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Nr. 31

 

Komet der Geheimnisse

 

 

 

 

Pabel-Moewig Verlag KG, Rastatt

Prolog

 

 

1219. positronische Notierung, eingespeist im Rafferkodeschlüssel der wahren Imperatoren. Die vor dem Zugriff Unbefugter schützende Hochenergie-Explosivlöschung ist aktiviert. Fartuloon, Pflegevater und Vertrauter des rechtmäßigen Gos’athor des Tai Ark’Tussan. Notiert am 6. Prago der Hara, im Jahre 10.499 da Ark.

Bericht des Wissenden. Es wird kundgegeben: Nach dem Ende der Abenteuer im Mikrokosmos der Varganen und der Ausschaltung Wamloyts, von den eingeborenen Herroffs als Herr des Großen Donners umschrieben, konnte die Lage auf der Versunkenen Welt Gandorakor durchaus als bereinigt beschrieben werden. Wir leben – leider stellt sich nun die Frage, wie wir nach Kraumon zurückkehren sollen. Ein Raumschiff steht uns nicht zur Verfügung, und in Wamloyts Stützpunkt gibt es zwar eine Funkstation, aber der Haupthypersender wurde vor langer Zeit von dem Varganen zerstört, sodass nur noch der Empfänger und ein leistungsschwacher Notsender mit geringer Reichweite zur Verfügung stehen.

Ischtars Befragung der Stationspositronik hinsichtlich Transmitter verlief ebenfalls ergebnislos; die vorhandenen Kleingeräte haben nur planetare Reichweite. Hinzu kommt als weiteres Problem, dass sich nirgends Angaben zur galaktischen Position dieser Welt finden lassen. Somit hatten wir nur noch eine Möglichkeit, aber sie ist alles andere als ideal: Wir justierten den schwachen Notsender auf die Notrufwelle der arkonidischen Flotte. Sollte jemand reagieren, würde er in einem Kriegsschiff kommen, das war klar. Man wird uns zwar retten, aber wir müssen uns auch auf peinliche Fragen einstellen – und diese werden zweifellos aus dem Mund eines Angehörigen der Tu-Gol-Cel kommen, der Politischen Geheimpolizei des Imperators. Es ist nicht einmal sicher, dass Ischtar und Crysalgira nichts zu befürchten haben.

Und dann war der Zeitpunkt, den wir ebenso ersehnt wie gefürchtet haben, da. Drei Kugelraumer von achthundert Metern Durchmesser materialisierten dicht vor der Bahn des äußersten Planeten. Ich hatte den Herroffs die strikte Anweisung gegeben, für die nächsten Tontas aus dem Tal zu verschwinden – sie wurde widerspruchslos befolgt. Wir suchten unsere Sachen zusammen und legten im Stützpunkt bis zum Eintreffen der Schlachtschiffe methodisch sämtliche Anlagen still, damit die ankommenden Arkoniden keine Möglichkeiten hatten, das Vorhandensein der Station anzumessen. Wir hatten beschlossen, eine bestimmte Rolle zu spielen, und mehrere Varianten von Tarngeschichten besprochen; die Varganenstation passte da nicht in dieses Bild.

Mit einer Antigravplattform, die so hergerichtet war, dass sie bei flüchtigem Hinsehen als arkonidisches Erzeugnis durchgehen musste, flogen wir ins Tal zurück und schalteten einen ebenfalls frisierten elektromagnetischen Peilsender ein, um den Schiffen unser Auffinden zu erleichtern. Um kein Aufsehen zu erregen, verzichteten wir schweren Herzens sogar auf unsere varganische Ausrüstung. Es dauerte nicht lange, bis sich die mächtigen Silhouetten der drei Schiffe am Himmel abzeichneten. Sie landeten nicht, sondern schwebten weiterhin hoch über dem Tal. Stattdessen wurden zwei Beiboote ausgeschleust, die wenig später auf einer freien Fläche am Rand der Siedlung niedergingen. Schon als das Beiboot im Hangar des Schlachtschiffs landete und wir ausstiegen, beschlich mich ein merkwürdiges Gefühl. Zwei Orbtonen im Hangar überwachten die Mannschaft, die sich unserer annahm. Sie brüllten barsch ihre Befehle und waren bewaffnet, die Mannschaften nicht. Ihr Ton den Soldaten gegenüber sagte mir nicht zu, und ganz sicherlich passte er auch den Soldaten nicht. Ihre verbissenen Gesichter sprachen Bände.

Während uns als vorläufige Unterkunft Räume in der Krankenstation zugewiesen wurden – die bevorstehende Untersuchung entsprach den Standardvorschriften der Flotte –, starteten die Raumer durch. Alles Weitere wird sich zeigen.

 

An Bord der ZENTARRAIN: 6. Prago der Hara 10.499 da Ark

Selbst durch die Konturpolster der Betten in der Krankenstation hindurch konnte ich das leichte Vibrieren des Antriebs spüren; nach wie vor rasten die Schlachtschiffe dem ersten Transitionspunkt entgegen. Ich blieb ruhig liegen und hielt die Augen geschlossen. Ich vernahm Atemgeräusche von Fartuloon, Corpkor und Eiskralle, die ebenfalls im Zimmer waren. Wir befanden uns in relativer Sicherheit. Allerdings wirklich nur in sehr relativer. Ich öffnete vorsichtig die Augen, als ich leise Schritte hörte. Fartuloon war aufgestanden und näherte sich meinem Bett. Mein väterlicher Freund und ehemaliger Leibarzt meines ermordeten Vaters atmete erleichtert auf, als er sah, dass ich wach war.

»Du schläfst wie ein Burrella, das seit zwei Votanii keine Wohnhöhle gefunden hat«, sagte er und setzte sich auf den Rand meines Lagers. »Wir sind in einem Schiff des Großen Imperiums. Was willst du mehr, mein Sohn?«

Ich bemerkte das kurze Zwinkern und verstand. Fartuloon rechnete wie ich mit einer Abhöranlage. Das Gespräch musste äußerst behutsam geführt werden. »Du hast recht, wir sind wieder bei unserem Volk und können nun erneut unserem erhabenen Imperator dienen. Ein Glück, dass wir den Hilferuf aussenden konnten. Ich hoffe, der Kommandant dieses Schiffes wird für seine Aufmerksamkeit vom Herrscher belohnt.«

»Ich kann es kaum erwarten, ihn wiederzusehen«, sagte Fartuloon. Ich wusste im Augenblick selbst nicht, wen er meinte: Orbanaschol oder den Kommandanten des Kugelraumers, der uns aufgenommen hatte. »Wie geht es dir? Hast du Beschwerden?«

»Keineswegs, mir geht es gut. Ich war nur müde. Was ist mit den anderen?«

»Schlafen. Die beiden Frauen und das Baby sind nebenan. Die Tür ist unverschlossen.«

Ischtar und mein kleiner Sohn Chapat waren also wohlauf, ebenso Crysalgira, die arkonidische Prinzessin aus dem Quertamagin-Khasurn. Kaum ließ die Nervenanspannung nach, da verspürte ich auch schon Appetit. Wir hatten seit Tontas nichts mehr gegessen. »Ob man uns verhungern lassen will?«

Fartuloon strich sich über seinen beachtlichen Bauch. »Meine Reserven reichen noch eine Weile, aber ich werde mich trotzdem darum kümmern.« Wieder zwinkerte er mir zu. »Und keine Sorge, Parendon, ich habe die ganze Geschichte nicht vergessen …«

Damit konnte kein nicht eingeweihter Zuhörer etwas anfangen. Als wir den Notruf abgesetzt hatten, mussten wir damit rechnen, dass uns ein Schiff der arkonidischen Flotte aufnahm. Ein Schiff also, das unter dem Oberbefehl des Imperators stand, der der Mörder meines Vaters war. Wenn ich erkannt wurde, schwebte ich in Lebensgefahr, denn ich war der rechtmäßige Thronfolger. Während wir auf das Eintreffen eines Schiffes warteten, blieb uns genügend Zeit, uns eine glaubhafte Geschichte samt Varianten auszudenken, denn ohne Zweifel würden wir einem strengen Verhör unterzogen werden. Niemand durfte erfahren, wer wir in Wirklichkeit waren.

»Ich auch nicht, Turoon, keiner von uns. Soll ich mich um die Frauen und das Baby kümmern, oder machst du das?«

»Ich sehe nach ihnen«, versprach er und stand auf. »Du kannst noch ruhen.«

Mit »ruhen« meinte er natürlich nachdenken. Und dazu bestand genügend Anlass. Die Abenteuer im Mikrokosmos lagen hinter uns, mit der Rückkehr in den Makrokosmos befanden wir uns auch wieder im vertrauten Standarduniversum – und das bedeutete Kampf. Ich musste dafür sorgen, dass der grausame Diktator Orbanaschol von der Bildfläche verschwand. Und jetzt waren wir in einem seiner Schiffe am Rand des Imperiums. Solange niemand wusste, wer wir waren, drohte uns keine Gefahr, aber wenn unsere wahre Identität herauskam, waren wir erledigt. Im Nebenraum befand sich die Varganin, die ich liebte und die mir meinen Sohn Chapat geboren hatte, dessen begrenzte telepathische Fähigkeiten es ihm erlaubten, mit seiner Mutter und mir Kontakt aufzunehmen. Jetzt schlief er. Ich »sah« seine unruhigen Träume und wäre froh gewesen, hätte Ischtar ihn geweckt. Trotz seines Babyalters war er ungemein intelligent und einer vernünftigen Diskussion fähig. Sobald er wach wurde, konnte ich also auch mit Ischtar in eine lautlose Verbindung treten.

Der Kommandant des Schiffes musste getäuscht werden. Es durfte keine Widersprüche geben.

Plötzlich wurde die Tür geöffnet. Zwei Arkoniden mit den Gosner’alor-Abzeichen der Yoner-Madrul-Bauchaufschneider – einem Kreuz aus schwarzen Balken mit offenem Zentrum, umgeben von einem vierfach, jeweils an den Kreuzbalken unterbrochenen Kreisring auf goldenem Hintergrund – betraten den Raum. Sie blieben bei der Tür stehen und betrachteten uns, obwohl sie uns vorher schon gesehen hatten. Ich kannte sie wieder. Sie waren es gewesen, die uns bei der Einlieferung bereits oberflächlich untersucht hatten.

»Es scheint Ihnen ganz gut zu gehen«, sagte der eine von ihnen, den ich für mich »den Dicken« nannte. Er schien der Vorgesetzte des »Dünnen« zu sein. »Eine Spezialuntersuchung erscheint mir überflüssig. Ich denke, der Kommandant wird Sie auch so verhören können.«

»Verhören?« Ich richtete mich auf und stützte mich auf die Ellbogen. »Wieso ein Verhör? Was haben wir verbrochen?«

Der Dicke lächelte breit. »Habe ich Verhör gesagt? Es soll natürlich kein Verhör sein, aber schließlich wollen wir wissen, wie Sie auf diesen Planeten gekommen sind. Sagen wir also: Sie sind fit für eine angeregte Unterhaltung. Einverstanden?«

Ich nickte. »Warum nicht? Wie geht es den Frauen?«

»Um die kümmern wir uns später. Legen Sie sich hin.« Er entnahm einer mitgebrachten Tasche ein längliches Instrument. Mit seiner Hilfe ließen sich sämtliche Lebensfunktionen ohne jeden Eingriff überprüfen. Er strich damit über meinen Körper und sah auf die Anzeige. »Alles in Ordnung. Sie brauchen sich keine Sorgen mehr zu machen. Sie sind lediglich erschöpft, das war alles.«

Er ging zu Fartuloon, der die Decke zurückschlug und keinen Ton von sich gab. Die Untersuchung bei ihm verlief genauso positiv wie bei mir und dann bei Eiskralle, der als »gläserner« Chretkor natürlich Aufmerksamkeit erregte und eine Abfrage in der Völkerdatenbank erforderlich gemacht hatte. Bei Corpkor allerdings stutzte der Dicke. »Was hat er nur für seltsame Narben?«, fragte er seinen Assistenten. »Hast du jemals solche Narben gesehen?«

Das war eine der Fragen, die ich befürchtet hatte. Corpkor hatte sich die fürchterlichen Eiswunden in der Kälte der Eisigen Sphäre im Mikrokosmos eingehandelt. Die Behandlung durch die Herroffs hatte die Entzündungen abklingen lassen, sodass sich die Wunden schlossen. Doch der Tiermeister würde für den Rest seines Lebens von den Eisnarben gekennzeichnet sein. Das möglicherweise Jahrhunderte oder Jahrtausende dauern wird, meldete sich mein Extrasinn. Vorausgesetzt, er ist durch den Wechsel in den Mikrokosmos und zurück unsterblich geworden. Möglicherweise hat Corpkors Regeneration weniger mit der Behandlung der Eingeborenen zu tun als vielmehr mit seiner neu gewonnenen Robustheit und Langlebigkeit.

Wie schon mehrfach ignorierte ich Bemerkungen zu diesem Thema; es wurde von uns – vorerst jedenfalls – in keiner Weise angesprochen. Abgesehen davon, dass es keine Beweise gab und diese sich womöglich erst in einigen Jahrzehnten mangels Alterung einstellen würden, eignete sich unsere Situation nicht für Nachdenklichkeit und Verarbeitung der Erlebnisse und der mit ihnen unter Umständen verbundenen Konsequenzen. Die möglicherweise unverhofft erlangte Unsterblichkeit war da noch in weitaus stärkerem Maß tabuisiert. Über kurz oder lang würde sie natürlich thematisiert werden, aber bis dahin hielt uns alle eine instinktive Scheu davon ab.

»Noch nie«, sagte der Dünne überzeugt.

Der Dicke fragte Corpkor: »Wo haben Sie das her? Sehen nicht wie Streifschüsse einer Energiewaffe aus. Habe so etwas noch nie behandeln müssen …«

»Keine Sorge, Yoner-Madrul«, sagte Corpkor fast kameradschaftlich. »Sie müssen sie auch nicht behandeln, weil sie sich überhaupt nicht behandeln lassen. Sie sehen wie Narben aus, aber in Wirklichkeit sind sie nur die Folgen einer unbekannten Krankheit, die mich vor einiger Zeit erwischte.«

»Eine Krankheit …?«, dehnte der Dicke und ließ sein Instrument kreisen. »Merkwürdig, keine entsprechenden Impulse oder Reaktionen.«

»Ich sagte ja: unbekannt.«

Der Dicke nickte langsam. »Ansteckend?«

»Nein«, warf ich ein. »Niemand sonst war betroffen.«

Der Dicke gab dem Dünnen einen Wink. »Gehen wir nach nebenan. Der Kommandant hat nicht so viel Zeit.«

Ich nickte. Er will sich vor dem Verhör vergewissern, dass er sich keine ansteckende Krankheit holt, deren es auf unbekannten Planeten mehr als genug gibt.

Als sie die Tür hinter sich schlossen, sagte Eiskralle: »Ich freue mich, dem Kommandanten die Hand geben zu können …«

»Auch ich möchte ihm für unsere Rettung danken. Ich kenne seine Befehle nicht, aber sicherlich wird es ihm nicht möglich sein, uns direkt nach Arkon zu bringen, wo wir dem Imperator über den Erfolg unserer geheimen Mission Bericht erstatten können.« Ich zwinkerte blitzschnell. »Aber vielleicht kann er uns einem anderen Schiff übergeben, das nach Arkon fliegt. Leider können wir ihm nicht die Wahrheit erzählen.«

Genau das stimmte. Corpkor sagte nach einer kurzen Pause: »Ich fühle mich richtig einsam ohne meine Quirrels.«

Corpkor hatte die seltene Gabe, mit Tieren auf unglaubliche Weise umgehen und kommunizieren zu können. Sie folgten seinen Anordnungen. Mitunter hatte ich den Eindruck, dass sie mit ihm in einer quasi telepathischen Verbindung standen. Wenn er wollte, griffen sie jeden an, der von ihm als Gegner bezeichnet wurde. Die Quirrels hatten zu seiner merkwürdigen Tiergarde gezählt.

»Vergiss sie«, riet ich ihm, ohne näher darauf einzugehen.

Die beiden Ärzte kamen aus dem Nebenraum zurück. »Den Frauen geht es gut«, berichteten sie freimütig. »Und dem Kind auch. Wer ist der Vater?«

»Das wissen wir nicht«, log ich. »Wir nahmen die Frauen von einem Handelsplaneten mit, sie schlossen sich uns an. Was blieb ihnen anderes übrig? Jemand muss sie dort abgesetzt haben.«

Der Dicke grinste hämisch. »Wahrscheinlich der Vater.«

Ich nickte betont gleichmütig. »Vielleicht, wir wissen es nicht. Sie hat es uns nie verraten.«

Sie gingen zur Tür. Dort drehte sich der Dicke noch einmal um. »Man wird Sie bald holen.«

Das bevorstehende »Gespräch« mit dem Kommandanten bereitete mir Sorgen. Aber dann sagte ich mir, dass es früher oder später ohnehin erfolgen musste. Besser möglichst bald. Ich stand auf und ging in den Nebenraum. Die Tür war weiterhin unverschlossen. Ischtar lag im Bett und sah mir entgegen. Neben ihr entdeckte ich Chapat, halb unter den Decken vergraben. Er schlief noch. »Es geht mir gut«, sagte sie, ehe ich den Mund aufmachen konnte. »Auch unserem Kind. Hast du schon mit dem Kommandanten gesprochen?«

»Noch nicht, aber mach dir keine Sorgen. Crysalgira schläft auch noch?«

»Sie war müde, sonst geht es ihr gut.«

Ich hielt es für besser, nicht allzu viel Besorgnis zu zeigen, und kehrte in das andere Krankenzimmer zurück. Gerade rechtzeitig, ehe sich die Tür öffnete und ein Offizier eintrat. Hinter ihm standen zwei einfache Dienstgrade auf dem Korridor.

»Einer von euch begleitet mich zum Kommandanten«, sagte der Orbton, der als Einziger bewaffnet war. »He, Sie da!«

Er deutete auf mich. Ich kämmte mir mit den Fingern die Haare und erwiderte: »Gehen wir.«

Er führte mich durch die Gänge bis zu einem Lift, der uns in die obere Region des Kugelraumers brachte. Vor einer Tür machte er halt und drückte auf einen leuchtenden Knopf in der Wand. Die Linsen einer Kamera tasteten uns ab, dann öffnete sich die Tür. Der Offizier schob mich in den dahinter liegenden Raum und meldete: »Einer der Gefangenen, Kommandant.«

Die Tür schloss sich hinter mir. Der Raum war spärlich und zweckmäßig eingerichtet. Hinter einem wuchtigen Tisch saß ein ungewöhnlich großer und schwer gebauter Arkonide mit finsterem Gesichtsausdruck. Er deutete auf einen Stuhl vor dem Tisch und befahl: »Setzen!«

Ich setzte mich und fragte höflich: »Ihr Offizier bezeichnete mich als Gefangenen. Stimmt das?«

Etwas wie Erstaunen huschte über sein Gesicht, dann machte er eine verneinende Geste. »Natürlich nicht – vorerst wenigstens noch nicht. Sie werden sicherlich so freundlich sein, mir einige Fragen zu beantworten – in Ihrem eigenen Interesse. Ich bin Has’athor Wagor de Lerathim. Wer sind Sie?«

Als Einsonnenträger war er ein Admiral Vierter Klasse. Sein Adelsprädikat »de« wies ihn als Edlen Zweiter Klasse aus, dem Mittleren Adel zugehörig, dem die Anrede Zhdopandel zustand.

»Parendon, Edler. Ich führte einen Handelsfrachter und erlitt Schiffbruch. Der größte Teil meiner Mannschaft kam dabei ums Leben. Die beiden Frauen und das Kind waren Passagiere. Das Schiff ist explodiert. Wir sind froh, dass Sie uns gerettet haben.«

Er sah mich durchdringend an, dann schüttelte er den Kopf. »Und was ist mit dem geheimen Auftrag?«

Also sind unsere Gespräche in der Krankenstation abgehört worden, wie wir es vermutet haben. Ich sah ihn scheinbar verblüfft an. »Was wissen Sie davon, Admiral?«

»Das ist doch egal, oder? Also: Was ist damit?«

Mein Gesicht wurde abweisend. »Sollte es wirklich so sein, dass wir einen geheimen Auftrag haben, wissen Sie als Admiral am besten, dass ich nicht darüber sprechen darf. Oder sind Sie bereit, mir etwas über Ihren Auftrag zu erzählen?«

Er nickte. »Natürlich, warum nicht? Mein Verband besteht aus insgesamt siebenundzwanzig Schiffen, die nach Stützpunkten und Sammelstellen der Maahks suchen. Die Mannschaften wurden zum Großteil strafversetzt, die meisten sind Kriminelle und politisch Unzuverlässige. Hier, am Rand des Imperiums, sollen und können sich die Kerle bewähren.« Er sah mich forschend an. »Genügt Ihnen das?«

»Danke, Edler, ich bin im Bilde. Aber das ist für mich kein Grund, über meinen Auftrag zu reden. Sorgen Sie dafür, dass meine Leute und ich so schnell wie möglich nach Arkon gebracht werden. Man wird Sie dafür belobigen, das kann ich garantieren.«

»Wir bleiben im befohlenen Sektor. Sollten wir Einheiten begegnen, die nach Thantur-Lok verlegt werden, übergebe ich Sie dem entsprechenden Kommandierenden.« Er drückte auf einen Knopf am Tisch. »Man wird Sie in Kabinen bringen, damit die Krankenstation wieder frei wird.«

Es war natürlich raffiniert – wenngleich zu erwarten gewesen –, mich von den anderen zu trennen und uns einzeln zu verhören. Der Offizier, der mich in Empfang nahm, gab auf meine Fragen keine Antwort. Wortlos stieß er mich in einen Raum und verschloss die Tür. Ich sah mich um und stellte fest, dass ich in einer Gemeinschaftskabine stand. Die Betten waren ringsum an den Wänden angeordnet und konnten durch Vorhänge abgetrennt werden. Eine zweite Tür führte zu einem Toilettenraum mit Waschgelegenheit. Ich setzte mich an den Tisch und versuchte, Kontakt mit Chapat aufzunehmen, was mir auch sofort gelang. Über ihn konnte ich mich nun mit Ischtar verständigen, ohne dass eine Abhörgefahr bestand. Ich erfuhr, dass Fartuloon gerade abgeholt worden war. Der Kommandant würde ihn verhören und versuchen, Widersprüche zu entdecken. Um eine solche Gefahr zu verringern, hatten wir ausgemacht, dass wir – Fartuloon, Corpkor, Eiskralle und ich – nichts über unsere »Passagiere« wussten und diese so gut wie nichts über uns. Wir hatten sie ein Stück mitnehmen wollen und waren auf dem Planeten notgelandet – mehr wussten sie nicht. Das Schiff war dabei explodiert.

Ich unterbrach den Kontakt zu Chapat, als Fartuloon eintraf. Er warf mir einen zweifelnden Blick zu und zuckte die massigen Schultern. So ganz sicher schien er sich seiner Sache nicht zu sein, aber ich wagte es nicht, Fragen zu stellen. Mit Sicherheit gab es auch hier eine Abhöranlage. Als Nächste trafen Corpkor und Eiskralle ein. Nun wartete ich gespannt auf das Erscheinen von Ischtar und Chapat, aber nichts geschah. Dafür kam der uns bekannte Offizier und forderte mich barsch auf, ihn zum Kommandanten zu begleiten. Mir schwante Unheil – ich konnte Fartuloon nur noch den vereinbarten Wink geben, der das Zeichen für eine zweite ausgedachte Geschichte war, durch die wir die erste im Notfall ersetzen wollten.

Der Admiral fuhr mich wütend an: »Nun aber raus mit der Wahrheit, Parendon, oder wie Sie auch heißen mögen! Eins meiner Schiffe hat den Planeten genauer untersucht. Es wurde keine Spur von einem explodierten Handelsfrachter gefunden. Wie also kamen Sie auf diese verdammte Welt?«

»Piraten!«, erwiderte ich, ohne zu zögern. »Es tut mit leid, Zhdopandel, aber es war mir … peinlich, das einzugestehen. Sie haben mir mein Schiff genommen, entführten uns von der Kolonie Yawwith und setzten uns aus. Das ist alles.«

Über sein düsteres Gesicht huschte ein Lächeln. »Ach ja! Geheimagenten des Imperators lassen sich von gemeinen Piraten entführen …? Ich glaube Ihnen kein Wort, Mann! Mal hören, was die Frauen dazu sagen. Wir haben Zeit, ich werde schon die ganze Wahrheit erfahren.«

Der Orbton brachte mich zurück in die Gemeinschaftskabine. Ich winkte ab, als Fartuloon etwas sagen wollte, und nahm Kontakt zu Chapat auf. Lautlos teilte ich über ihn Ischtar mit: Vorsicht! Die Piratengeschichte ist an der Reihe. Lasst euch nicht beeinflussen. Ihr wart unsere Passagiere, wir alle wurden in der Kolonie Yawwith gefangen genommen und auf dem namenlosen Planeten abgesetzt. Sonst bleibt die Geschichte wie abgemacht.

Chapat konnte nur noch bestätigen und mir mitteilen, dass seine Mutter geholt wurde. Die nächste Tonta verging in quälender Langsamkeit. Ich atmete erleichtert auf, als Ischtar endlich mit Chapat erschien, der ihr übergeben worden war. Sie nickte mir beruhigend zu. Es schien also geklappt zu haben. Nun kam es nur noch auf Crysalgira an. Fartuloon hatte in einem Wandschrank haltbare Lebensmittel entdeckt, von denen wir annahmen, dass sie für uns gedacht waren. Wir stillten unseren Hunger und warteten. Zwei Tontas vergingen, dann wurde die Tür aufgestoßen. Die Prinzessin bekam einen Stoß in den Rücken und taumelte in die Kabine. Hätte Corpkor sie nicht aufgefangen, wäre sie zu Boden gestürzt. Ich sprang auf und eilte zu ihr. »Was ist geschehen?«

Sie schüttelte den Kopf. In ihren Augen standen Tränen der Verzweiflung. »Man hat mich erkannt. Niemand glaubt uns jetzt noch. Es ist meine Schuld …«

»Wer hat dich erkannt?«, fragte ich, und nun war es mir egal, ob unsere Gespräche belauscht wurden oder nicht.

»Einer der Orbtonen – scheint sich sehr für die hochadligen Khasurn zu interessieren.«

»De Lerathim weiß also, dass du die Quertamagin-Prinzessin bist?«

»Ja, ich konnte nicht leugnen. Er war sehr wütend, weil er nun glaubt, wir alle hätten ihn belogen. Ganz sicher ist er seiner Sache noch nicht. Jedenfalls glaube ich, dass er uns wie Gefangene behandeln wird. Es hilft mir nicht, eine Quertamagin zu sein – Mitglieder unseres Khasurn sind schon mehrfach mit solchen der de Lerathim zusammengerasselt, um es höflich zu umschreiben. Eine inzwischen uralte Feindschaft.«

Ich legte mich aufs Bett und dachte nach. Noch war nicht alles verloren, denn niemand kannte meinen oder Fartuloons Namen. Bei den anderen spielte das keine so große Rolle. Ich beschloss, bei der Piratengeschichte und dem geheimnisvollen Auftrag zu bleiben. Noch ehe ich den anderen meinen Entschluss mitteilen konnte, öffnete sich abermals die Tür. Diesmal erschien Wagor de Lerathim höchstpersönlich, von zwei Offizieren begleitet. Ohne jede Einleitung sagte er: »Sie haben sich ab sofort als Gefangene zu betrachten. Die Kabine wird abgeschlossen. Auf dem Korridor stehen zwei Wachtposten. Sie haben den Befehl, Sie bei Fluchtverdacht zu erschießen.«

Ohne eine Reaktion abzuwarten, verschwand er wieder. Wir sahen uns mit gemischten Gefühlen an. Erfreulich war bestenfalls, dass Fartuloon sein Skarg nicht hatte abgeben müssen; offenbar sah man in dem Dagorschwert keine Gefahr. Auf Gandorakor waren wir wenigstens frei gewesen, jetzt aber waren wir Gefangene einer Strafeinheit, für die es nur Tod oder Bewährung gab. Sollte jemand auch nur ahnen, wer ich in Wirklichkeit war, gab es für uns alle keine Rettung mehr. Der Logiksektor flüsterte: Wer Orbanaschol deinen Kopf bringt, hat für den Rest seines Lebens ausgesorgt.

 

Sicherlich hegte der Einsonnenträger noch einige Zweifel – nicht zuletzt mit Blick auf Crysalgira –, denn meine Andeutungen über eine geheime Mission bereiteten ihm vermutlich Kopfschmerzen. Wenn er Agenten des Imperators festnahm, manövrierte er sich selbst in eine schlimme Lage, auf der anderen Seite tat er nur seine Pflicht. Immerhin: Welche Seite war die richtige? Ich beneidete ihn nicht. Wir mussten fortan von der Möglichkeit ausgehen, auf ein anderes Schiff gebracht zu werden, das direkt ins Arkonsystem flog. Dort erwartete mich der sichere Tod. Fartuloon erriet meine Gedanken, kam zu mir und setzte sich. »Was sollen wir tun? Der Admiral hat Verdacht geschöpft.«

Ich zuckte die Achseln. »Wir können überhaupt nichts tun außer abwarten. Vielleicht ändert de Lerathim seine Meinung. Er kann nicht von uns erwarten, dass wir den Befehl des Imperators missachten und von unserem Auftrag berichten.« Ich blinzelte ihm zu. »Sobald der Höchstedle von unserer Zwangslage erfährt, wird er die geeigneten Schritte unternehmen. Nur fürchte ich, dass de Lerathim dann seine Rangabzeichen wie auch seinen Titel loswird. Schade um ihn, er macht einen intelligenten Eindruck …«

Fartuloon unterdrückte nur mit Mühe ein Grinsen. »Ja, er tut mir auch leid. Ein Fehler, der ihm nicht hätte unterlaufen dürfen. Aber es ist eben nicht jeder Offizier der Flotte unfehlbar.«

Das war ein Hieb, von dem ich hoffte, dass er saß. Wir wurden belauscht, daran bestand kein Zweifel, vermutlich sogar über verborgene Kameras beobachtet. Kein Wort, das wir sprachen, entging dem Sicherheitsdienst des Schiffes. Lediglich mit Ischtar konnte ich mich über Chapat verständigen, ohne dass jemand davon erfuhr – aber das nutzte den anderen nicht viel, wenigstens nicht in der jetzigen Situation.

 

Has’athor Wagor de Lerathim hatte ganz andere Sorgen. In gewissem Sinne beunruhigten ihn die merkwürdigen Gefangenen natürlich, aus denen er nicht schlau wurde, aber dann sagte er sich, dass sie ihm kaum Schwierigkeiten bereiten würden. Sobald sein Flottenverband in die Nähe eines arkonidischen Stützpunkts kam, würde er sie dort abliefern. Sollten sich dann andere um sie kümmern. Ihm lag nicht einmal daran, sich wegen der Prinzessin mit dem Quertamagin-Khasurn anzulegen.

Viel besorgniserregender war etwas anderes: Es war ihm nicht entgangen, dass die Unzufriedenheit seiner Mannschaft in den letzten Votanii gestiegen war. Die strafversetzten Männer versahen ihren Dienst nur noch mürrisch und wagten sogar Widerreden, wenn ihnen die Offiziere Befehle gaben. Möglich, dass die Leute auch nur deshalb unzufrieden waren, weil es noch immer keine Feindberührung gegeben hatte. Bewähren konnten sich ja schließlich nur jene, die Gelegenheit zum Kampf erhielten. Nun, bald würden sie Gelegenheit dazu haben. Die Orterzentrale hatte einen kleinen Verband Maahks entdeckt. Es handelte sich um fünf Schlachtschiffe, die mit Sublichtgeschwindigkeit flogen. Allein das bewies, dass sie sich in der Nähe eines Stützpunkts der Methans befanden und sich verhältnismäßig sicher fühlten. Wagor de Lerathim zögerte noch mit dem Angriffsbefehl, obwohl er sich mit seinem Verband dem Gegner überlegen fühlte, aber ihm schien es wichtiger zu sein, den Stützpunkt der Methans auszumachen.

Während er noch überlegte, reifte an anderer Stelle eine folgenschwere Entscheidung heran.

 

Der Funktechniker Kurrentos betrat die Kabine des Bauchaufschneiders Arthamor und schloss die Tür hinter sich. Er wusste, dass es in diesem Raum keine Abhöranlage gab. Der Yoner-Madrul nickte ihm vertraulich zu und deutete auf einen Sessel. »Setz dich. Gibt es Neuigkeiten?«

»Eine ganze Menge. Das mit den Gefangenen weißt du ja von deinen Kollegen. Aber das ist weniger wichtig. Wir haben fünf Schiffe der Maahks geortet. Es ist anzunehmen, dass Lerathim sie angreift. Das wäre ein günstiger Zeitpunkt, unsere Pläne zu verwirklichen.«

Arthamor starrte in eine Ecke des Raumes und schien angestrengt nachzudenken. Dann sah er auf. »Was ist mit Mentares? Bist du sicher, dass er auf unserer Seite ist?«

»Davon bin ich überzeugt. Er ist der einzige Orbton an Bord der ZENTARRAIN, der sich stets gerecht und anständig benommen hat. Als er die Verschwörung durch einen Zufall entdeckte, hat er keine Meldung gemacht. Er hat sich auf unsere Seite geschlagen, und zwar aus Überzeugung. Ich glaube sogar, dass er persönliche Gründe hat, Orbanaschol zu hassen.«

»Die Leute wissen Bescheid?«

»Ich habe sie informiert. Den entsprechenden Bescheid habe ich verschlüsselt an unsere Freunde weitergeleitet. Sie erwarten nun unser Zeichen, können es kaum noch abwarten, den Kommandanten aus dem Schiff zu stoßen. Einige seiner Offiziere werden ihn dabei begleiten.«

»Ich werde nichts dagegen unternehmen«, sagte Arthamor. »Für mich ist es wichtig, dass ich nach der geglückten Meuterei die Medizinische Abteilung übernehmen kann. Ich bin es leid, immer der Prügelknabe dieser Nichtskönner zu sein, die sich überheblich als Bauchaufschneider titulieren. Ich bin davon überzeugt, dass sie nicht einmal wissen, wie ein Arkonide von innen aussieht.«

»Du kannst dir ja einige Offiziere vornehmen und sie deinen ehrenwerten Kollegen übergeben, damit sie das Versäumte nachholen.«

Arthamor lachte, bis ihm die Tränen kamen. »Eine ausgezeichnete Idee. Übrigens: Bist du sicher, dass wir keine Verräter unter uns haben? Wenn der Kommandant und seine Offiziere gewarnt werden …«

»Keine Sorge, es gibt keinen einzigen Verräter. Wenn die Rebellion gelingt – und davon bin ich überzeugt –, haben wir ganze siebenundzwanzig Schiffe; die Öde Insel ist groß. Wie sollte man uns jemals finden? Wir werden uns auf einem geeigneten Planeten niederlassen und den Rest unseres Lebens in Ruhe und Frieden verbringen.«

»Was soll mit den Gefangenen geschehen?«

»Die Männer … Nun, wir werden sehen. Lerathim hat sie festgesetzt, das bedeutet, dass sie eigentlich automatisch auf unserer Seite stehen. Und was die beiden Frauen angeht …«

Arthamor nickte einige Male, ehe er erwiderte: »Ich bin deiner Meinung. Jetzt ist es wichtig, dass wir im richtigen Augenblick losschlagen. Du musst den Termin bestimmen, denn du bist der Einzige, der jederzeit Kontakt zu den anderen Schiffen aufnehmen kann. Die Revolte muss überall zugleich beginnen.«

»Keine Sorge, die Verbindung klappt. Ein einziges Kodewort genügt, dann werden die Orbtonen festgenommen. Jeder Mann hat genaue Anweisungen. Es wird nur wenige Augenblicke dauern, bis das Schiff in unserer Hand ist.«

»Und wann ist es so weit?«

»Sobald Lerathim den Befehl zum Angriff auf die Maahks gibt.«

»Besteht nicht die Gefahr, dass die Maahks dadurch die Chance erhalten, uns zu vernichten, weil wir mit anderen Dingen beschäftigt sind?«

»Die Möglichkeit ist nicht von der Hand zu weisen, aber auch da wurde vorgesorgt. Die Männer in der Feuerleitzentrale werden sich nur auf ihre Aufgabe konzentrieren und sich nicht um die Rebellion kümmern. Ihre Offiziere werden festgenommen, das ist alles.«

»Das beruhigt mich. Ich kümmere mich um die Mediziner und sperre sie ein. Sie können sich dann noch immer überlegen, auf welche Seite sie sich schlagen wollen.«

Kurrentos stand auf und ging zur Tür. Dort drehte er sich noch einmal um. »Halt dich bereit. Es kann jederzeit geschehen. Und denk daran: Wer sich der Festnahme widersetzt, wird sofort erschossen.«

 

Die fünf Schiffe des Gegners verhielten sich so, als hätten sie die Arkoniden nicht bemerkt. Das war zumindest merkwürdig. Sie blieben im Normalraum, ohne ihre Geschwindigkeit zu erhöhen. Fast hätte man glauben können, sie wollten den feindlichen Verband in eine Falle locken. Das war auch genau das, was Wagor de Lerathim annahm. Deshalb änderte er seinen ursprünglichen Plan. Über Normalfunk nahm er Kontakt mit den Kommandanten der übrigen 26 Schiffe auf.

»Kodierte Ringschaltung!«, befahl der Admiral und wartete, bis die Techniker das Freizeichen gaben. »Wir greifen den Verband der Maahks gezielt an, von allen Seiten gleichzeitig. Das Feuer wird erst auf meinen Befehl hin eröffnet, selbst wenn der Gegner den Versuch unternehmen sollte, uns zuvorzukommen. Es ist meine Absicht, eins der Schiffe unversehrt zu kapern, um die Absichten der Methans kennenzulernen. Bestätigung!«

Alle Kommandanten bestätigten den Befehl. Dann erhöhten die Schiffe ihre Geschwindigkeit. Die Feuerleitstellen waren einsatzbereit und warteten nur noch auf das Kommando. Ihre automatischen Zielmessgeräte arbeiteten bereits. De Lerathim starrte zur Panoramagalerie. Je länger er den scheinbaren Gleichmut der Maahks registrierte, desto mehr festigte sich die Gewissheit, dass sie einen ganz bestimmten Zweck verfolgten. Der Gegner war zweifellos dem Verband der Arkoniden unterlegen, trotzdem machte er keine Anstalten zur Flucht. Das war nicht nur ungewöhnlich, sondern höchst verdächtig. Diese Taktik änderte sich auch nicht, als die Arkoniden nach den Kurztransitionen auf Schussweite herangekommen waren. Der Has’athor wusste, dass die Offiziere auf den anderen Schiffen unruhig wurden, weil er so lange mit dem Angriffsbefehl wartete. Er spürte, dass er selbst allmählich nervös wurde.

Die Ringschaltung bestand noch. »Achtung, an alle Kommandanten! Feuerbereitschaft: Beschuss beginnt in exakt …«

Weiter kam er nicht. Das Hauptschott zur Zentrale wurde aufgestoßen. Mehrere einfache Dienstgrade, angeführt von Offizier Mentares, stürmten in den Raum. Alle waren bewaffnet und richteten die Kombistrahler auf den Kommandanten und die anderen Orbtonen.

»Verhalten Sie sich ruhig, dann geschieht Ihnen nichts!«, befahl Mentares und verlieh seinen Worten dadurch Nachdruck, indem er die Mündung seiner Waffe gegen den Rücken des Admirals drückte. »Sie sind durch Beschluss der Mannschaft ab sofort Ihres Postens enthoben. Das Kommando übernehme ich. Stehen Sie auf. Zwei Männer werden Sie abführen.«

De Lerathim blieb sitzen. »Sie sind verrückt! Das ist Meuterei!«

»Letzteres stimmt«, erwiderte Mentares eisig. »Wir hielten den Augenblick für geeignet. Nun machen Sie schon Platz, damit ich den Angriff leiten kann.«

Der Sonnenträger stand langsam und vorsichtig auf. Er wusste, dass er keine Chance hatte. Seine Offiziere standen mit dem Rücken zur Wand und wurden nach Waffen durchsucht. »Die Kommandanten der anderen Einheiten werden Sie zusammenschießen.«

Mentares setzte sich hinter die Kontrollen. »Das würde Ihnen kaum weiterhelfen, denn Sie würden mit uns sterben. Aber seien Sie unbesorgt, niemand wird uns unter Beschuss nehmen, höchstens die Maahks. Was jetzt an Bord der ZENTARRAIN geschieht, geschieht gleichzeitig auf allen anderen Schiffen. Die Rebellion ist von langer Hand vorbereitet. Gehen Sie schon! Wir haben keine Zeit zu verlieren.«

De Lerathim ließ die entwürdigende Prozedur einer Durchsuchung über sich ergehen und wurde dann von den Männern in den Korridor gestoßen. Aus den Seitengängen kamen andere Offiziere, von den Strafversetzten bewacht und verhöhnt. Der aufgestaute Hass drohte sich zu entladen. Aber die Meuterer waren diszipliniert genug, sich nicht an ihren Gefangenen zu vergreifen. Mit Hohngelächter trieben sie den Admiral und seine Offiziere in die kahlen Räume von Strafzellen und knallten die Türen hinter ihnen zu. Die so plötzlich ihrer Autorität und Freiheit beraubten Offiziere der Imperiumsflotte waren sich darüber im Klaren, welches Schicksal ihnen bevorstand. Keiner würde dem sicheren Tod entgehen.

Inzwischen hatte Mentares Kontakt zu den anderen Schiffen aufgenommen. Zu seiner Überraschung meldeten sich aber nicht die neuen Kommandanten, sondern die bisherigen. Noch ehe er sich identifizieren konnte, meldeten alle übereinstimmend, dass die Meuterei niedergeschlagen worden sei. Man wartete auf den Angriffsbefehl, der angekündigt, aber noch nicht endgültig erfolgt war.

Mentares schaltete blitzschnell. »Angriff sofort!«, befahl er. Die Bildübertragung ließ er ausgeschaltet. »Konzentrierter Beschuss! Feuer frei!«

Er sah zur Panoramagalerie. Die grellen Energiebündel prallten gegen die Schutzschirme der Maahks und wurden absorbiert. Sie mussten von außergewöhnlicher Kapazität sein, was den unbeeindruckten Flug der Schiffe erklärte. An Bord der anderen Arkonraumer schien niemand bemerkt zu haben, dass er Lerathims Rolle übernommen hatte. Warum ist die Rebellion in allen anderen Schiffen niedergeschlagen worden?, fragte er sich. Warum ist sie nur in der ZENTARRAIN erfolgreich gewesen? Natürlich fand er die Antwort nicht, aber er begriff, dass er seine Rolle den anderen Kommandanten gegenüber nicht mehr lange spielen konnte. Zwei arkonidische Schiffe erhielten verheerende Volltreffer durch Punktbeschuss und explodierten als atomare Sonnen. Die glühenden Trümmer trieben in alle Richtungen davon. Das war der Moment, auf den Mentares gewartet hatte. Kurrentos, der Navigation und Orterzentrale übernommen hatte, stand in Rufweite. »Mentares, wie sieht es aus?«

»Gut! Die Maahks versuchen zu fliehen.«

»Das ist überhaupt nicht gut: Wir müssen fliehen! Wenn die anderen Kommandanten erst einmal merken, was auf der ZENTARRAIN passiert ist, machen sie Jagd auf uns. Wir müssen verschwinden, ehe sie Verdacht schöpfen. Programmiere eine Transition, egal wohin.«

»Einfach so?«

»Richtig. Wir können uns später noch den Kopf darüber zerbrechen, wohin wir uns wenden. Erst einmal müssen wir die Offiziere loswerden, möglichst für immer. Fang schon an!«

Arthamor kam in die Zentrale. Sein Gesicht strahlte vor Zufriedenheit, er setzte sich in einen freien Sessel vor den Kontrollen. »Ich habe die Medizinische Station übernommen und die Nichtskönner einsperren lassen«, gab er bekannt. »In der Strafzelle können sie darüber nachdenken, wie viele Leute sie umgebracht haben.«

»Verschwinde, wir haben Arbeit. Und davon verstehst wiederum du nichts.«

Der neue Chefarzt der ZENTARRAIN war durchaus nicht beleidigt. Folgsam erhob er sich. »Schon gut. Schließlich musst du den Oberbefehl über sämtliche Schiffe übernehmen und …«

»Leider nicht. Die Meuterei ist nur uns gelungen. Wir müssen fliehen, so schnell wie möglich. Kümmere dich um die Verwundeten. Sind es viele?«

»Ein paar der Offiziere wehrten sich und wurden getötet. Von uns starben nur zwei, aber es gab Verletzte.«

»Was ist mit diesen Fremden?«

»Um die kümmere ich mich später.«

Mentares atmete erleichtert auf, als der Bauchaufschneider ging. Er hatte genug damit zu tun, das Schiff in Sicherheit zu bringen.

»Bereit zur Transition«, gab Kurrentos bekannt. »Die Entfernung genügt, uns aus dem Orterbereich zu bringen. Wann?«

Mentares sah wieder zur Panoramagalerie. Er empfing die Meldungen der anderen Kommandanten, die von der erfolgreichen Meuterei auf der ZENTARRAIN keine Ahnung hatten. Der Angriffsbefehl war erfolgt, nun handelte jeder von ihnen nach eigenem Ermessen. Aber die Maahks flohen. Mit höchster Beschleunigung rasten die fünf Schiffe in verschiedene Richtungen davon, um eine Verfolgung zu erschweren. Zwei gingen sehr schnell in Transition, entmaterialisierten und verschwanden von den Orterschirmen der Arkoniden. Die Schiffe der Imperiumsflotte blieben zurück, als Mentares den Kurs änderte. Gleichzeitig erhöhte er die Geschwindigkeit, um möglichst schnell die von Kurrentos programmierte Transition vornehmen zu können, die sie um Lichtjahre versetzen würde. Über Funk kamen verwirrte Anfragen, die Mentares ignorierte. Er wusste, dass die anderen Kommandanten sehr schnell die richtige Antwort finden würden – warum also Zeit verlieren? Hastig kontrollierte er die Instrumentenanzeigen und nickte Kurrentos zu. »Fertig?«

»Schon lange.« Der Techniker konnte seine Ungeduld kaum noch verbergen.

Ohne noch länger zu zögern, aktivierte Mentares den Transitionsspeicher und lehnte sich zurück, erwartete den unvermeidlichen Entzerrungsschock der Entmaterialisation. Als er eintrat, sah er nur noch, wie die anderen Kugelraumer verschwanden. In Wirklichkeit war es jedoch die ZENTARRAIN, die aus dem normalen Kontinuum verschwand und im Hyperraum etliche Lichtjahre zurücklegte …

1.

 

Bel Etir Baj: Der Mann war hochgewachsen, schlank, hatte dunkelblaue Augen und fast schwarzes Haar. Sein Skelett allerdings verriet, dass er Arkonide war. Er sprach selten, vor allem dann nicht, wenn irgendetwas gefragt wurde. Sein Körper war von Narben übersät; verbrannte Kontaktstellen an seinem Schädel zeigten, dass er auch schonungslos mit Psychohauben verhört worden war. Dennoch wusste keiner mehr von ihm, als er freiwillig ausgesagt hatte.

Am 32. Prago der Prikur 10.486 da Ark wurde er in einer Kapsel gefunden. Ein unglaublicher Zufall hatte eins der Schiffe, die im Asteroiden Krassig stationiert waren, in die Nähe des im Raum treibenden Körpers geführt. Da sie sich einen Vorteil davon versprachen, hatten ihn die Verbrecher an Bord genommen. Zu ihrem Leidwesen fanden sie kein Edelmetall, keine seltenen Hyperkristalle oder andere Wertgegenstände. Im Innern der Kapsel, die sich nach ihrem Öffnen bald in eine weiß glühende Metallmasse verwandelt hatte, fand sich lediglich der nackte Körper eines Mannes. Er musste eine unbestimmbar lange Zeitspanne im biologischen Tiefschlaf verbracht haben. Als er erwachte, konnte er nur lallen, erst nach einem halben Jahr vermochte er wieder zu sprechen.

Da war ihm allerdings auch schon klar gewesen, wer ihn aufgefischt hatte. Was auch immer Bel Etir Baj zu berichten hatte, sein Wissen war nicht für Verbrecher bestimmt gewesen; selbst der ausgefeilte Sadismus eines Alfert Torpeh hatte nicht ausgereicht, um ihm eine Information zu entreißen. Etir Baj konnte sein Nervensystem so kontrollieren, dass er unempfindlich für Schmerzen war. Keine Psychohaube hatte es geschafft, seinen Willen zu brechen. Bel Etir Baj wusste zu viel. Er wusste entschieden mehr über die Organisation, als den Bewohnern Krassigs lieb sein konnte, und er wusste auch etwas, das die Krassiger nur zu gerne in Erfahrung gebracht hätten. Vielleicht hätte er unter veränderten Umständen geredet, bei der Geheimpolizei beispielsweise, aber daran war den Verbrechern nicht gelegen.

Seit elfeinhalb Jahren trug Bel Etir Baj in seinem Körper eine faustgroße Thermitladung, die ihn innerhalb eines Augenblicks in ein Häufchen Asche verwandeln konnte. Am Gürtel war eine Batterie befestigt, deren drahtlos übermittelte Impulse die Zündung dieser Bombe verhinderten. Einmal in zwanzig Tontas musste Etir Baj die Batterie nachladen, während dieser Zeit lief eine Uhr in der Thermitladung. Brauchte er zum Aufladen der Batterie mehr als eine Dezitonta, wurde die Ladung gezündet. Mit diesem ebenso einfachen wie wirkungsvollen Mittel wurde Bel Etir Baj daran gehindert, Krassig zu verlassen, denn die Steckkontakte der Batterie passten nur zu dem Ladegerät, das speziell hergestellt worden war.

Im Innern des Asteroiden durfte sich der geheimnisvolle Mann frei bewegen. Weglaufen konnte er schließlich nicht, und Torpeh hatte noch nicht die Hoffnung aufgegeben, dass Etir Baj eines Tages vielleicht doch gesprächiger werden würde. Die Besatzung von Krassig behandelte ihn mit einem gewissen Respekt, hauptsächlich deswegen, weil er einige der übelsten Raufbolde derartig verprügelt hatte, dass anschließend kosmetische Operationen notwendig gewesen waren. Er war freundlich, hilfsbereit und großzügig. Er beherrschte ein paar exotische Würfel- und Kartenspiele, mit denen er den Männern das Geld aus den Taschen zog. In regelmäßigen Abständen, genau am Jahrestag seiner Entdeckung, pflegte er die gesamte Bande zu einem großen Besäufnis einzuladen.

Lagen die Gangster volltrunken unter den Tischen, unternahm Bel Etir Baj einen Fluchtversuch. Er wurde natürlich erwischt, was ihn nicht daran hinderte, im nächsten Jahr wieder eine Orgie zu starten und abermals einen Versuch zu unternehmen. Nachdem er dieses Ritual eingebürgert hatte, wurden am Vortag des »großen Festes« Wetten abgeschlossen, welchen Fluchttrick er in diesem Jahr versuchen würde. Sieger war derjenige, der Etir Baj aufstöbern und festnehmen konnte. Da er sich niemals der Verhaftung widersetzte, hatten die Männer in der Station ihren Spaß daran. Wäre er eines Tages tatsächlich verschwunden, hätte ihn ein Teil der Männer sogar aufrichtig vermisst.

Bel Etir Baj kannte Krassig besser als irgendjemand. Zwölf Jahre lang hatte er Zeit gehabt, den Unterschlupf der Verbrecherorganisation genauestens zu studieren. Er kannte jeden Winkel, jedes Gerät und jeden Mann. Er wusste, wo die Reaktoren standen, die die Station mit Energie versorgten, er kannte den genauen Standort der Geschütze, mit denen die Besatzung ohne große Mühe auch den Angriff einer schweren Einheit hätte abwehren können. Er hatte sich in den Magazinen umgesehen, wusste, wo Lebensmittel lagerten, wo Handwaffen zu finden waren. Er kannte jeden Gefangenen. Torpeh wäre erstaunt gewesen, hätte er gewusst, dass Etir Baj sogar das Versteck kannte, in dem Torpeh seine geheimen Schnapsvorräte verbarg.

In den langen Jahren seiner Gefangenschaft hatte Etir Baj vor allem eins getan: Er hatte bei jedem Gespräch sehr genau zugehört und sich anschließend seine Gedanken gemacht. Im Laufe der Jahre hatte er aus den Satzfetzen und angedeuteten Informationen alles herausholen können, was es zu wissen gab. Hunderte von Malen hatte er jeden nur denkbaren Fluchtweg untersucht und durchkalkuliert. Im Schlaf hätte er die Zeiten aufsagen können, die er während einer Flucht gebraucht hätte, um ein Schloss zu knacken oder eine Verkleidung aufzuschrauben.

Nur eins hatte ihn bislang von einem echten Fluchtversuch abgehalten. Trotz allen Bemühens war es ihm nicht gelungen, das Hindernis der Thermitladung aus dem Wege zu räumen. Er hatte gehofft, dass es einen relativ einfachen Weg geben würde, die Batterie auch ohne den Impulskontakt aufzuladen. Immerhin war es denkbar, dass für kurze Zeit die Stromversorgung ausfiel oder ein Defekt auftrat. Angesichts der Bedeutung, die Torpeh seinem Gefangenen beimaß, hielt Etir Baj es für unwahrscheinlich, dass der Stationskommandant dieses Risiko eingegangen war. Doch er schien sich getäuscht zu haben – es gab keine andere Möglichkeit der Aufladung. Und die an die Thermitladung gesandten Impulse hatte Etir Baj ebenfalls nicht entschlüsseln können, sondern nur herausgefunden, dass ihre Grundlage das spezifische Streuemissionsmuster genau dieser speziellen Batterie war. Dennoch sah er sich zum Eingreifen gezwungen, als die CERVAX von Prinzessin Crysalgira da Quertamagin Krassig erreichte.

 

Krassig: 9. Prago der Prikur 10.498 da Ark

Bel Etir Baj wartete auf den Tod: Es war nur noch eine Frage von Augenblicken, dann würde die Thermitladung in seinem Körper gezündet. Immerhin hatte er die Gewissheit, dass der Mann, der ihm die tödliche Ladung in den Leib hatte einpflanzen lassen, das Ende seines Opfers nicht mehr bewusst erleben würde. In dichten Schwaden wälzte sich der Qualm durch die Halle; Explosionen ließen den Boden erzittern. Auch das Ende des Verbrecherasteroiden Krassig war abzusehen.

Warte, mein Freund, hörte Bel Etir Baj eine warme Stimme. Ich werde dir helfen! Es wird ganz einfach sein! Er öffnete die Augen. Über ihm erschien ein schwaches Leuchten an der Decke. Verblüfft sah der Arkonide, wie sich der Körper des Olphers durch den massiven Fels bewegte und sich rasch auf Bel Etir Baj herabsenkte. Immer näher kam der feurige Ball; Etir Baj biss die Zähne zusammen, als er die erste Berührung spürte. Es schmerzte nicht, als sich der Olpher weiter sinken ließ und im Körper Etir Bajs verschwand. Glück gehabt, gab der Olpher telepathisch durch. Es fehlte nicht mehr viel.

Dann spürte Etir Baj, wie sich sein Körper zusammenkrümmte. Irgendetwas wühlte in seinem Körper und schickte Wellen von Schmerz über die Nervenbahnen. Etir Bajs Muskulatur zuckte krampfhaft, als lägen in Etir Bajs Magen zwei Tiere miteinander im Kampf. Langsam kroch der Kommandant von Krassig zurück, versuchte sich aus der Nähe des vor Schmerzen um sich schlagenden Etir Baj zu bringen. Bel Etir Baj hatte keine Zeit mehr gefunden, sein Nervensystem auf völlige Schmerzunempfindlichkeit umzustellen. In großen Tropfen lief Schweiß über seine Stirn, sein Atem ging pfeifend. Es schien Ewigkeiten zu dauern, bis der Schmerz nachließ und sich der Olpher wieder meldete.

Ich habe die Thermitbombe unschädlich gemacht, raunte das geheimnisvolle Wesen, das aussah wie ein kleiner, feuriger schimmernder Ball aus reiner Energie. Allerdings wirst du für den Rest deines Lebens mit zwei faustgroßen Diamanten im Körper auskommen müssen.

»Es gibt Schlimmeres«, antwortete der Mann lächelnd. Die Gewissheit, dass er nicht an der heimtückischen Thermitladung würde sterben müssen, gab ihm neue Energie. Jetzt lag es weitestgehend an ihm, ob er die Vernichtung des Asteroiden überlebte oder nicht. Etir Baj warf einen verächtlichen Blick auf Alfert Torpeh; er stammelte sinnlose Silben und bewegte sich, mühsam kriechend, immer weiter von Etir Baj weg.

Du musst dich beeilen, drängte der Olpher. Krassig existiert nicht mehr lange.