Chantelle Shaw
Stürmische Nächte in Florenz
IMPRESSUM
ROMANA erscheint im CORA Verlag GmbH & Co. KG,
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© 2008 by Chantelle Shaw
Published by arrangement with HARLEQUIN ENTERPRISES II B.V., Amsterdam
© Deutsche Erstausgabe in der Reihe ROMANA
Band 1798 2009 by CORA Verlag GmbH & Co. KG, Hamburg
Übersetzung: Julia Sarnes
Fotos: panthermedia/Markus Gann
Veröffentlicht im ePub Format im 12/2010 – die elektronische Ausgabe stimmt mit der Printversion überein.
eBook-Produktion: GGP Media GmbH, Pößneck
ISBN 978-3-86295-330-1
Alle Rechte, einschließlich das des vollständigen oder auszugsweisen Nachdrucks in jeglicher Form, sind vorbehalten.
CORA-Romane dürfen nicht verliehen oder zum gewerbsmäßigen Umtausch verwendet werden. Führung in Lesezirkeln nur mit ausdrücklicher Genehmigung des Verlages. Für unaufgefordert eingesandte Manuskripte übernimmt der Verlag keine Haftung. Sämtliche Personen dieser Ausgabe sind frei erfunden. Ähnlichkeiten mit lebenden oder verstorbenen Personen sind rein zufällig.
„Siehst du die Blondine, die da gerade in den Ballsaal kommt? Das ist Tamsin Stewart. Und da ist mein Dad, der natürlich sofort zu ihr rennen muss. Wie kann er sich nur derart lächerlich machen? Er könnte ihr Vater sein!“
Plötzlich klang Annabel Graingers Stimme so bitter, dass Bruno Di Cesare den Kopf drehte und die blonde junge Frau, die soeben den Ballsaal betreten hatte, mit aufmerksamen Blicken verfolgte. Merkwürdig, irgendwie hatte er sie sich ganz anders vorgestellt!
Seit Annabel, die jüngste Tochter seines langjährigen Freundes und Geschäftspartners James Grainger, Earl of Ditton, ihn angerufen und zwischen unzähligen Schluchzern von der „schrecklichen Tussi“ erzählt hatte, die unverschämterweise mit ihrem Vater angebandelt hatte, war in seiner Vorstellung das Bild von einer Wasserstoffblondine mit Solariumsbräune und viel zu kurzem Kleid entstanden. Tamsin Stewart hatte zwar blondes Haar, sonst aber wirkte sie ganz anders, als er gedacht hatte.
Ein langes dunkelblaues Seidenkleid umschmeichelte die verführerischen Kurven ihres schlanken Körpers, und Bruno konnte nur erahnen, welche Perfektion sich darunter verbarg. Sie hatte große, ausdrucksstarke Augen, deren Farbe er aus der Entfernung allerdings nicht ausmachen konnte, volle, sinnliche Lippen und ein zartes, schmales Gesicht. Die elegante Hochsteckfrisur brachte ihren langen, schlanken Hals besonders gut zur Geltung, und das Diamantcollier, das sie trug, erregte beinah ebenso viel Aufsehen wie sie selbst.
Eine richtige Schönheit, stellte Bruno fest und ärgerte sich im Stillen, dass er ihrer Austrahlung offenbar ebenso wenig entgegenzusetzen hatte wie sein Freund James. Dieses plötzlich in ihm aufsteigende Verlangen war nun wirklich das Letzte, was er jetzt gebrauchen konnte! Zumal er doch jeden Grund hatte, diese Frau zu verachten. Schließlich hatte sie es ganz offensichtlich nur darauf abgesehen, sich einen reichen Earl zu angeln.
Verärgert nahm Annabel ein Champagnerglas von der Bartheke. „Schau sie dir nur an! Wie sie sich ihm an den Hals wirft!“, sagte sie angewidert und leerte das Glas in einem Zug.
Auch wenn Annabel mittlerweile achtzehn Jahre alt war und Alkohol trinken durfte, runzelte Bruno missbilligend die Stirn. Für ihn war sie so etwas wie eine kleine Schwester, und er verabscheute es, wenn etwas sie bedrückte.
Auf der gegenüberliegenden Seite des Ballsaals klopfte Tamsin Stewart seinem anscheinend völlig verzückten Freund gerade ein verirrtes Konfettistück vom Jackett und lächelte dabei so warm, als wäre er gerade aus dem Krieg heimgekehrt, eine Geste, die Bände sprach. Missbilligend schüttelte Bruno den Kopf. Bis eben hatte er noch geglaubt, Annabel sähe Gespenster. Ausgerechnet der kluge und vernünftige James sollte sich Hals über Kopf in eine so junge Frau, kaum halb so alt wie er, verliebt haben? Bis vor Kurzem war es doch für ihn noch absolut unvorstellbar gewesen, überhaupt eine neue Beziehung anzufangen – und nun stürzte er sich blind in ein solches Abenteuer? In seinem ganzen bisherigen Leben hatte Bruno nicht einen einzigen Geschäftsmann getroffen, der es mit James Graingers Scharfsinnigkeit hätte aufnehmen können. Doch in den anderthalb Jahren, in denen er um seine geliebte, viel zu früh verstorbene Frau trauerte, hatte er sich verändert.
Aus Sorge um seinen Freund hatte Bruno einige Nachforschungen bezüglich Tamsin Stewart in Auftrag gegeben. Über Kontakte verfügte er schließlich reichlich, und was er über sie erfahren hatte, beunruhigte ihn dermaßen, dass er kurz entschlossen nach England geflogen war, um bei der Hochzeit von James’ ältester Tochter Lady Davina dabei zu sein.
Ihre Trauung mit Baron Hugo Havistock hatte am Vormittag in der kleinen Privatkapelle auf dem Anwesen der Graingers stattgefunden. Nach dem Mittagessen im engsten Familien-und Freundeskreis waren nun Hunderte von Gästen in das nahe gelegene Luxushotel geladen, um mit dem glücklichen jungen Paar zu feiern. Unter ihnen auch Tamsin Stewart.
Missmutig beobachtete Annabel, wie ihr Vater die hübsche Blondine auf die Tanzfläche führte. „Siehst du“, flüsterte sie Bruno aufgebracht zu, „ich bilde mir das nicht nur ein! Sie scheint meinen Vater völlig verhext zu haben.“
„Dann müssen wir eben einen Weg finden, ihn zu entzaubern, piccola“, erwiderte er tröstend.
„Und wie willst du das anstellen?“ Annabels Stimme klang bitter. „Mir hat er jedenfalls kein Diamantcollier gegeben.“
„Was soll das heißen?“
„Daddy hat jeder Brautjungfer eine Kette geschenkt“, erklärte sie und zeigte frustriert auf die schimmernden Perlen an ihrem Hals. „Als ich beim Aufräumen zufällig auf das Diamantcollier stieß, dachte ich, es sei für mich. Immerhin bin ich seine Tochter. Aber falsch gedacht! Tamsin hat es bekommen. Angeblich als Dank für die Umgestaltung von Davinas Apartment.“ Annabel stieß einen verächtlichen Laut aus. „Wenn er doch nur keine Innenarchitektin eingestellt hätte! Dann müssten wir uns jetzt nicht mit dieser Tussi herumschlagen! Davina glaubt zwar, dass Daddy sich nur ein bisschen einsam fühlt und es deshalb so genießt, sich mit Tamsin zu unterhalten. Meine Schwester hatte jedoch in letzter Zeit so viel mit den Hochzeitsvorbereitungen zu tun, dass sie gar nicht mitkriegen konnte, welche Macht diese schreckliche Frau über ihn hat.“
Hastig leerte Annabel ein weiteres Glas Champagner und hielt es wortlos dem Barkeeper hin, der es sofort wieder füllte. „Ich weiß wirklich nicht, was ich tun soll“, seufzte sie theatralisch. „Am Ende wird sie noch die neue Lady Ditton! Seit dem Tod meiner Mutter ist Dad so schrecklich unglücklich. Ich könnte es einfach nicht ertragen, wenn diese Person ihn ausnutzt!“
„Das wird sie nicht, piccola! Ich lasse es nicht zu“, versprach Bruno bestimmt. Niemand nutzte seine Freunde aus! Schon gar nicht die Graingers, die für ihn seit vielen Jahren wie eine zweite Familie waren. Abschätzend betrachtete er Tamsin Stewart, die noch immer in James’ Armen über die Tanzfläche schwebte, und wiederholte in Gedanken, was er von ihr wusste: fünfundzwanzig Jahre alt, vor zwei Jahren geschieden und seitdem anscheinend Single. Nach dem Studium hatte sie in London für eine der besten Designfirmen der Welt gearbeitet, wo sie sich mit der Zeit einen hervorragenden Ruf als außergewöhnlich kreative Innenarchitektin erwarb. Vor Kurzem hatte sie jedoch zu Spectrum Design, dem kleinen Unternehmen ihres Bruders, gewechselt.
Bruno kniff die Augen leicht zusammen. Mit Sicherheit hatte dies eine heftige Gehaltseinbuße bedeutet. Wie, um alles in der Welt, hatte diese Frau es sich danach leisten können, ein schickes neues Auto zu kaufen und dann zwei Wochen Luxusurlaub auf Mauritius zu machen? Von ihrer Vorliebe für teure Designerkleidung einmal ganz abgesehen. Das Ballkleid, das sie heute Abend trug, stammte zwar nicht von ihm, aber es verriet die Handschrift eines ebenso exklusiven Modemachers. Unerschwinglich für eine kleine Innenarchitektin! Jemand musste es ihr geschenkt haben, und er hatte schon eine ziemlich genaue Vorstellung davon, wer es gewesen sein könnte.
Schließlich wusste er ja aus sicherer Quelle, dass James Grainger jede Woche nach London fuhr, um Tamsin zu sehen. Bestimmt hatte sie ihn bei einer solchen Gelegenheit geschickt in die Boutiquen gelockt und ihn dazu gebracht, ihr den teuren Schmuck und das Kleid zu kaufen. Allerdings waren diese Shoppingtouren nichts im Vergleich zu der riesigen Summe, die sein Freund in das Unternehmen von Tamsins Bruder investiert hatte. Vor ungefähr einem Monat wäre Spectrum Design beinah pleitegegangen, wenn James der Firma nicht mit seinem eigenen Vermögen aus der Klemme geholfen hätte. Und das, obwohl seine Steuerberater strikt dagegen gewesen waren.
Dass aber auch der Verstand bei den vernünftigsten Männern aussetzte, wenn eine schöne Frau ihnen den Kopf verdrehte! Sein eigener Vater, Stefano Di Cesare, war dafür das beste Beispiel. Blind vor Liebe – oder Lust – hatte er eine zwanzig Jahre jüngere Schauspielerin geheiratet, die ihn geschäftlich und gesellschaftlich in den Ruin getrieben, vor allem aber den Familienfrieden für immer zerstört hatte.
Anfang zwanzig war er damals gewesen. Alt genug, um zu verstehen, was sein Vater in den Armen dieser Frau gesucht hatte, jedoch noch lange nicht tolerant genug, um ihm zu vergeben, dass er diese raffgierige Person geheiratet hatte. Und das kaum ein Jahr nach dem Tod seiner Ehefrau. Dio, wie sehr hatte er versucht, seinen Vater vor Miranda zu warnen, doch der hatte einfach nicht auf ihn hören wollen. Sein Bauchgefühl trog Bruno nie, und Tamsin Stewart gehörte danach ganz klar zu den Frauen, die sich die Gefühle eines verletzlichen älteren Mannes zunutze machten!
Auf der anderen Seite des Saales lachten James und Tamsin fröhlich miteinander. Fast schien es, als hätten sie die vielen Menschen um sie herum völlig vergessen.
„Sie war übrigens mit dem Bruder einer meiner Freundinnen verheiratet“, meldete Annabel sich wieder zu Wort, die das Treiben auf der Tanzfläche eine Weile schweigend beobachtet hatte. „Caroline hat mir erzählt, dass Tamsin sich sofort an Neil herangemacht hat, sobald sie wusste, dass er ein steinreicher Banker ist. Leider merkte er erst nach der Hochzeit, welchen Fehler er gemacht hatte. Denn sie beschwerte sich pausenlos darüber, dass er zu viel arbeiten würde. Allerdings hat sie sich nie darüber beklagt, währenddessen sein Geld mit vollen Händen ausgeben zu können. Als er sich schließlich von ihr trennen wollte, hat sie ihm eröffnet, sie erwarte ein Baby. Wahrscheinlich um ihn unter Druck zu setzen, bei ihr zu bleiben.“
„Also hat sie ein Kind?“, fragte Bruno überrascht.
„Aber nein. Keine Ahnung, ob es überhaupt je eine Schwangerschaft gegeben hat. Caroline glaubt, dass alles erlogen war. Neil hat sich jedenfalls trotzdem scheiden lassen. Und Caro ist heilfroh darüber.“
Einen Augenblick herrschte Schweigen. Dann fuhr sie mürrisch fort: „Kennst du eigentlich schon Daddys neueste Schnapsidee? Jetzt will er Ditton Hall von Grund auf renovieren und umgestalten lassen. Dabei hat Mommy es so geliebt, wie es jetzt ist. Und natürlich hat er wieder Tamsin als Innenarchitektin eingestellt. Daddy sagt, wir müssten akzeptieren, dass Mommy nicht mehr bei uns ist, und ein neues Leben beginnen. Wenn diese Tamsin sich in Ditton Hall breitmacht, ziehe ich aus. Und wenn ich auf der Straße leben muss!“
Bruno verkniff sich nur mühsam ein Lächeln. Die verwöhnte Annabel und auf der Straße leben! Verständlicherweise war sie außer sich über die Affäre ihres Vaters mit seiner jungen Innenarchitektin.
Grimmig presste er die Lippen zusammen, packte Annabel am Handgelenk und zog sie hinter sich her auf die Tanzfläche. „Dein Vater würde bestimmt nie etwas tun, das dich verletzt, und schon gar nichts, das dich aus dem Haus treibt“, meinte er. „Doch jetzt wird es wirklich höchste Zeit, dass du mir diese wunderbare Miss Stewart einmal persönlich vorstellst!“
Tamsin betrachtete besorgt James Graingers aschfahle Gesichtszüge und runzelte die Stirn. Wie müde und erschöpft er aussah! „Nach diesem Tanz solltest du dich wirklich setzen und ein wenig ausruhen. Wie ich dich kenne, bist du wieder den ganzen Tag auf den Beinen gewesen. Du weißt doch, was der Arzt gesagt hat. Du musst dich mehr schonen“, beschwor sie ihn.
„Jawohl, Schwester Tamsin“, antwortete er amüsiert. Dann wurde er unvermittelt ernst und fügte wehmütig hinzu: „Wenn du so mit mir sprichst, klingst du fast so energisch wie meine Frau – und das will was heißen! Lorna wäre heute richtig in ihrem Element gewesen. Wie gern hätte sie Davinas Hochzeit ausgerichtet!“
„Ich weiß“, erwiderte Tamsin leise. „Du hast sie jedoch würdig vertreten. Davina sieht jedenfalls sehr glücklich aus. Und ich glaube wirklich, keines der Mädchen ahnt etwas.“ Erschrocken biss sie sich auf die Lippe. Mist! Darüber hatte sie jetzt eigentlich gar nicht reden wollen. Aber nun war es zu spät. „James, ich finde, du solltest es deinen Töchtern endlich sagen. Spätestens wenn Davina und Hugo aus den Flitterwochen zurückkehren.“
„Nein, auf keinen Fall! Es ist gerade einmal achtzehn Monate her, dass sie ihre Mutter durch Krebs verloren haben. Da kann ich ihnen doch unmöglich eröffnen, dass man mir dieselbe Diagnose gestellt hat! Jedenfalls jetzt noch nicht“, fügte er etwas weniger heftig hinzu. „Erst will ich noch einmal mit dem Spezialisten reden und hören, wie meine Überlebenschance ist. Ich möchte sie nicht unnötig erschrecken. Annabel ist gerade erst achtzehn Jahre alt und viel zu jung, um noch mehr Leid zu ertragen. Versprich mir, dass du den Mädchen nichts verrätst. Und auch sonst niemandem“, bat er nachdrücklich.
Widerwillig gab Tamsin ihm das Versprechen. „Selbstverständlich sage ich nichts, wenn dir so viel daran liegt. Ich werde dich jedoch am Freitag ins Krankenhaus begleiten. Letztes Mal ging es dir nach der Chemotherapie einfach zu schlecht.“ Nach einer kurzen Pause setzte sie unsicher hinzu: „Vielleicht irre ich mich ja, aber ich habe das ungute Gefühl, dass unsere Freundschaft Annabel ein Dorn im Auge ist. Besonders seit die Arbeiten an Davinas Apartment beendet sind. Wenn sie wüsste, dass du nicht meinetwegen jede Woche nach London fährst, sondern weil du ins Krankenhaus musst …“
„Nein“, wehrte James ab. „Sie würde sich zu Tode ängstigen. Außerdem habe ich ihr erzählt, dass du jetzt Ditton Hall umgestalten wirst.“
„Das erklärt ihren feindseligen Gesichtsausdruck.“ Was für eine schwierige Situation!
Kennengelernt hatte sie James Grainger, als sie den Auftrag bekam, Davinas und Hugos Apartment neu einzurichten. Dabei hatte sie sofort bemerkt, dass dieser nach außen hin so charmante Mann todunglücklich und einsam war, und es dauerte nicht lange, bis sich zwischen ihnen eine tiefe Freundschaft entwickelte. Ihr hatte er sich anvertraut. Sie allein teilte sein Geheimnis, dass er an Prostatakrebs litt, und bisher hatte sie ihn trotz etlicher Versuche nicht dazu bewegen können, seinen Kindern die Wahrheit über seinen Zustand mitzuteilen. Wenn wenigstens Annabel sie nicht immer so hasserfüllt ansehen würde!
Seufzend tastete sie nach dem schweren Diamantcollier an ihrem Hals.
„Ich habe beinah das Gefühl, es ist eine Belastung für dich“, stellte James, dem ihre Handbewegung nicht entgangen war, belustigt fest.
„Ich bin ständig in Sorge, es zu verlieren“, gestand sie. „Außerdem sollte ich es dir besser zurückgeben, es ist viel zu kostbar.“
„Wie oft soll ich es noch sagen? Ich nehme es nicht zurück! Es ist ein Geschenk!“
„Und wie oft soll ich dir noch sagen, dass ich es nicht annehmen kann?“, erwiderte sie heftig. „Das Collier muss ein Vermögen wert sein. Es zu behalten wäre einfach … unangemessen.“
„Das finde ich überhaupt nicht, denn damit möchte ich mich bei dir für deine Hilfe und Unterstützung in den letzten Monaten bedanken. Du verdienst dieses besondere Geburtstagsgeschenk, Tamsin. Ich weiß wirklich nicht, was ich ohne dich getan hätte, und ich bin sicher, Lorna hätte dich auch sehr gerngehabt“, fügte er leise hinzu.
Sein trauriger Blick berührte sie zutiefst. Impulsiv legte sie die Arme um ihn und gab ihm einen Kuss auf die Wange. „Ich unterstütze dich, weil Freunde das nun einmal tun. Nicht weil ich im Gegenzug teuren Schmuck erwarte.“ Seufzend schüttelte sie den Kopf. Sie befand sich in einer wirklich verzwickten Lage! Wenn sie darauf bestand, die Diamantkette zurückzugeben, würde sie James bestimmt verletzen. Deshalb sagte sie schließlich: „Trotzdem: vielen, vielen Dank. Es ist ein wunderschönes Schmuckstück, und ich werde es immer in Ehren halten.“
„Daddy, du hast den ganzen Abend nicht ein einziges Mal mit mir getanzt“, ertönte in diesem Augenblick eine vorwurfsvolle Stimme hinter ihnen. Als Tamsin sich umsah, fing sie Annabels eiskalten Blick auf. Schnell rückte sie von James weg. Sie hatte ihn in der Tat schon zu lang in Anspruch genommen. Immerhin war dies ein Familienfest. Hastig wollte sie in der Menge verschwinden, um im nächsten Moment gegen eine muskulöse Brust zu prallen. Erschrocken blickte sie auf und direkt in die dunklen Augen von Annabels Begleiter.
Was für ein Mann! Sekundenlang war sie wie gelähmt, so atemberaubend gut sah er aus. Er hatte eine sonnengebräunte Haut, ein markantes Kinn, das Entschlossenheit verriet, und schien es gewohnt zu sein, seinen Willen durchzusetzen. Und seine sinnlichen Lippen verhießen Dinge, die ihr einen heißen Schauer über den Rücken jagten. Die Hitze stieg ihr ins Gesicht, und sein Lächeln sagte ihr, dass er genau wusste, was in ihr vorging. Oh nein!
Warum musste er auch so groß, schlank und breitschultrig sein? Der dunkelgraue Maßanzug betonte seinen muskulösen Körper perfekt. Völlig verwirrt wich sie einen Schritt zurück und stieß eine Entschuldigung hervor.
„Tut mir leid, Kleines. Ich dachte, du hättest Spaß mit deinen Freunden“, hörte sie, wie James sich rechtfertigte. „Hast du dich gut um mein kleines Mädchen gekümmert, Bruno?“
„Selbstverständlich“, erwiderte der Fremde, ohne den Blick von Tamsin abzuwenden. „Aber ich glaube, jetzt, da die große Schwester verheiratet ist und Ditton Hall verlässt, wird Annabel ihren Papà mehr denn je brauchen.“
Sprach er mit italienischem Akzent? Dass seine tiefe, warme Stimme vorwurfsvoll geklungen hatte, daran bestand kein Zweifel.
Auch James schien das bemerkt zu haben, denn er sagte fröhlich: „Dann komm, Kleines! Tanz mit mir!“ Und zu Tamsin gewandt fügte er hinzu: „Du hast doch nichts gegen einen Partnertausch? Ich weiß aus sicherer Quelle, dass Bruno ein exzellenter Tänzer ist.“
Eine unangenehme Pause entstand, und Tamsin wusste nicht, was sie erwidern sollte. Schon die Nähe dieses Mannes hatte eine überwältigende Wirkung auf ihren Körper. „Ich glaube, ich mache lieber mal eine kleine Pause“, murmelte sie, den Blick auf James gerichtet.
Der schüttelte missbilligend den Kopf. „Du liebe Güte, wo sind eigentlich meine Manieren geblieben? Ich habe euch einander ja noch nicht einmal vorgestellt. Tamsin, das ist Bruno Di Cesare – der Besitzer des Di-Cesare-Modeimperiums und einer meiner besten Freunde. Bruno, das ist Tamsin Stewart. Sie ist eine unglaublich begabte Innenarchitektin.“
Ungeduldig zog in diesem Moment Annabel ihren Vater am Arm. „Komm schon, Daddy, lass uns gehen“, rief sie laut, doch Tamsin nahm es kaum wahr. Sie nahm auch nicht mehr wahr, wie James mit seiner Tochter zur Bar ging. Die Musik, die anderen Gäste, die Tanzfläche – alles verschwand wie in einem Nebel. Sie sah nur noch Bruno Di Cesare.
„Miss Stewart.“
Seine merklich kühler gewordene Stimme holte sie schlagartig zurück in die Wirklichkeit. Ein kalter Schauder jagte ihr über den Rücken. Vielleicht lag es an der Größe des Mannes, dass er derart einschüchternd auf sie wirkte, oder an diesem leicht zynischen Ausdruck, der offenbar immer dann seine Lippen umspielte, wenn er sie anblickte. Plötzlich nahm er ihre Hand, und sie zuckte erschrocken zusammen.
„Oder darf ich Sie Tamsin nennen?“
Wie er ihren Namen aussprach! Als würde er einen edlen Wein verkosten. Dann hob er ihre Hand an seine Lippen und hauchte einen zarten Kuss darauf. Die sanfte Berührung ließ Tamsin erröten und am ganzen Körper erbeben. Das amüsierte Lächeln des Fremden verriet, dass er nur zu gut wusste, welche Wirkung er auf sie hatte.
„Wie ist es mit einem Tanz?“, raunte er ihr mit diesem verboten sinnlichen Akzent ins Ohr. „Ich hoffe doch sehr, dass ich Sie dazu überreden kann, oder?“
Tamsin hatte das Gefühl, als könnte er sie zu weitaus mehr verführen, zumal sein Lächeln sie ungeheuer verwirrte. Himmel, warum musste er auch so gut aussehen? Nie zuvor hatte die Nähe eines Mannes ein solches Verlangen in ihr ausgelöst. Nicht einmal die ihres Exmannes!
Natürlich hatte sie sich von Neil angezogen gefühlt. Und irgendwann hatte sie sich auch in ihn verliebt. Doch eine derartige Anziehungskraft war von ihm nie ausgegangen.
Bisher hatte sie sich immer eingeredet, sie sei dafür nicht empfänglich, denn schon in der Schule hatte sie sich lieber mit Büchern beschäftigt, statt wie die meisten anderen Mädchen ihren Alters für irgendwelche Popstars zu schwärmen. Schon früh hatte sie eine klare Vorstellung davon gehabt, wie ihr Lebensweg verlaufen sollte: Studium, Karriere, heiraten und eine Familie gründen. Dann hatte Neils Untreue diesen Traum zerstört, und eine Zeit lang hatte sie nicht mehr gewusst, was sie sich wünschen sollte. Bis jetzt. Jetzt wollte sie sich nur noch in die Arme dieses gut aussehenden Unbekannten werfen! Auch wenn es völlig verrückt war.
Oh nein! Wie lange mochte sie ihn jetzt schon angestarrt haben? Reiß dich zusammen, rief sie sich zur Ordnung. Du führst dich ja auf wie ein Teenager beim ersten Date! Sie rang sich ein Lächeln ab und sagte so gelassen, wie es ihr in dieser Situation möglich war: „Ja, warum nicht.“
Langsam folgte sie ihm auf die Tanzfläche. Als er ihr seinen starken Arm um die Taille legte und sie an seine breite Brust zog, erbebte sie leicht. Sein Duft betörte ihre Sinne. Nur gut, dass er sie so festhielt. Denn wie lange ihre weichen Knie sie noch tragen würden, konnte sie beim besten Willen nicht sagen.
Erstaunt blickte Bruno in Tamsins gerötetes Gesicht. Die Reaktion ihres Körpers auf seine Berührung war ihm nicht entgangen. Noch vor wenigen Minuten hatte sie ihn kühl und abweisend angeblickt. Seitdem James ihn ihr jedoch als Besitzer einer weltweit bekannten Modefirma vorgestellt hatte, wirkte sie plötzlich sehr viel weniger distanziert! Im Gegenteil sogar!
Geld ist eben ein zuverlässiges Aphrodisiakum, dachte er spöttisch. Er wusste, dass er gut aussah. Doch sein Reichtum allein genügte schon, um die meisten Ladys schwachzumachen. Bisher hatte er noch um keine Frau kämpfen, geschweige denn sich ernsthaft bemühen müssen. Manchmal fragte er sich, ob er dadurch vielleicht etwas verpasst hatte.
Und wenn schon! Rasch verdrängte er den Gedanken. Im Augenblick interessierte ihn nur Tamsin Stewart und die Tatsache, dass sie wie auf Bestellung errötete. Wie sie das wohl anstellte? Eins musste er ihr lassen, ihre gespielte Unschuld wirkte beinah echt. Sie ist schön, aber hinterhältig, rief er sich ins Gedächtnis. Sie war eine geldgierige Person, die es nur auf das Vermögen seines Freundes abgesehen hatte, und mit solchen Frauen wollte er nichts zu tun haben! Doch auch wenn sein Verstand ihn warnte, sein Körper war nur zu bereit, jede Vernunft außer Acht zu lassen. Wie gern würde er jetzt diese einladend geöffneten weichen Lippen küssen!
Verdammt, das ging nicht! Wie zur Hölle sollte er seinen Freund vor dieser Frau bewahren, wenn er ihr nicht einmal selbst aus dem Weg gehen konnte. Angewidert betrachtete er die funkelnden Diamanten an Tamsins Hals. Zweifellos der Grund für ihre „Freundschaft“ zu James. Nein, eine so hübsche junge Frau konnte nicht ernsthaft an einem so viel älteren Mann interessiert sein. Auch wenn er seinen Vater an diese habgierige Miranda verloren hatte, Annabel würde ihren nicht auf die gleiche Weise verlieren! Dafür würde er sorgen.
Mit einem Blick auf Tamsins noch immer leicht geröteten Wangen dachte er triumphierend: Und ich weiß auch schon, wie ich dich kriege, Miss Stewart!
„Sie sind also Innenarchitektin?“, erkundigte sich Bruno und neigte sich zu ihr, sodass sein warmer Atem ihr Ohr streifte. „Annabel hat mir erzählt, dass Sie vor Kurzem Hugos und Davinas Apartment umgestaltet haben.“
„Ja“, murmelte Tamsin geistesabwesend und versuchte, etwas Abstand von ihm zu bekommen. Doch sofort zog er sie wieder an seine breite, muskulöse Brust. Wenn ihr nur nicht der Kopf vom Champagner schwirren würde! Sicherlich war der Alkohol schuld daran, dass sie nicht klar denken konnte.
Beklommen überlegte sie, was Annabel ihm noch alles über sie erzählt haben mochte. Das junge Mädchen hatte sich ihr gegenüber von Anfang an nicht besonders freundlich verhalten. Eigentlich sollte sie das ja nicht weiter überraschen. Immerhin war Caroline Harper, eine von Annabels Freundinnen, meine Schwägerin, dachte Tamsin. Caroline war entsetzlich eifersüchtig auf sie gewesen und hatte sich in alles Mögliche eingemischt – einer von vielen Faktoren, die schließlich zur Scheidung geführt hatten.
„Ich hatte mich sehr über diesen Auftrag gefreut“, erklärte sie lächelnd.
Der dir außerdem die Gelegenheit gegeben hat, dir einen reichen, alleinstehenden Mann kennenzulernen, fügte Bruno in Gedanken zynisch hinzu. James Grainger verbrachte die meiste Zeit auf seinem Landsitz oder in Klubs, zu denen nur Adlige Zutritt hatten. Ohne den Auftrag wäre sie James niemals begegnet. Nein, er durfte sich von diesen unschuldig blickenden blauen Augen nicht täuschen lassen! Und wenn sie ihn zehnmal an den tiefblauen Himmel der Toskana erinnerten.
„Sie kennen die Graingers also noch nicht sehr lange?“
Sein bedeutungsvolles Lächeln verwirrte sie. Wieso interessierte er sich so sehr für ihr Verhältnis zu den Graingers? „Nein, erst seitdem ich für sie als Innenarchitektin arbeitete. Wie Sie sich sicher vorstellen können, habe ich dabei viel Zeit mit Hugo und Davina verbracht. Dadurch sind wir schnell Freunde geworden. Ich bin stolz darauf, dass sie mit meiner Arbeit so zufrieden sind und sie mich zu ihrer Hochzeitsfeier eingeladen haben.“
„Annabel meinte, Sie seien auch mit James befreundet?“
Obwohl seine Miene gleichgültig wirkte, klang seine Stimme irgendwie tadelnd. Merkwürdig. Offensichtlich hatte Bruno nicht die geringste Ahnung, wie es um die Gesundheit seines Freundes stand.
Da sie genug von seinem Fragespiel hatte, erklärte sie resolut: „James Grainger ist ein sehr charmanter Mann, und ja, ich denke, wir sind so etwas wie Freunde geworden.“ Sie errötete leicht, als sie an ihr Versprechen dachte, nichts über seine Krankheit zu verraten. Dann fügte sie hinzu: „Sehr gute sogar. Wir haben uns ein paar Mal getroffen, wenn er sich anschauen wollte, wie es mit den Arbeiten im Apartment voranging. Manchmal sind wir danach gemeinsam zum Essen gegangen.“
Als er sie mit seinen dunklen Augen durchdringend ansah, fragte sie sich, was er wohl von ihr wollte. „Ich … ich glaube, James fühlt sich einsam seit dem Tod seiner Frau“, fuhr sie stockend fort.
„Und wie ich vermute, haben Sie ihm gern Ihre zarte Schulter zum Anlehnen angeboten“, meinte er spöttisch.
Tamsin dachte noch über den Sinn seiner Worte nach, als er mit seinen schlanken, kräftigen Fingern sanft ihren Hals streifte und das Diamantcollier berührte.
„Ein fast so edles Schmuckstück wie die Frau, die es trägt“, bemerkte er galant, und sein sinnlicher Blick ließ ihr Herz heftig klopfen. „Sie haben einen exquisiten Geschmack, bella. Sonst hätten Sie sich wohl kaum für ein so meisterlich gearbeitetes Teil entschieden.“
„Oh, ich habe es mir nicht selbst gekauft. Es ist ein Geschenk von …“ Sie verstummte unvermittelt. Eigentlich gab es ja keinen Grund, ihm zu verschweigen, dass James ihr das Schmuckstück zum Geburtstag geschenkt hatte. Trotzdem hatte sie das merkwürdige Gefühl, dass Bruno als Nächstes fragen würde, weshalb der Earl seiner Innenarchitektin ein so teures Präsent gemacht habe. Wie aber sollte sie ihm das erklären, ohne zu erwähnen, dass James ihr damit für die vielen, vielen Stunden hatte danken wollen, die sie mit ihm im Krankenhaus zugebracht hatte?
Bildete sie sich es ein, oder überspielte er mit seinem Lächeln so etwas wie Abneigung? „Ein Geschenk von Ihrem Liebsten, nehme ich an?“, fragte er seidenweich.
Jetzt spielte die Fantasie ihr ganz sicher einen Streich. Das hatte ja beinah eifersüchtig geklungen. Dabei waren seine starken Arme, die er ihr um die Taille gelegt hatte, und die Hitze, die sein gefährlich naher Körper in ihr hervorrief, keinesfalls ein Produkt ihrer Fantasie, ebenso wenig wie die Wirkung, die das auf ihre Denkfähigkeit hatte. Benommen schüttelte sie den Kopf. Konnte es sein, dass sie, Tamsin Stewart, einem so unglaublich gut aussehenden Mann wie Bruno Di Cesare gefiel? Auch wenn ihr Verstand diese Frage eindeutig negativ beantwortete, sagte ihr irgendetwas in seinen Augen, dass er genauso überwältigt war wie sie.
„Ich habe keinen Liebsten“, erwiderte sie leise, unfähig, den Blick von seinen Lippen zu lösen.
„Das kann ich kaum glauben, cara“, raunte er ihr ins Ohr. „Doch wer auch immer Ihnen dieses Collier geschenkt hat, meinen Sie nicht, dass er vielleicht gern Ihr Liebster wäre?“
„Nein“, widersprach sie entschieden und drehte den Kopf weg. James war ein Freund, der noch immer um seine verstorbene Frau trauerte. Nie würde sie ihm unterstellen, derartige Hintergedanken gehabt zu haben! Und wieso interessierte sich Bruno so sehr für dieses verdammte Collier?
Als sie versuchte, sich von ihm loszumachen, zog er sie noch fester an sich, sodass sie seine harten, muskulösen Schenkel an ihren spürte. „Im Moment bin ich völlig ungebunden“, stieß sie atemlos hervor. „Ich hoffe, das befriedigt Ihre Neugier.“ Himmel, seine Nähe brachte sie völlig aus dem Gleichgewicht. Was ging ihn das alles an?
Doch bevor sie ihn auffordern konnte, sie endlich loszulassen, erwiderte er ungehalten: „Allerdings, Tamsin. Sehr sogar. Denn es bedeutet, dass Sie sich hier und jetzt an mich binden können.“
„Wie … wie bitte?“, fragte sie verblüfft. „Wir kennen uns doch kaum. Ich habe Sie vor knapp zehn Minuten zum ersten Mal gesehen.“
„Und seitdem herrscht eine überwältigende erotische Anziehung zwischen uns“, stellte Bruno gelassen fest, und sein Lächeln schien sie herauszufordern, das Gegenteil zu behaupten.
Dann ließ er eine Hand so langsam über ihren Rücken gleiten, dass sie ihn eigentlich hätte zurechtweisen müssen. Doch wenn sie ehrlich war, bedauerte sie nur, dass sie kein rückenfreies Kleid trug. Unglaublich, wie sehr sie sich danach sehnte, seine Finger auf ihrer nackten Haut zu spüren!
„Lust ist ein wunderbares Gefühl, finden Sie nicht?“, flüsterte er, und seine tiefe, sexy Stimme ließ ihr eine Gänsehaut über den Rücken laufen. „Ich will dich, und du willst mich. Was könnte einfacher sein als das?“
Oh, wie einfach wäre es doch, Bruno Di Cesares Charme zu erliegen! Sie wünschte sich nichts sehnlicher, als ihrem Verlangen nachzugeben und ihm zu folgen, wohin auch immer er sie führen würde. Geradewegs in sein Bett vermutlich, wie ihr sein heißer, vielsagender Blick verhieß. Doch irgendetwas warnte sie. Noch nie war sie einem Mann wie Bruno begegnet. In den zwei Jahren seit der Trennung von ihrem Mann hatte sie ja noch nicht einmal ein Rendezvous gehabt. Selbst wenn sie sich noch so sehr zu ihm hingezogen fühlte, sollte sie besser vorsichtig sein.
Glücklicherweise endete in diesem Augenblick die Musik. Abrupt machte sie sich von Bruno los, denn auf der anderen Seite des Saales ging James gerade durch die Flügeltür in den nebenan gelegenen Speisesaal.
„Ich glaube, ich werde einmal dem Büfett einen kleinen Besuch abstatten, Signore“, erklärte sie mit einem selbstbewussten Lächeln. „Die Sandwiches, die ich mir in der Mittagspause gekauft habe, waren ungenießbar, und ich bin schrecklich hungrig. Ich bin mir aber sicher, Sie werden ohne Probleme eine andere Partnerin finden“, fügte sie trocken hinzu. Während des Tanzes hatte mehr als nur eine Frau neidisch jede ihrer Bewegungen verfolgt.
Für den Bruchteil einer Sekunde lag eiskalte Verachtung in seinen Augen, ehe er ihr wieder ein verführerisches Lächeln schenkte. Ganz der vollendete Gentleman, bestand er darauf, sie in den Saal zu begleiten, in dem ein zwanzig Meter langes Büfett aufgebaut war.
„Verzeihen Sie meine Ungeduld, Tamsin“, entschuldigte er sich mit rauer Stimme, als sie missbilligend die Stirn runzelte. „Ich wollte Sie nicht beleidigen. Ihre Schönheit raubt mir jedoch völlig den Verstand.“ Galant reichte er ihr einen Teller und ließ den Blick über die vielen erlesenen Delikatessen schweifen. „Ich hoffe, Sie erlauben mir, Ihnen beim Essen Gesellschaft zu leisten?“, bat er höflich und fügte leise hinzu: „Auch mir knurrt schon der Magen.“
Tamsin wusste nicht, was sie darauf erwidern sollte. Welche Frau konnte einem solchen Mann schon lange widerstehen? Bei ihm würde selbst eine Nonne schwach werden! Doch irgendwie hatte sie das Gefühl, als spielte er mit ihr. Was wollte er von ihr? Sie war zwar keineswegs hässlich, doch hier konnte er unter vielen wunderschönen Frauen wählen, die ihm allesamt zu Füßen lagen.
Nachdenklich legte sie einige Häppchen mit Frischkäse und Räucherlachs auf ihren Teller. Als sie aufsah, bemerkte sie, dass Bruno sie die ganze Zeit beobachtet hatte. Die Luft zwischen ihnen schien förmlich zu knistern. Abrupt wandte sie den Blick wieder dem Büfett zu, obwohl sie plötzlich keinen Appetit mehr verspürte.
Bruno Di Cesare ist ein Playboy, rief sie sich ins Gedächtnis. Schon öfter hatte sie in der Zeitung über ihn gelesen. Auf den Wirtschaftsseiten ebenso oft wie in den Klatschkolumnen. Sie wusste, dass Antonio Di Cesare die Firma vor beinah achtzig Jahren gegründet hatte. Ursprünglich produzierten die Di Cesares nur edle Lederwaren, doch im Lauf der Zeit erweiterten sie ihre Produktpalette, und heute zählte The House of Di Cesare, so der offizielle Name der Firma, zu einem der erfolgreichsten Hersteller auf dem Weltmarkt. Neuerdings wurden dort auch exklusive Möbel und Haushaltsgegenstände, wie Geschirr und Dekoartikel, produziert. Alles nur vom Feinsten und zu atemberaubenden Preisen.
Wie sehr sich Brunos Welt doch von ihrer unterschied! Er war Milliardär, allseits beliebt und bewundert, gewohnt, tun und lassen zu können, was ihm gefiel. Er bekam immer das, was er wollte, ganz gleich, ob es sich nun um einen günstigen Vertragsabschluss oder eine schöne Frau handelte.
Tamsin krauste die Stirn. Wenn er glaubte, er brauche nur mit den Fingern zu schnippen, um sie zu kriegen, hatte er sich getäuscht!
Entschlossen steuerte sie auf James Grainger zu. Doch ehe sie es sich versah, hatte Bruno sie am Ellbogen zu einem abgelegenen Zweiertisch geführt, nahm ihr dort den Teller aus der Hand und rückte ihr einen Stuhl zurecht. Sofort erschien ein Ober und brachte ihnen eine Flasche mit eisgekühltem Champagner. Völlig überrumpelt nahm Tamsin Platz. Wenn Bruno doch nur nicht so gut aussehen würde! Sein selbstsicheres Lächeln hatte eine seltsame Macht über sie. Ihr ganzer Körper kribbelte, auch wenn Brunos Blick sie an den eines Wolfs erinnerte, der kurz davor war, sich auf seine Beute zu stürzen.
„Worauf wollen wir anstoßen, Tamsin? Auf die Anziehungskraft zwischen uns und wohin sie uns sehr bald führen wird?“
„Ganz sicher nicht“, erwiderte sie schnell. „Wenn überhaupt, sollten wir auf das Brautpaar trinken und ihm eine lange und glückliche Ehe wünschen“, sagte sie mit bebender Stimme, weil sie unwillkürlich an ihre eigene gescheiterte Ehe denken musste. Dass Davina und Hugo sich sehr liebten, war nicht zu übersehen. Würde es aber immer so sein?
Ihre kurze Verbindung war ihr eine Lektion gewesen. Was für ein naives kleines Mädchen sie damals doch gewesen war! Gerade einmal einundzwanzig Jahre alt und viel zu leicht zu beeindrucken. Natürlich hatte sie sich in den gut aussehenden, lebhaften Banker Neil Harper verliebt, der ihr kaum sechs Monate später schon einen Heiratsantrag machte, den sie überglücklich annahm. Doch es verging nur ein knappes Jahr, und das romantische Märchen nahm ein böses Ende, als ihr Traumprinz mit der Immobilienmaklerin Jacqueline anbandelte.
An ihrem Hochzeitstag hatte Tamsin geglaubt, ihre Liebe zu Neil würde ein Leben lang anhalten und dass er sie ebenso sehr liebte wie sie ihn. Damals glaubte sie sogar, sie hätten beide den gleichen Traum. Später erfuhr sie, dass eigentlich nur sie in einer Traumwelt gelebt hatte. Als ihr Exmann vor zwei Jahren an Heiligabend ausgezogen war, hatte er ihr eröffnet, bereits vor ihrer Hochzeit eine Affäre mit Jacqueline gehabt zu haben.
Meine ganze Ehe ist eine einzige Illusion gewesen, überlegte Tamsin bitter, ohne zu bemerken, dass ihr Gesichtsausdruck Bände sprach.
„Warum sehen Sie denn so traurig aus, bella?“, fragte Bruno leise. „Glauben Sie etwa nicht, dass Davina und Hugo glücklich miteinander werden?“
„Oh, doch, doch. Bestimmt. Jedenfalls hoffe ich es. Sie lieben sich sehr, und das ist allein ausschlaggebend, nicht wahr?“
„Ist es das?“, fragte er. Warum bebte denn ihre Stimme auf einmal? „Ich fürchte, weder Liebe noch Ehe gehören zu meinem Spezialgebiet. Mir ist allerdings bekannt, dass viele Frauen eine feste Verbindung als finanzielle Rückversicherung betrachten.“
Tamsin entglitt ihre Gabel, die klirrend auf dem Teller landete. „Wie zynisch Sie sind! Keine vernünftige Frau würde meines Erachtens heiraten, nur weil viel Geld dabei im Spiel ist. Davina ist nicht wegen Hugos Vermögen seine Frau geworden, und auch ich habe meinen Exmann geliebt, obwohl mich sein Konto überhaupt nicht interessiert hat.“ Ärgerlich blickte sie ihn an. Was er wohl sagen würde, wenn er wüsste, dass ihr Ex ein wohlhabender Banker gewesen war?
Forschend sah er sie an. „Ah ja. Annabel erwähnte, dass Sie verheiratet gewesen sind. Doch die Ehe wurde ziemlich schnell geschieden, richtig?“
„Ja“, bestätigte sie emotionslos und senkte den Blick. Das Scheitern ihrer Ehe schmerzte sie noch immer, und sie hatte absolut keine Lust, sich mit einem wildfremden Mann darüber zu unterhalten. Noch dazu mit so einem!
Verständnislos schüttelte er den Kopf: „Umso erstaunlicher finde ich es, dass Sie trotzdem glauben, dass Davina und Hugo miteinander glücklich sein werden. Halten Sie es trotz Ihrer Erfahrung für möglich, dass man einem einzigen Menschen das ganze Leben lang treu sein kann?“
Tamsin sah ihm in die Augen und nickte. „Ja, davon bin ich überzeugt. Ich halte die Institution Ehe keineswegs für überkommen, sondern für etwas Wundervolles. Hoffentlich begegne ich eines Tages einem Mann, mit dem ich den Rest meines Lebens verbringen möchte. Und eines kann ich Ihnen versichern: Ob er arm oder reich ist, wird dabei völlig unwichtig sein“, fügte sie nachdrücklich hinzu.
„Eine bewundernswerte Einstellung, bella“, erwiderte er trocken. Doch obwohl sie überzeugend klang, glaubte er ihr kein Wort. Annabel hatte ihm erzählt, dass Tamsin von ihrem Exmann nach der Scheidung großzügig abgefunden worden war. Kein Wunder also, dass sie eine leidenschaftliche Verfechterin der Ehe war! Wahrscheinlich war es für sie so etwas wie Sport, reiche Männer zu heiraten und hinterher auszunehmen. Wieso sollte sie auch sonst die Freundschaft eines so viel älteren Mannes suchen?
In den letzten zehn Jahren war James fast so etwas wie ein Vater für ihn geworden. Immer hatte er ihm mit guten Ratschlägen zur Seite gestanden und ihn vor Dummheiten bewahrt. Jetzt bietet sich mir endlich die Gelegenheit, meinem Freund auch einmal einen Dienst zu erweisen und ihn vor dieser geldgierigen Frau zu bewahren, dachte Bruno.
Mit einem gewinnenden Lächeln, das sie wie geplant erröten ließ, schenkte er ihr noch Champagner nach. Ihren Protest entkräftete er mit einem beschwichtigenden „Sie müssen doch nicht mehr Auto fahren, oder?“.
Plötzlich kam ihm ein unangenehmer Verdacht. „Schlafen Sie hier im Hotel oder in Ditton Hall?“
„Hier. James hatte mich zwar nach Ditton Hall eingeladen, da er aber schon das ganze Haus voller Gäste hat, fand ich es besser, mir ein Hotelzimmer zu nehmen. Wo übernachten Sie denn?“
„Ebenfalls hier.“ Und mit einem unmissverständlichen Lächeln fügte er hinzu: „Wer weiß? Vielleicht frühstücken wir ja morgen zusammen.“
„Das ist eher unwahrscheinlich“, erwiderte sie schnell. Unglaublich, wie frech er war!
Amüsiert lehnte sich Bruno in seinem Stuhl zurück, denn sie errötete schon wieder. Frauen, mit denen er sonst zu tun gehabt hatte, passierte das nie. Doch selbst wenn Tamsin Stewart mit ihren großen Augen und rosigen Wangen fast wie ein unschuldiges Schulmädchen wirkte, bezweifelte er stark, dass sie eins war.
Langsam ließ er den Blick über ihren schlanken Hals zu ihren Brüsten gleiten und betrachtete mit einem zynischen Lächeln die einladenden Rundungen. Diese Frau davon zu überzeugen, dass er selbst eine noch viel bessere Partie als sein Freund war, würde auch für ihn einige angenehme Seiten haben.
„Erzählen Sie mir etwas über sich“, forderte er sie auf, als sie ihren Teller beiseiteschob. Seltsamerweise hatte sie kaum etwas gegessen. „Was macht Ihre Familie? Haben Sie Geschwister?“
Warum wollte er denn das wissen? Nun gut. Es war besser, wenn sie sich darüber unterhielten als über ein gemeinsames Frühstück.
„Ich habe zwei Schwestern, die beide glücklich verheiratet sind. Übrigens mit Männern, die kein großes Vermögen besitzen“, fügte sie spitz hinzu. „Außerdem habe ich noch einen Bruder. Er heißt Daniel, und in seiner Firma arbeite ich zurzeit.“
„Richtig. Spectrum Design“, murmelte Bruno. „Wie läuft der Betrieb denn so? Im Moment ist die wirtschaftliche Lage in England für junge Firmen ja nicht so einfach.“
„Ehrlich gesagt, kümmere ich mich nur um den künstlerischen Bereich. Das Geschäftliche macht mein Bruder. Ich denke jedoch, es läuft ganz gut“, erwiderte sie lächelnd. „Immerhin hat Daniel gerade ein Penthouse-Apartment in Chelsea, einer der besten Gegenden Londons, gekauft. Wir wollen es renovieren, einrichten und dann meistbietend veräußern. Dabei erwarten wir einen hohen Gewinn.“
„Oh, in Chelsea?“ Natürlich kannte er den noblen Londoner Stadtteil, der am westlichen Rand der Innenstadt lag. Das einstige Künstlerviertel, zu dem auch die bei Touristen aus aller Welt beliebte Gegend um Notting Hill gehörte, mochte er vor allem wegen der zahlreichen edlen Designerboutiquen, trendigen Galerien und hervorragenden Restaurants.
„Ja. Ich liebe den Charme von Chelsea. Die Straßen sind sehr gepflegt, überall gibt es kleine Gärtchen oder Parks. Wie die meisten Gebäude dort handelt es sich bei unserem Objekt um ein dreigeschossiges Stadthaus aus rotem Ziegeln. Es bietet eine wunderbare Aussicht auf den Sloane Square mit seinen typisch englischen Pubs, den kleinen Theatern und natürlich dem wunderschönen Springbrunnen. Im Sommer kann man dort gemütlich auf einer Bank sitzen und in der Sonne relaxen.“
„Die Lage ist schon einzigartig“, bestätigte Bruno. „Zumal Chelsea so nah an der Themse liegt. Gerade vom Flussufer aus hat man ja die malerischsten Ausblicke auf die Stadt. Außerdem ist es nicht weit zum Hydepark, und wenn man shoppen möchte, schlendert man einfach die King’s Road hinunter, und schon findet man alles, was das Herz begehrt.
„Für eine solche Investition wird Ihr Bruder ziemlich viel Kapital benötigt haben“, bemerkte er wie beiläufig. „Anscheinend haben die Leute von Ihrer Bank Sie für ausgesprochen kreditwürdig gehalten. Oder haben Ihnen private Investoren dabei geholfen?“
„Soweit ich weiß, hat Daniel Geld aufgenommen. Ich bin mir jedoch nicht ganz sicher.“
Sie war doch erst vor Kurzem in die Firma eingetreten und über derartige Dinge noch nicht informiert. Wie peinlich! Jetzt stand sie wie ein kleines Dummchen da, das keine Ahnung von den Finanzen hatte. Schnell wechselte sie das Thema.
„Was ist denn mit Ihnen? Haben Sie Familie?“
„Meine Eltern leben nicht mehr. Ich habe aber eine Schwester, die ein paar Jahre älter als Annabel Grainger ist.“ Seine kleine Jocasta. Wie sehr hatte sie unter ihrer Stiefmutter Miranda gelitten!
Als Tamsin jetzt ihr Diamantcollier berührte, musste er unwillkürlich daran denken, wie sein Vater seine neue Frau mit unzähligen kostbaren Schmuckstücken überschüttet hatte. Darunter waren viele Familienerbstücke gewesen. Nach dem Tod seines Vaters hatte Bruno sie für das Fünffache ihres Wertes von Miranda zurückgekauft. Die Gier seiner Stiefmutter erfüllte ihn noch jetzt ebenso sehr mit Abscheu wie damals.
„Stimmt etwas nicht?“, fragte Tamsin unsicher. Eben noch hatte er sie angelächelt, doch jetzt schaute er sie so grimmig an, als wollte er sie erwürgen.
Er rang sich ein Lächeln ab. „Nein, nein. Alles ist in Ordnung, bella. Möchten Sie noch etwas Champagner?“
„Nein, danke.“ Sie trank so selten Alkohol, dass ein Glas schon eine verheerende Wirkung auf sie hatte. Von zweien ganz zu schweigen. Hilfesuchend sah sie sich um, doch James saß mittlerweile nicht mehr auf seinem Platz.
„Was meinen Sie, gehen wir zurück in den Ballsaal?“, schlug Bruno vor, der ihrem Blick gefolgt war.
„Wie Sie wollen. Sie müssen sich wirklich nicht verpflichtet fühlen, mir den ganzen Abend Gesellschaft zu leisten“, erwiderte sie ausweichend, während er ihr beim Aufstehen half. Sie musste endlich wieder einen klaren Kopf bekommen, was allerdings in Signor Di Cesares Gegenwart ein Ding der Unmöglichkeit war. „Da sind ja auch noch andere Gäste, mit denen Sie sicher gern etwas Zeit verbringen möchten.“
Lächelnd führte er sie in den Ballsaal zurück. „Ganz und gar nicht, cara. Die einzige Person, die mich im Moment interessiert, steht genau vor mir.“ Ehe sie noch protestieren konnte, zog er sie in seine Arme. Tamsin fühlte sich von seinem verlangenden Blick wie hypnotisiert. Krampfhaft versuchte sie, sich von ihm loszumachen. Doch er gab sie nicht frei.
„Ich muss aber mit James sprechen“, wandte sie ein. „Wir haben heute kaum ein Wort miteinander gewechselt.“
„Ich glaube, es ist besser, wenn Sie ihn diesen Abend Annabel überlassen“, sagte er barsch. Als sie ihn verwundert anblickte, fügte er etwas freundlicher hinzu: „Sie vermisst ihre Mutter so schrecklich, und jetzt zieht auch noch ihre Schwester aus. Da ist es besonders wichtig, dass ihr Vater genügend Zeit für sie hat.“
Nachdenklich sah Tamsin zu Annabel hinüber, die gerade mit ihren Freunden viel Spaß zu haben schien. Merkwürdig. Fast schien es so, als beabsichtigte Bruno, sie von James fernzuhalten. Gerade wollte sie ihn bitten, sie gehen zu lassen, da begann er sanft und aufreizend ihren Rücken zu streicheln, und anstatt ihn von sich zu stoßen, wie sie es noch vor wenigen Sekunden vorgehabt hatte, schmiegte sie sich enger an seine muskulöse Brust. In seiner Nähe schien ihr Körper einen völlig eigenen Willen zu entwickeln.
„Lass uns von hier verschwinden, bella“, raunte er ihr zu, nahm sie an der Hand und zog sie auf die große Terrasse hinaus in eine Ecke, wo Clematis und Kletterrosen so etwas wie einen blühenden Pavillon bildeten.
Die frische Nachtluft kühlte Tamsins glühende Haut. Wieso war ihr nur so schwindlig? Hätte sie bloß auf das zweite Glas Champagner verzichtet! Doch als Bruno sich zu ihr umwandte, wusste sie, dass es nicht der Alkohol war, der ihr den Kopf vernebelte, sondern der elektrisierende Blick seiner dunklen Augen. Er sagte ihr, wie sehr er sie begehrte. Dabei hatte sie sich zwei Jahre lang weder als attraktiv noch begehrenswert empfunden, denn Neil hatte ihr jedes Selbstwertgefühl genommen.