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Calisthenics

Calisthenics

Das ultimative Handbuch für das Bodyweight-Training

Ashley Kalym

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Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen

Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://d-nb.de abrufbar.

Wichtige Hinweise

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Ausschließlich zum Zweck der besseren Lesbarkeit wurde auf eine genderspezifische Schreibweise sowie eine Mehrfachbezeichnung verzichtet. Alle personenbezogenen Bezeichnungen sind somit geschlechtsneutral zu verstehen.

Für Fragen und Anregungen

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5. Auflage 2021

© 2015 by riva Verlag, ein Imprint der Münchner Verlagsgruppe GmbH

Türkenstraße 89

80799 München

Tel.: 089 651285-0

Fax: 089 652096

Die amerikanische Originalausgabe erschien 2014 bei Lotus Publishing unter dem Titel Complete Calisthenics – The Ultimate Guide to Bodyweight Exercise © August 2014 by Ashley Kalym. All rights reserved.

Alle Rechte, insbesondere das Recht der Vervielfältigung und Verbreitung sowie der Übersetzung, vorbehalten. Kein Teil des Werkes darf in irgendeiner Form (durch Fotokopie, Mikrofilm oder ein anderes Verfahren) ohne schriftliche Genehmigung des Verlages reproduziert oder unter Verwendung elektronischer Systeme gespeichert, verarbeitet, vervielfältigt oder verbreitet werden.

Übersetzung: Dr. Kimiko Leibnitz

Fotografien: Chris Frosin

Satz: Carsten Klein für bookwise Medienproduktion GmbH

Redaktion: bookwise Medienproduktion GmbH

Umschlaggestaltung: Mike Seymour


ISBN Print 978-3-86883-639-4

ISBN E-Book (PDF) 978-3-86413-795-2

ISBN E-Book (EPUB, Mobi) 978-3-86413-796-9

Weitere Informationen zum Verlag finden Sie unter

www.rivaverlag.de

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Inhalt

Vorwort

Danksagung

Teil I: Einleitung

Kapitel 1: Was ist Calisthenics?

Die Vorteile von Calisthenics

Die Nachteile von Calisthenics

Einzigartige Aspekte

Handkraft

Core

Schulter

Die Kraft des geraden Arms

Training des Nervensystems

Zubehör

Trainingsort

Klimmzugstange

Dipbarren

Parallettes

Kleidung

Chalk

Hartschaumrolle

Trainingspartner

Teil II: Ernährung, Erholung und Regeneration

Kapitel 2: Ernährung

Trinken Sie mehr Wasser

Essen Sie möglichst naturbelassene Lebensmittel

Viel hilft viel

Erhöhen Sie Ihre Proteinzufuhr

Senken Sie Ihre Kohlenhydratzufuhr

Bereiten Sie große Mengen zu

Beispiele für Mahlzeiten

Kapitel 3: Erholung und Regeneration

Gesunder Schlaf

Was bei Verletzungen zu tun ist

Handpflege

Starke Sehnen und Bänder

Teil III: Vorbereitung vor dem Workout

Kapitel 4: Aufwärmen, Mobilität, Beweglichkeit

Aufwärmen

Mobilität

Oberkörpermobilisation

Schulterblatt-Liegestütz

Schulterblatt-Dip

Schulterblatt-Klimmzug

Schulterblatt-Klimmzug, einarmig

Foam Rolling der Schulterblätter

Foam Rolling der Achselhöhlen

Dehnung der Rotatorenmanschette

Dehnung von Brust und Schultern

Schulterverrenkung

Core-Mobilisation

Foam Rolling der Wirbelsäule

Rumpfbeugen zur Seite

Unterkörpermobilisation

Foam Rolling des Iliotibialbands

Foam Rolling der Adduktoren

Foam Rolling des Piriformis

Statische Dehnung

Rollen in den Grätschsitz

Kniekreisen

Bergsteiger

Froschsprünge

Dehnung der Hüftbeuger

Tiefe Kniebeuge

Beweglichkeit

Dehnprogramm

Oberkörperdehnung

Dehnung von Brust und Schultern

Dehnung des oberen Rückens

Dehnung der Brust

Dehnung der Unterarme und Handgelenke 1

Dehnung der Unterarme und Handgelenke 2

Core-Dehnung

Rumpfdehnung zur Seite

Kobra

Katze

Unterkörperdehnung

Dehnung des Quadrizeps

Dehnung der ischiocruralen Muskulatur

Dehnung im Grätschsitz

Dehnung der Oberschenkelinnenseite

Dehnung der Hüftbeuger

Dehnung der Gesäßmuskeln

Dehnung der Waden

Andere Faktoren

Bewegungsumfang

Schwungholen

Bei den Übungen »mogeln«

Teil IV: Die Übungen

Kapitel 5: Liegestütze

Liegestütz

Liegestütz mit breitem Griff

Liegestütz mit engem Griff

Tiefer Liegestütz

Asymmetrischer Liegestütz

Liegestütz mit Wandlauf

Liegestütz auf den Fingerspitzen

Liegestütz auf den Handgelenken

Pseudo-Planche-Liegestütz

Lalanne-Liegestütz

Einarmiger Liegestütz

Diagonaler Liegestütz

Superman-Liegestütz

Spinnen-Liegestütz

Liegestütz mit Klatschen

Liegestütz mit Klatschen hinter dem Rücken

Liegestütz mit zweimal Klatschen

Liegestütz mit dreimal Klatschen

Kapitel 6: Klimmzüge

Rudern

Klimmzug mit Kammgriff

1. Negativer Klimmzug

2. Statisches Halten

Klimmzug mit Ristgriff

Klimmzug mit breitem Ristgriff

Klimmzug mit engem Ristgriff

Klimmzug zum Nacken

Kommando-Klimmzug

Klimmzug zur Seite

Klimmzug mit gestreckten Beinen

Horizontaler Klimmzug

Finger-Klimmzug

Klimmzug mit Seil/Handtuch

Klimmzug mit Klatschen

Schreibmaschinen-Klimmzug

Klimmzug mit Zusatzgewicht

Einarmiger Klimmzug

1. Mit Fingern unterstützter einarmiger Klimmzug

2. Einarmiger Klimmzug mit Seil/Handtuch

3. Negativer einarmiger Klimmzug

4. Statisches Halten

5. Einarmiger Klimmzug

Kapitel 7: Dips

Dip am Kasten

Trizeps-Dip

Front Dip

Kapitel 8: Muscle-ups

Normaler Muscle-up

Muscle-up mit False Grip

1. Entwickeln des False Grip

2. Die Übergangsphase üben

3. Muscle-up mit False Grip

Kapitel 9: Handstände

Wandlauf

So lernen Sie den Handstand

Handstand an der Wand

1. Schwung holen, um in den Handstand an der Wand zu kommen

2. Lernen, wie man das Gleichgewicht hält

Den Handstand kontrolliert beenden

Handstand am Boden

Handstand mit Parallettes

Handstand-Liegestütz

1. Handstand-Liegestütz am Boden mit der Wand als Stütze

2. Frei stehender Handstand-Liegestütz am Boden

3. Handstand-Liegestütz mit Parallettes und der Wand als Stütze

4. Frei stehender Handstand-Liegestütz mit Parallettes

Liegestütz im 90-Grad-Winkel

Kapitel 10: Lever

Planche

Handhaltung

Zusatzübungen

Trainingsdauer und -umfang

Sätze, Wiederholungen und Haltedauer

Vorwärtslehnen

Froschstand

Planche mit angezogenen Beinen

Planche mit flachem Rücken

Einbeiniger Planche

Planche mit gegrätschten Beinen

1. Aus dem Planche mit angezogenen Beinen

2. Durch eine Zugbewegung nach vorne

3. Mit einer Trittbewegung nach hinten

4. Aus dem Handstand

Vollständiger Planche

Planche-Liegestütz

Front Lever

Vertikales Ziehen

Front Lever mit angezogenen Beinen

Front Lever mit flachem Rücken

Einbeiniger Front Lever

Front Lever mit gegrätschten Beinen

1. Aus dem Front Lever mit angezogenen Beinen

2. Pendel

Vollständiger Front Lever

Front Lever mit Klimmzug

Back Lever

German Hang

Back Lever mit angezogenen Beinen

Back Lever mit flachem Rücken

Einbeiniger Back Lever

Back Lever mit gegrätschten Beinen

Vollständiger Back Lever

Half Lever

Half Lever mit angezogenen Beinen

Half Lever mit leicht angezogenen Beinen

Vollständiger Half Lever

Half Lever am Boden

Half Lever mit Beinstrecken

Half Lever mit abwechselndem Beinanziehen

Half Lever mit Beinschlag

Human Flag

Vertical Flag

Flag mit angezogenen Beinen

Flag mit gegrätschten Beinen

Vollständige Human Flag

Kapitel 11: Core-Übungen am Boden

Unterarmstütz

Seitstütz

Crunch

Dish

V-Sitz

Sit-up

Beinstrecken am Boden

Gestreckter Unterarmstütz

Arch

Liegestütz rücklings

Dragon Flag

1. Kerze

2. Dragon Flag mit angezogenen Beinen

3. Einbeinige Dragon Flag

4. Negative Dragon Flag

5. Vollständige Dragon Flag

Dragon Flag mit Beinschlag

Kapitel 12: Beinübungen im Hang

Knieheben im Hang

Beinheben im Hang

Scheibenwischer

Kapitel 13: Unterkörperübungen

Kniebeuge

Ausfallschritt

Beckenheben

Wadenheben

Einbeinige Kniebeuge

1. Einbeinige Kniebeuge mit Hilfestellung

2. Einbeinige Kniebeuge mit Kasten

3. Vollständige einbeinige Kniebeuge

4. Einbeinige Kniebeuge mit Zusatzgewicht

Hamstring-Curl

1. Hamstring-Curl mit aufgerichtetem Becken

2. Hamstring-Curl mit Hilfestellung

3. Negativer Hamstring-Curl

4. Vollständiger Hamstring-Curl

Kapitel 14: Konditionsübungen

Hampelmann

Gesprungene Kniebeuge

Gesprungener Ausfallschritt

Squat Thrust

Bergsteiger

Burpee

Bastard

Sprint

Bärengang

Teil V: Trainingsprogramme

Ziele setzen

Sätze, Wiederholungen und Haltedauer

Über- und Untertraining

Bewegungsfolgen selbst gestalten

Programm 1 Die fundamentalen fünf

Programm 2 Auf dem Fundament aufbauen

Programm 3 Erlernen der Lever

Programm 4 Complete Calisthenics

Wie man sein eigenes Programm entwirft

Schlusswort

Häufig gestellte Fragen

Die wichtigsten Skelettmuskeln

Quellen

Vorwort

Mein persönlicher Weg bis zur Veröffentlichung dieses Buches war lang und abwechslungsreich. Meine ersten Erfahrungen mit Körpergewichtsübungen sammelte ich schon in jungen Jahren: Als kleiner Junge ließ ich mich von meinen Eltern überzeugen, es mit Rugby zu versuchen, und fand schnell Gefallen am Training. Weil wir Kinder damals noch zu jung für Hanteln waren, absolvierten wir Liegestütze, Klimmzüge, Sit-ups, Ausfallschritte und viele Laufeinheiten, um unsere Fitness zu verbessern. Das lag nicht nur daran, dass wir damals für ein Krafttraining mit Gewichten körperlich zu unreif gewesen wären; mein Verein hatte schlichtweg weder das Geld noch die Räumlichkeiten für Hanteln oder Kraftstationen, und so kannte ich lange Zeit keine andere Trainingsform. Als ich etliche Jahre später alt genug für Hanteltraining war, machte ich die üblichen Workouts, also Bizeps-Curls, Brustübungen und Latzüge statt Klimmzüge; außerdem benutzte ich die Beinstreckmaschine, statt richtige Kniebeugen zu machen. In jener Zeit entwickelte ich mich körperlich zwar weiter und legte einiges an Muskelmasse zu, aber was mir fehlte, war echte Kraft. Auch nachdem ich schon einige Jahre mit Hanteln trainiert hatte, war ich nicht besonders stark. Doch zu dieser Einsicht sollte ich erst einige Jahre später kommen.

Nach der Universität hatte ich einige Festanstellungen, beschloss dann aber, dass die Zeit reif war, mich bei den Royal Marine Commandos zu bewerben. Das war ein sehr hoch gegriffenes Ziel, und sobald ich die Unterlagen durchgelesen hatte, stellte ich erstaunt fest, dass in der Militärausbildung vor allem Körpergewichtsübungen verwendet werden, um eine starke, möglichst erschöpfungsresistente Physis zu entwickeln. In der Grundausbildung absolvierte ich also wieder dieselben Übungen, die ich bereits als Junge gemacht hatte: Liegestütze, Klimmzüge, Laufen und andere einfache Körpergewichtsübungen. Anfang 2009 trat ich meinen Militärdienst an und fand, dass sich meine Vorbereitung mit Körpergewichtsübungen wirklich gelohnt hatte. Nach etwa acht Monaten bemerkte ich allerdings, dass das Soldatendasein und die langen Zeiten der Abwesenheit von zu Hause nichts für mich waren. Daher beschloss ich, wieder ins Zivilleben zurückzukehren. Ich hatte während der Ausbildung viel gelernt, vor allem über mich selbst und meine Grenzen, und war überrascht, wie fit und stark ich mit einfachen Körpergewichtsübungen geworden war. In einem solchen Augenblick beschloss ich herauszufinden, wie stark ich durch Körpergewichtstraining tatsächlich werden konnte, und fing an, alles über diese Trainingsweise zu lesen, was mir in die Hände fiel.

Schon nach einigen Wochen stieß ich auf eine Webseite mit kurzen Tutorials zu grundlegenden Turnfiguren wie die Hangwaage rückwärts (Back Lever), den Klimmzug in den Stütz (Muscle-up) und so weiter. Ich probierte sie aus – und versagte komplett. Das spornte mich aber nur weiter an, und so kam ich zu dem Schluss, dass ich wohl am besten damit beraten war, einen Kurs im Kunstturnen zu besuchen, wenn ich meine Kraft verbessern wollte. Also meldete ich mich an, nahm teil und war sprachlos. Die anderen Teilnehmer waren Kinder, höchstens zehn oder elf Jahre alt, die aber zu Bewegungen fähig waren, die ich beim besten Willen nicht bewältigen konnte. Selbst die einfachsten Core-Übungen (zum Beispiel der Half Lever) überforderten meine Bauchmuskulatur maßlos. Ich erinnere mich noch sehr gut daran, wie sich an diesem Tag alle meine Vorstellungen von Kraft und Körpergewichtstraining in Wohlgefallen auflösten. In jenem Augenblick beschloss ich, mich fortan Calisthenics so konsequent wie nur möglich zu widmen.

Andere Verpflichtungen brachten es allerdings mit sich, dass ich keine 40 Stunden pro Woche zur Verfügung hatte, um mich zum Turner ausbilden zu lassen. Aber ich hatte das große Bedürfnis, stark zu werden, richtig stark, und wusste, dass ich dieses Ziel durch progressives Körpergewichtstraining erreichen konnte.

In den nächsten Jahren lernte ich enorm viel und machte einige der interessantesten Trainingserfahrungen meines Lebens. Beinahe jede Woche lernte ich etwas Neues dazu, stieß etwa auf eine neue Information, eine innovative Technik oder Methode des Kraftaufbaus und lotete mit der Zeit meine Grenzen immer weiter aus. Und ich begann langsam damit, meine eigenen Progressionen zu erarbeiten, das Beste aus anderen Programmmen zusammenzustellen und daraus mein eigenes Konzept zu entwickeln.

Schließlich fing ich an, nach einem Buch zu suchen, das das gesamte Wissen enthielt, das ich im Selbststudium erworben hatte und das eine gute Anleitung dafür bot, wie man sich von einem blutigen Anfänger zu einem Experten mit nahezu übermenschlichen Kräften entwickeln konnte. Ich suchte vergeblich. Es gab einige Bücher zum Thema Körpergewichtstraining, die aber relativ schlicht gehalten waren und sich nur darauf beschränkten, dem Leser sehr einfache Übungen wie Liegestütze oder Sit-ups zu vermitteln. Andere waren zwar etwas detaillierter, ignorierten dafür aber den Unterkörper völlig. Daher beschloss ich, ein Buch zu schreiben, das allen hilft, Männern wie Frauen, Anfängern wie Fortgeschrittenen, die ausschließlich mithilfe ihres Körpergewichts Kraft, Koordination, Explosivität und eine erstaunliche Physis aufbauen wollen. Calisthenics ist dieses Buch.

Es stellt alle Methoden vor, mit denen sich eine gewaltige Körperkraft erreichen lässt, geht zudem auf den Begriff »Calisthenics« ein und schildert die Vor- und Nachteile dieser Trainingsform sowie die dafür benötigte Ausrüstung. Außerdem widmet es sich in einem Abschnitt sogar dem Thema korrekte Ernährung. Im Übungsteil erfahren Sie, wie man so elementare Bewegungen wie die allseits bekannten Liegestütze korrekt ausführt und anspruchsvollere Techniken – etwa Trizeps-Dips, Handstände, Muscle-ups, Front Levers, einarmige Klimmzüge, Human Flags und einbeinige Kniebeugen – lernt. Jede Übung ist bebildert, damit Sie sehen, was Ihr Körper in jeder Phase der Bewegung machen sollte. Den Abschluss bildet eine ausführliche Beschreibung verschiedener Trainingsprogramme, die sowohl für Anfänger als auch für Fortgeschrittene mit einigen Jahren Trainingserfahrung geeignet sind.

Wo auch immer Sie sich gerade auf Ihrem Lebensweg befinden, dieses Buch verleiht Ihnen das Wissen und die Motivation, Ihr Training auf ein neues Niveau zu heben. Kurzum: Calisthenics ist der ultimative Ratgeber, der Ihnen zeigt, wie Sie mithilfe von Körpergewichtsübungen eine geradezu erstaunliche Kraft entwickeln.

Danksagung

Es gibt viele Menschen, denen ich danken möchte, und viele Menschen, die mir in den letzten Jahren geholfen haben, wenn auch teilweise unwissentlich. Zunächst einmal möchte ich meinem guten Freund Phil Taylor dafür danken, dass er mich dazu ermuntert hat, diesen Trainingsansatz zu verfolgen. Außerdem möchte ich Mitch Edwards meinen Dank aussprechen, der mir sein Wissen und seine Erfahrung von jenem Augenblick an zur Verfügung stellte, an dem ich mit dem Turnsport in Kontakt kam. Darüber hinaus möchte ich mich bei Jim Bathurst von Beastskills.com bedanken, dessen Online-Tutorials und -Artikel sehr lehrreich waren. Ferner möchte ich Coach Christopher Sommer von Gymnasticbodies. com danken, der mir viele Ratschläge und Tipps gegeben und im Gegenzug wenig verlangt hat; und schließlich den vielen YouTube-Nutzern, die mir zu zahlreichen Einsichten, Inspirationen und noch viel, viel mehr verholfen haben.

Ich möchte Chris Frosin danken, der mir auf meinem Weg zum Autor stets ein zuverlässiger Begleiter war. Seine Geduld und Erfahrung haben das vorliegende Buch erst möglich gemacht. Seine Webseite ist über den Link www.chrisfrosin.co.uk erreichbar.

Für die Umschlaggestaltung und visuelle Inspiration möchte ich mich bei Mike Seymour bedanken, dessen Geduld und fachmännisches Auge mich mehr als einmal motiviert haben. Sein Blog und sein Portfolio findet sich unter www.behance.net/sey.

Des Weiteren möchte ich Sam und der fabelhaften Crew von Rigs Fitness in Birmingham für die Nutzung ihrer Einrichtung danken. Nachdem ich in vielen Studios angefragt hatte, meldete sich Sam, der extrem hilfsbereit und entgegenkommend war. Rigs Fitness verfügt über eine erstklassige Trainingsausstattung und ist online unter www.rigsfitness.co.uk vertreten.

Aber vor allem möchte ich mich bei Ihnen, den Lesern, bedanken, ohne die ich nicht in der Lage wäre, meinen Lebensunterhalt mit etwas zu bestreiten, das mir sehr am Herzen liegt, und ohne die die Welt des Calisthenics nicht so facettenreich wäre. Vielen Dank für den Kauf dieses Buchs. Es hat mir großen Spaß gemacht, es zu schreiben, und auch wenn ich deswegen oft bis spät in die Nacht am Schreibtisch saß – die Arbeit hat sich auf jeden Fall gelohnt!

Wenn Sie mit mir Kontakt aufnehmen wollen oder Fragen bzw. Anregungen haben, schreiben Sie bitte eine Nachricht an die Mailadresse completecalisthenicsuk@gmail.com.

Ich versuche jede E-Mail selbst zu beantworten und freue mich, von Ihnen zu hören.

Trainieren Sie hart!

Ashley Kalym

I

Einleitung

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1 Was ist Calisthenics?

Zunächst einmal lohnt es sich, einen genaueren Blick darauf zu werfen, was Calisthenics überhaupt ist und was nicht, damit wir verstehen, warum bestimmte Übungen im Rahmen unseres Trainings ausgeführt bzw. weggelassen werden.

Der Begriff »Calisthenics« setzt sich aus den griechischen Wörtern kallos (Schönheit) und sthenos (Kraft) zusammen. Man versteht darunter die Kunst, sein eigenes Körpergewicht und die Masseträgheit einzusetzen, um seine Physis zu entwickeln. Wikipedia definiert Calisthenics wie folgt:

Calisthenics ist eine Form des körperlichen Trainings, das eine Reihe von einfachen, oft rhythmischen Bewegungen beinhaltet und für die nur das eigene Körpergewicht genutzt wird. Trainingsgeräte und Zubehör werden im Allgemeinen nicht benötigt. Die Übungen sind dafür ausgelegt, die Kraft, die Beweglichkeit und die Körperkontrolle eines Sportlers zu verbessern. Calisthenics kann sowohl für Muskelaufbau, zur Steigerung der inter- und intramuskulären Koordination, als auch auf die Verbesserung des Herz-Kreislauf-Systems ausgelegt sein. Calisthenics kann an Schulen im Rahmen des Sportunterrichts, bei Sportgruppen und beim körperlichen Training von Soldaten eingesetzt werden.

Die Geschichte von Calisthenics reicht zurück bis zu den Anfängen der Menschheitsgeschichte. In der Vorzeit bewegte sich die menschliche Spezies gehend, rennend und springend vorwärts, sie machte Ausfallschritte, kletterte, drückte und zog, um zu überleben und alltägliche Aufgaben zu verrichten. Moderne Hanteln und Kraftmaschinen, wie es sie heute in der Regel in Fitnessstudios gibt, sind Lichtjahre von dieser Bewegungsweise entfernt, die wir Menschen seit Jahrtausenden gewohnt sind, und deswegen ist – zumindest meiner Meinung nach – Calisthenics die natürlichste und selbstverständlichste Form der körperlichen Ertüchtigung, die wir praktizieren können. Unsere Verwandten, die Menschenaffen, greifen darauf zurück, um eine gewaltige Oberkörperkraft zu entwickeln, was sich vor allem dann zeigt, wenn man zum Beispiel Schimpansen dabei beobachtet, wie sie auf Bäume steigen und sich mühelos von Ast zu Ast schwingen.

In der Antike war Calisthenics das wichtigste Mittel, um Soldaten körperlich in Form zu bringen, weil es nicht nur überall auszuführen und leicht zu erlernen war, sondern sich auch am besten auf die Fähigkeiten und Bewegungen übertragen ließ, die im Kampf gebraucht wurden. Im Einklang mit dem eigenen Körper zu sein und sich ohne Einschränkungen scheinbar schwerelos im Raum bewegen zu können, hat zudem eine spirituelle Komponente. Weil es technische Errungenschaften wie Langhanteln oder Kraftmaschinen noch nicht gab und Übungen mit Zusatzgewichten schlichtweg nicht bekannt waren, blieben Eigenkraftübungen oft genug die einzigen Trainingsmöglichkeiten. Die Legenden von Milon, Atlas und Herkules zeigen, dass damals – ebenso wie heute – Körperkraft als verehrens- und bewundernswert galt. Diese berühmten mythischen Gestalten waren hauptsächlich für eine Eigenschaft bekannt: ihre Fähigkeit, mittels Muskelkraft gewaltige körperliche Leistungen zu vollbringen.

In der heutigen Zeit gilt der Spitzenturner als Meister dieser Art von Bewegung. Es gibt keinen anderen Athleten, der im Verhältnis zu seinem Körpergewicht stärker, wendiger, explosiver, beweglicher oder mobiler ist – zumindest ist mir keiner bekannt. Das Interessante an Turnern ist, dass ihre Kraft beinahe ein Nebenprodukt ist, weil sie normalerweise ausschließlich für ihren Wettkampf oder ihre Disziplin trainieren und nicht deshalb, weil sie gezielt Kraft aufbauen wollen. Obwohl das der Fall ist, findet das Training in der Regel hinter verschlossenen Türen statt, und viele Turner üben 30 bis 40 Stunden pro Woche, was für die meisten Freizeitsportler nicht realisierbar ist. Außerdem ist ein Großteil des Turntrainings darauf ausgelegt, Verbesserungen in den Disziplinen zu erreichen, in denen der Sportler Wettkämpfe bestreitet. Wenn man das Ziel verfolgt, einarmige Klimmzüge oder einen Front Lever auszuführen, ist das meiste Turntraining gar nicht nötig, und nicht jeder hat die Motivation oder die Disziplin, so intensiv wie ein Turner zu trainieren.

In den letzten Jahren hat sich Calisthenics enorm weiterentwickelt, vor allem hinsichtlich seiner Beliebtheit und der Vielfalt an verfügbaren Bewegungen. Jeder, der diese Zeilen liest und YouTube kennt, wird sicher schon viele faszinierende Videos gesehen haben, in denen ganz gewöhnliche Leute eine schier übermenschliche Kraft und Körperbeherrschung unter Beweis stellen und dazu lediglich eine einfache Klimmzugstange benutzen. Genau darum geht es in Calisthenics: nur mit dem eigenen Körper Kraftleistungen zu entwickeln, nach denen man in anderen Trainingsdisziplinen lange suchen muss.

Ein anderes faszinierendes und bewundernswertes Merkmal des modernen Calisthenics-Trainings ist, dass die meisten Menschen, die diese Art von Training betreiben, kein Fitnessstudio besuchen, keine teure Ausrüstung verwenden und keine Trainer oder Betreuer haben, die ihnen sagen, was sie tun sollen. Sie trainieren prinzipiell im Park oder im Keller, an Klimmzugstangen und an Dipbarren, die sie teilweise selbst gebaut haben, und trotzdem sind sie stärker als die meisten aufgepumpten Muskelmänner, die sich in herkömmlichen Fitnessstudios tummeln. Infolgedessen ist es nicht verwunderlich, dass Calisthenics in der Subkultur des Parkours und Free Running eine große Rolle spielt. Diese Sportler sind nicht nur stark, sondern beweisen auch viel Mut, wenn sie mit Eleganz und Körperbeherrschung über, unter und durch Hindernisse hindurch rennen, springen, klettern oder sich an Mauern hochdrücken bzw. hochziehen. Fast alle diese Athleten sind zugleich auch sehr bewandert in Calisthenics und Körpergewichtsübungen, was dieses Buch auch ideal für alle jene macht, die gerade mit dem Parkours oder Free Running begonnen haben. Erst in den letzten Jahren entstanden sogenannte Specialist Workout Competitions, Wettkämpfe und Turniere, in denen sehr starke Männer und Frauen auf öffentlichen Trainingsplätzen gegeneinander antreten. Mit der hier gezeigten Kraft und Gewandtheit würden viele der Teilnehmer auch bei einer internationalen Turnmeisterschaft eine gute Figur machen.

Schließlich wird Calisthenics auch in anderen Sportarten als Krafttraining verwendet, weil man damit eine Grundlage bilden kann, die sich mit anderen Formen des Workouts nicht erreichen lässt. Auch viele andere Athleten wie olympische Gewichtheber beginnen mit einigen kalisthenischen Übungen, um zunächst eine Kraftbasis zu schaffen, bevor sie sich spezialisieren und zu ihren eigentlichen sportartspezifischen Übungen übergehen. Dabei kommen einem vor allem Athleten wie Lu Xiaojun in den Sinn, Weltmeister und Olympiasieger im Gewichtheben in der Gewichtsklasse bis 77 Kilogramm. Dieser Mann kann 176 Kilogramm reißen bzw. 204 Kilogramm umsetzen und stoßen. Körpergewichtsübungen sind für ihn ein fester Bestandteil des Trainings. Es gibt viele Videos und Fotos, die ihn dabei zeigen, wie er Handstand-Liegestütze, Human Flags, Dips mit Zusatzgewicht sowie andere Bewegungen macht, die auch in einem Street-Workout nicht fehl am Platz wären.

Die Vorteile von Calisthenics

Da wir nun wissen, was Calisthenics ist, wollen wir uns genauer ansehen, welche Vorteile diese Trainingsmethode bietet.

Für jeden geeignet

Erstens ist jeder von uns auf die eine oder andere Weise bereits mit Körpergewichtsübungen vertraut, weil man seit seiner Geburt sein Körpergewicht durch den Raum bewegt. Darüber hinaus ist der Widerstand aufgrund des individuellen Körpergewichts perfekt an die eigene Person angepasst. Ich habe schon oft festgestellt, dass viele Leute, die sportlich aktiv werden, mit Calisthenics besser zurechtkommen als mit Hanteltraining. Das ist wichtig, denn schnelle Erfolge stärken das Selbstvertrauen und die Motivation. Ich kann Ihnen nicht sagen, wie oft ich schon Klienten damit konfrontiert habe, dass wir auch Liegestütze trainieren werden, und prompt zu hören bekam, dass sie keine einzige Wiederholung schaffen. Fünf Minuten später, nach der ausführlichen Erklärung einer vereinfachten Version, fingen sie an zu strahlen, weil sie erkannten, dass sie durchaus in der Lage waren, Calisthenics zu praktizieren, und sei es nur auf einem Anfängerniveau.

Eine sichere Trainingsform

Zweitens schafft man es im Vergleich zu vielen anderen Trainingsformen nicht leicht, sich bei Calisthenics zu verletzen, und zwar aus dem einfachen Grund, weil man lediglich die Hebelwirkung oder den Bewegungsumfang verändert, um den Widerstand zu erhöhen. Im Hanteltraining ist das nicht der Fall, und so können dort selbst vollkommene Anfänger bereits extrem schwere Gewichte stemmen und sich dadurch verletzen bzw. das Verletzungsrisiko erhöhen. Außerdem lassen sich viele der schwierigeren Calisthenics-Übungen erst gar nicht umsetzen, wenn man nicht über Monate und Jahre hinweg beharrlich darauf hingearbeitet hat. Im Vergleich dazu kann – wie gesagt – jeder Anfänger eine Langhantel mit 100-Kilogramm-Scheiben beladen und den potenziell ungesunden Versuch unternehmen, damit eine Kniebeuge zu machen.

Stufenweise steigerbares Schwierigkeitsniveau

Drittens kann das Schwierigkeitsniveau jeder Calisthenics-Übung gesteigert werden, indem man die Hebelwirkung verändert, die während einer Bewegung zum Tragen kommt. Am Anfang ist dieses Konzept vielleicht ein bisschen schwer verständlich. Für so ziemlich alle anderen Trainingsformen gilt: Will man den Widerstand erhöhen, packt man schlichtweg mehr Gewicht auf die Hantel oder benutzt an der Kraftmaschine ein schwereres Gewicht. Aber bei Calisthenics können wir nicht einfach mehr Körpergewicht hinzufügen. Um den Widerstand zu erhöhen, müssen wir es stattdessen den Muskeln schwerer machen, Kraft auszuüben.

Stellen Sie sich vor, Sie halten eine schwere Kurzhantel oder ein vergleichbares Objekt in der Hand des seitlich am Körper herabhängenden Arms. Das Gewicht befindet sich direkt unter der Schultermuskulatur, wodurch es sehr leicht wird, diese Position zu halten. Stellen Sie sich jetzt vor, Sie heben die Hantel mit gestrecktem Arm langsam ein Stück zur Seite. Diese Position lässt sich schon deutlich schwerer halten, und am schwierigsten wäre es, den gestreckten Arm seitlich nach oben zu führen und das Gewicht auf Schulterhöhe zu bringen. In dieser Position ist die Fähigkeit der Schultermuskeln eingeschränkt, Kraft auf den Arm zu übertragen, was dazu führt, dass insgesamt mehr Kraft aufgewendet werden muss, um ein Gewicht in dieser horizontalen Stellung zu halten. So wird der Muskel mit der Zeit stärker, obwohl sich das tatsächliche Gewicht nicht verändert hat.

Dieses Konzept der Manipulation von Hebelwirkungen wird in diesem Buch sehr ausführlich genutzt, vor allem bei den anspruchsvolleren Bewegungen. Sie werden bemerken, dass Übungen wie Front Lever, Back Lever, Pseudo-Planche-Liegestütz und viele andere Bewegungen auf dieser Methode der veränderten Hebelwirkung beruhen, um das Schwierigkeitsniveau zu erhöhen.

Übertragbare Kraft

Viertens lässt sich die Kraft, die mit Calisthenics aufgebaut wird, auf zahlreiche Sportarten und Aktivitäten übertragen. Es gibt viele Theorien, die versuchen, dieses Phänomen zu erklären, und vermutlich stimmen sie alle auf die eine oder andere Weise. Meine persönliche Meinung ist, dass fast alle Calisthenics-Übungen, vor allem die schwierigeren, den Körper dazu zwingen, als Einheit zu arbeiten. Nehmen wir zum Beispiel den Planche: Bei dieser Übung müssen alle Muskeln im Körper im Einklang agieren und vollkommen angespannt sein, damit die Bewegung überhaupt ausgeführt werden kann. Das ist vor allem hilfreich, weil Übungen mit Zusatzgewicht oder Hanteln für manche Leute ungeeignet sind, vor allem für junge und untrainierte Personen. Calisthenics ermöglicht es wirklich jedem Trainierenden, ein solides Kraftfundament zu errichten, auf dem man weiter aufbauen kann.

Entwicklung von einzigartiger Kraft

Schließlich kommen bei Calisthenics auch zahlreiche isometrische Übungen zum Einsatz. Das sind Bewegungen, bei denen die Muskeln unter Spannung gehalten werden, ohne dass sie sich verlängern oder verkürzen. Gegen eine verschlossene Tür oder Wand zu drücken, wäre ein alltägliches Beispiel für eine isometrische Kontraktion. Bei einer konzentrischen Kontraktion dagegen verkürzen sich die Muskeln unter Spannung, bei einer exzentrischen Kontraktion verlängern sie sich.

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Isometrische Übungen unterscheiden sich von anderen Bewegungen auch dahingehend, dass keine Wiederholungen gezählt werden, sondern die Körperposition über eine bestimmte Dauer aufrechterhalten wird. Es ist nicht möglich, isometrische kalisthenische Übungen etwa mit Hanteln nachzuahmen – daher ist die Art von Kraft, die mit diesen statischen Positionen erzielt werden kann, einzigartig. Das liegt daran, dass der Körper bei allen isometrischen Übungen alle Muskeln gleichzeitig maximal anspannen muss. Mehr Muskeln sind also beteiligt, und das bedeutet wiederum, dass mehr Kraft aufgebaut werden kann. Ein gutes Beispiel hierfür ist der Half Lever.

Die Nachteile von Calisthenics

Obwohl Calisthenics viele Vorteile hat, gibt es auch einige Nachteile, die nicht unerwähnt bleiben sollten.

Einzigartige Aspekte

Da Calisthenics eine einzigartige Bewegungs- und Trainingsform ist, hat sie ihre besonderen Vorzüge und Merkmale, auf die ich nachfolgend näher eingehen möchte. Es geht dabei speziell um die Art und Weise, wie die Muskeln im Körper genutzt werden, und welche Ausrüstung eine Rolle spielt – oder auch nicht. Dabei zeigt sich, dass man mit Calisthenics Kraft und Körperkoordination entwickeln kann, die sich mit anderen Methoden nicht erzielen lässt.

Handkraft

Der erste einzigartige Aspekt von ist, dass die Hände an fast jeder Bewegung beteiligt sind, die wir betrachten. Bei allen Zug-, Druck- und Core-Übungen benutzen wir die Hände in starkem Maß, und weil in Calisthenics Körperkontrolle und Ganzkörperkraft eine bedeutende Rolle spielen, kommen bei uns keine Hilfsmittel wie Zughilfen und Griffhaken zum Einsatz. In dieser Hinsicht unterscheidet sich Calisthenics von Bodybuilding und anderen Formen des Krafttrainings, bei denen sich die Sportler mit Riemen an die Klimmzugstange hängen und für das Kreuzheben Griffhaken verwenden, um die Hantelstange zu halten. Sie haben diese Hilfsmittel sicher schon im Fitnessstudio gesehen. Für Bodybuilder gehört die Verwendung von Griffhaken und Zughilfen zum Sport; sie versuchen, bestimmte Muskeln zu trainieren, und wollen nicht, dass die Hände und Unterarme ermüden, bevor sich die Zielmuskeln erschöpfen. Wir Calisthenics-Sportler brauchen jedoch möglichst starke Hände und Unterarme, damit auch die Griffkraft so stark wie möglich wird. Wenn man genauer darüber nachdenkt, macht das auch Sinn. Sie könnten den kräftigsten Rücken der Welt haben, aber wenn die Hände und Unterarme nicht stark genug sind, um diese Kraft zu übertragen, dann nützt Ihnen Ihr starker Rücken gar nichts. Ich bin von der Wichtigkeit der Handkraft so überzeugt, dass ich zu diesem Thema ein eigenes Buch mit dem Titel Grip geschrieben habe.

In Calisthenics benutzt man die Hände für viele Dinge: um sich am Boden abzustützen und das Körpergewicht zu balancieren, um sich an einer Klimmzugstange festzuhalten oder um sich ohne Schwung allein durch Muskelkraft von einer Position zur nächsten zu bewegen. Für all diese Dinge braucht man Hand- und Fingerkraft. Einige der schwierigeren Körpergewichtsübungen kann man ohne ausreichende Griffkraft gar nicht meistern. Es gibt natürlich spezielle Techniken, deren man sich bedienen kann, um ganz gezielt all jene Muskeln zu trainieren, die beim Greifen verwendet werden. Doch schon mit den Standardübungen, die in Teil IV (ab Seite 72) vorgestellt werden, lässt sich einiges an Hand- und Fingerkraft aufbauen.

Core

Der Core ist eine Körperpartie, die in den letzten Jahren mit vielen ausgefallenen Übungen und Hilfsmitteln traktiert wurde, und ich denke, wir können guten Gewissens sagen, dass der Großteil davon eine absolute Zeit-, Energie- und Geldverschwendung ist. Im Gegensatz zur landläufigen Meinung oder dem, was die Medien Ihnen erzählen, entwickelt man keinen starken Core, indem man Tausende von Sit-ups oder Crunches macht. Auch wird deren Ausführung kein Bauchfett zum Schmelzen bringen. Die Core-Muskulatur unterscheidet sich nicht von anderen Muskelarten. Jedenfalls nicht im Hinblick darauf, was nötig ist, um sie stärker werden zu lassen. In beiden Fällen müssen die Muskeln gegen einen Widerstand kontrahieren, um stärker zu werden, und damit ein Kraftzuwachs stattfinden kann, muss der Widerstand mit der Zeit zunehmen. Es ist also nicht die Wiederholungszahl, die zunehmen muss, sondern der Widerstand. Ganz gleich, wie viele Sit-ups Sie auch machen, Ihr Core wird nur stärker, wenn Sie den Widerstand erhöhen.

Traditionelle Trainingsformen betrachten den Core meist unter ästhetischen Gesichtspunkten. Man arbeitet an seinen Bauchmuskeln, hält strikte Diät, und ausnahmslos jeder will einen Waschbrettbauch. In Calisthenics jedoch spielt der Core eine entscheidende Rolle. Bei vielen Bewegungen, die man als kalisthenisch bezeichnen kann, muss der Core bombenfest bleiben. Eine Übung wie der Front Lever ist zwar in starkem Maß von der Zugkraft des Oberkörpers abhängig, aber der Core muss dabei den ganzen Körper gerade halten und das Gewicht der Beine tragen. Das heißt, dass ein mit kalisthenischen Übungen aufgebauter Core vermutlich zu den stärksten zählt, denen Sie jemals begegnen werden.

Weil wir den Widerstand erhöhen müssen, um unsere Kraft zu steigern, bedeutet das, dass wir einige der traditionelleren Core-Übungen vergessen können. Was nun aber nicht bedeutet, dass dieses Buch nicht auch einige leichtere Core-Übungen enthält. Diese reichen aber nicht aus, um die Kraft aufzubauen, die nötig ist, wenn wir uns auf ein ordentliches Niveau steigern wollen.

Die fortgeschritteneren Core-Übungen, von denen Sie viele vielleicht noch gar nicht kennen – beispielsweise den Half Lever –, sind in Turnerkreisen durchaus geläufig. Man kann mit ihnen eine gewaltige Core-Kraft aufbauen, die viele andere Core-Übungen wie einen Sonntagsspaziergang aussehen lassen. Sobald Sie einige dieser schwierigeren Bewegungen schaffen, werden Sie mit Recht behaupten können, zu jenen Menschen zu gehören, die die stärksten Core-Muskeln weltweit besitzen.

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Schulter

Von allen Körperbereichen, die bei kalisthenischen Bewegungen gefordert werden, besonders den anspruchsvolleren, sind die Schultern vielleicht die wichtigsten. Während viele eifrige Sportler ihren Schwerpunkt auf eine große Brust und ein breites Kreuz legen, ist der wahre Schlüssel für Oberkörperkraft die Fähigkeit, die Schulter zu stabilisieren und zu kontrollieren.

Das Schulterblatt ist mit dem Schlüsselbein verbunden und stellt einen knöchernen Anker dar, der den Arm mit dem Brustkorb verbindet. Es ist zugleich auch ein knöcherner Anker für viele wichtige Muskeln (zum Beispiel Vorderer Sägemuskel, alle drei Anteile des Trapezius und Rautenmuskel), die weitgehend für die Stabilität der oberen Extremitäten zuständig sind.

Wenn die Muskeln, die das Schulterblatt stabilisieren, durch korrekte Konditionsarbeit gut entwickelt sind, kann die Kraft, die durch die oberen Extremitäten erzeugt wird, viel effizienter in eine optimale Bewegung übertragen werden.

Es gibt sechs Hauptbewegungen, die man mit den Schultern ausführen kann: Elevation/Depression, Aufwärts-/Abwärtsrotation und Protraktion/Retraktion. Bei der Elevation zieht man die Schultern zu den Ohren. Bei der Depression senkt man die Schultern ab. Bei der Aufwärtsrotation hebt man den Arm über den Kopf, sodass die Gelenkpfanne nach oben zeigt, während man bei der Abwärtsrotation den Arm von der Position über Kopf wieder senkt. Retraktion erfolgt, wenn man beim Heben der Brust die Schultern zum Körper heran und nach hinten zieht, und Protraktion tritt ein, wenn man die Arme nach vorne streckt und die Schulterblätter auseinanderzieht.

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Das Schulterblatt ist außerdem ein wichtiger Ansatzpunkt für die Muskeln des Glenohumeralgelenks (Schultergelenks). Dazu zählen sowohl der Deltamuskel als auch die Muskeln der Rotatorenmanschette. Das Glenohumeralgelenk ist ein Kugelgelenk, das man sich wie einen Golfball vorstellen kann, der auf einem Tee sitzt. Die Muskeln der Rotatorenmanschette umgeben dieses Kugelgelenk und sind daher enorm wichtig für dessen Stabilität, die über einen großen Bewegungsumfang gewährleistet sein muss.

Diese vier Muskeln entspringen dem Schulterblatt und setzen am Humeruskopf an, sodass sie am Schultergelenk eine Manschette bilden. Gemeinsam mit dem langen Bizepskopf sind diese Muskeln hauptsächlich dafür verantwortlich, den Humeruskopf in der relativ kleinen und flachen Gelenkpfanne des Schulterblatts zu halten.

Die Muskeln der Rotatorenmanschette stabilisieren nicht nur das Glenohumeralgelenk und kontrollieren die Bewegung des Humeruskopfes, sie spielen auch eine wichtige Rolle bei der Schulterrotation. Der Musculus (M.) infraspinatus und der M. teres minor rotieren die Schulter nach außen und neigen dazu, den Humeruskopf in der Gelenkpfanne nach vorne zu verschieben. Dieser Aktion wirkt der M. subscapularis entgegen, der den Humeruskopf in der Gelenkpfanne einwärts rotiert und nach hinten verschiebt. Diese Muskeln arbeiten synergistisch und sind wichtig, um bei Schulterbewegungen eine optimale Rotation des Glenohumeralgelenks zu gewährleisten. Eine Schulterabduktion wird durch den M. supraspinatus eingeleitet. Dieser schiebt den Humeruskopf nach unten, damit dieser unter dem Schulterdach (Acromion) rotieren kann. Weil jedoch der Deltamuskel ein größerer und stärkerer Muskel ist, wird er oft dominant und bewegt den Humeruskopf aufwärts, wobei sich die Sehne des Supraspinatus unter dem Acromion einklemmt. Das ist eine typische Ursache für ein Impingement der Rotatorenmanschette und verursacht normalerweise Schmerzen, wenn man die Arme über den Kopf hebt oder gängige kalisthenische Übungen absolviert.

Genau das aber ist ein zentraler Aspekt für Ihren Erfolg bei der Ausführung vieler der schwierigsten kalisthenischen Bewegungen: Sie müssen in der Lage sein, sowohl das Schulterblatt als auch das Glenohumeralgelenk optimal zu kontrollieren, damit die größeren Muskelgruppen wie die Brustmuskeln, der Latissimus und der Deltamuskel ihre vorgesehenen Bewegungsmuster realisieren können. Das gilt vor allem für Klimmzüge, Planches, Front Levers, einarmige Klimmzüge und viele andere Übungen, bei denen eine extrem hohe Kraft gefordert ist. Im Abschnitt über Mobilität und Beweglichkeit (ab Seite 42) werde ich zahlreiche Übungen beschreiben, mit denen Sie Ihre Schultern gesund halten können und die Sie immer machen sollten, egal wie stark Sie sind.

Dieser Text wurde freundlicherweise von Evan Osar zur Verfügung gestellt, Autor von Corrective Exercise Solutions to Common Hip and Shoulder Dysfunction (2013).

Die Kraft des geraden Arms

In Calisthenics und auch bei vielen Turndisziplinen spielt das Phänomen der Kraft des geraden Arms eine große Rolle. Selbst wenn Sie das dahinterstehende Konzept noch nicht kennen, werden Sie es zweifelsohne schon in Aktion gesehen haben. Turner benutzen diese Kraft, wenn sie Bewegungen an den Ringen ausführen, zum Beispiel den Kreuzhang, oder wenn sie in die Stützwaage gehen.

Die Kraft des geraden Arms ist genau das, wonach sie klingt: Kraft, die mit gestrecktem Ellbogen ausgeübt wird. Das belastet den Arm und sein Bindegewebe enorm, einschließlich des Bizeps und der Bizepssehne, ebenso wie die Hände und Handgelenke. Bewegungen wie der Planche, den wir uns später noch genauer ansehen werden, nutzen diese Kraft, weil die Übung sonst nur sehr schwer oder gar nicht realisierbar wäre. Diese Kraftleistung ist also der Grund, warum viele Turner und Sportler, die nur mit dem eigenen Körpergewicht trainieren, einen sehr dicken Bizeps haben, obwohl sie keine traditionellen Bizeps-Curls machen. Die Spannung des verlängerten Muskels bewirkt einen beachtlichen Zuwachs an Größe und Kraft und sorgt dafür, dass einige der anspruchvolleren kalisthenischen Übungen überhaupt erst möglich werden.

Wenn man bei Zugbewegungen den Arm gerade hält, hat das außerdem den positiven Nebeneffekt, dass der Rücken extrem stark wird. Weil der Arm gerade bleibt, müssen die Rückenmuskeln außerordentlich hart arbeiten, um beispielsweise Kraft auf die Klimmzugstange zu übertragen. Das bewirkt natürlich einen Kraftzuwachs, der sich mit keiner anderen Methode erreichen lässt. Und das ist auch der Grund, weshalb Turner und Calisthenics-Sportler eine unglaublich ausgeprägte Rückenmuskulatur haben. In diesem Buch gibt es eine ganze Reihe von Übungen, bei denen man diese Form von Kraft aufwenden muss. Planche, Front Lever, Back Lever und Human Flag sind nur einige Bewegungen, bei denen Sie dies zu spüren bekommen werden.

Training des Nervensystems

Ein anderer einzigartiger Aspekt von Calisthenics, den man vor allem bei sehr intensiven Workouts merkt, ist, dass auch das Nervensystem trainiert wird. Das lässt sich nicht gut erklären, man muss es spüren. Es ist ein Erlebnis, das sich dann einstellt, wenn der Körper so gefordert und beansprucht wird, dass man fühlt, dass in diesem Moment mehr als nur die Muskeln trainiert werden. Diese Facette von Calisthenics erlebt man am intensivsten, wenn man mit Bewegungen arbeitet, die viele Muskelgruppen gleichzeitig beanspruchen oder bei denen man über einen langen Zeitraum eine Menge Muskelspannung halten muss. Beispiele dafür sind Planche, Front Lever, Back Lever und Half Lever sowie sehr schwierige Bewegungen wie der einarmige Klimmzug. Sie werden feststellen, dass Sie nicht einfach beliebig viele Wiederholungen dieser Übungen machen können, weil der Körper schnell erschöpft und müde wird. Das ist völlig normal und einfach ein Zeichen dafür, dass die Übung ihre Wirkung zeigt.

Das sieht man auch im Strongman-Training, im Kraftdreikampf und im Gewichtheben. Stellen Sie sich vor, Sie machen einen Maximalversuch Kreuzheben. Bei einer solchen Übung muss man so viel Kraft produzieren, dass man sie einfach nicht beliebig oft machen kann. Sie sind vielleicht zu ein paar Wiederholungen in der Lage, aber schon bald wird Ihr Körper völlig erschöpft sein. Genau dasselbe passiert bei den anspruchsvollen kalisthenischen Bewegungen, allerdings ausschließlich unter Verwendung des eigenen Körpergewichts.

Zubehör

Das Schöne an einer Trainingsmethode wie Calisthenics ist, dass man fast kein Zubehör braucht. Meist findet man alles, was man für ein sehr effektives Workout benötigt, auf jedem Spielplatz oder in einem Fitnesspark: So lange sie geeignet erscheinen, können Sie vertikale Stangen, Klettergerüste und viele weitere Hilfsmittel als Klimmzugstangen, Dipbarren usw. benutzen. In einigen Ländern gibt es sogar spezielle Trainingsareale für Erwachsene mit Metallstangen, die unterschiedlich hoch und dick sind. Diese Parks sind jedoch noch sehr selten.