Übersetzung aus dem Englischen von Andreas Brandhorst
© 1983 Terry Pratchett
Titel der englischen Originalausgabe:
»The Colour of Magic«, Colin Smythe Ltd., Great Britain 1983
Deutschsprachige Ausgabe:
© Piper Verlag GmbH, München 2004
Covergestaltung: Guter Punkt, München
Covermotiv: Anke Koopmann, Guter Punkt unter der Verwendung eines Motivs von Katarzyna Oleska
Datenkonvertierung: Kösel Media GmbH, Krugzell
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In einer fernen und gebrauchten Dimension, in einer astralen Sphäre, die das Unmögliche zur Norm erhebt, wogen die Sternennebel und teilen sich …
Seht nur …
Dort kommt die Schildkröte Groß-A’Tuin. Langsam schwimmt sie durch den interstellaren Ozean – Wasserstoffeis klebt an ihren dicken Beinen, und Meteore haben zahllose Krater im riesigen alten Panzer hinterlassen. Aus tränenden Augen groß wie Meere, von Asteroidenstaub verklebt, blickt die Schildkröte einzig und allein zum Ziel.
Mit geologischer Trägheit ziehen Gedanken durch ein Gehirn, das größer ist als eine Stadt, und die meisten gelten dem Gewicht.
Für das Gewicht sind in erster Linie Berilia, Tubul, Groß-T’Phon und Jerakeen verantwortlich, die vier riesigen Elefanten, auf deren breiten, vom Sternenschimmern gebräunten Schultern die Scheibenwelt ruht. Ein langer Wasserfall schmückt ihren Rand, und darüber wölbt sich das himmelblaue Firmament.
Bisher haben die Astropsychologen noch nicht herausgefunden, woran die Elefanten denken.
Die Existenz der Sternenschildkröte galt nur als Hypothese, bis man im kleinen geheimnisvollen Königreich von Krull, wo die randnächsten Berge über den Wasserfall hinausreichen, ein Flaschenzuggerüst auf der steilsten Klippe baute. Von dort aus ließ man mehrere Beobachter in einer mit Quarzfenstern ausgestatteten Messingkapsel über den Rand hinab; sie sollten feststellen, was sich unter der Welt befand.
Jene frühen Astrozoologen – ganze Sklavenheere zogen an Seilen und Tauen, um sie von ihrer ersten Forschungsmission zurückzuholen – sammelten viele Informationen über Gestalt und Natur A’Tuins und der Elefanten, aber grundsätzliche Fragen nach Sinn und Zweck des Universums blieben unbeantwortet.
Zum Beispiel: War A’Tuin weiblichen oder männlichen Geschlechts? Die Astrozoologen wiesen mit wissenschaftlicher Autorität darauf hin, dass man nur mithilfe eines noch größeren und leistungsfähigeren Flaschenzuggerüsts (ganz zu schweigen von längeren Seilen) Aufschluss gewinnen könne. Bis dahin ließ der bekannt gewordene Kosmos nur Spekulationen zu.
Einige Theoretiker behaupteten, A’Tuin sei aus dem Nichts gekommen und setze ihren Weg ins Nichts mit gleichmäßigem Kriechen – beziehungsweise mit beständigem Schreiten – fort, bis in alle Ewigkeit. Diese Theorie erfreute sich bei Akademikern großer Beliebtheit.
Wer dazu neigte, die Welt aus einer religiösen Perspektive zu betrachten, zog folgende Alternative vor: A’Tuin kroch (oder lief?) vom Geburtsort zur Paarungszeit, wie alle Sterne am Himmel, die natürlich ebenfalls von Himmelsschildkröten getragen wurden. Dort stand ihm – oder ihr – eine kurze und leidenschaftliche Paarung bevor, die erste und letzte in seinem (ihrem) Leben, und das Ergebnis dieser feurigen Vereinigung bestand aus neuen Schildkröten, denen das Schicksal neue Welten auf den Rücken legte. Man sprach in diesem Zusammenhang von der sogenannten Urbums-Hypothese.
An diesem ereignisreichen Abend beschloss ein junger Spezialist für kosmische Schildkröten – ein Mitglied der Kriechen/Laufen-Fraktion –, sein neues Teleskop zu testen, in der Hoffnung, die genaue Albedo vom rechten Auge Groß-A’Tuins festzustellen. Als er während seiner Experimente mittwärts blickte, sah er Rauch über der ältesten Scheibenweltstadt.
Später in der Nacht vertiefte er sich so sehr in seine Studien, dass er den Qualm völlig vergaß. Trotzdem war er der erste unbeteiligte Beobachter, der ihn bemerkte. Es gab noch andere …