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Das Buch

»Eine Zeit lang war ich das Kind meiner Eltern. Dann war ich eine Zeit lang Koch und dann eine Zeit lang Mechaniker. Jetzt bin ich eine Zeit lang Liedermacher oder was weiß ich was ... und dann bin ich eine Zeit lang tot.«

Der Liedermacher und bayrische Rebell Hans Söllner erzählt seine Geschichte: vom Arbeiterkind zum Staatsfeind, vom Kochlehrling und Kämpfer für die Freigabe von Marihuana zur Stimme Bayerns. Ein wirklich wahrer Schelmenroman.

Die Autoren

Hans Söllner, geboren am 24. Dezember 1955 in Bad Reichenhall. Abgeschlossene Lehre als Koch und Automechaniker. Stand 1979 das erste Mal auf der Bühne und ist seitdem als Songwriter und Musiker unterwegs. Er hat sechs Kinder.

Christian Seiler hat dieses Buch gemeinsam mit Hans Söllner aufgeschrieben. Er ist Autor einiger Biografien und schreibt regelmäßig für Zeitschriften in Deutschland, Österreich und der Schweiz.

Weitere Informationen zu unserem Programm unter www.knaus-verlag.de

Hans Söllner

Freiheit muss weh tun

Mein Leben

Aufgeschrieben von
Christian Seiler

Knaus

Alle Fotografien mit freundlicher Genehmigung von Hans Söllner und Trikont.

Lukas Beck fotografierte: Seite 1, 14/15,

Daria Frick fotografierte: Seite 12 (oben)

Bernhard Müller fotografierte: Seite 13 (oben), 16

Trotz intensiver Recherche konnten nicht alle Rechteinhaber ermittelt werden.
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Aus Dokumentationszwecken war es notwendig, in diesem Buch
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1. Auflage

Copyright © der Originalausgabe 2015

beim Albrecht Knaus Verlag, München,

in der Verlagsgruppe Random House GmbH

Satz: Buch-Werkstatt GmbH, Bad Aibling

Umschlaggestaltung: FAVORITBUERO, München

Autorenfoto: © lukasbeck.com

ISBN 978-3-641-17409-5

www.knaus-verlag.de

1

Ich war kein Kind, auf das jemand gewartet hat. Das ist ungefähr das Einzige, was ich mit meinen beiden Brüdern und mit meiner Schwester gemeinsam habe: Auf die hat auch keiner gewartet.

Meine Mutter hieß Therese Söllner. Sie kam aus Schöllnach in Niederbayern. Mein Vater hieß Johann Söllner. Er war aus Weißbach in Oberbayern. Der Vater war Schlosser und hat am Bau als Maschinenführer gearbeitet. Er hat meine Mutter im Café Dreher kennengelernt. Sie haben sich gefallen, und als sie mit dem Sepp schwanger war, haben sie geheiratet. Damals hat niemand wegen der Liebe geheiratet. Man hat wegen dem Anstand geheiratet und wegen der Absicherung, und oft ist das ja auch heute noch so.

Ich war der zweite Sohn. Zehn Jahre nach mir ist die Elke auf die Welt gekommen und als Letzter der Michael.

Als ich zwölf oder dreizehn war, hat mir meine Mutter gesagt, dass sie mich eigentlich abtreiben wollte. Sie war schon beim Doktor gewesen und hatte sich Tabletten geben lassen, damit sie einen Abgang kriegt.

Aber mir war es immer egal, ob ich ein Wunschkind bin oder nicht. Das war für mich nie wichtig. So hat keiner Erwartungen an mich gehabt, und ich konnte zu dem werden, der ich bin. Wäre es anders gewesen, würde ich heute vielleicht noch immer Mechaniker sein und müsste mit sechzig jeden Abend die Werkstatt zusammenkehren. Was auch nicht schlecht wäre, aber so ist es mir schon lieber.

Meine Familie war wie jede Arbeiterfamilie in der Nachkriegszeit. Da gab es den Scheiß nicht, mit dem man heutzutage die Kinder zudröhnt – Geigenunterricht hier, Sport dort, Und-hast-du-die-Hausaufgaben-auch-gemacht. Wir haben etwas zum Anziehen gehabt und etwas zum Essen bekommen. Den Rest haben wir alleine erledigen müssen. Für meinen Bruder war das vielleicht nicht gut, aber für mich war es schon gut.

Solange wir zu viert waren, der Vater, die Mutter, der Sepp und ich, haben wir in Weißbach in einem Zimmer gelebt, das vielleicht zwanzig Quadratmeter groß war. Auf der einen Seite standen die Spüle und ein Holzofen, auf der anderen Seite zwei Betten. Das Klo war auf dem Hof. In dem einen Bett haben der Vater und die Mutter geschlafen. In dem anderen haben mein Bruder und ich geschlafen. So fing es an.

Meine Eltern waren einfache Leute. Sie haben uns gelassen, wie wir waren. Sie wollten auch nicht auf jeden Fall, dass wir es einmal besser haben sollten als sie. Sie waren Arbeiter, und es war klar, dass wir auch Arbeiter werden.

Geliebt haben sich meine Eltern nicht. Aber sie machten weder uns noch sich etwas vor. Erst haben sie gestritten. Dann ist der Vater ins Wirtshaus gegangen und hat sich besoffen.

Er konnte brutal ordinär sein. Er konnte primitiv sein und jeden, der in der Nähe war, beleidigen. Dafür hat es nicht einmal viel Alkohol gebraucht, ein oder zwei Bier haben gereicht. Ich hab ihm dann immer gesagt, wenn er die Bier nicht verträgt, soll er sie nicht trinken, und dann hat er mich erst recht angebrüllt und wüst beleidigt. Aber geschlagen hat er mich nicht. Er war mit seinen Worten brutal, aber nicht mit seinen Händen.

Auch wenn die Nachbarn am Zaun gestanden sind, hat er mit meiner Mutter geschrien, und sie hat zurückgeschrien. Die Nachbarn sind dann peinlich berührt weggegangen. Aber wir Kinder waren noch da und konnten uns die Streiterei anhören.

Unser Alltag war ordinär, primitiv und grausig. Wenn Alkohol im Spiel war, konnte jederzeit alles in die Luft fliegen. Mein Bruder hat viel mehr davon abgekriegt als ich, und er hat es nicht ausgehalten. Auch meine Schwester und mein Bruder, die später auf die Welt gekommen sind, haben es nicht ausgehalten, wie das Leben bei uns zu Hause war.

Aber ich habe es schon ausgehalten. Ich wollte den Vater nicht ändern, und ich habe auch nicht an ihm herumgenörgelt. Er war, wie er war, und die Mutter war auch, wie sie war. Von ihr habe ich immer nur gehört: Ich halt das nicht mehr aus. Ich geh ins Wasser. Ich geh ins Wasser.

Dreißig Jahre später, als ich selber Frau und Kinder gehabt habe, hab ich das auch oft gehört: Ich halt das nicht mehr aus. Da hab ich an den Vater denken müssen und mir gedacht, dass es manchmal sehr schnell gehen kann, dass einen jemand nicht mehr aushält.

2

Das Haus in Weißbach, Heubergstraße, wo wir das Zimmer gehabt haben, hat meinem Großvater Josef gehört, dem Vater von meinem Vater. Der Opa hat immer nur darauf gewartet, dass du was falsch machst, damit er dir ins Gesicht sagen kann, dass du ein Arschloch bist.

Mein Großvater hat ein böses Maul gehabt. Wenn gestritten worden ist, hab ich mich manchmal eingemischt. Weil ich hab das Streiten schon ausgehalten. Ich konnte genauso brutal sein wie der Vater und der Großvater, von Anfang an.

Mein Bruder hat das Streiten nicht ausgehalten. Manchmal ist er weinend ins Bett gegangen, weil er die Brutalität nicht vertragen hat. Ich habe auch oft geweint, aber nicht wegen dem Streiten. Sondern weil mich niemand verstanden hat. Auch das ist so geblieben: Wenn ich nicht verstanden werde, weine ich heute noch.

Ich war kein besonderes Kind. Ich konnte überall herumsitzen und einfach schauen und hören. Ich bin auf die Bäume geklettert und hab in Vogelnester geschaut und Schmetterlinge gefangen. Ich hab mir ein Baumhaus gebaut. Ich war gern in der Nähe vom Wasser. Oft hab ich mit der Hand Fische gefangen. Ich war der beste Schwarzfischer von Weißbach. Das habe ich auch von meinem Vater gelernt. Der war vor mir der beste Schwarzfischer von Weißbach.

Oft hab ich auch gar nichts gemacht. Nichts. Die Zeit ist wie im Flug vergangen. Vielleicht klingt das langweilig, aber mir war nie langweilig. Ich hab geschaut. Ich hab gehört.

Zuerst war ich im katholischen Kindergarten St. Zeno in Reichenhall. Dort haben mir die Englischen Fräulein den Diezl abgewöhnt, meinen Schnuller. Das war mein einziger Entzug. Ich habe ewig gebraucht, weil zu Hause durfte ich den Diezl nehmen, und am nächsten Tag im Kindergarten hat er mir wieder gefehlt. Dann ging ich sieben Jahre in Marzoll in die Hauptschule, die Achte und die Neunte machte ich dann in Reichenhall. Dreißig Kinder in der Klasse, und die Lehrer durften damals noch schlagen. Ich bin reichlich in den Genuss davon gekommen. Deswegen kann ich vielleicht heute noch nicht wirklich gut mit Lehrern, auch wenn ich, Gott sei Dank, schon andere kennengelernt habe.

Um fünf nach halb acht bin ich in den Bus eingestiegen, letzte Bank ganz hinten, Fensterseite, rausschauen, und wenn die Schule aus war, schnell wie der Blitz in die Natur. Meistens aufs Hochfeld, das war ein kleiner Wald auf einem Hügel ganz nah an der Grenze nach Österreich. Dort war eine Kiesgrube, in der man gut spielen konnte. Wahrscheinlich würde man mir heute Medikamente geben, damit ich mich weniger bewege.

Zu Hause gab es Essen, aber wenn ich nicht zum Essen gekommen bin, hat es auch keinen interessiert. Der Vater war sowieso die ganze Woche fort, auf Montage. Die Mutter hat halbtags im Café Dreher am Büfett gearbeitet und war froh, wenn wir zu Mittag nicht gleich da waren, dann hat sie sich nicht mit dem Essen beeilen müssen.

Als Schüler war ich nicht besonders, weder besonders gut noch besonders schlecht. Mich hat die Schule nicht interessiert. Vielleicht wär ich gern ins Gymnasium gegangen und hätte später Naturwissenschaften studiert, aber das war nie ein Thema. Dafür war zu Hause kein Geld da. Außerdem hat der Vater die Studenten gehasst. Ich glaube, er hat alles gehasst, was er selber nicht werden konnte. Wenn sie im Fernsehen etwas von den Unis gebracht haben, hat er immer über die Scheißstudenten geschimpft, die faulen Drecksäue, und dass die alle weg gehören.

Ich war gern in Gesellschaft, aber ich habe keinen großen Freundeskreis gehabt außer dem Oswin, dem Franz und dem Werner. Mit denen war ich fast jeden Tag auf dem Hochfeld. Der Oswin war aus Erding nach Reichenhall gezogen, als ich elf war. Wir haben Eidechsen gefangen und Baumhäuser gebaut. Im Sommer sind wir zur Wasserwacht, es ist ein Wunder, dass im Marzoller Schwimmbad damals niemand ersoffen ist.

In einer Clique war ich nicht, so wie ich auch heute noch in keiner Clique bin. Als Volksschüler hab ich mich noch bemüht dazuzugehören. Ich habe alles mitgemacht, Trompetenunterricht, Akkordeonunterricht. Für kurze Zeit war ich sogar im Trachtenverein. Aber irgendwas in mir hat sich gesträubt, da weiterzumachen. Ich kann nicht genau sagen, was es war. Ich konnte einfach nicht Schuhplatteln. Wenn einer gesagt hat, linker Fuß, rechter Fuß – ich war einfach zu keiner Choreographie fähig.

Schon damals wollte ich keinen Tag so haben, wie der letzte Tag gewesen war. Das hat sich mit dem Trachtenverein nicht vertragen. Sie haben mich dann eh rausgeschmissen, als ich nicht mehr bereit war, mir von der Mutter einen Stiftenkopf scheren zu lassen. Einen mit langen Haaren wollten sie im Trachtenverein nicht haben.

Mir hat niemand gesagt, komm mit, wir gehen in die Disko oder ins Pub. Ich hatte immer meinen Parka an und irgendwelche Hosen, die mir gerade noch gepasst haben, Vietnam-Style. Die anderen hatten Schlaghosen und Hemden mit Blumen. Aber ich wollte mich nicht verkleiden, um dazuzugehören, und deshalb bin ich dann zu Hause geblieben und hab mich mit mir selbst beschäftigt. Ich habe dafür kein Buch gebraucht und kein Comicheft. Ich war frei und hatte Zeit, Stück für Stück alles an mir selbst zu erfinden.

3

Mein Vater hat bei Held & Francke gearbeitet, einer großen Baufirma. Die Firma hat 1966 in Ghana eine Brücke über den unteren Volta gebaut, da ist der Vater für ein halbes Jahr auf Montage nach Afrika gegangen. Als er zurückkam, hat er faszinierende Dinge mitgebracht: ganze getrocknete Tierhäute, ein Häuptlingszepter, ein Stück von einem Krokodil, Trommeln und Schmetterlinge, die so groß waren wie ein halbes Schulheft.

Ich war fasziniert. Das war mein erster Kontakt zu Afrika. Die Sachen haben bei mir eine Faszination für Afrika entzündet, die bis heute anhält. Immer wieder bin ich zum Vater, damit er mir von Afrika erzählt. Aber er hat nichts erzählt. Er hat vom Krieg nichts erzählt, und er hat von Afrika nichts erzählt. Erst nach seinem Tod habe ich ein Album von ihm gefunden, in dem Fotos aus Ghana waren, da steht er an verschiedenen Orten immer neben demselben Mädchen. Niemand hat erfahren, wer das Mädchen war und ob es vielleicht seine Freundin war. Auf den Fotos schaut der Vater auf jeden Fall viel glücklicher aus, als ich mich sonst an ihn erinnere. Ich kann mir vorstellen, dass er damals überlegt hat, uns zurückzulassen und in Afrika ein neues Leben anzufangen. Aber er ist dann doch zurückgekommen, und als er wieder da war, hat er über die Schwarzen kein gutes Wort verloren.

Wir haben damals zu den Schwarzen »Neger« gesagt. Das war für uns kein Schimpfwort. Ich habe später natürlich gelernt, dass es unkorrekt ist, Neger zu sagen, und warum es unkorrekt ist, aber ich benutze das Wort hier wie damals.

Vielleicht hat das Schimpfen auf die Neger das schlechte Gewissen von meinem Vater beruhigt oder seine Sehnsucht nach einem anderen Leben betäubt.

Ich habe jedenfalls immer wieder das Bedürfnis gehabt, selbst nach Afrika zu fahren, um nachzuschauen, ob es dort, wo der Vater war, Brüder und Schwestern von mir gibt. Aber selbst wenn es so war, halte ich dem Vater zugute, dass er zu uns zurückgekommen ist. Er hat sich ein Leben ausgesucht, das vielleicht schlechter war als ein anderes, das er hätte führen können. Vielleicht war er auch nur zu feig, seine Familie zu verlassen. Wir Männer sind schnell einmal feig, wenn es um unsere Kinder geht.

Und vielleicht war er dann über die Entscheidung so unglücklich, dass er so laut geworden ist und immer nur geschimpft und alle Menschen beleidigt hat. Weil es auch ein Schutz ist, laut zu sein und alle zu beleidigen.

Als er zurückkam, war sein Leben nicht mehr schön. Die Mutter war frustriert und gekränkt. Sie hat sich von ihm zurückgezogen, weil sie sich alleingelassen gefühlt hat, und dafür hat sie ihn erst bestrafen können, als er wieder da war.

Wir haben unser Zimmer dann gegen die Wohnung der Großeltern getauscht, weil es platzmäßig nicht mehr gegangen ist. Die Großeltern sind in unser Zimmer gezogen. So wie auf den Bauernhöfen, wenn die Jungen übernehmen und die Alten ins Austragshäusl ziehen. Kurze Zeit später sind wir aus dem Anbau ins Haupthaus gezogen.

Wir haben dann mehr Platz gehabt. Aber für die Familie war das nicht besser, sondern schlechter. Natürlich waren wir vorher alle in ein Zimmer eingesperrt gewesen, aber das hatte immerhin noch ein gewisses Gefühl von Gemeinsamkeit erzeugt. Das war jetzt weg. Jeder hat sich nur noch in sein Loch verzogen. Meine Geschwister sah ich überhaupt nicht mehr, nur meinen älteren Bruder Sepp, denn wenn ich in mein Zimmer wollte, musste ich durch sein Zimmer. Dort hab ich im Radio auf Ö3 »Die Großen 10« gehört oder »Musik zum Träumen«, und eigentlich habe ich auch ganz gern Schlager gehabt, Cornelia Froboess, Vicky Leandros und den ganzen Scheiß. Es war gnadenlos hart, was ich da gehört habe: »Ich schau den weißen Wolken nach und fange an zu träumen« und solchen Mist.

Der Vater hat aber gespürt, dass die Familie am Auseinanderfliegen war. Nachdem es vorher immer egal gewesen war, wer beim Essen aufgetaucht ist und wer nicht, hatte er jetzt plötzlich angeschafft, dass alle um sechs beim Essen sein müssen.

Aber er ist dann nie mit uns am Tisch gesessen. Weil wenn er am Tisch saß, ist der Rest der Familie ins Wohnzimmer geschlichen. Und wenn er im Wohnzimmer war, sind wir an den Tisch in der Küche gegangen.

Mein älterer Bruder Sepp war ganz anders als ich. Er war weicher, und er wollte keinen Stress haben. Mir hat der Stress nichts ausgemacht. Ich wollte, dass man mich sieht. Der Sepp wollte, dass ihn niemand sieht. Er wollte sich immer irgendwie durchlavieren.

Er hat die Beatles und die Rolling Stones live mitgekriegt und sich die Sixties voll gegeben, mit Alkohol und allen anderen Drogen, die er in die Finger gekriegt hat. Er hat sich die Haare lang wachsen lassen, was den Vater total auf die Palme gebracht hat. Manchmal hat der Vater gewartet, bis der Bruder schlief, dann ist er mit der Schere in sein Zimmer und hat ihm im Schlaf oder im Suff die Haare abgeschnitten. Manchmal hat er ihm auch Farbe in die Haare gekippt, damit er sie sich schneiden lässt, aber dem Bruder war das egal.

Alkohol war bei uns immer genug im Haus. Der Vater hatte kaputte Bandscheiben und soff gegen die Schmerzen und gegen die Traurigkeit. Meine beiden Brüder haben dann auch Probleme mit dem Alkohol bekommen. Sie wollten irgendwie durchkommen, aber das Durchkommen ist anstrengend, und der Alkohol hat es ein bisschen leichter gemacht.

Mich hat auch das nicht besonders gestört. Ich kannte es ja nicht anders. Aber es hat mich abgeschreckt, selbst zu saufen. Ich hab so viele Feste gesehen, wo alle besoffen waren, dass es mich nur noch geekelt hat. Ich geh auch heute von solchen Festen früh weg, damit ich diese Stufe nicht mehr erleben muss.

Ich hab einfach nie mit dem Alkohol angefangen. Mit dem Rauchen war es anders, da hab ich mir mit dreizehn die erste Zigarette aus der Schachtel des Vaters genommen und probiert, wie das schmeckt. Es war grausig, aber dann hab ich noch einmal probiert und es war schon ein bisschen weniger grausig, und dann hab ich 33 Jahre lang geraucht. Deshalb glaube ich, dass die erste Zigarette die gefährlichste Einstiegsdroge ist.

Den Vater hat das wahnsinnig aufgeregt.

»Du Depp«, hat er geschrien, »was fängst du überhaupt an mit dem Scheißdreck?«

»So ein Scheißdreck kann es nicht sein«, hab ich gesagt, »wenn du seit vierzig Jahren rauchst.«

Darauf ist ihm nichts mehr eingefallen.

Vielleicht hat es mich auch deshalb so vor dem Alkohol geekelt, weil ich gesehen hab, wie grausig besoffen mein Bruder immer war. In seinem Zimmer hat es gestunken wie im Scheißhaus. Es war immer voller Rauch. Flaschen sind herumgelegen und volle Aschenbecher, und nicht nur einmal war er so besoffen, dass er irgendwohin gekotzt hat und zu breit war, um es wegzuputzen. Mädels waren auch oft da, sogar das kam mir immer grausig vor: Da war keine Zärtlichkeit, nichts Schönes, nichts, was gut gerochen hat oder dir ans Herz gegangen ist. Alles war grob und alles war ordinär.

Ich hab den Dreck gehasst. Ich hab dieses Chaos gehasst.

Zuerst hab ich mich danach gesehnt, dass ich endlich die Tür hinter mir zumachen kann. Dann hab ich mich danach gesehnt, irgendwo zu sein, nur nicht mehr zu Hause.

Der Oswin hat dann eine Kochlehre angefangen. Er bekam im Hotel, wo er arbeitete, ein eigenes Zimmer. Das mit dem Zimmer war gut. Damit war meine Berufswahl besiegelt. Ich wollte auch Koch lernen.

Gut, sagte der Vater. Er fuhr mit dem Auto in der Gegend herum, und als er nach Hause kam, hatte ich eine Lehrstelle im Salzburger Hof in Reichenhall. Es gab damals noch keine besonderen Rechte für Lehrlinge. Ich musste täglich zehn, zwölf, vierzehn Stunden arbeiten, sechs Tage die Woche, aber das war in Ordnung. Vom ersten Lohn kaufte ich mir ein altes Mofa, damit pendelte ich noch für drei Monate von zu Hause zur Arbeit.

An einem Sonntag in der Früh weckte mich der Vater um neun auf, damit ich sein Auto wasche. Das war neu, dass wir ein Auto hatten, und es musste immer blitzblank sein. Ich hatte am Vortag Spätdienst gehabt und wollte mich ausschlafen. Weil am Montag um acht ging es eh schon wieder weiter mit der Arbeit.

»Geht’s noch«, sage ich, »ich hab gearbeitet bis um elf. Ich will jetzt schlafen.«

»Du stehst jetzt auf«, schreit der Vater. »Oder du kannst dich gleich schleichen.«

Dann sagt er, was er bei solchen Gelegenheiten immer gesagt hat: »Weil solange du die Füße unter meinen Tisch streckst, schaffe ich dir an, was ich will.«

Da springe ich aus dem Bett und sage ihm: »Was kostet der Tisch eigentlich? Ich kauf ihn dir ab …«

Das ist dem Vater zu viel, und auch wenn er es sonst nie getan hat, haut er mir jetzt eine runter.

»Such dir eine eigene Wohnung«, schreit er. »Du Volldepp.«

Um neun Uhr in der Früh an diesem Sonntag packe ich meine Tasche, zwei Jeans, meinen Parka, Turnschuhe, und bin ins Hotel umgezogen.

Das war mein Abschied von zu Hause.

4

Die Arbeit gefiel mir nicht schlecht. Sie passte zu meinem Rhythmus. Ich musste erst um acht Uhr aufstehen, wenn die Chefköche an meine Tür klopften. Dann bereiteten wir die Küche vor, zündeten den Gasofen an und heizten die Wasserbecken auf, ungefähr bis drei viertel neun. Dann setzten wir uns zum Frühstück hin. Der Chefkoch schrieb die Speisekarte. Später kam der ein oder andere Freund von den Köchen vorbei, und sie haben ein bisschen gekartelt. Ich durfte dabei am Tisch sitzen und hie und da sogar was sagen, dann lachten die anderen und sagten, du bist aber ein Spaßvogel. Wenn die Saison gerade ruhig war, im späteren Herbst zum Beispiel, saßen wir oft ein, zwei Stunden nur da, tranken Kaffee und haben geredet.

Mir ist nur das Cholerische an den Köchen auf den Geist gegangen. Das ist in fast jeder Küche so. Wenn einer einmal dreißig Jahre Koch ist, ist er meistens Alkoholiker oder Choleriker, oder beides. Sonst schaffst du vielleicht das tägliche Stoßgeschäft nicht, wenn plötzlich alle Gäste bei der Tür hereinkommen und essen wollen, und plötzlich ist in der Küche nur mehr Gebrüll und Stress.

Auch in der Berufsschule hatte ich den üblichen Stress, den ein Lehrling hat. Ich bekam einen Direktoratsverweis, weil ich einen Lehrer geduzt hatte. Ich hatte ihn aber nur geduzt, weil er mich auch geduzt hatte, und wenn einer zu mir du sagt, dann sag ich auch zu ihm du. Glücklich war ich nicht, aber ich war zufrieden. Ich hatte Heimweh und zugleich war ich froh, dass ich nicht mehr nach Hause gehen musste. Oft bin ich in meinem Zimmer im Salzburger Hof gesessen oder auf dem Bett gelegen und hab geweint. Es war nicht nur das Heimweh, sondern etwas Schlimmeres. Ich fragte mich: »Muss ich das jetzt wirklich vierzig Jahre lang machen?« Ich hatte keinen anderen Plan, aber die Vorstellung, dass mein Leben immer so weitergehen könnte, hat mich völlig aus der Fassung gebracht.

Das Zimmer war im Souterrain. Ich habe die Menschen gehört, wie sie ins Hotel gekommen sind, weil der Rost, über den sie gegangen sind, so ein spezielles Geräusch gemacht hat. Das war das Geräusch zu meiner Angst. Vierzig Jahre!, schepperte der Rost jedes Mal. Vierzig Jahre! Ich rechnete mir aus, wie alt ich in vierzig Jahren sein würde, und dann weinte ich wieder.

Weil es zu meiner Zeit nicht die Qual der Wahl gab und unendlich viele Möglichkeiten für jeden. Sie haben da draußen nicht auf mich gewartet, nicht zu dieser Zeit.

Ich biss mich durch. Zuerst machte ich die Lehre fertig. Dann lernte ich beim Schifferer in der Kellerdisko meine erste nette Freundin kennen, die Tina. Ihr Vater war Schichtarbeiter in der Saline, und sie hatte es auch nicht leicht.

Mit mir wurde das aber nicht besser. Wir trennten uns dauernd und kamen wieder zusammen, und sie hat immer ganz schrecklichen Liebeskummer gehabt. Zu dieser Zeit arbeitete ich nicht mehr im Salzburger Hof, sondern probierte mich durch andere Stellen als Koch, im Deutschen Haus in Reichenhall, im Landgasthof Roider in Schwarzbach.

Dort sagte mir an meinem ersten Arbeitstag der Chefkoch: »Wir brauchen sechzig Liter Fleischsuppe.«

Ich stellte also den Topf mit den sechzig Litern aufs Feuer, tat das Fleisch hinein, die Zwiebeln, den Lauch, was halt in die Fleischsuppe hineingehört. Ich kannte mich ja aus, ich war schon Geselle.

Dann kam der Typ in die Küche, schaute in meinen Topf und schrie mich an: »Bist du wahnsinnig?« Er kriegte richtig Schweißperlen auf der Stirn, so regte er sich auf.

Dann nahm er mich an der Jacke und zerrte mich wie ein Kleinkind in irgendeinen Lagerraum. Dort zeigte er mir einen 50-Kilo-Sack, der voll mit so einem Krümelzeug war.

»Das ist die Fleischsuppe, du Volldepp! Das gute Fleisch wird nicht verkocht.«

Ich machte dann ein paar Tage Fleischsuppe aus dem Krümeldreck, aber dann ging ich zum Chef und sagte: »Weißt du was: Ich hab nicht drei Jahre Koch gelernt, damit ich hier eine Packerlsuppe heiß mach. Leck mich am Arsch.«

Es war das erste Mal, dass ich selbst so eine Entscheidung traf. Bis dahin hatte ich immer das Spiel der anderen mitgespielt, egal, ob in der Schule oder im Schulsport, oder bei den Gottesdiensten am Sonntag. Ich hatte immer gewusst, wenn ich nicht mitspiele, verliere ich. Für einen Acht-, Zehn- oder Vierzehnjährigen war das wahrscheinlich auch richtig. Aber jetzt fühlte sich der Entschluss, den Koch zu fragen, ob er spinnt, richtig an und sogar vernünftig. Ich begriff in dieser Situation etwas Wichtiges: Ich begriff, dass ich immer die Macht habe, mich zu wehren, wenn mir etwas gegen den Strich geht. Ich begriff, dass ich selbst Schluss machen kann.

Lieber ging ich an die Autobahntankstelle in Piding arbeiten, als Tankwart. Dort sah ich die ersten Gastarbeiter aus Jugoslawien und aus der Türkei, die damals nach Deutschland gelotst wurden. Ich verdiente 1200 Mark im Monat und konnte mir ein Auto leisten, einen VW Variant, in dem ich manchmal auch geschlafen habe.

Meinen Vater regte es gewaltig auf, dass ich nicht mehr als Koch arbeiten wollte.

»Wieso hast du gekündigt, du Depp?«

»Weil ich nicht mein Leben lang Packerlsuppen aufwärmen will.«

»Was willst du denn sonst machen, du Volldepp? Koch ist ein super Beruf. Du bist im Warmen, kriegst immer was zu essen, musst nicht frieren. Außerdem reißt du dir draußen auf der Baustelle nicht das Kreuz ab.«

Ich habe zwar nicht mehr zu Hause gewohnt, aber wir haben uns natürlich gesehen, und er hat noch immer mit mir herumgeschrien.

»Schau mich an«, hat er geschrien, »in ein paar Jahren bist du auch so kaputt.«

Aber ich war in ein paar Jahren nicht so kaputt. Ich hatte meinen Gesellenbrief in der Tasche. Ich war kein Säufer und auch kein Volldepp. Ich war zu Hause ausgezogen und dann lernte ich im Bürgerbräu die Ingrid kennen.

5

Im Bürgerbräu waren immer die Studenten, und die Ingrid kam aus einer Akademikerfamilie. Sie hatte an der Fachoberschule in Traunstein das Abitur gemacht. Sie war der erste Mensch, den ich kannte, der freiwillig Bücher las. Sie gab mir auch gute Tipps, was ich lesen soll, zum Beispiel »Von Mäusen und Menschen« von John Steinbeck, oder die »Straße der Ölsardinen«.

Die Ingrid hatte eine ganz andere Freiheit leben können als ich. Sie war im Urlaub gewesen, und es war nicht immer nur das Geld knapp gewesen. Mit ihr lernte ich jetzt eine ganz andere Freiheit der Liebe kennen. Sie brachte mir bei, dass man Sachen beenden muss, damit etwas Neues anfangen kann. Wenn sie mich nicht motiviert hätte, aus Reichenhall wegzugehen, wäre sehr viel in meinem Leben nicht passiert.

Ich hatte vorher schon ein paar Erfahrungen gemacht, mit der Tina und auch mit anderen Mädels, aber keine besonders schönen. Mit der Ingrid war es anders. Ihre Schwester, die Heike, hatte eine eigene Wohnung in München. Ich hatte damals, nach meiner Kochlehre, den Führerschein gemacht, und wir sind mit meinem VW Variant nach München gefahren. In der Tür von der Beifahrerseite war ein faustgroßes Loch vom Rost. In der Wohnung von der Schwester waren die Ingrid und ich dann zum ersten Mal richtig zusammen.

Im Oktober 1975 fing die Ingrid ein Praktikum bei der Behindertenwerkstatt in Weilheim an, und ich bin jedes Wochenende von Weißbach zu ihr gefahren. Als ich dann in Weilheim beim Geisenhofer einen Job bekommen habe, bin ich zu ihr gezogen. Der Geisenhofer war eine Betonfirma. Ich musste Fertigbrückenteile einstampfen. Es war ein grausiger Job, der ganze Staub, der Dreck, der Lärm. Das machte ich drei Monate lang. Dafür konnten wir uns eine kleine Wohnung leisten, am Kirchbach in Polling.

Dann kriegte ich meine Einberufung zur Bundeswehr: Schütze Söllner Johann hat sich am 1. April 1976 bei der Nachschubausbildungskompanie 9/8 in der Generaloberst-Dietl-Kaserne zu melden. Der Generaloberst Dietl war ein übler Nazi gewesen, aber das wusste ich damals noch nicht.

Ich war natürlich ein Volldepp gewesen. Nach der Musterung in Reichenhall hatte ich mir keine Sekunde überlegt, was bei der Bundeswehr auf mich zukommen würde. Ich dachte nicht einmal daran, dass man auch verweigern kann. Am Tag vor der Einberufung ließ ich mir schweren Herzens die Haare abschneiden. Dann packte ich mein Zeug in das Auto mit dem Loch in der Tür und fuhr von Weilheim nach Füssen, in die Generaloberst-Dietl-Kaserne, wie es auf dem Zettel stand.

In der Kaserne sagte ich gleich, dass ich Koch bin. So viel wusste ich nämlich: Wenn du Koch bist, kommst du zum Nachschub. Wenn du beim Nachschub bist, arbeitest du entweder in der Kantine, oder du kannst den Führerschein für Lkw machen. Beides fand ich akzeptabel, weil es nichts mit dem Grundwehrdienst zu tun hatte.

Aber ich musste doch in den Grundwehrdienst. Das war für mich eine schräge Wiederholung all dessen, was ich während der zwanzig Jahre vorher erlebt hatte: Ich musste machen, was mir ein anderer anschaffte. Wenn der Feldwebel sagte, dass ich laufen muss, musste ich laufen. Wenn er sagte, so, und jetzt geh scheißen, musste ich scheißen gehen.

Aber das wollte ich nicht mehr. Und ich konnte es auch nicht mehr. Die Vorstellung, die nächsten eineinhalb Jahre nach der Pfeife von diesen Deppen zu tanzen, vertrug sich nicht damit, dass ich angefangen hatte, meine eigenen Entscheidungen zu treffen. Ich konnte nicht bei einer Institution sein, die dich zuerst zerstört, um dich dann langsam wieder aufzubauen, damit du so wirst, wie sie dich haben wollen.

Also sagte ich: »Tut mir leid, ich kann den Dienst mit der Waffe nicht mit meinem Gewissen vereinbaren. Ich verweigere.«

Zuerst lachten sie mich aus.

»Du hast keine Chance, Söllner«, sagten sie, »das hättest du dir früher überlegen müssen.«

Aber da half mir die Ingrid sehr. Die hatte den juristischen Jargon voll drauf, den man für so was braucht. Sie schrieb die Begründung für die Verweigerung auf zwei A4-Seiten zusammen. Damit ging ich dann zurück in die Kaserne und bekam tatsächlich einen Termin beim Kreiswehrersatzamt in Traunstein, um dort die Dienstverweigerung vor der zuständigen Kommission einzureichen, 25. Mai 1976, 10 Uhr 15.

Ich wollte dann sofort meine Waffe abgeben. Aber so blöd waren die beim Bund auch nicht.

»Und was ist«, fragte mich der Leutnant listig, »wenn du die Verweigerung nicht bestehst? Dann würdest du ja jetzt was verpassen.«

Und dann ließen mich die Arschlöcher jeden Dienst und jede Übung dreifach machen, weil sie wussten, dass ich keiner von ihnen bin. Nicht tausend Meter laufen, sondern dreitausend. Nicht ein Mal durch den kalten Bach, sondern fünf Mal. Das war so hart, dass ich tatsächlich glaubte, die bringen mich um. Und wenn sie mich nicht umbringen, drehe ich durch. Ich schrieb in meiner Not sogar einem Psychologen in Reichenhall einen Brief, er soll mir helfen, sonst werde ich verrückt oder bringe mich um. Aber der antwortete nicht einmal. Von heute aus betrachtet, war das nichts anderes als ein Mordversuch. Die wollten mich umbringen – oder mich wenigstens so weit bringen, dass ich mich selbst umbringe.

Als ich dann den Termin in Traunstein hatte, wäre ich fast nicht rechtzeitig hingekommen. Von Füssen nach Traunstein sind es fast dreihundert Kilometer, und der Tank von meinem Auto war leer. Ich hatte keinen Pfennig, um volltanken zu können, und musste das Geld bei Kollegen zusammenbetteln. Von denen hatten viele aber überhaupt keine Lust, einem Verweigerer ein paar Mark zu überlassen: »Du willst mein Geld, Söllner? Ich verweigere … haha.« Es war übel, bis ich das Geld fürs Benzin zusammenhatte.

Ich komme dann gerade noch rechtzeitig um zehn in Traunstein an. Im Zimmer sitzen drei andere Typen, die auch auf ihre Befragung warten.

Der Erste muss hinein. Er kommt zehn Minuten später wieder heraus, und die Tränen fließen ihm über die Wangen. Abgelehnt.

Der Zweite geht hinein. Ich sehe, wie seine Knie zittern. Als er rauskommt, ist er bleich wie ein Tuch und stammelt nur: »Scheiße. Scheiße. Scheiße.«

In dem Moment denk ich mir: »Die lehnen mich auch ab, die Arschlöcher. Aber in die Kaserne fahr ich nicht mehr zurück.«

Es wäre mir egal gewesen, fahnenflüchtig zu sein. Vielleicht gehe ich nach Berlin, denke ich noch, wie die ganzen anderen, die nicht zum Bund sind. Aber sicher fahre ich nicht zurück nach Füssen.

Der Amtsdiener kommt und sagt: »Söllner Johann.«

Im Zimmer hocken drei ältere Typen, denen die Langeweile und der Sadismus ins Gesicht geschrieben stehen.

Der eine fragt mich: »Wenn Sie mit Ihrer Frau durch den Wald gehen und es kommt ein Bewaffneter auf Sie zu und möchte Ihre Frau vergewaltigen … was tun Sie da?«

»Dann erschieß ich ihn«, sag ich. »Dafür muss ich doch nicht eineinhalb Jahre zum Bund, dass ich das lerne.«

»Sie erschießen ihn also«, sagt der andere. »Wo haben Sie denn die Waffe her?«

»Ich hab gar keine Waffe«, sag ich. »Ich brauch auch keine. Denn wenn es drauf ankommt, dann erschlag ich das Arschloch auch mit bloßen Händen.«

Da müssen sie lachen, auch wenn es ihnen nicht passt.

Also fragt mich der Dritte: »Was machen Sie, wenn die Russen einmarschieren?«

»Das weiß ich«, sag ich. »Ich kenne eine gute Höhle am Untersberg. Da bin ich sofort drin verschwunden, und wenn der Krieg wieder vorbei ist, komm ich wieder runter.«

Dann sagt wieder der Erste: »So einen feigen Hund wie dich können wir eh nicht brauchen. Geh zum Zivildienst und wisch den Behinderten den Arsch aus.«

Punkt. Ich bin an diesem Tag der Einzige, der die sogenannte Gewissensprüfung besteht.

Das Dokument, auf dem meine Verweigerung bestätigt wurde, konnte ich gleich mitnehmen. Dann fuhr ich langsam zurück nach Füssen, so langsam, wie es ging, um Benzin zu sparen. Meine Kompanie war am selben Abend für einen Nachtmarsch eingeteilt – eine Übung unter Gefechtsbedingungen, wo du vierzig Kilometer weit irgendwohin in die Pampa gebracht wirst und anschließend in die Kaserne zurückfinden musst, ohne dass dir wer sagt, wo du eigentlich bist.

Mein Zug wartete auf mich. Keiner von denen, weder Offiziere noch Kameraden, hatte sich vorstellen können, dass ich die Prüfung schaffe. Als ich in die Kaserne kam, war es schon fast Abend. Mein ganzer Zug stand da, angetreten zum Orientierungsmarsch, auf dem sie mich endgültig fertigmachen wollten. Ich ging geradewegs auf den Feldwebel zu und überreichte ihm meine Befreiung. Er schaute sich den Zettel so genau an, als ob dort etwas über die Länge von seinem Schwanz stehen würde, dann hob er den Kopf und sagte nur: »Wegtreten.«

Es war gelaufen. Ich ging zurück auf meine Stube und musste nichts mehr machen, nicht einmal mehr die Uniform anziehen. Ich durfte die Kaserne noch nicht verlassen, weil ich warten musste, bis der Bescheid rechtskräftig war. Aber da hatte sich mein Status bereits in den eines Zivildieners verwandelt. Als aus München kein Einspruch gegen den Bescheid kam, fing ich meinen Zivildienst in einem Krankenhaus in Füssen an und arbeitete dort vier Wochen lang als Koch. Dann ging ich nach Weilheim zurück und arbeitete dort vierzehn Monate in den Oberland Werkstätten mit Behinderten, dort, wo auch die Ingrid ihr Praktikum gemacht hatte.

Wir wohnten in einer winzigen Wohnung in einem Block in Polling. Das Klo war am Gang. Wir kannten niemanden, aber miteinander hatten wir es gut. Die Ingrid hatte Tiere wahnsinnig gern und ich auch. Wir zogen Drosseln auf, und damit wir etwas hatten, womit wir sie füttern konnten, züchtete ich Mehlwürmer. Mäuse und Hamster hatten wir auch. Einmal bin ich mitten in der Nacht mit einer Maus zum Tierarzt, weil sie sich am Fuß weh getan hatte, der glaubte, ich hab einen Vogel. Aber es war eine Maus.

6

Ich kannte nicht viel Musik. Was mir gefiel, hatte ich auf ein paar Kassetten aufgenommen. Ich hörte gerne Johnny Cash, auch wenn das damals noch sehr uncool war, aber es war meins.

Mein Lieblingslied war von Bob Dylan. Es hieß »Wigwam«. Der Dylan singt immer nur dadadadada, eine total schöne Melodie, und das Lied hat keinen Text. Wenn das Englisch ist, dachte ich mir, dann lerne ich sofort Englisch.

Die erste Platte, die ich mir dann kaufte, war »The Freewheelin’ Bob Dylan«. Das ist die Bob-Dylan-Platte, auf der »Blowin’ in the Wind« drauf ist und »Masters of War« und »Don’t think twice, it’s allright«. Das war für viele Jahre meine einzige Platte, und ich spielte immer nur die erste Seite. Ich bin gar nicht auf die Idee gekommen, dass man eine zweite Platte braucht.

Als ich mit der Ingrid nach München gezogen bin, war ich arbeitslos. Die Ingrid studierte und arbeitete daneben in einem Altersheim. Ich machte nichts. Ich schaute mich zwar um einen Job um, fand aber keinen. Als Koch wollte ich nicht mehr arbeiten, das war klar. Aber ich hatte mir überlegt, dass ich noch eine zweite Lehre als Automechaniker machen will wie mein Bruder Sepp, und suchte eine Lehrstelle.

Wir wohnten in München im Zimmer von Tommy und Ursel, einem Pärchen, das für ein Dreivierteljahr auf eine Südamerika-Reise gegangen war. In der Wohnung standen vier oder fünf Gitarren herum. Im Regal lagen Notenhefte mit Songs von Bob Dylan, Reinhard Mey und Hannes Wader. Noten konnte ich nicht lesen, aber über den Texten waren immer die Tabs für die Gitarre angegeben, die schwarzen Punkte auf den sechs Gitarrensaiten, die zeigen, wohin man greifen muss, um einen Akkord zu spielen.

Ich hatte jeden Tag sieben, acht Stunden Zeit, bis die Ingrid von der Arbeit zurückkam. Nur einmal in der Woche musste ich aufs Arbeitsamt, um mir den Stempel abzuholen. Da habe ich begonnen, Gitarre zu üben. Ich fing mit C-Dur an. Dann lernte ich D-Dur und dann G-Dur. Damit konnte man schon erstaunlich viele Songs spielen. A-Dur war mir schon zu schwer, weil du dafür deine Finger so krumm machen musst und in einen einzigen Bund hineinpressen. E-Dur und E-Moll lernte ich auch. Damit konnte ich dann schon »Über den Wolken« singen und »Ein Achtel Lorbeerblatt«.

An einem Abend waren die Ingrid und ich zu einem Fasslfest im Chiemgau eingeladen. Wir sitzen rund um ein Lagerfeuer, einer hat eine Gitarre gehabt, und ich habe darauf spielen dürfen. Ich spiele »Blowin’ in the Wind«, alle singen mit, nur ich nicht, weil ich nicht Englisch kann. Aber dafür kann ich die Griffe.

Plötzlich reißt von der Gitarre der Steg ab. Es macht einen Fetzer, und ich habe den Steg von der Gitarre in der linken Hand und den Korpus in der rechten.

»Scheiße«, schreit der Besitzer, »so ein Glump!«

Er packt den Steg von der Gitarre, will ihn mir aus der Hand reißen und das ganze Ding ins Feuer schmeißen.

»Stopp!«, schreie ich. »Nicht ins Feuer.«

»Wieso?«, sagt er. »Dann ist sie wenigstens noch einmal für was gut.«

Aber ich frage ihn schnell: »Kann ich sie haben?«

»Was willst du denn mit der?«, fragt er mich zurück. »Die ist doch nichts wert.«

»Was willst du dafür?«, frage ich.

»Nichts«, sagt er. »Ich schenk sie dir.«

Gleich am Montag bin ich zum Musikgeschäft Fackler nach Bad Reichenhall und ließ den Steg wieder anleimen. Die Reparatur hat bis heute gehalten. Und für das, was ich vorhatte, war die geleimte Gitarre mehr als genug.

Es hat nicht lang gedauert, bis ich den ganzen Reinhard Mey und Hannes Wader rauf und runter gespielt hab. Wenn mir ein Griff gefehlt hat, hab ich ihn ausgelassen. Bald bin ich sowieso draufgekommen, dass das Nachspielen dieser Lieder nicht mein Ding war. Ich begann, mir eigene Lieder auszudenken. Läppisches Zeug, zwei oder drei Akkorde, dazu einen Text nach dem Motto »Reim dich oder ich fress dich«. Das hat mir Spaß gemacht, und die Ingrid fand es auch ganz lustig.

Irgendwann hörte ich ein Lied von Bettina Wegner. Das war eine Sängerin aus der DDR. Sie sang »Sind so kleine Hände«, ein Lied über unseren Umgang mit Kindern und dass wir dabei sorgfältiger sein müssen.

Das Lied berührte mich. Aber es hatte noch einen zweiten Effekt. Es zeigte mir, dass Lieder nicht nur unterhaltsam und witzig sein müssen. Ich reimte mir dann selber so eine Ballade zusammen, die hieß »Manchmoi wann i aufwach« und war ziemlich traurig.

Aber mir wäre nie im Leben eingefallen, dass ich jetzt ein Dichter sein will. Gitarre spielen und dazu singen füllte die Zeit aus, wenn die Ingrid nicht da war und ich nicht aufs Arbeitsamt musste. Ich hätte nicht im Leben daran gedacht, dass ich einmal Sänger oder Musiker werde, so scheiße, wie ich Gitarre spielte. Ich wollte Automechaniker werden, aber ich fand keinen Meister, der einen wie mich genommen hätte. Erstens war ich schon 22, zweitens hatte ich lange Haare und meistens meine Tigerleggings an.

7

Mein Schwager gab mir den Tipp, dass es manchmal Autos in den Nahen Osten zu überführen gibt. Das machte Spaß, und es gab sogar ein bisschen Geld dafür, und innerhalb von ein paar Monaten fuhr ich von München richtig fette Autos nach Jordanien, Syrien und in den Irak, einmal auch nach Albanien.

Das war tatsächlich so abenteuerlich, wie es klingt. Einmal, auf einem Zwischenstopp in Istanbul, teilte ich mir mit drei Japanern ein schäbiges Hotelzimmer. Viel zu sagen hatten wir uns nicht, weil ich nicht Japanisch konnte und sie nicht Deutsch, und unser Englisch hätte auch besser sein können.

In der Nacht kriegte ich plötzlich furchtbares Zahnweh, und das war ein Glück. Die Japaner haben mir nämlich ein Schmerzmittel gegeben, aber es hat nicht gewirkt. Ich sitze aufrecht in meinem Bett und finde die Welt zum Kotzen, besonders meine Zähne.

Plötzlich höre ich, wie von draußen an der Tür herumgefummelt wird, und bevor ich aufstehen kann, um nachzuschauen, ist die Tür schon offen, und ein Typ steht im Zimmer und beginnt, unser Gepäck zu durchwühlen.

Mein Bett steht so, dass der Typ mich nicht gleich sieht, aber ich sehe ihn. Er macht seine Arbeit schnell und sorgfältig, ein Profi.

In dem Augenblick denke ich zum ersten Mal in dieser Nacht nicht an meine Zähne. Mir fällt nur ein, ob der Typ wohl ein Messer einstecken hat und mich absticht, wenn er bemerkt, dass ich wach bin. Aber ich kann nicht einmal so tun, als ob ich schlafe, weil ich sitze ja, und so ein Depp ist der Typ sicher nicht, dass er glaubt, dass wir in Deutschland im Sitzen schlafen und mit offenen Augen.

Obwohl ich mir fast in die Hose mache vor Angst, hole ich tief Luft und stoße einen Schrei aus, als ob mir im Traum der leibhaftige Franz Josef Strauß erschienen wäre.

Der Dieb lässt sofort alles fallen und haut ab.

Ich aber schaue in die großen Augen von den drei Japanern, die ich natürlich aufgeweckt habe. Die glauben noch heute, dass meine Zahnschmerzen echt arg waren.

Das Zimmer hatte ein präpariertes Schloss, das man zwar zusperren konnte, aber wenn man wusste, wie, konnte man es von außen öffnen. Das war natürlich eine Schweinerei von den Vermietern, die einen Deal mit irgendwelchen Gaunern hatten, die dann in der Nacht in die Zimmer konnten, um den Touristen ihre Rucksäcke auszuräumen.

Ein anderes Mal bin ich mit einem Araber auf einem Lkw bis in den Irak gefahren. Der Lkw hatte einen 7,5-Tonner aufgeladen, und ich war nur mit auf der Reise, um den 7,5-Tonner über die türkische Grenze zu fahren.

Weil du hast damals in der Türkei einen Stempel in den Pass bekommen, wenn du mit einem Auto eingereist bist, damit du nicht einfach Autos importierst, ohne dafür Zoll zu bezahlen.

Ich habe also den 7,5-Tonner über die Grenze gefahren, bekam den Stempel in den Pass, dann hat er ihn wieder aufgeladen, und wir sind quer durch die Türkei weiter Richtung Irak gefahren. Die Straßen sind immer schlechter geworden, und es haben sich abenteuerliche Gestalten an der Straße herumgetrieben, die uns gewunken und gedeutet haben, dass wir stehen bleiben sollen.

Aber der Fahrer ist immer mit vollem Karacho auf die Typen zugefahren, bis sie am Schluss doch zur Seite gesprungen sind. »Wenn wir stehen bleiben«, hat er gesagt, »ist sofort die Ladung weg.«

Nur wenn kleine Buben am Straßenrand gestanden sind, die mit den Fingern angezeigt haben, dass sie Zigaretten haben wollen, hat er in seine Koje gegriffen und ihnen ein Packerl Zigaretten hinausgeschmissen. »Weil sonst«, hat er gesagt, »schmeißt dir an der nächsten Kurve ein Kumpel von denen einen Stein in die Windschutzscheibe.«

Vor der Grenze ist der 7,5-Tonner wieder abgeladen worden, und ich habe ihn über die Grenze ins Niemandsland gefahren. Im Pass hab ich den entsprechenden Ausreisestempel bekommen. Im Niemandsland hat aber ein anderer gewartet und das Auto übernommen, und ich habe mein Geld gekriegt und bin wieder zurück über die Grenze in die Türkei.

Dafür brauchte ich aber ein Touristenvisum. Und weil ich oberschlau zwei Pässe dabeihatte, zeigte ich dem Grenzer den Pass ohne Einreise- und Ausreisevermerk, damit ich mir unangenehme Fragen ersparte.

Der Grenzer schaute sich den Pass an, dann schaute er mich an und stellte erst recht eine sehr unangenehme Frage: »Wo ist das Touristenvisum für Bulgarien?«

Ich riss ihm den Pass aus der Hand und rannte hinüber zum Parkplatz, wo die Lkws standen, und sagte einem Fahrer, den ich kannte, dass er mich sofort verstecken muss. Er brachte mich in seiner Koje unter.

Später kam die Polizei und hatte Spürhunde dabei, aber ich weiß nicht, ob sie wirklich mich gesucht haben, sie hätten mich vermutlich auch gefunden.

Aber ich hatte wirklich keine Lust, ein anatolisches Gefängnis wegen Zoll- und Visumvergehen von innen kennenzulernen, und das musste ich dann auch nicht.

8

Als Tommy und Ursel, deren Zimmer in der WG wir bewohnten, aus Südamerika zurückkamen, mussten wir wieder ausziehen. Wir haben uns dann eine Wohnung in der Trogerstraße genommen, gleich in der Nähe vom Klinikum Rechts der Isar. Ein Zimmer, kein Bad, Klo am Gang. Wir sind zweimal in der Woche ins Tröpferlbad am Max-Weber-Platz gegangen zum Duschen und einmal im Monat, um ein Bad zu nehmen. Außerdem nahmen wir uns einen Schäferhund, den Cheesy.

Ich half dann einen Tag lang im Tierpark Hellabrunn als Tierpfleger aus. Eigentlich wäre ich gern Tierpfleger geworden, aber das Erste, was ich im Tierpark machen sollte, war Schnee schaufeln. Aber ich hatte zu Hause so oft Schnee schaufeln müssen, dass ich mir geschworen hatte, nie wieder Schnee zu schaufeln. Also ließ ich die Stelle gleich wieder sein.

Eigentlich suchte ich eh noch immer nach einer Lehrstelle in einer Autowerkstatt. Ich ging von einer Werkstatt zur nächsten, aber meistens wusste ich schon, wenn mich der Meister nur anschaute, dass es nichts wird mit der Stelle. Am liebsten hätte ich irgendwo in der Nähe von unserer Wohnung gearbeitet, aber daraus wurde nichts. Erst ganz im Süden von München, in der Kfz-Werkstatt Schuster, suchten sie tatsächlich einen Lehrling.

»Von mir aus«, sagte der Chef. »Probieren wir’s. Aber du musst dir die Haare abschneiden.«

Ich hatte damals ziemlich lange Haare.

»Gut«, sag ich, »aber ich schneid mir die Haare erst nach der Probezeit ab. Weil sonst hab ich vielleicht keine Lehrstelle und Haare auch keine mehr.«

Das hat er eingesehen.

Ich bin dann übernommen worden, weil ich mich geschickt angestellt habe. Mein Bruder war ja auch Automechaniker und hatte mir daheim schon gezeigt, wie man ein Auto zerlegt und wieder zusammenbaut. Die Haare musste ich mir auch nicht abschneiden, weil ich dem Chef gesagt hab, dass ja nicht meine Haare das Auto reparieren, sondern ich. Nur zusammenbinden musste ich sie mir.

Aber es war ein grausam langer Weg jeden Tag bis nach Solln. Ich musste immer zu Fuß gehen, und eines Tages hab ich in der Sommerstraße in Untergiesing ein Fahrrad gesehen, das nur mit einem ganz schlechten Schloss gesichert war. Als ich es am nächsten Tag wieder gesehen habe, hab ich es mitgenommen. Ich hab es einfach gestohlen.