Buch
Benjamin Casper betreibt mit einigen Mitarbeitern eine Onlinezeitung in Washington, D. C. Er ist für den politischen Teil der Ausgabe zuständig und nimmt jede Woche an den Pressekonferenzen im Weißen Haus teil. Benjamin ist ein Eigenbrötler mit wenig echten Freunden – umso wichtiger ist ihm die Freundschaft mit Diana Hotchkiss, von der er sich für die Zukunft auch mehr erhofft. Als Diana Benjamin bittet, in ihrer Wohnung Überwachungskameras anzubringen, kommt er dem ohne zu zögern nach. Doch kurz darauf stürzt Diana vom Balkon des Apartments in den Tod. Und Benjamin bleibt keine Zeit zum Trauern, denn wenig später wird ein Mordanschlag auf ihn verübt. Von dem Moment an befindet sich Benjamin auf der Flucht, ohne zu wissen, warum er so unerbittlich gejagt wird. Nur eines scheint ihm sicher: dass es sich bei Dianas Tod nicht um einen Selbstmord gehandelt hat. Doch warum musste sie sterben? Ließ sie ihn die Kameras installieren, weil sie um ihr Leben fürchtete?
Weitere Informationen zu James Patterson
sowie zu lieferbaren Titeln
des Autors finden Sie am Ende des Buches.
James Patterson
und
David Ellis
UNERBITTLICH
Thriller
Aus dem Amerikanischen
von Helmut Splinter
Die amerikanische Originalausgabe erschien 2013
unter dem Titel »Mistress« bei Little, Brown and Company,
Hachette Book Group, New York, NY.
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1. Auflage
Deutsche Erstveröffentlichung März 2016
Copyright © der Originalausgabe 2013 by James Patterson
Copyright © der deutschsprachigen Ausgabe 2016
by Wilhelm Goldmann Verlag, München,
in der Verlagsgruppe Random House GmbH
This edition is published by arrangement with Little, Brown and
Company, New York, New York, USA. All rights reserved.
Umschlaggestaltung: UNO Werbeagentur, München
Umschlagmotiv: © Jacinta Bernard / Arcangel Images
Redaktion: Viola Eigenberz
AG · Herstellung: Str.
Satz: Buch-Werkstatt GmbH, Bad Aibling
ISBN 978-3-641-16655-7
V001
www.goldmann-verlag.de
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Für die überaus talentierte Sally McDaniel-Smith
– für deine Hilfe bei diesem Buch
und dafür, dass du in den vergangenen sechs Jahren
meinen Verstand gerettet hast.
D. E.
1Schauen wir mal, was sich in ihrem Medizinschrank verbirgt. Ich meine, wenn ich schon mal hier bin.
Aber Vorsicht. Vor dem Lichteinschalten erst mal die Badezimmertür schließen. Der Rest ihrer Wohnung liegt im Dunkeln. So soll es auch bleiben.
Was haben wir hier … Lotionen, Gesichtscremes, Feuchtigkeitscremes, Lippenbalsam, Schmerzmittel. Was ist mit den Medikamenten? Was gegen Nebenhöhlenentzündungen … und gegen Angstzustände …
Diana leidet unter Angstzuständen? Wovor, zum Teufel, kann sie schon Angst haben? Sie ist die abgeklärteste Frau, die ich kenne.
Und was ist das? Tabletten gegen … um nicht schwanger zu werden? Diana nimmt die Pille? Das hat sie mir nie gesagt. Sie schläft nicht mit mir. Noch nicht, jedenfalls. Aber mit wem schläft sie dann?
Diana, jedes Mal, wenn ich denke, ich habe dich durchschaut, erinnerst du mich daran, dass du ein Geheimnis bist. »Scheiße, Mann, das ist ein Geheimnis, versteckt in einem Rätsel, das in einem Geheimnis steckt.« – Joe Pescis Worte in dem Film JFK – Tatort Dallas, die von Winston Churchill so ähnlich bereits 1939 in einer Radioansprache verwendet wurden, um Russland zu beschreiben. Präsident Roosevelt, der während des Kriegs eine enge Freundschaft mit Churchill gepflegt hatte, hatte ihm einmal geschrieben: »Es ist schön, in demselben Jahrzehnt zu leben wie Sie.«
Diana, es ist schön, in demselben Jahrzehnt zu leben wie du. Jetzt entschuldige mich, ich durchsuche nämlich gerade deinen Schlafzimmerschrank.
Gleicher Ablauf: reingehen, Tür schließen, Licht einschalten. Damit kein Licht in den Rest der Wohnung dringt.
Wow. Mindestens einhundert Paar Schuhe, pingelig genau aufgereiht. Stuart-Weitzman-Stilettos. Schwarze kniehohe Manolo-Blahnik-Stiefel aus Krokodilleder. Roger Vivier mit rosa satinüberzogenen Absätzen. Pinkfarbene Escada-Abendsandalen. Schwarze Chanel-Pumps, passend für den Sitzungssaal oder ein Fünf-Sterne-Restaurant.
Woodrow Wilson trug gerne weiße Schuhe zu seinen Leinenanzügen. Lincoln hatte den größten Präsidentenschuh, Größe 48½ , während Rutherford B. Hayes mit Größe 39 den kleinsten hatte.
Ich muss mich entschuldigen. Manchmal schweife ich ab. So in der Art wie Moses in der Wüste. Wobei er eine bessere Entschuldigung hatte. Und einen Sprachfehler – anders als ich, weil ich eher einen Gehfehler habe und oft ins Fettnäpfchen trete.
Das ist allerdings eine lange Geschichte, deswegen zurück zu unserem planmäßigen Programm: Lady Dianas Schrank. Was haben wir denn hier, versteckt vor den neugierigen, aber nicht den neugierigsten Blicken hinter einer Reihe Kleider? Hmm …
Leder-Corsagen und Kopfgeschirr. Ketten und Peitschen. Vibratoren in verschiedenen Farben und Formen. Einer ist lila und am Ende gebogen, bin mir aber nicht sicher, warum. Die meisten sind wie das männliche Glied geformt, doch einige verfügen aus welchem Grund auch immer über irgendwelche Anhängsel. Ich finde eine Kette mit schwarzen Perlen … wozu die wohl dient? Brustwarzenringe – die habe ich vermutlich richtig erkannt. Cremes und Lotionen. Eine lange gelbe Feder.
Dann höre, sehe und spüre ich es gleichzeitig – eine Bewegung auf dem Teppich, etwas streift an meinem Bein, geht um mich herum …
»Hey, Zimttiger«, sage ich, nachdem mein Schrecken abgeebbt ist und der Schauder meine Nackenhaare wieder verlassen hat. Dianas Abessinierkatze, drei Jahre alt. Das Wort Abessinier ist äthiopisch, doch die Ursprünge dieser Rasse reichen, wie man glaubt, bis ins alte Ägypten zurück. Ist das nicht komisch? Abessinierkatzen haben größere Ohren und längere Schwänze als die meisten Katzen. Ihr Fell ist am Ansatz heller als an der Spitze, eine Eigenschaft, über die nur eine Handvoll anderer Katzen verfügt. Ich habe Diana gesagt, sie soll ihre Katze Karamell nennen, weil der Name besser zu ihrem Fell passt. Außerdem mag ich Karamell lieber als Zimt, besonders in Form von Karamellbonbons.
Okay, Zeit für die Arbeit. Ich schalte das Licht im Schrank aus, bevor ich die Tür öffne – es ist immer noch dunkel draußen. Ich komme mir vor wie Paul Newman in Der Einzelgänger.
Nun zum Schlafzimmer. Auf einer Seite, neben der Balkontür, steht ein Schreibtisch. Daneben befinden sich zwei Steckdosen. Ich stecke den Stecker in die untere und ziehe das Kabel hinter dem Vorhang hindurch bis zum Schreibtisch. Es sieht aus wie das Kabel für einen Rechner oder ein anderes Gerät. Doch es handelt sich um einen hochauflösenden Videorekorder mit Bewegungssensor und einem zweiunddreißigstündigen Speicher, der das gesamte Zimmer in Farbe aufnimmt. Bei Bedarf lässt er sich auf Dauerbetrieb stellen, doch hier bin ich mit dem Bewegungssensor besser bedient. Ich mag dieses Gerät, weil es den Strom aus der Steckdose zieht und damit keine Batterie benötigt. Und es überträgt keine Signale, sondern zeichnet sie nur auf einer SD-Karte auf, die sich auf einem Rechner abspielen lässt. Daher fällt das Gerät nicht auf, wenn man nach Wanzen sucht.
Geduckt husche ich vom Schlafzimmer in Dianas Wohnbereich, zu dem eine offene Küche und eine Essecke gehören. Ihre Wohnung liegt im obersten Stock eines Wohnhauses in Georgetown, was heißt, sie bezahlt wegen der Lage einen höheren Quadratmeterpreis.
Ich möchte keinen weiteren Stecker verwenden. Wenn der eine entdeckt wird, findet man auch den anderen. Risikoverteilung, sage ich mir. Aber die nächste Sache wird komplizierter, als nur etwas mit einer Steckdose zu verbinden, daher brauche ich mein Nachtsichtgerät – wie der Serienmörder in Das Schweigen der Lämmer, wobei ich nie einen Menschen getötet, geschweige denn gehäutet habe.
Ein Mord kann als Selbstmord und ein Selbstmord als Mord getarnt werden.
Haben Sie auch genug von Hausbränden und Eindringlingen? Möchten Sie Ihre Partygäste beobachten, sie aber gleichzeitig vor einer Rauchvergiftung schützen? Hier ist unser praktischer Kompaktrauchmelder mit versteckter Farbkamera. Dieses einfach zu bedienende Deckengerät ist in drei Farben lieferbar und passt sich daher jeder Einrichtung an. Und das Beste: Dank der 3,6-mm-Lochkamera mit Mikrofon bekommen Sie alles mit, was in diesem Raum passiert. Aber damit nicht genug: Wenn Sie gleich zuschlagen, legen wir ohne Aufpreis einen 12-Volt-Adapter dazu!
Ich bin ganz und gar nicht so normal, wie es den Anschein hat. Okay, alles erledigt. Die Küche sieht genauso aus wie vorher. Ich lege Dianas alten Rauchmelder und mein Nachtsichtgerät in meine Sporttasche und bleibe eine Minute stehen, um zu überlegen, ob ich auch nichts vergessen habe.
Ich sehe auf meine Uhr – 21:57 Uhr. Meine Anweisung lautete, um zehn Uhr fertig zu sein. Also bleiben mir noch drei Minuten.
Als ich zum Türknauf greife, trifft es mich wie der Schlag – mir ist ein schrecklicher Fehler unterlaufen.
Nicht Paul Newman hat in Der Einzelgänger mitgespielt, sondern James Caan.
Wie konnte ich nur Paul Newman mit James Caan verwechseln? Muss an den Nerven liegen.
Ich schließe ab und husche den Flur entlang zum Notausgang, der sich mit einem Schlüssel öffnen lässt. Ich drücke die Tür auf und verschwinde in dem Moment in die dunkle Nacht hinaus, in dem am anderen Ende des Flurs mit einem Ding der Fahrstuhl angekündigt wird.
2Ich gehe, das Geländer der Feuertreppe fest im Griff, alle sechs Stockwerke langsam nach unten. Ich habe Höhenangst. Die Präsidenten Washington und Jefferson wollten die Bauten der Stadt Washington D. C. niedrig halten. Ich stehe voll hinter diesem Konzept.
Das Cairo Hotel an der Q Street, erbaut in den 1890er-Jahren, ist fünfzig Meter hoch und überragt die Nachbarhäuser. Als Reaktion auf den Aufschrei, der dem Bau folgte, verabschiedete der Kongress ein paar Jahre später ein Gesetz, das die Höhe der Gebäude beschränkt. Doch bereits 1910 wurden weitere Änderungen verabschiedet und die Auflagen noch strenger. Jetzt darf die Höhe eines Gebäudes in der Hauptstadt die Breite der Straße plus sieben Meter nicht überschreiten. Die meisten Straßen in Washington sind höchstens vierunddreißig Meter breit und die meisten Gebäude deswegen nicht höher als vierzig Meter, was heißt, sie haben selten mehr als dreizehn Stockwerke.
Trotzdem noch zu hoch für mich. Ich kann nicht nahe an einer Kante stehen, allerdings nicht aus Angst davor, mein Gleichgewicht zu verlieren oder auszurutschen. Ich habe Angst, dass ich springe.
Unten angekommen, gehe ich über den Parkplatz und von dort die Stufen hinauf zum Ziegelpflasterweg, der entlang des C & O Canal verläuft. Diana wohnt in einem winzigen, sich über zwei Blocks erstreckenden Abschnitt der 33rd Street zwischen dem Potomac River im Süden und dem Chesapeake and Ohio Canal im Norden. Sie wohnt im letzten Gebäude der Sackgasse zum Kanal, daher kann ich ungestört zur Vorderseite des Gebäudes zurückmarschieren.
Hier draußen ist es im August stickig heiß. Die Hauptstadt wurde auf Sumpfland gebaut, was die Feuchtigkeit zu dieser Jahreszeit unerträglich macht. Man kann dem Kongress die eingelegte Sommerpause kaum übel nehmen.
Zwei jüngere Typen stehen vor dem Loftgebäude auf der anderen Straßenseite. Sie rauchen und begutachten mein Motorrad.
»Geile Maschine«, sagt einer von ihnen, ein kleiner, heruntergekommener Typ wie Joaquin Phoenix in To Die For – meiner Meinung nach der Film, in dem Nicole Kidman zum ersten Mal Kinoreife bewies.
»Gefällt sie euch?«, frage ich. Mir gefällt sie auch. Eine 2009er Triumph America. Zwei obenliegende Nockenwellen, 865 ccm, Zweizylinder-Viertaktmotor, Zwei-in-eins-Auspuffanlage, Phantomschwarz mit Chromverzierungen. Ja, wie das Motorrad, das Colin Farrell in Daredevil fuhr. Ich sage nicht, dass ich es mir aus diesem Grund gekauft habe. Behaupte aber auch nicht das Gegenteil. Die Maschine ist einfach nur geil.
»Fährst du damit viel durch die Gegend?«, fragt der Typ weiter.
Colin Farrell war wahnsinnig gut in Nicht auflegen! Mir gefiel dieser Polizeifilm, den er mit Edward Norton gedreht hatte, und dieser futuristische Film, in dem er mit Tom Cruise spielte, Minority Report. Als Schauspieler wird er unterbewertet. Er sollte einen Film mit Nicole Kidman drehen.
»Ja, ich führe sie aus, sooft ich kann«, antworte ich.
Eigentlich sollte ich mich hier nicht zur Schau stellen, trotzdem schwatze ich mit zwei Typen über mein Motorrad.
Ich blicke in der Dunkelheit hinauf zu Dianas Wohnung mit dem dreieckigen Balkon, der über die 33rd Street hinausragt. Der Balkon dient mehr als Garten. Die Simse an den Seiten quellen über mit Topfpflanzen, auf dem Boden stehen ein paar kleine Bäume, die Diana liebevoll versorgt.
In der Küche wird Licht eingeschaltet.
»Was hast du hier vorne drauf?«, fragt der Typ und tritt gegen meinen Vorderreifen.
»Einen A 110/90 ME880«, antworte ich. »Ich fahre gerne vorne und hinten mit 880ern.«
Diana ist schon zu Hause? Das ist … interessant.
»Super«, sagt der Typ. »Mein Reifenhändler verkauft keine Metzeler. Ich bin die ganzen Jahre über Avons gefahren.«
Ich drehe mich wieder zu dem Typen. »Die laufen aber auch ganz gut.«
Er fragt mich nach dem Namen des Reifenhändlers, notiert ihn sich auf einem Fetzen Papier. Dann springe ich auf mein Motorrad und blicke ein letztes Mal zu Dianas Balkon hinauf. Gute Nacht, Lady Di …
… was …
»Nein!«, schreie ich.
Ein Mensch stürzt kopfüber von Dianas Balkon sechs Stockwerke tief auf den Boden. Ich schließe meine Augen und wende mich ab, doch ich kann mir nicht die Ohren zuhalten, um die widerlichen Geräusche auszuschalten, wenn ein Mensch auf den Boden knallt und Knochen brechen und knirschen.
3Ich springe vom Motorrad und renne zu ihr. Nein, das kann nicht sein! Es kann nicht Diana sein …
»Hast du das gesehen?«
»Was ist passiert?« Zwei Frauen sind vor mir da. Sie sind aus einem Wagen in der geschwungenen Einfahrt ausgestiegen und knien neben ihr.
Oh Diana. Sie liegt knapp neben der Straße, die Gliedmaßen ausgestreckt und mit dem Gesicht nach unten. Ihr glänzendes Haar ergießt sich über ihr zertrümmertes Gesicht und über den Bordstein. Blut läuft auf die Straße. Ich stehe neben den beiden Frauen, blicke über sie hinweg auf die einzige Frau, die ich je …
Warum, Diana? Warum solltest du dir so was antun?
»Hat jemand gesehen, was passiert ist?«, ruft jemand. »Das war Dianas Balkon!«, ruft ein anderer, der auf das Gebäude zurennt.
Rasch hat sich eine kleine Menschentraube gebildet, doch alle starren Diana nur an wie ein Ausstellungsstück in einem Museum. Sie ist … ich bringe dieses Wort nicht über die Lippen, aber sie atmet nicht, ihr Körper ist zertrümmert, sie … lebt nicht mehr.
Lasst sie in Ruhe, sage ich zu mir selbst, vielleicht auch laut. Gebt ihr etwas Raum. Lasst ihr ihre Würde.
Zumindest ist es dunkel, was ihr dankbarerweise etwas Privatsphäre verleiht. Man kann ihr zerstörtes Gesicht, den Schmerz nicht sehen. Das entspricht in seltsamer Weise ihrem Stolz und ihrer Entschlossenheit, mit dem sie selbst im Tod ihr zertrümmertes Gesicht verbirgt.
Jemand fragt nach einem Krankenwagen. Dann halten plötzlich zehn Leute gleichzeitig ihr Telefon in der Hand. Ich bin hilflos in die Hocke gegangen, kann nichts für sie tun. Dann sehe ich, rechts von mir zwischen den Füßen einiger Schaulustiger, Teile eines zerbrochenen Blumentopfs und Erde, bemerke sogar einen Hauch von Zimt. Ich sehe wieder hinauf zum Balkon, ohne aus diesem Blickwinkel in der Dunkelheit etwas erkennen zu können. Müssen ihre Apfelduft-Pelargonien sein, die sie im Sommer vorne an die Spitze ihres dreikantigen Balkons stellt.
Ich ziehe mich zurück auf die 33rd Street, verlasse die Ansammlung von Menschen, weil ich ihre morbide Neugier plötzlich nicht mehr ertrage.
Ich drehe mich um und übergebe mich auf der Straße, sinke, ohne mir dessen bewusst zu sein, auf alle viere.
Dianas Hand auf meiner Wange. Diana, die kichert, als sie sich in dem neuen Café auf der M Street mit Milch bekleckert. Diana, die mir vor einem Monat ihr braun gefärbtes Haar zeigt und wissen will, wie ich es finde. Dieser Blick, wenn ihr etwas durch den Kopf ging, das sie aber nicht sagen wollte. Wenn sie sich umdrehte, mich ansah, bemerkte, dass ich es war, und lächelte. Dieses sorgenfreie Lächeln, das doch nicht so sorgenfrei war. Sie hat was gegen Angstzustände genommen, du Idiot. Wie konnte dir das entgehen? Wie konntest du die Zeichen übersehen?
Sie brauchte meine Hilfe, doch ich bin nicht für sie da gewesen. Ich habe es nicht vorausgesehen. Mir war nie in den Sinn gekommen, dass Selbstmord für sie eine Option sein könnte.
Ein Mord kann als Selbstmord und ein Selbstmord als Mord getarnt werden.
»Hey, Kump…«
Die Apfelduft-Pelargonie.
»… hier dreht einer durch!«
Lauf, Benjamin, lauf.
Sirenen ertönen, blitzende Lichter durchschneiden die Dunkelheit, nehmen mir die Luft zum Atmen …
»Bleib ruhig«, ermahne ich mich. »Bleib ruhig, Benjamin.« Ich nehme einen tiefen Atemzug und rappele mich hoch.
»Okay.« Ich springe auf mein Motorrad und rase davon.
4Ich meide den Highway und nehme lieber die Independence nach Hause, passe mich dem gleichmäßigen Tempo des Verkehrs an, weil ich mir im Moment nicht zutraue, mit hoher Geschwindigkeit zu fahren oder andere Fahrzeuge zu überholen. Tränen trüben meinen Blick, meine Hände zittern so heftig, dass ich kaum den Lenker halten kann.
Die Independence führt auf direkterem Weg nach Hause – 7,15 Kilometer von Tür zu Tür, um genau zu sein, im Vergleich zu den 7,72 Kilometern über den Highway. Doch die kürzere Strecke dauert etwas länger, 15,8 Minuten gegenüber 13,2. Zu dieser Zeit am Abend, wenn kaum Verkehr herrscht, unterscheiden sich die beiden Fahrzeiten eher unwesentlich. In den vergangenen neun Monaten schwankte die Zeit zwischen zweiundzwanzig Minuten, achtzehn Sekunden und elf Minuten, fünf Sekunden, doch tagsüber konnte ich die Strecken nie vergleichen, weil man zu dieser Zeit auf der Constitution und Independence nicht abbiegen darf. Dann muss ich die Route leicht verändern, was jeden Vergleich zunichtemacht. Wie Birnen mit Äpfeln. Äpfel mit Birnen.
Apfelduft-Pelargonien.
Fiona Apple sollte berühmter sein. Sie sollte genauso berühmt sein, wie es Amy Winehouse war. Ihnen gemeinsam ist die kehlige Soulstimme, doch trotz »Criminal« blieb Fiona der Durchbruch versagt. Nicht dass Amy in letzter Zeit besser abgeschnitten hätte.
Tja, meine abschweifenden Gedanken … Wird schlimmer, wenn ich unter Stress stehe. Dr. Vance hatte eine schicke Bezeichnung dafür: adrenalinbedingter emotionaler Rückzug. Ich dachte immer, er versuchte nur, das viele Geld zu rechtfertigen, das mein Vater ihm bezahlt hat, um mich wieder »hinzukriegen«. Es dauerte eine Weile, bis ich herausfand, dass ich unter einer »Pater Crudelis«-Störung leide.
Ich fahre die Pennsylvania entlang, einen Straßenblock vom Weißen Haus entfernt, das mich wie alles, wie ein Lied oder ein Baum oder der Sauerstoff, an Diana erinnert. Er ist so talentiert, sagte sie über den Präsidenten. Er versteht wie kein anderer zuvor, was wir zu tun versuchen.
Oh Diana. Intelligente, besorgte, idealistische Diana. Hast du dir das selbst angetan? Oder hat dich jemand getötet? Keine der beiden Möglichkeiten ergibt einen Sinn.
Aber ich werde es herausfinden. Mit so etwas verdiene ich schließlich meinen Lebensunterhalt.
Ein mir auf der Constitution Avenue entgegenkommender Geländewagen hupt. Nur zwei Präsidenten haben die amerikanische Verfassung unterzeichnet, Washington und Madison. Madison war auch der Präsident mit der kürzesten Amtszeit. Und der erste, der zuvor Mitglied des Kong…
Ich reiße den Lenker herum und umklammere die Bremse mit aller Kraft, die ich aufbringen kann, um dem Mazda RX-7 vor mir auszuweichen, bleibe quer auf der Straße stehen. Rote Ampel bedeutet halten, Ben. Konzentrier dich! Du schaffst das.
Benjamin, je eher du deine Grenzen erkennst, desto besser.
Du bist nicht wie die anderen, Benjamin. Das warst du nie. Selbst vor … nun, selbst vor der Zeit, als das mit deiner Mutter passierte.
Du wirst alle Zeit der Welt haben, um Freunde zu finden, wenn du erwachsen bist.
Diana war meine Freundin. Und hätte weit mehr sein können. Wäre es auf jeden Fall geworden.
Ich kann das schaffen. Ich muss nur meine Medikamente nehmen, muss nur nach Hause fahren.
Die Ampel schaltet auf Grün. Ich lenke mein Motorrad in Fahrtrichtung und fahre weiter.
Diana Marie Hotchkiss. Marie war der Name ihrer Tante, Diana der ihrer Großmutter. Geboren am 11. Januar 1978 in Madison in Wisconsin, spielte Volleyball und Softball, schnitt an der Edgewood High School of the Sacred Heart, wo sie 1995 ihren Abschluss machte, als beste Spanischstudentin ab …
Hupen. Jemand hupt wegen etwas, das ich getan habe. Was habe ich denn getan?
»Halt’s Maul und lass mich in Ruhe!«, rufe ich, ohne natürlich vom Wagen hinter mir eine Antwort zu erwarten – geschweige denn, dass mich dort jemand hört.
»Fahren Sie mit Ihrem Motorrad an den Straßenrand und schalten Sie den Motor aus!«, dröhnt eine Stimme durch einen Lautsprecher.
Ich blicke in den Rückspiegel und bemerke erst jetzt die blitzenden Lichter. Es ist kein wütender Autofahrer.
Es ist ein Polizist.
Das könnte interessant werden.
5Ich halte am Fahrbahnrand der Constitution Avenue an und schalte den Motor aus.
Der erste bekannte Mord an einem Polizisten ereignete sich 1792 in einem Teil von New York, wo heute die South Bronx liegt. Der Täter, Ryer, entstammte einer bekannten Bauernfamilie und war an einer Schlägerei unter Betrunkenen beteiligt gewesen. Möchtet Ihr den lustigen Teil der Geschichte hören?
»Einen schönen guten Abend«, grüßt der Polizist, während er auf mich zukommt. Ich werde vom Suchscheinwerfer seines Wagens beleuchtet, den er auf mich gerichtet hat.
Der lustige Teil ist, dass eines der Polizeireviere in der Bronx an der Ryer Avenue liegt, die nach dieser Familie benannt wurde.
Ich reiche ihm meinen Führerschein und meinen Fahrzeugschein. Wahrscheinlich hat er mein Nummernschild schon überprüft. Er weiß bereits, wer ich bin.
»Möchten Sie nicht Ihren Helm abnehmen, Sir?«
Eigentlich nicht, nein. Aber ich tue es trotzdem. Er blickt mir lange in die Augen. Der Anblick kann nicht schön sein.
»Wissen Sie, warum ich Sie angehalten habe, Mr Casper?«
Weil du das darfst? Weil du die Macht hast, so ziemlich jeden, sobald dir der Sinn danach steht, anzuhalten, zu filzen, zu verhaften und einzusperren? Weil du ein unter Verstopfung und Impotenz leidender, größenwahnsinniger Transvestit bist?
»Ich habe da hinten leicht die Kontrolle verloren«, räume ich ein.
»Sie haben beinahe einen Unfall verursacht«, erwidert er. Der Kerl hat einen Schnauzer. Hat sich die Polizei diesen Typen von den Village People ausgeliehen?
Ich mag keine Bärte, und selbst wenn, würde ich mir keinen Schnauzer stehen lassen. Wahrscheinlich würde ich mich für einen Zwei-Tage-Bart entscheiden, wie Don Johnson in Miami Vice ihn trug. Das wäre echt lässig.
»Innerhalb eines Straßenblocks haben Sie die Mittellinie dreimal überfahren«, klärt er mich auf.
Ich beschließe, mein Zeugnisverweigerungsrecht wahrzunehmen. Und bete, dass er mich nicht fragt, was sich in meiner Tasche befindet – zum Beispiel das Nachtsichtgerät oder ein benutzter Rauchmelder oder ein paar elementare Werkzeuge. Oder die Körperlotion, die ich aus Dianas Schrank mitgenommen habe.
Ich muss nach Hause. Ich brauche Zeit, um nachzudenken, um mir einen Reim auf alles zu machen.
»Haben Sie etwas getrunken, Sir?«
Er steht dicht neben mir. Eines der Risiken, einen Motorradfahrer anzuhalten. Ich könnte mir zum Spaß seinen Schlagstock oder seine Handschellen schnappen, vielleicht auch seine Waffe aus dem Holster, noch bevor er »Doughnut« sagen kann. Wahrscheinlich würde er das nicht lustig finden.
Aber wenn er zu aufdringlich wird, mach ich das vielleicht wirklich. Habe ich schon erwähnt, dass ich mir manchmal selbst nicht traue?
»Nüchtern wie ein Priester«, antworte ich. Wobei der Priester, der mich während meiner Jugend begleitete, Vater Calvin, dem Alkohol völlig verfallen war.
»Hat Sie heute Abend etwas aus der Fassung gebracht?«, fragt er weiter.
Hm, der Abend begann ganz gut, als ich erfolgreich die Überwachungsgeräte in der Wohnung der Frau anbrachte, die ich liebe. Der Abend wandte sich zum Schlechteren, als sie sich kurz darauf in den Tod stürzte. Und wonach hört sich das an, Herr Polizist?
»Hab mit meiner Freundin gestritten«, erkläre ich. »Mein Fahrstil tut mir leid. Ich habe mich ein bisschen geärgert. Ich bin völlig nüchtern und werde vorsichtig nach Hause fahren. Ich wohne auf dem Hill, nur fünf Minuten von hier entfernt.«
Ich kann mich ganz normal geben, wenn ich muss. Er sieht mich eine Weile an, blickt mir in die Augen und sagt, ich solle sitzen bleiben. Mit meinem Führerschein und meinem Fahrzeugschein geht er zu seinem Wagen zurück. Er wird nichts Interessantes finden. Mein Vorstrafenregister ist leer – jedenfalls dasjenige, das er finden wird.
Ulysses S. Grant wurde einmal angehalten, weil er zu schnell geritten war. Die Strafe betrug zwanzig Dollar, und er bestand darauf, sie zu bezahlen. Franklin Pierce wurde verhaftet, weil er eine alte Dame mit seinem Pferd niedergetrampelt hatte, doch die Anklage wurde fallen gelassen.
»Sie sind Reporter«, informiert mich der Polizist, als er zurückkehrt. »Beim Capital Beat. Ich hab schon was von Ihnen gelesen. Dachte mir doch, dass ich Ihren Namen kenne.«
Ich bin sogar Korrespondent fürs Weiße Haus und Inhaber des Verlags. Einer der Vorteile, einen reichen Großvater zu haben. Heißt das, dass er mir keinen Strafzettel verpasst?
Nein. Er wirft mir eine rücksichtslose Fahrweise und das Überfahren der Mittellinie vor. Das scheint mir doppelt gemoppelt zu sein, doch jetzt ist nicht der richtige Zeitpunkt, um mich über Logik zu streiten. Ich will nur, dass er mich nach Hause fahren lässt, was er in jedem Fall tun wird, auch wenn er mir einen Strafzettel verpasst. Das ist gut. Aber gut ist auch: Dieser Polizist hat mich seltsamerweise beruhigt, er hat mich gezwungen, irgendwie wieder normal zu werden.
Schlecht ist: Ich wurde innerhalb einer Stunde nach Dianas Tod in der Nähe ihrer Wohnung registriert.
6Ich schlafe nicht, trotzdem träume ich: von einer Waffe auf einem Badezimmerboden; von einer auf einem Bürgersteig liegenden Frau; von Blutspritzern auf einem Duschvorhang; von leeren, leblosen Augen; von einem Schrei, den niemand hören kann; von einem Blutstropfen in freiem Fall, der die Form einer Kugel annimmt, bevor er geräuschlos auf einer Oberfläche auftrifft.
»Diana«, sage ich laut. Mein Kopf schnellt nach oben. Ich stehe vom Treppenabsatz im ersten Stock auf und eile nach unten. Habe ich ihre Stimme gehört?
»Diana?«
Ich sehe in der Küche nach, im Wohnzimmer, im Bad.
Draußen löst sich die Dunkelheit langsam auf. Morgengrauen. Sieben Stunden sind vergangen, die sich wie sieben qualvolle Jahrzehnte anfühlen. Ich bin in Schweiß gebadet, langsam beruhigt sich mein Puls. Meine Gliedmaßen schmerzen, und ich schnappe nach Luft, als stünde jemand auf meinem Brustkorb.
Ich renne zur Eingangstür und spähe durch den Spion: Ein weißer Lieferwagen steht direkt vor meinem Haus. Zufall? Zwei Jogger rennen auf der anderen Straßenseite durch den Garfield Park. Oscar, der Riesenschnauzer meines Nachbarn, pinkelt an meine Mauer am Bürgersteig. Riesenschnauzer jagen mir eine Höllenangst ein. Man sollte nur kleine Rassen zulassen. Welchen Sinn hat es, dass Hunde so groß werden? Irgendwie erinnern sie mich an den Schauspieler Wilford Brimley. Der Kerl ist schon mein ganzes Leben hindurch sechzig Jahre alt.
Präsident Johnson hatte mindestens drei Hunde, meistens Beagles. Zwei nannte er Er und Sie. George Washington hielt Hetzhunde, doch er mochte alle Rassen. Während der Schlacht von Germantown begegnete ihnen ein Terrier, der dem britischen General Howe gehörte, seinem Erzfeind. Seine Truppe wollte ihn als Trophäe behalten, doch Washington badete ihn, gab ihm etwas zu fressen und rief einen Waffenstillstand aus, damit seine Männer, eine weiße Flagge schwenkend, den Köter über die feindliche Linie hinweg dem Eigentümer zurückgeben konnten. Frankie D. Roosevelt nahm seinen Hund immer …
Plötzlich taucht ein Kind wie aus dem Nichts auf und schleudert eine Zeitung in Richtung meiner Tür.
Ich ducke mich, was keinen Sinn ergibt, und verfluche schweigend den Zeitungsjungen – irgendwann wird er sein Fett abkriegen. Schließlich komme ich auf die Idee, dass ich gestern Abend meine Medikamente hätte nehmen sollen. Aber dafür habe ich jetzt keine Zeit. Ich muss unbedingt hier raus.
Zuerst muss ich duschen, weil ich nach Schweiß und dieser Vanille-Lotion aus Dianas Schrank stinke. Ich glaube, es sollte noch eine weitere Person anwesend sein, wenn man sie verwendet. Calvin Coolidge mochte immer, dass man ihm Vaseline auf den Kopf schmierte, wenn er im Bett frühstückte. »Vasoline« ist nach »Interstate Love Song« das zweitbeste Lied der Stone Temple Pilots.
Wahrscheinlich hätte ich gestern Abend besser eine Tablette genommen, aber ich mag die Nebenwirkungen nicht, zu denen unter anderem Übelkeit, Klingeln in den Ohren und, oh ja, Impotenz gehören. Bewahrt Sie davor, sich runterziehen zu lassen, und bewahrt Sie davor, einen hochzukriegen.
Nicht dass Impotenz im Moment mein größtes Problem wäre. Auch für diese Herausforderung muss noch jemand anderes im Zimmer sein, wie ich neulich herausfand. Ich hatte mit acht Frauen insgesamt neunundneunzig Mal Sex. Die kürzeste Begegnung vom Vorspiel bis zum Höhepunkt betrug drei Minuten und mehr oder weniger vierzehn Sekunden. Ich sage »mehr oder weniger«, weil es ein bisschen komisch ist, gleich danach zur Stoppuhr zu greifen, also schätzte man die Zeit ab: fünf Sekunden, um ihn herauszuziehen, und zwischen fünf und zehn Sekunden für ein Kompliment, bevor man verstohlen auf seine Armbanduhr blickt.
Um eure Neugier zu befriedigen: Die längste Begegnung betrug siebenundvierzig Minuten und mehr oder weniger dreißig Sekunden. Alle meine Begegnungen zusammengenommen, einschließlich Auf- und Abrundungen, beträgt die durchschnittliche Dauer einundzwanzig Minuten, der Medianwert achtzehn Minuten und der häufigste Wert siebzehn. Meine Mathelehrerin, Ms Greenlee, wäre stolz. Weil ich mit ihr immer länger als dreißig Minuten zusammen war.
Ich hatte allerdings nie eine Langzeitbeziehung. Aus irgendwelchen Gründen dachten die meisten Mädchen, ich wäre nicht romantisch.
Bis auf Diana. Wir hatten eine Verbindung. Wir alle sind Puzzleteile auf einem großen Brett, und sie und ich, nun ja, unsere gezackten Kanten passten einfach gut zusammen. Auch wenn sie es noch nicht gemerkt hatte.
Ich drehe das Wasser in der Dusche auf, aber reiße den Kopf wieder nach hinten. Was war das?
Ich wickle mir ein Handtuch um die Hüfte und renne ins Schlafzimmer, das zur F Street hinausgeht. Der weiße Lieferwagen steht noch immer auf der anderen Straßenseite direkt vor meinem Haus. Meine kleine, idyllische, mit Bäumen gesäumte Straße erblüht, die Stadt erwacht zum Leben. Noch mehr Hunde rennen im Garfield Park umher, der Riesenschnauzer ist aber nicht mehr dabei.
Ich gehe zur Treppe und bleibe stehen, lausche, ob ich von den beiden Stockwerken unter mir etwas höre.
Nichts.
Zufrieden kehre ich ins Schlafzimmer zurück. Laute Musik plärrt los, zerrende Gitarren und ein dröhnender Bass werfen mich beinahe zu Boden. »Fine Again« von Seether. Ich brauche einen Moment, um mich von dem zu erholen, was ein Herzinfarkt hätte werden können. Es muss halb sieben sein. Mein Radiowecker ist auf DC101 eingestellt.
Ich drehe die Dusche heißer als heiß und malträtiere meinen Nacken mit dem Wasser. Meine Augenlider sind schwer, meine Beine wie Gummi. Dass ich die ganze Nacht aufgeblieben bin, erweist sich jetzt als großer Nachteil, weil ich mich mehr konzentrieren muss als je zuvor.
Ich werde nämlich in Dianas Wohnung zurückkehren.
7Ich fahre mit meinem Motorrad denselben Weg zurück, den ich gestern Abend gekommen bin. Die Straßen sind relativ ruhig, da es noch keine sieben Uhr ist, außerdem hat der Kongress Sitzungspause, was heißt, seine Anhängsel – Mitarbeiter, Interessengruppen, Lobbyisten und auch Reporter – sind nur noch minimal vertreten. Wir sind in der Stadt immer noch wie die Ölsardinen zusammengepfercht, aber alles ist relativ. Ich spüre, wie die Temperatur steigt, während ich die Constitution Avenue entlangfahre. Es wird heißer werden als gestern.
Es gibt noch so viel, was ich nicht weiß. Ich weiß nicht, was Diana gestern getan hat, weder tagsüber noch am Abend. Ich weiß nur, dass mein Auftrag lautete, um zehn Uhr wieder aus ihrer Wohnung verschwunden zu sein.
Um zehn Uhr ging Calvin Coolidge gewöhnlich zu Bett und stand zwischen sieben und neun Uhr am nächsten Morgen wieder auf, außerdem machte er nachmittags ein Nickerchen. Wenn ich schlafe, kann ich keine falschen Entscheidungen treffen, beliebte er zu scherzen. Arthur ging selten vor zwei Uhr nachts ins Bett. Präsident Polk arbeitete regelmäßig bis spät in die Nacht und stand früh wieder auf, doch dann starb er drei Monate nach Ende seiner Amtsperiode an Erschöpfung. Allerdings kaufte er Kalifornien, was manch einer als Pluspunkt bewertet.
Was war passiert, nachdem ich ein paar Minuten vor zehn aus der Wohnung geschlichen war? Die Fahrstuhltür öffnete sich – kam Diana nach Hause? War sie allein? Und warum war es so wichtig, dass ich um zehn Uhr wieder verschwunden sein sollte?
Mein Puls rast, als ich die K Street und den Georgetown Waterfront Park entlang auf die 33rd Street zufahre. Kajakfahrer tummeln sich auf dem Potomac. Truman war unser dreiunddreißigster Präsident, aber der zweiunddreißigste im Amt, da Grover Cleveland in zwei nicht aufeinander folgenden Perioden gewählt wurde, nachdem er 1888 zwar seine Wiederwahl gegen Benjamin Harrison verlor, aber an Popularität gewann. Dann durchkreuzte er Harrisons Versuch zur Wiederwahl und gewann die zweite Amtszeit vier Jahre nach seiner ersten, nachdem sich Harrison wegen seiner kranken Frau nicht dem Wahlkampf stellen konnte.
Vielleicht hätte ich meine Medikamente nehmen sollen.
Ich biege nach rechts auf die 33rd und fahre nach Norden auf den Kanal und Dianas Wohnhaus zu. Knapp einen Straßenblock entfernt stelle ich mein Motorrad ab und gehe, schwitzend wegen der bereits hohen Luftfeuchtigkeit und wahrscheinlich auch wegen meiner Nervosität, die Straße entlang.
Ich fühle mich wie Bruce Willis in Pulp Fiction, als er in seine Wohnung zurückkehrt, nachdem er seinen Gegner im Boxring getötet und einen Gangster verraten hat. Würde John Travolta drinnen auf mich warten, würde ich ihn fragen, warum er in Battlefield Earth – Kampf um die Erde mitgespielt hat. Würde ich ein Bruce-Willis-Filmfestival veranstalten, würde ich mir The Sixth Sense, Stirb langsam, Unbreakable – Unzerbrechlich und Pulp ansehen. Und vielleicht Ocean’s 12, auch wenn er sich nur selbst gespielt hat. Hey, das ist mein Filmfestival mit meinen Regeln.
Es könnte riskant werden. Ich muss aufpassen, darf mich nicht sehen lassen. Ich habe einen Schlüssel zu ihrer Wohnung, aber einige Leute könnten mich erkennen. Hätte ich doch nur eine von diesen realistischen Masken, die die Schauspieler in Mission Impossible trugen und sich in dramatischer Manier vom Kopf rissen, um ihre wahre Identität preiszugeben. Aber hier ist nur der einsame alte Benjamin. Ich falle nicht besonders auf. Ich kann perfekt in der Menge untertauchen. Früher hieß es immer, ich sähe wie mein Vater aus, was als Kompliment gedacht war, auch wenn es mich eher an eine Tetanusspritze erinnerte. Diana sagte, ich ähnele Johnny Depp. Vielleicht sollte ich mich als Pirat verkleiden. Oder als John Dillinger. Oder Willy Wonka.
Je näher ich komme, desto mehr schnürt sich mir der Brustkorb zusammen und desto trockener wird meine Kehle. Meine Beine werden wie Gummi. Hier endete gestern Abend Dianas Leben. Diese Tatsache ist bei mir noch nicht ganz angekommen. Mir wurde ein Fausthieb verpasst, aber ein blauer Fleck ist noch nicht zu sehen. Mein Hirn weiß es, mein Körper reagiert, doch irgendwie scheint die Sache noch nicht real zu sein.
Doch das passiert jetzt ganz plötzlich. Es wird konkret. Das Bild von Diana, die vom Balkon herabstürzt, taucht vor mir auf. Ich möchte die Zeit zurückdrehen, wie Superman es tat, um Lois Lane zu retten, und herausfinden, was mit Diana passiert ist, was jemanden veranlasst hat, sie zu töten, oder sie veranlasst hat, sich das Leben zu nehmen. Sprich mit mir, Diana, gib mir einen Hinweis, sag mir, wie ich herausfinden kann …
Ein Mann in Zivil steht nahe der Stelle, an der Diana aufschlug, und blickt zum Balkon hinauf. Sofern er kein Architekt oder Immobilienmakler oder ein großer Fan von Balkonen ist, gehört er wahrscheinlich zur Washingtoner Polizei. Als er sich in meine Richtung wendet, sehe ich seinen Schnurrbart, was meine Vermutung bestätigt: Er ist Polizist und untersucht Dianas Tod.
In Gedanken versunken, ist mir ein schrecklicher Fehler unterlaufen. Wie erstarrt stehe ich nur drei Meter von ihm entfernt, was mich natürlich zu einer auffälligen Erscheinung macht. Er dreht sich um und sieht mich an. Ich blicke zurück. Keiner von uns sagt ein Wort. Die Sache wird mit jeder Sekunde schlimmer. Die Situation entspricht dem, was Uma Thurman in Pulp Fiction unbehagliches Schweigen nennt. Ob er wohl meinen pochenden Puls hört?
Es ist viel zu spät, um einfach an ihm vorbeizugehen. Hals über Kopf davonzurennen ist eine Möglichkeit. Wahrscheinlich wäre ich schneller als er, überlege ich, als ich ihn von oben bis unten betrachte, doch alles in allem erscheint mir eine Flucht der letzte Ausweg zu sein. Vielleicht hat er beobachtet, wie ich mein Motorrad abgestellt habe, sodass er, selbst wenn mir die Flucht gelingen sollte, nur einmal anrufen muss, um alles über mich herauszufinden – einschließlich der Tatsache, dass ich gestern Abend hier in der Gegend mit dem Motorrad umherirrte und mich völlig danebenbenahm.
Oh, das läuft echt gut, Ben. Tolle Idee, einfach hierherzukommen.
Er tritt einen Schritt auf mich zu, steckt sich einen Streifen Kaugummi in den Mund und nickt mir zu.
»Morgen«, grüßt er mich mit geübter Ruhe. Aber mir ist klar: Er sieht es in meinen Augen. Er ist besser als der Straßenpolizist mit dem Schnauzer gestern Abend. Seine Antennen sind ausgefahren. Er weiß es. Er weiß es.
Und jetzt, Schlaumeier?
»Wohnen Sie hier in der Gegend?«, fragt er mit unaufdringlicher Neugier, als wolle er sich nur nach dem Weg zum Washington Monument erkundigen.
Ich antworte nicht. Stattdessen greife ich mit der linken Hand hinter meinen Rücken. Dies tue ich beiläufig, lächelnd, um sein Misstrauen nicht weiter zu wecken.
In einer gekonnt fließenden Bewegung öffnet er den Verschluss seines Holsters und schiebt seine Hand über den Revolver.
8Er ist Linkshänder. Ich hätte mir denken können, dass das Holster an seiner linken Hüfte hängt. Präsident Garfield war Linkshänder. Ebenso wie Truman. In modernen Zeiten … Ich zeige ihm meinen Presseausweis, der hinten in meiner Hosentasche steckte. »Capital Beat.«
Der Polizist holt tief Luft, drosselt sein Tempo und lässt den Griff seiner Waffe los. »Jesus«, sagt er.
»Nein. Nur Reporter.«
Eigentlich war Garfield beidhändig veranlagt. Er konnte mit einer Hand in altgriechischer und mit der anderen in lateinischer Schrift schreiben. Al Pacino in Donnie Basco war Linkshänder. Meiner Meinung nach zeigte er dort als zurückhaltender, verzweifelter Benjamin »Lefty« Ruggiero seine beste schauspielerische Leistung.
Der Polizist überprüft kurz die Angaben. Die Ausweise werden jährlich vom Metropolitan Police Department ausgestellt. »Benjamin Casper«, liest er vor. »Oh Mann, Sie haben mir aber kurz einen tierischen Schrecken eingejagt, Benjamin Casper.«
Prima. Er hat meinen Namen zweimal genannt und damit die Wahrscheinlichkeit, sich an ihn zu erinnern, vervierfacht.
Präsident Buchanan neigte den Kopf oft nach links, weil er auf einem Auge kurz-, auf dem anderen weitsichtig war.
»Sie sollten den Ausweis aber gut sichtbar tragen, junger Mann.«
»Ich bekenne mich schuldig.« Ich nicke in Richtung von Dianas Wohnhaus. »Jemand ist gestern Abend runtergesprungen?«
Er sieht mich wieder an. »Die Presseabteilung wird später eine Erklärung herausgeben. Wir arbeiten noch an der Identifizierung.«
Das ist eindeutig ein Trick, wie ihn die Korrespondenten des Weißen Hauses täglich hören. Die meisten Detectives oder Uniformierten liefern einem die Basisinformationen, noch bevor das Pressebüro eine Erklärung herausgibt, besonders wenn man verspricht, ihren Namen im Artikel richtig zu schreiben. Für mich ist seine Antwort ein Hinweis darauf, dass der Fall anders eingestuft wird.
Der Bereich, in dem Diana auftraf, ist mit gelbem Band abgesperrt. Teile des Blumentopfs und etwas Erde von der Apfelduft-Pelargonie liegen noch dort. Das Blut ist vor allem auf dem Bürgersteig zu sehen, zieht sich aber bis über den Bordstein.
Sobald das Blut einen Körper verlässt, verhält es sich wie eine Flüssigkeit, und es kommen alle physikalischen Kräfte zur Wirkung, einschließlich der Erdanziehungskraft.
»Geben Sie mir doch einen Tipp, Detective«, bitte ich ihn. »Gibt es überhaupt keine Spur?«
Er hatte mich bereits ausgeblendet. Nachdem er mich als Reporter erkannt hat, bin ich ihm ungefähr so willkommen wie eine Kakerlake mit Blähungen. Doch meine Frage hat seine Aufmerksamkeit wieder geweckt. Er dreht sich zu mir um. »Spuren zu was? Zu einer Frau, die von ihrem Balkon gesprungen ist?«
»Was immer Sie mir darüber sagen können«, antworte ich wie ein Reporter, der abgewimmelt wird.
»Tut mir leid, Benjamin Casper. Wir tappen noch im Dunkeln.«
Was soll das mit der Wiederholung meines Namens?
Ich beschließe, den Schaden zu begrenzen und als Nettoverlust zu verbuchen. Ich habe keinen Zugang zu Dianas Wohnung, und einer der ermittelnden Detectives nannte meinen Namen drei Mal, womit praktisch garantiert ist, dass er in seinem Gedächtnis eingebrannt ist. Aber zumindest habe ich mich als Reporter ausgegeben und einen katastrophalen Fehltritt vermieden.
Und die Fahrt war nicht völlig umsonst. Ich habe drei Dinge erfahren, die ich vorher nicht wusste. Erstens, das Metropolitan Police Department behandelt Dianas Tod als Mord. Zweitens, sie tun so, als täten sie genau das nicht.
Und drittens, ein Stück die Straße hinunter sitzen zwei Typen mit Sonnenbrillen in einem Lexus und scheinen sich tierisch für mich und den Polizisten zu interessieren.
9Ich starte meine Triumph, klappe das Visier nach unten und drehe mich in die Richtung des Lexus mit den beiden Typen, um einen kurzen Blick zu erhaschen. Sie sind weiß und muskulös, haben kantige Kiefer und Verstopfung. Gut, das mit der Verstopfung ist nur eine Vermutung. Ich weiß nicht, was sie vorhaben, aber es ist nicht der richtige Zeitpunkt, um das herauszufinden – nicht, solange ich den Überraschungsmoment nicht nutzen kann. Schließlich sind sie zu zweit und ich bin alleine, sie sitzen in einem Auto, ich sitze auf einem Motorrad. Abgesehen davon habe ich an diesem Vormittag schon genügend Aufmerksamkeit erregt.
Langsam fahre ich nach Hause zurück, um ihnen die Chance zu geben, mir zu folgen. Das tun sie nicht. Dann haben sie vielleicht kein Interesse an Diana. Vielleicht wollten sie von ihrem Aussichtspunkt aus nur den Potomac betrachten. Vielleicht wollten sie nur Vögel beobachten.
Manchmal fuhr Diana mit mir auf meiner Triumph. Es waren die besten Momente, die mir jemals auf einem Motorrad vergönnt waren, während Diana ihre Arme um meinen Oberkörper geschlungen und ihr Kinn auf meine Schulter gelegt hatte. Fühlte sich an wie ein echtes Abenteuer. Leider habe ich noch nicht kapiert, dass sie nie wieder mit mir Motorrad fahren würde.
Wir wären ein Paar geworden. Das weiß ich. Die besten Paare sind diejenigen, die vorher Freunde waren, wie Billy Crystal und Meg Ryan in Harry und Sally. Allerdings – das muss man schon sagen – war sie viel zu schön für ihn. Jedenfalls finden die meisten Menschen aufgrund der sexuellen Anziehung zueinander und versuchen anschließend herauszufinden, ob sie zusammenpassen. Der Sex lenkt sie ab, und sie merken zu spät, dass sich ihre Teile nicht ineinanderfügen. Diana und ich waren anders. Wir waren Kumpel. Freunde. Klar, ich wollte mehr, doch ihr Widerstand zwang uns, eine andere Art der Beziehung zu entwickeln. Sobald wir zum romantischen Teil gekommen wären, wäre die Checkliste bereits abgearbeitet gewesen.
Oder vielleicht habe ich nur geträumt. Das werde ich nie mit Sicherheit herausfinden.
Weil jemand sie getötet hat. Dessen jedenfalls bin ich mir sicher. Sie liebte diese Apfelduft-Pelargonien. Selbst wenn sie hätte sterben wollen, hätte sie darauf geachtet, sie bei ihrem Sprung nicht mit nach unten zu reißen. Sie hätte sich nicht einfach kopfüber hinuntergestürzt.
Ich kann mir vorstellen, wie ein Polizist über meine Analyse lacht. Der Fall der gefallenen Pelargonie. Jemand in diesem Zimmer ist Florist!
Man muss Diana kennen, wie ich sie gekannt habe.
Die Überwachungskameras in ihrer Wohnung jedenfalls werden die Wahrheit erzählen. Ich muss nur warten, bis sich die Polizei zurückgezogen hat …
Moment mal! Kannte Diana jemanden, der sie töten wollte?
Hat sie mich deswegen gebeten, die Überwachungskameras in ihrer Wohnung zu installieren? Sie hat mir von sich aus nicht verraten, warum ich dies tun sollte, daher habe ich nicht gefragt. Doch jetzt ergibt alles einen Sinn.
Warum sollte sich Diana die Mühe machen, mich Abhörgeräte in ihrer Wohnung installieren zu lassen, wenn sie vorhatte, sich am selben Abend umzubringen?
Das würde sie nicht tun. Und es ist gleichzeitig die Bestätigung dafür, dass Diana Marie Hotchkiss umgebracht wurde.
Oh Diana. Hattest du Angst um dein Leben? Warum? Was hast du getan? In was bist du reingeraten? Wusstest du etwas, das du nicht wissen solltest? Hast du etwas getan, was du nicht hättest tun sollen?
Und warum hast du mir so wenig vertraut und mir nichts davon erzählt?
Ich sollte mit dieser wichtigen Information zur Polizei gehen. Sie muss wissen, dass Diana vor etwas Angst hatte und dass die Überwachungskameras das Verbrechen aufklären könnten.
Aber damit bleibt mir das gleiche Problem wie am Abend zuvor, als ich sie tot auf dem Bürgersteig liegen ließ. Ich hielt mich nur wenige Minuten vor ihrem Sturz in den Tod in ihrer Wohnung auf. Und ich floh vom Tatort.
In dem Moment, in dem ich zur Polizei gehe, werde ich zum Hauptverdächtigen.
10Sie überfallen mich ganz plötzlich, sie sind gesichtslos, aber groß und stark, umklammern mit raschen Griffen meine Handgelenke und meinen Hals, drücken mich nach unten, während ich den Halt auf dem nassen Badezimmerboden verliere. Sie legen mir die Waffe in meine Hand, die sie fest hineindrücken und mit aller Kraft gegen meine Schläfe halten. Ich leiste Widerstand, schiebe meine Hand zur Seite, neige den Kopf weg vom Lauf, doch sie zerren mich am Haar wieder nach vorne, drücken den Lauf gegen meine Schläfe und meinen Finger gegen den Abzug. Ich strecke meine Finger, weg vom Abzug, doch sie sind zu stark. Sie sind zu stark, und ich bin zu schwach. Dann sehe ich, wie das Blut gegen den Duschvorhang spritzt, noch bevor ich den Schuss höre, bevor ich spüre, wie die Kugel mein Hirn durchdringt, bevor ich weiß, dass ich tot bin.