Gerhard Ebert
WOLLUST ACH - Uwe, der Pennäler
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Inhaltsverzeichnis
Titel
1.Blitz aus heiterem Himmel
2.Liebeskummer
3.Heimliche Liebe
4.Der erste Kuss
5.Die Solotänzerin
6.Liebreiz
7.Platonische Sehnsucht
8.Die Angebetete krank
9.Einfach Lust an der Lust
10.Wie unter Strom
11.Was heißt Sex? Liebe!
12.…und ein rotes Herz
13.Zu neuen Ufern
Impressum neobooks
Eines Tages ging an Uwe eine junge Frau vorbei! Einfach so, eigentlich und wirklich gar nichts Ungewöhnliches. Doch die Erscheinung just dieses bestimmten Fräuleins traf ihn wie ein Blitz aus heiterem Himmel. Unfassbar! Eine Welle bislang unbekannter Emotion schoss ihm plötzlich heiß und gewaltig durch alle seine Glieder, ohne dass er sich irgendwie hätte wehren können. Was er übrigens weder gewollt noch getan hätte, denn es war ein berauschendes, ein ungeheures, ein ungeahntes Gefühl von kribbelnder Aufgeregtheit. Dass es so ganz und gar unerwartet aufwallen konnte, war so phantastisch wie rätselhaft. Beinah hätte er in seiner totalen Verwirrung versäumt, sich umzudrehen und der Unbekannten, die solche Erregung bei ihm auslöste, noch schnell nachzusehen. Was groteskerweise neue, zusätzliche Verwirrung auslöste.
Die Unbekannte, die da soeben an ihm vorübergegangen war, das sah Uwe trotz aller Erregung, hatte nämlich Beine, die nach seiner damaliger Auffassung ganz und gar nicht als ideal anzusehen waren. Sie schienen irgendwie krumm, jedenfalls nicht echt gerade gewachsen. Nur leicht krumm zwar, aber eben irgendwie krumm. Jedenfalls glaubte Uwe, dies trotz seiner Verwirrung deutlich mitbekommen zu haben. Es schien ihm, als hätte die Unbekannte sozusagen minimal O-Beine, die Uwe eigentlich und grundsätzlich bei Frauen gar nicht mochte. Das hatte sich nun einmal so entwickelt im Rahmen seiner von der Phantasie immer wieder neu ausgefertigten Vorstellung von einer ideal schönen Frau.
Dennoch diese ungeheure Erregung! Was war passiert? Uwe fand seine Fassung nicht wieder. Wie konnte ihn eine völlig unbekannte junge Frau dermaßen aufregen, ihn urplötzlich geradezu in Wallung bringen, die zweifellos unmerklich, aber eben O-Beine hatte! Lag es vielleicht an der Art, wie sie mit diesen ihren O-Beinen lief? Tatsächlich. Wie sie sich bewegt hatte, so wiegenden Schrittes und schlaksig zugleich, das war vermutlich das Aufregende. Jedenfalls für Uwe. Ihr Schritt war nicht majestätisch gewesen, auch nicht stolz und gravitätisch, eher ganz alltäglich. Ein bisschen schlurfig vielleicht. Rätselhaft!
Zu Hause verzog sich Uwe in seine Bodenkammer, warf sich aufs Bett und starrte an die Decke. Offenbar hing diese unheimliche Erregung einfach mit seinem Alter zusammen. Er war nun immerhin fünfzehn, hatte den Krieg heil überlebt, war nicht zu den Flakhelfern eingezogen worden. Er fühlte sich gut gerüstet für die Herausforderungen des Friedens. Doch so sehr er sich jetzt bemühte, sich an das Gesicht der Unbekannten zu erinnern, es misslang. Nicht die Spur ihres Antlitzes ließ sich in der Vorstellung entwerfen. Uwe konnte das nicht fassen. Schließlich war da ein lebendiges Weib an ihm vorbeigegangen. Dessen Erscheinung musste sich doch erinnern lassen! Vergebens. Nur diffuse Schemen formten sich vor seinem geistigen Auge.
Uwe erhob sich, eilte die Treppe hinab und hinaus auf die Straße. Die Hoffnung, diesem seltsam erregenden jungen Weib per Zufall noch einmal zu begegnen, trieb ihn durch die halbe Stadt. Vergebens. Bis in winklige dunkle Gassen der Unterstadt verschlug es ihn, wo ihm nie so ganz geheuer war, weil da irgendwelche Rüpel einfach so aus Übermut oder gar mit ärgerlichen Absichten über einen herfallen konnten. Gar nicht auszudenken, wenn die Unbekannte aus dieser Gegend stammte. Wie sollte er da Kontakt kriegen? Und Kontakt, Kontakt irgendwie, das schien ihm, müsste er wenigstens versuchen.
Langsam, ganz langsam wurde er wieder Herr seiner Sinne. Immerhin, sagte er sich einigermaßen gerührt, gibt es also in dieser kleinen, rund 30000 Einwohner zählenden Stadt eine junge Frau, die, obwohl sie nur einfach an ihm vorbeiläuft, ihn völlig außer aller Fassung bringt! So dramatisch, dachte er, sich schon wieder erregend, beginnt vielleicht die wahre Liebe. Neue Aufregung überfiel ihn. Liebe! Sollte die so über einen hereinbrechen? Schließlich war er lediglich ganz arglos auf einer Straße daher gegangen. Ein nettes Mädchen zum Plaudern, gar Küssen und vielleicht und hoffentlich sogar noch mehr hätte er schon wirklich gern gehabt.
Aber bisher hatte er immer gedacht, dass er als Mann aussuchen und auswählen muss, etwa bei den hübschen Verkäuferinnen in der Hauptstraße. Man muss auf die Ausgespähte warten, bis sie Dienstschluss hat, ihr dann folgen und sie irgendwie ansprechen. Den Versuch hatte er allerdings noch nicht gemacht. Die eine oder die andere hätte ihm schon gefallen, doch er war stets zu feige gewesen. Aber immerhin schien solch Konzept, an ein Mädchen heranzukommen, ganz brauchbar. Er war sogar richtig stolz auf sich. Denn solch eine „Eroberung“ auf der Straße hatte er in der Phantasie abends im Bett schon oft durchgespielt, und ihm schien seine Idee auch jetzt im Lichte des jüngsten Erlebnisses noch immer sehr brauchbar. Nur dass er eben bislang noch nicht den Mut aufgebracht hatte, es einfach einmal zu probieren. Wenn er jetzt darüber nachdachte, wurde ihm klar, dass er als Mann aktiv werden musste. Sonst würde er wohl immer allein bleiben. Aber wenn nun plötzlich auf der Straße die "Eigentliche" vorbeikommt? Eine Frau, die zwar überhaupt nicht dem sorgsam gehegten Ideal entspricht, dem man unbedingt nachlaufen würde, die einen aber dennoch entgegen eigener Absichten erregt und völlig aus der Bahn wirft?
Erschöpft vom Fußmarsch durch die Straßen kehrte Uwe nach Hause zurück. Stumm setzte er sich zu Tisch und aß das Abendbrot, das die Eltern für ihn hatten stehen lassen. Jeder neugierigen Frage, die sich vor allem Mutter nicht verkneifen konnte, wo er denn so lange gewesen sei, wich er aus, dann verzog er sich wieder in seine Kammer.
Es begann eine qualvolle Zeit. Manchmal hielt er seine unerfüllte Sehnsucht nach einem völlig unbekannten Mädchen für total übertrieben. Je länger er darüber nachdachte - und das fügte das Schicksal -, desto grotesker schien ihm die Welt eingerichtet. Da lief einem ein Mädchen über den Weg, das zwar, zugegeben, nicht seinem Wunschbild entsprach, das aber ungeahnte, bisher völlig unbekannte Empfindungen in einem auslöste. Warum das? Und dann: Weshalb lief die junge Frau so einfach an einem vorbei? Hieß das, dass er ihr offenbar völlig schnuppe war? Gewiss. Anders konnte es gar nicht sein.
Obwohl, auch er war ja weitergegangen, anstatt prompt kehrt zu machen, dem Mädchen nachzugehen und ihm einfach zu sagen: "He, hör zu, so plötzlich das auch kommt und so närrisch es sein mag: Du gefällst mir!" Vielleicht hätte sie blöd geguckt, ihn einen Spinner genannt oder so was Ähnliches, und er wäre gedemütigt abgezogen. Aber vielleicht hätte sie auch gesagt: "Oh, Junge, prima, dass du den Mut hast, du gefällst mir auch!" Dann wären sie gemeinsam weitergegangen, und eine große Liebe hätte ihren Lauf genommen. Wenn! Ja, wenn das Wörtchen wenn nicht wäre!
Sobald Gelegenheit war und Zeit dafür, streifte Uwe auf der Suche nach der großen Unbekannten durch die Straßen seiner Heimatstadt. Erfolglos. Aber: Unerwartete Überraschung, als er faulenzend zu Hause aus dem Fenster guckte.
Eigentlich war das langweilig, nur so aus dem Fenster zu schauen, aber in der Kleinstadt ein beliebter Brauch. Irgendwie war es eine Abwechslung. Man sah diesen oder jene, die unten auf der Straße lang kamen und die man kannte. Wenn es Nachbarn waren, musste man artig "Guten Tag" sagen. Manche Leute kamen immer wieder zu ganz bestimmter Zeit daher. Nur selten geschah wirklich etwas Außergewöhnliches. Aber diesmal!
War doch plötzlich ein weibliches Wesen um die nahe Ecke gebogen, das ihm mit seinem wiegenden, lockeren Schritt prompt das Blut pochend durch alle Adern jagte. Das geschah unabwendbar und unfassbar, noch bevor er wirklich genau hatte sehen können, dass es sich tatsächlich um das Fräulein handelte, das ihm nun schon seit Wochen überhaupt nicht wieder aus dem Kopf ging. Von innerer Erregung erfasst, doch irgendwie instinktiv ein bisschen ins Fenster zurückgeduckt, sah er alsbald deutlich: Es war sie! Eindeutig! Ja! Ja! Es war sie! Da schritt sie hin, kam näher.
In Uwes Kopf wirbelten die Gedanken, überschlugen sich geradezu. Sollte er so ausgesprochen demonstrativ am Fenster bleiben? Sie ging drüben auf dem Fußsteig, musste ihn also nicht unbedingt gesehen haben. Sollte sie aber doch, was durchaus wahrscheinlich war, würde von ihr als eine Reaktion gewertet werden, wenn er jetzt vom Fenster wegging. Sie konnte es als Desinteresse auslegen, auch als Feigheit. Das wollte er vermeiden.
Gar schnell und also einigermaßen kopflos auf die Straße und zu ihr hinüber zu eilen, verbot sich. Was hätte er sagen sollen? Bestimmt wäre nur irgendetwas Blödes herausgekommen. Ja, wenn er tollkühn wäre, so ein richtiger Casanova wie im Kino! Außerdem, wurde ihm klar, hatte er verschlissene Hausschuhe an, und darin irgendwelche Annäherung zu beginnen, wäre nichts als absurd und lächerlich gewesen. So überstürzten sich seine Gedanken. Und sie schritt dahin unten auf der Straße, schaute nicht einen Moment hoch zu ihm und war vorbei.
Aussichtslos! Aussichtslos an so eine Frau heranzukommen! Uwe blickte ihr einigermaßen verzweifelt nach, bis sie oben am Ende der Straße um die Ecke bog. Er konnte also nicht einmal feststellen, in welche Haustür sie gehen würde. Das wäre eine Chance gewesen, ihr vielleicht näher zu kommen. Er hätte ausspionieren müssen, ob sie etwa gar dort wohnt, oder wen sie besucht. Jetzt war nur die Möglichkeit zu warten für den Fall, dass sie und ob sie zurückkommt. Seine Geduld wurde auf eine harte Probe gestellt. Schon schmerzten die Ellenbogen vom Aufstützen auf dem Fensterbrett. Schließlich wurde Mutter ungeduldig. Er ahnte, was sie dachte. Statt ihr bei der Vorbereitung des Abendbrotes ein bisschen zur Hand zu gehen, trödelte er nichtsnutzig herum. Draußen dunkelte es bereits.
"Was ist?", fragte Mutter plötzlich hinter seinem Rücken. Was sollte sein? Uwe hatte keinen Grund, seinen Kopf noch länger zum Fenster hinaus zu stecken. Jedenfalls keinen, den er Mutter hätte mitteilen können. Also schloss er schweren Herzens das Fenster und half still und in sich gekehrt, den Tisch zu decken. Dass ihm dabei ein Teller herunterfiel, der in viele Stücke zersprang, war für Mutter einmal mehr das Zeichen, dass ihr verträumter Sohn fürs Lebenspraktische offenbar nicht so recht taugte. Und Uwe empfand diese zusätzliche Demütigung vom Schicksal besonders schoflig.
Lassen sich die menschlichen Geschicke überhaupt zwingen? Uwe bezweifelte das immer heftiger. Warum musste einen eine völlig unbekannte Frau so ganz und gar aus dem Gleichgewicht bringen? Und wenn, dann wäre es doch - schicksalsmäßig gesehen - nur recht und billig, wenn's bei der Frau auch irgendwie einschlägt. Wozu sonst die ganze Aufregung?
Das stand für Uwe inzwischen fest: Diese kleine Hübsche hatte, als sie unbeschwert die Straße lang ging, auch nicht ein bisschen zu ihm hochgeschaut. Offen war allerdings, auch das stand fest, ob sie ihn nicht vielleicht doch gesehen, es aber bewusst vermieden hatte, es ihm zu zeigen. Und überhaupt! Wieso bildete er sich ein, dass diese ihm völlig unbekannte junge Frau irgendein Auge für ihn haben könnte!? Schließlich war er ihr ja völlig unbekannt!
Einige Zeit später schien das Schicksal Uwe doch ein ganz klein wenig gewogen. Aber wirklich nur ein klein wenig. Und eigentlich machte es alles nur noch viel komplizierter. Mitten im Einkaufstrubel der Hauptstraße seiner Heimatstadt erblickte er nämlich plötzlich seine heimlich Angebetete. Doch nicht allein! Sie lief munter plaudernd mit einem jungen Mann, den er mit Entsetzen als seinen Freund Günter erkannte. Prompt schlug ihm das Herz gnadenlos bis in den Hals. Was nun?
Erst einmal heimlich hinterher! Das war das Mindeste. Und sich nicht entdecken lassen. Auch klar. Und während Uwe erst einmal möglichst geschickt wie ein Detektiv hinterherlief, überlegte er fieberhaft, wie er sich überhaupt verhalten sollte. Immerhin gab es zum Beispiel die Möglichkeit, die beiden Bummler einzuholen und Günter betont nebenbei zu begrüßen. Was vielleicht helfen könnte herauszubekommen, ob da gar eine enge Freundschaft im Gange war. Eine Freundschaft? Waren die beiden etwa fest zusammen?
Schon der Gedanke löste bei Uwe ein Gefühl aus, das er bisher nicht kannte, das ihn aber übermächtig ergriff. Eifersucht! So unmäßige Erregung konnte nur Eifersucht sein. Uwe begriff, dass er in solch unerhörter, unkontrollierbarer Aufgeregtheit unmöglich vor die beiden treten konnte. Er hätte sich auffällig so dämlich benommen, dass Günter wahrscheinlich gefragt hätte, ob ihm etwas fehle. Und die kleine Hübsche hätte wahrscheinlich sogar irgendetwas geahnt und still und vielleicht sogar boshaft in sich hinein geschmunzelt. Nein, solch eine Niederlage durfte er sich nicht zufügen.
Uwe entschied, die beiden zunächst einmal weiter zu verfolgen. Was nicht so einfach war. Einmal, ganz plötzlich, wäre beinahe alles schief gegangen. Günter drehte sich nämlich überraschend um und kam ihm entgegen. Offenbar hatte er etwas vergessen, war an einem Geschäft vorbeigelaufen, wo er eine Besorgung hatte machen wollen. Und die Kleine lief nicht etwa weiter, sondern machte mit ihm kehrt.
Zum Glück fand Uwe noch gerade hinter einer Litfaßsäule Deckung. Fast war er jetzt entschlossen, das Versteckspiel zu beenden und aufs Ganze zu gehen. Was sollte schon geschehen, wenn er, den Ahnungslosen spielend, auch in das Porzellangeschäft gehen würde, in dem die beiden eben verschwunden waren? Aber Uwe fand so schnell nicht den Mut. Noch bevor er sich zu dem Schritt durchgerungen hatte, tauchten die beiden wieder auf der Straße auf. Jetzt hakte sie sich auch noch bei ihm ein! Uwe ließ alle Hoffnung fahren. Diesen ersten Fall ernsthaften Interesses für eine Frau musste er wohl ad acta legen. Jedenfalls rein büromäßig gesehen. Ob sich Gefühle allerdings so einfach kommandieren ließen, musste er noch ausfinden
Schon redete er sich ein, dass im Grunde noch alles offen sei, so intim sie auch taten. Weswegen er die beiden weiter verfolgte. Es konnte kein Fehler sein herauszubekommen, wo die Schöne wohnt. Und seinem Freund Günter würde er nicht die leiseste Möglichkeit geben etwa anzunehmen, er, Uwe, interessiere sich für das Mädchen. Nicht, weil er dem Freund ungern in die Quere kommen wollte, sondern weil der nicht unbedingt wissen sollte, dass er, Uwe, sich ausgerechnet in dessen Freundin verliebt hatte. So trottete er denn hinter den beiden her und haderte mit sich und der Welt.
Zu Günter hatte Uwe Kontakt, weil ihre Väter Arbeitskollegen waren. Und weil ihre Eltern sich gelegentlich trafen, auch mal Silvester gemeinsam feierten, hatten eben auch die beiden Jungs Kontakt miteinander bekommen, der aber recht lose geblieben war. So wusste Uwe zwar, und das machte ihn neidisch, dass Günter sehr geschickt war im Verführen von Mädchen, aber er wusste nicht, wie weit solche Verführung zu gehen pflegte. Meist war das gewiss nur so etwas wie ein Flirt, eine Liebelei oder so. Das war nun schon gar nicht nach Uwes Geschmack. Herumtändeln - davon hielt er nichts. Mit einer Frau nur so spielen, das fand er verachtenswert. Wobei er mangels Erfahrung ganz und gar nicht wusste, wo das Tändeln aufhörte und wahre Liebe anfing.
Kurzum, er war im Vergleich zu Günter, der immerhin zwei Jahre älter war, ein unerfahrener kleiner Junge. Was ihn natürlich wurmte, weswegen er zu enge Freundschaft mied. Er, Uwe, wäre nur immer der doofe Zuschauer gewesen, der erleben musste, wie der andere herumknutscht. Einmal zu Silvester war ihm das passiert, und das reichte ihm. Er war einer Einladung Günters zu einer Party gefolgt, und im Ergebnis hatte er zusehen müssen, wie sein Freund mit einer Hübschen schöntat und noch vor Mitternacht davonzog. Er aber hatte, noch des Tanzens unkundig, nur in einer Ecke gehockt und Trübsal geblasen. Nun also schlich er hinter diesem Günter her und musste immer wieder mit ansehen, wie oft sich die Kleine vor Lachen ausschüttete. Günter schien sie glänzend zu unterhalten.
So oft Uwe nahe daran war, die Verfolgung sein zu lassen und auf die beiden knallhart zu pfeifen, so oft trieb ihn denn doch die Neugier weiter voran. Zumal es nicht irgendwohin ging, sondern zur Oberstadt, dorthin, wo Uwe und Günter wohnten. Wobei die heimliche Verfolgung immer schwieriger wurde. Zunächst, als sie noch durch den Park gingen, konnte er sich relativ gut verborgen halten. Meist standen irgendwie Büsche am Wege, hinter denen er in Deckung blieb. Dann aber war nur noch die nackte Straße, kein Baum, kaum mal ein Passant als Schutz. Also musste Uwe weit zurückbleiben, um nicht gesehen zu werden.
Als das Pärchen, traulich Händchen in Händchen, plötzlich in eine Seitenstraße einbog, schien alles verloren. Uwe rannte los – und konnte gerade noch sehen, wie Günter mit der Unbekannten in einer Haustür verschwand. Was er nicht sehen konnte: Beide waren nur auf die Treppenstufen getreten, die zur Tür hinaufführten, und schwätzten munter weiter. Als Uwe hastig und eigentlich kopflos bei der Tür ankam, weil er wenigstens sehen wollte, um welche Hausnummer es sich handelte, sah er beide plötzlich unmittelbar vor sich. Zum Glück waren sie so mit sich beschäftigt, dass sie ihn nicht wahrnahmen. Uwe war nämlich gerade in dem Moment aufgekreuzt, als sein Freund Günter das offenbar willige Fräulein in die Arme nahm und küsste.
Uwe war wie vom Blitz getroffen. Er raffte seine letzte Kraft zusammen und huschte mit weichen Knien vorbei. Er überlegte fieberhaft. Hatten sie ihn gesehen? Er wusste es nicht. Und da er nicht im Boden versinken konnte, tat er so, als sei er hier vorbeigegangen, weil er im naheliegenden Kolonialwaren-Geschäft einkaufen wollte. Zwar war ihm klar, dass Günter wusste, dass Uwe dort nicht einzuholen pflegte, aber das war jetzt gleichgültig. Schon erreichte er die rettende Ladentür und trat flugs ein.
Was wollte er hier? Einkaufen! Irgendetwas! Ah ja, ein Päckchen Zündhölzer aus Riesa musste ihn jetzt retten. Zwar wusste er nicht, wie er zu Hause erklären sollte, warum er sich ohne familiären Auftrag plötzlich für Streichhölzer engagierte, aber irgendwie musste nun einmal gehandelt werden. Gedacht, getan. Der Ladenbesitzer musterte den unbekannten jungen Kunden durch seine Nickelbrille zwar wie einen potentiellen Brandstifter, aber Zündhölzer aus Riesa hatte er selbstverständlich am Lager. Schneller als gedacht stand Uwe wieder auf der Straße.
Erleichterung! Freund Günter hatte sein Rendezvous offenbar beendet. Jedenfalls lief er just davon und erreichte, als Uwe das Geschäft verließ, gerade eine Ecke, um die er verschwand. In aller Ruhe konnte Uwe nun noch einmal zu bewusster HaustüäüÜüß