Cover

Das Buch

Mit seinen 48 Jahren ist Marcus Tullius Cicero, der größte Redner seiner Zeit, allem Anschein nach ein gebrochener Mann. Entmachtet, zusammen mit seinem treuen Sekretär Tiro in den östlichen Mittelmeerraum verbannt, von Frau und Kindern getrennt und seiner Besitztümer beraubt, martert er sich mit Vorwürfen.

Aber er hält sich an den eigenen Aphorismus, dass, solange der Sieche noch atme, Hoffnung bestehe. Indem er seinen politischen Feind Caesar zu unterstützen verspricht, gelingt es ihm nach Italien zurückzukehren. Dort kämpft er sich wieder nach oben: von den Gerichtshöfen zum Senat, bis er kraft seines Wortes abermals zur prägenden Figur in Rom wird, wenn auch nur für eine kurze glorreiche Zeit.

Das langersehnte Finale von Robert Harris’ Cicero-Trilogie umfasst einige der bedeutendsten Momente der Menschheitsgeschichte: den Untergang der römischen Republik, den anschließenden Bürgerkrieg, die Ermordung von Pompeius und den meuchlerischen Anschlag auf Caesar. Das Thema jedoch ist zeitlos: Wie lässt sich politische Freiheit gegen die Dreifachbedrohung aus skrupellosem Ehrgeiz, einem vom Geld beherrschten Wahlsystem und den verderblichen Auswirkungen endloser Kriege im Ausland schützen?

Der Autor

Robert Harris wurde 1957 in Nottingham geboren und studierte in Cambridge. Er war Reporter bei der BBC, Redakteur beim Observer und Kolumnist bei der Sunday Times und dem Daily Telegraph. 2003 wurde er als bester Kolumnist mit dem »British Press Award« ausgezeichnet. Seine Romane Vaterland, Enigma, Aurora, Pompeji, Imperium, Ghost, Titan, Angst und zuletzt Intrige wurden allesamt internationale Bestseller. Robert Harris lebt mit seiner Familie in Berkshire.

ROBERT

HARRIS

DICTATOR

ROMAN

Aus dem Englischen von

Wolfgang Müller

Der Inhalt dieses E-Books ist urheberrechtlich geschützt und enthält

technische Sicherungsmaßnahmen gegen unbefugte Nutzung.

Die Entfernung dieser Sicherung sowie die Nutzung durch

unbefugte Verarbeitung, Vervielfältigung, Verbreitung

oder öffentliche Zugänglichmachung, insbesondere

in elektronischer Form, ist untersagt und kann

straf- und zivilrechtliche Sanktionen nach sich ziehen.

Sollte diese Publikation Links auf Webseiten Dritter enthalten,

so übernehmen wir für deren Inhalte keine Haftung,

da wir uns diese nicht zu eigen machen,

sondern lediglich auf deren Stand zum Zeitpunkt

der Erstveröffentlichung dieses E-Books verweisen.

Die Originalausgabe erscheint unter dem Titel

Dictator

bei Hutchinson, London

Copyright © 2015 by Robert Harris

Copyright © 2015 der deutschsprachigen Ausgabe by

Wilhelm Heyne Verlag, München

in der Penguin Random House Verlagsgruppe GmbH, Neumarkter Str. 28, 81673 München.

Umschlaggestaltung: © Eisele Grafik.Design, München

Karten: GeoKarta, Heiner Newe, Altensteig;

Animagic, A. Hancock, Bielefeld

Satz: Leingärtner, Nabburg

ISBN 978-3-641-17647-1
V007

www.heyne.de

Für Holly

ANMERKUNGEN DES AUTORS

In Form einer von seinem Privatsekretär Tiro verfassten Biografie erzählt Dictator die Geschichte der letzten fünfzehn Jahre im Leben des römischen Staatsmannes Cicero.

Dass es diesen Tiro gegeben hat und dass er ein solches Buch geschrieben hat, sind belegte historische Tatsachen. Er wurde als Sklave auf dem Familienbesitz der Ciceros geboren, war drei Jahre jünger als sein Herr, überlebte diesen aber bei Weitem und wurde laut Kirchenvater Hieronymus hundert Jahre alt.

»Deine Dienste an mir sind nicht zu zählen«, schrieb Cicero 50 v. Chr. in einem Brief an ihn, »im Haus und auf dem Forum, in der Stadt und in der Provinz, in privaten und öffentlichen Belangen, bei meinen Studien und literarischen Arbeiten …« Tiro war der erste Mensch, der eine Senatsrede im Wortlaut aufzeichnete. Sein unter der Bezeichnung notae Tironianae bekannt gewordenes Kurzschriftsystem wurde von der Kirche noch im neunten Jahrhundert benutzt. Einige Reste dieses Systems haben sogar noch bis in die Neuzeit überlebt. Er schrieb auch mehrere Abhandlungen über die Entwicklung der lateinischen Sprache. Tiros mehrbändiges Werk über das Leben Ciceros nennt der Historiker Asconius Pedianus im ersten Jahrhundert in seinen Kommentaren zu Ciceros Reden als eine seiner Quellen. Plutarch zitiert das Werk zweimal. Aber wie alle anderen literarischen Arbeiten Tiros ging auch seine Biografie über Cicero beim Untergang des Römischen Reiches verloren.

Was für ein Werk mag das gewesen sein? Ciceros Leben war außergewöhnlich, selbst an den Maßstäben jener Zeit gemessen. Verglichen mit seinen Rivalen aus der Aristokratie stammte er aus relativ einfachen Verhältnissen. Obwohl er sich für das Militärhandwerk nicht im Geringsten interessierte, machte er dank seinen Fähigkeiten als Redner und seinem intellektuellen Scharfsinn eine rasante Karriere, durchlief alle Stufen des politischen Systems der römischen Republik, bis er schließlich allen Widrigkeiten zum Trotz im jüngstmöglichen Alter von zweiundvierzig Jahren zum Konsul gewählt wurde.

In seinem krisengeschüttelten Amtsjahr 63 v. Chr. musste er sich mit der Verschwörung des Sergius Catilina zum Sturz der Republik auseinandersetzen. Um die Revolte niederzuschlagen, befahl der Senat unter Ciceros Vorsitz die Hinrichtung von fünf prominenten Bürgern Roms – ein Ereignis, das ihn zeit seines Lebens verfolgen sollte.

Als sich später die drei mächtigsten Männer Roms – Julius Caesar, Pompeius Magnus und Marcus Crassus – im sogenannten Triumvirat verbündeten, um die Macht im Staat auszuüben, entschloss sich Cicero zum Widerstand. Caesar schlug zurück, indem er seine Befugnisse als Oberster Priester einsetzte und den ehrgeizigen aristokratischen Demagogen Clodius – einen alten Feind Ciceros – auf ihn hetzte. Caesar erlaubte Clodius, seinen Stand als Patrizier zu verlassen und Plebejer zu werden, was ihm die Möglichkeit eröffnete, sich zum Volkstribunen wählen zu lassen. Tribunen hatten die Macht, Bürger vor die Volksversammlung zu zerren, sie zu drangsalieren und zu verfolgen. Cicero entschied sich zur Flucht aus Rom. An diesem Punkt in Ciceros Lebensgeschichte setzt Dictator ein.

Mein Ziel ist es gewesen, innerhalb der Konventionen des Romans so präzise, wie es mir möglich war, das Ende der mischen Republik nachzuzeichnen, wie Cicero und Tiro es erlebt haben könnten. Wo immer möglich, habe ich bei Briefen, Reden und der Schilderung von Ereignissen die Originalquellen herangezogen.

Zumindest bis zu den Ereignissen der Jahre 1933 bis 1945 umfasst Dictator wohl die dramatischste Periode der Menschheitsgeschichte. Zur besseren Orientierung in Ciceros an Dramatik kaum zu überbietender Welt findet der Leser am Ende des Buchs Karten, ein Glossar und eine Liste der handelnden Personen.

Robert Harris

Kintbury, 8. Juni 2015

»Die Schwermut der antiken Welt erscheint mir tiefgründiger zu sein als die moderner Menschen, die alle mehr oder weniger annehmen, dass jenseits der dunklen Leere die Unsterblichkeit liegt. Für den antiken Menschen jedoch war das ›schwarze Loch‹ die Unendlichkeit selbst. Seine Träume tauchen auf und verschwinden vor einem unveränderlichen, ebenholzschwarzen Hintergrund. Kein Aufschrei, keine Erschütterungen – nichts als ein starrer, nachdenklicher Blick. Gerade als die Götter schon nicht mehr da waren und Christus noch nicht gekommen, gab es diesen einzigartigen Augenblick in der Geschichte, von Cicero bis Mark Aurel, da stand der Mensch allein. Nirgends sonst finde ich diese besondere Majestät.«

Gustave Flaubert,

Brief an Mme Roger des Genettes, 1861

»Als Lebender vergrößerte Cicero das Leben. Das schaffen auch seine Briefe, wenn auch nur für den einen oder anderen Studenten, der zum banalen Alltag auf Distanz geht, um unter den in Togen gewandeten Menschen Vergils zu leben, den verzweifelten Herren einer größeren Welt.«

D. R. Shackleton Bailey,

Cicero, 1971

TEIL EINS

EXILIUM

58 v. Chr. – 47 v. Chr.

NESCIRE AUTEM QUID ANTE QUAM NATUS

SIS ACCIDERIT, ID EST SEMPER ESSE PUERUM.

QUID ENIM EST AETAS HOMINIS,

NISI EA MEMORIA RERUM VETERUM CUM

SUPERIORUM AETATE CONTEXITUR?

Wer nicht weiß, was vor seiner Geburt geschehen ist,

wird immer ein Kind bleiben. Denn was ist

das Leben des Menschen, wenn es nicht durch

die Aufzeichnungen der Geschichte mit

dem Leben seiner Vorfahren verwoben ist?

Cicero, Der Redner, 46 v. Chr.