it Real – Lass das Theater und sei du selbst!“

Bereit?

TRUE FACE

Dein wahres Gesicht

1

Wer bist du?

Ich hatte aufgehört mir vorzugaukeln, ich wäre irgendetwas anderes, als ich in Wirklichkeit war, und habe stattdessen meine ganze Energie in die Fertigstellung des einzigen Werkes gesteckt, das mir etwas bedeutete.

J. K. Rowling

Wer bist du? Wer bist du wirklich?

Wenn du so bist wie die meisten Menschen, dann denkst du nicht besonders viel über diese Frage nach. Höchstwahrscheinlich bist du viel zu sehr damit beschäftigt, alles gut zu machen, anderen zu gefallen und dich anzupassen. Klar, oberflächlich kannst du die Frage natürlich beantworten: Ich bin Tochter/Schwester/Schülerin/Freundin/Angestellte bei der Tretmühlen GmbH und Co. KG. Aber das sind alles „offizielle“ Bezeichnungen, die nicht unbedingt etwas mit dir zu tun haben. Sie betreffen jeweils nur deine Rollen und nicht so sehr dich selbst.

Im Zen-Buddhismus gibt es eine uralte Weisheit, die mir sehr gefällt: „Zeig mir dein ursprüngliches Gesicht, das Gesicht, das du hattest, bevor deine Eltern geboren wurden.“

Im Prinzip bedeutet das, dass die Zen-Buddhisten glauben, dass wir, bevor wir rein physisch geboren werden, ganz und gar wir selbst sind – ohne jede Falschheit oder Verstellung. Wir sind sozusagen „unbehandelt und frei von allen Zusatzstoffen“. Aber sobald wir älter werden, fangen wir an, uns und anderen etwas vorzuspielen. Ohne dass wir es im Grunde wollen, aber das Leben ist einfach manchmal hart und mutet uns Dinge zu, die uns verletzen oder Angst machen. Vielleicht lacht uns ein Freund aus, oder unsere Eltern oder eine Lehrerin kritisieren etwas, was wir tun. Wir trauen uns nicht mehr, unser ursprüngliches Gesicht zu zeigen, denn so sind wir weniger verletzlich und angreifbar.

Wir setzen also andere Gesichter auf wie Masken. Das kann ein „Ich bin so glücklich“-Gesicht sein oder ein „Ist mir doch egal“-Gesicht oder ein „Mir kann keiner was“-Gesicht. Aber keines davon ist echt. Und sobald wir unser wahres Selbst verbergen, verhalten wir uns auch nicht mehr so, wie es uns wirklich entspricht, und das kann zu gravierenden Problemen führen. Ein perfektes Beispiel dieses Vorgangs lässt sich oft auf Facebook verfolgen.

Wahrheit und Lüge bei Facebook

Stell dir folgendes Setting vor: Amelie ist Anfang zwanzig und Autorin. Sie wohnt mit ihrer besten Freundin in einer WG. Vor Kurzem haben Amelie und ihr Freund Jack Schluss gemacht. Sie waren seit mehreren Jahren zusammen. Er war ihr erster richtiger Freund, der erste Kuss, die erste Teenie-Liebe, aber im Laufe der Jahre hatten sie sich auseinanderentwickelt, und ihre Liebe hatte sich in Kameradschaft verwandelt. Obwohl sie zum Zeitpunkt der Trennung wirklich traurig war, ist Amelie stolz darauf, wie gut sie seither damit zurechtgekommen ist. Sie hat sich ganz darauf konzentriert, ihren ersten Roman zu schreiben, und unternimmt viel mit Freunden.

Eines Montagmorgens, ein paar Monate nach der Trennung, wacht sie auf, sie fühlt sich warm, schläfrig und entspannt. Dann schaltet sie ihr Handy ein und geht auf Facebook. Während sie durch ihre Neuigkeiten scrollt, entdeckt sie etwas, das ihr das Blut in den Adern gefrieren lässt. Jack hat am vorangegangenen Abend ein neues Foto hochgeladen. Es zeigt ihn in einer Bar, den Arm lässig um ein Mädchen gelegt. Während sich Amelie den Schlaf aus den Augen reibt, ist sie mehr und mehr davon überzeugt, dass das Mädchen Jack auf eine Art und Weise ansieht, die man nur als Anhimmeln bezeichnen kann. Amelies Herz klopft, und ihr ist übel, aber anstatt das Handy aus der Hand zu legen, schaut sie sich die Kommentare zu dem Foto an. Super Abend, hat Jack geschrieben, gefolgt von einem Smiley. Noch nie hat ein Emoticon so düster gewirkt.

Amelie spürt, wie ihr Tränen in die Augen schießen. Sie scrollt weiter und versucht, sich von dem, was sie gerade gesehen hat, abzulenken, doch negative Gedanken blockieren sie.

Ich glaub‘s nicht, dass er wirklich schon eine Neue hat!

Ich glaub‘s nicht, dass er gleich ein Foto mit ihr posten muss!

Sie sieht so verknallt aus.

Sie sieht so billig aus!

Warum lässt er sich bloß mit so einer ein?

Ich dachte, er hätte mich geliebt.

Er kann mich gar nicht geliebt haben, wenn er jetzt schon eine Andere hat.

Vielleicht hat er mich nie geliebt!

Vielleicht war unsere ganze Beziehung eine einzige Lüge.

Während Amelie weiterscrollt, bemerkt sie das Status-Update einer Freundin, die ebenfalls Autorin ist. Unglaublich, aber ich hab schon wieder ein Buch unter Vertrag, steht da. Wenn Amelie nicht noch sauer wäre wegen Jacks Foto, hätte sie sich für ihre Freundin gefreut – sie hätte einen Kommentar gepostet und ihr gratuliert. Aber weil Amelies Laune sich jetzt auf der Rolltreppe nach unten befindet, bringt sie nur noch negative Gedanken zustande. Sie hat schon wieder einen Vertrag für ein Buch. Amelie hat noch nicht mal einen einzigen Buchvertrag! Vielleicht wird sie auch nie einen bekommen. Wieder wird sie von Selbstzweifeln zernagt.

Was, wenn mein Roman schlecht ist?

Was, wenn ich nie im Leben etwas veröffentlichen werde und keinen Mann finde und mich keiner liebt?

Amelie hat das Gefühl, dass ihre Welt schon zusammengebrochen ist, noch bevor ihr Tag überhaupt angefangen hat. Und doch beruht dieses ganze Szenario – und seine Wirkung auf Amelies Gefühle – auf der Unwahrheit.

Was Amelie nicht weiß, ist, dass Jack tatsächlich einen mehr als ätzenden Abend hatte. Seit der Trennung hat er nur lustlos rumgehangen, sich zum Trost mit Müsli direkt aus der Packung vollgestopft und „ihr Lied“ in Endlosschleife abgespielt, nur ab und zu unterbrochen von wütendem Rap. Am gestrigen Abend haben seine Freunde eingegriffen und ihn in eine Bar geschleppt. Dort hat er dann auch die Cousine seines Freundes Joe getroffen, Anna aus Schweden – das Mädchen auf dem Foto. Anna war fröhlich und witzig und hat sich mit jedem aus der Gruppe fotografieren lassen. Es war ihr letzter Abend in Manchester und Jack wird sie nie wiedersehen. Das Foto hat er nur gepostet, um der Welt zu zeigen, dass er jetzt endlich über die Trennung von Amelie hinweg ist. Was er in Wahrheit gar nicht ist – und auch noch lange nicht sein wird! Amelie ist jetzt aber für den Rest des Tages neben der Spur und hasst sich und die Welt. Und das alles nur, weil Jack ein Fake gepostet hat – Fakebook statt Facebook. Noch am selben Abend wird Amelie ebenfalls einen Fakebook-Post schreiben, der die Welt – und Jack – darüber informiert, wie glücklich sie im Augenblick ist. Was sie nicht ist und auch lange Zeit nicht sein wird. Genau wie Jack, wenn er das sieht.

Kommt dir das irgendwie bekannt vor?

Okay, Zeit für Geständnisse. Früher habe ich auch gelogen, was meinen Facebook-Status anbetraf. Schockierend, ich weiß, aber ich habe das Gefühl, dass ich keineswegs die Einzige bin. Es gab nämlich Zeiten, als es mir aus irgendwelchen Gründen richtig schlecht ging, aber ich wollte nicht, dass der Rest der Welt es erfährt, weil ich nicht wollte, dass der Rest der Welt mich für schwach oder depressiv oder einen totalen Loser hält. Und so habe ich statt eines ehrlichen Updates meines wahren Befindens etwas Witziges, Spritziges geschrieben, was für ein Riesenspaß mein Leben doch sei – was in Wahrheit ein Riesenbeschiss war. Hier ein paar Beispiele:

Fakebook-Update:

Super Wochenende in Edinburgh!

Echtes Update:

Echt mies hier in Edinburgh. Bin weggefahren, um ihn zu vergessen, muss aber ständig an ihn denken

Fakebook-Update:

Hab mich super eingelebt – ist wirklich genial hier auf dem Land!

Echtes Update:

Meine Londoner Freunde fehlen mir total, und ich fürchte, es war ein Riesenfehler hierherzuziehen, wo die Busse nur zweimal stündlich fahren

Lügen im richtigen Leben

Wir lügen aber nicht nur, wenn wir online sind. Wer wir sind oder wie es uns geht – die Versuchung ist groß, auch im „richtigen“ Leben die Wahrheit etwas zurechtzubiegen.

Die IT-Beraterin Rachel hatte es in der Schule ziemlich schwer gehabt. Sie war schüchtern, fand nicht leicht Freunde, und so schwamm sie irgendwie mit und hielt sich an die anderen ruhigeren Mitschüler, ohne je eine besondere Beziehung zu ihnen aufzubauen. „Ich hab die beliebten Leute immer beneidet“, sagt sie. „Deren Leben wirkte so einfach und scheinbar fanden sie mühelos Freunde.“

Als Rachel später einen Studienplatz an einer Universität weit weg von ihrem Londoner Zuhause bekam, nutzte sie die Gelegenheit, um sich neu zu erfinden.

„An einem der ersten Abende dort war ich mit ein paar Leuten noch in einer Bar was trinken. Ich dachte, das wäre meine große Chance und ich müsste gleich einen guten ersten Eindruck machen, um nicht wieder im Hintergrund zu verschwinden wie sonst immer. Und so habe ich behauptet, mein Dad hätte eine Kneipe in London. Nichts war weiter entfernt von der Wahrheit als das, denn mein Dad war Bibliothekar. Aber eine von den coolen Mädchen an meiner Schule war in einem Pub zu Hause gewesen und mir war dieses Leben immer so aufregend vorgekommen. Meine neuen Freunde schienen beeindruckt, als ich es ihnen erzählte, und zuerst fühlte es sich toll an, dass sie mich wirklich für die coole Tochter eines Kneipenwirts hielten. Aber es dauerte nicht lange, bis es sich zu einem Albtraum entwickelte.

Gleich in den ersten Weihnachtsferien war eine meiner Uni-Freundinnen in London und fragte, ob sie mich nicht mal im Pub meiner Eltern besuchen könnte. Ich musste etwas erfinden, um da wieder rauszukommen, und habe darunter gelitten, sie schon wieder anlügen zu müssen. Schließlich habe ich überall verbreitet, mein Vater hätte das Pub verkauft. Aber noch immer konnte ich meine Freunde in den Ferien nicht zu mir nach Hause einladen, damit meine Lüge nicht aufflog. Das Ganze war extrem stressig, und rückblickend weiß ich, wie unsinnig es war. Meine Freunde an der Uni mochten mich nicht, weil meine Eltern etwas Bestimmtes taten – sie mochten mich einfach, so wie ich war. Ich hätte nicht lügen müssen. Die große Ironie bei der Geschichte ist, dass ich durch meine Lügen versucht hatte, Freunde zu finden, denen ich dann später nie so nahe kommen konnte, wie ich gerne gewollt hätte. Es war eine große Erleichterung, als ich nach dem Examen wieder von vorne anfangen konnte. Gegenüber den Freunden, die ich bei der Arbeit gefunden habe, bin ich vollkommen ehrlich, und das macht mein Leben so viel leichter!“

Wie Rachels Beispiel zeigt, kann uns das Leben manchmal extrem unter Druck setzen, uns als etwas anderes auszugeben, als wir sind. Manchmal machen wir uns diesen Druck aber auch nur selbst. Vereinfacht gesagt:

Selbstzweifel + sozialer Druck =
Versuchung zu lügen

Aber was wäre, wenn wir die Selbstzweifel ausräumen und uns selbst vollkommen annehmen? Dann würden wir feststellen:

Selbstvertrauen + Selbstannahme =
Wahres Ich

Im ersten Teil dieses Buches möchte ich dir zeigen, wie du die zweite Gleichung in deinem Leben umsetzen kannst. Schritt für Schritt werden wir die Schichten abtragen, bis wir schließlich bei deinem wahren Ich angelangt sind. Dann werden wir gemeinsam daran arbeiten, dass du wirklich stolz auf diese deine Persönlichkeit bist. Und wenn du erst einmal stolz auf dich bist, machst du dir nicht mehr so viele Gedanken darüber, was der Rest der Welt über dich denkt oder von dir erwartet. Und dann gewöhnst du dich daran, dein wahres Ich zu sein. Eine der besten Möglichkeiten, diesen Prozess in Gang zu bringen, ist, sich auf seine Gefühle zu konzentrieren.

Wie geht es dir? Wie geht es dir wirklich?

Schreibe die Überschrift TrueFace-Update in dein Tagebuch – falls du eher twitterst als auf Facebook postest, kannst du auch #TrueFace als Überschrift wählen. Dann schreibe auf, wie es dir mit dem Gedanken geht, vollkommen ehrlich zu deinem wahren Ich zu stehen. Es macht gar nichts, wenn es mehr als 140 Zeichen oder gar viele, viele Seiten werden. Es ist wirklich wichtig, dass du nichts zurückhältst. Bring alle entsetzlichen Gedanken und Ängste zu Papier. Stell dir diese Übung so vor, als würdest du einen Mülleimer ausleeren und dabei richtig gut schütteln, damit auch das allerletzte Stück Müll herauspurzelt. Ich weiß, dass es zu Beginn unangenehm sein kann, so ehrlich mit sich zu sein, aber es bewirkt gleichzeitig ein großes Gefühl der Erleichterung. Es kann ganz schön anstrengend sein, ständig so tun zu müssen, als wäre man etwas, was man gar nicht ist. Wenn ich mir selbst gegenüber zu meinen wahren Gefühlen stehe, ist das eine Befreiung.

Ich empfehle allerdings nicht, dass du dich tatsächlich auch in deinen sozialen Netzwerken so offen äußerst und dich dazu bekennst, in Zukunft zu deinem wahren Ich zu stehen. Zu wissen, dass Hunderte von Leuten das lesen werden, was du dort schreibst, könnte dir das Gefühl vermitteln, verletzlich und bloßgestellt zu sein. Und das wiederum könnte dazu führen, dass du etwas zurückhältst. Gewöhne dir an, jeden Tag ein TrueFace-Update in dein Tagebuch zu schreiben, und schon bald wirst du gar nicht mehr das Bedürfnis nach irgendwelchen erfundenen Online-Updates haben. Indem du deine negativen Gedanken und Gefühle auf diese vertrauliche und sichere Weise loswirst, schaffst du in dir selbst und in deinem Leben einen Raum, wo sich wahres Glück zeigen kann.

Es hat viele Gelegenheiten in meinem Leben gegeben, bei denen ich nicht ganz ehrlich gegenüber mir selbst und/oder dem Rest der Welt war. Immer, wenn ich mir und anderen etwas vorgelogen habe, dachte ich, ich würde mich dadurch besser fühlen; stattdessen habe ich es im Nachhinein immer bereut, genau wie Rachel. Du brauchst dich nicht schlecht zu fühlen, falls das auch auf dich zutrifft. Es ist vollkommen verständlich, wenn du dich vor Verletzungen schützen willst, aber es ist keine Lösung, so zu tun, als wäre man etwas, was man nicht ist. Um ein glückliches, wahrhaftiges Leben zu führen, musst du herausfinden, wer du wirklich bist. Also fangen wir gleich damit an, in dem wir zunächst herausfinden, wer du einmal warst …

2

Wer warst du?

Ich habe schon als Kind gelernt, dass man sich immer selbst treu bleiben und sich nicht durch Ansichten anderer von den eigenen Zielen abbringen lassen soll.

Michelle Obama