ADAM J. FINN
KOMMISSAR CORTESI
TOD IM JACUZZI
1. FALL
ISLANDBOOKS
1. Auflage 2015
© 2015 ISLANDBOOKS, Baden
www.islandbooks.ch
www.cortesisfaelle.ch
Alle Rechte vorbehalten
Design, Illustration & Layout: dreamis.ch
Taschenbuch-Ausgabe: ISBN 978-3-03846-995-7
Hörbuch als Audio-CD: ISBN 978-3-03846-999-5
ebook-Ausgabe: ISBN 978-3-03846-997-1
Die Handlung und die handelnden Personen dieser Publikation sind frei erfunden. Jede Ähnlichkeit mit toten oder lebenden Personen oder Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens ist nicht beabsichtigt und wäre rein zufällig.
No political correctness.
Es war noch dunkel, als ich zum Tatort kam.
„Ah, Kriminalkommissar Cortesi“, begrüsste mich Inspektor Lanz mit seiner dünnen Stimme.
Die auf dem Terrassenboden festgefrorene Leiche lag auf dem Rücken. Eine funkelfette Goldkette thronte auf dem gut genährten Opfer.
„Schrecklich, hier auf dem Terrassenboden zu verenden. Seine letzte Handlung muss wohl das Japsen nach Sauerstoff gewesen sein“, war Lanzens Fispelstimme zu entnehmen.
Der Leichnam lag mit weit aufgerissenem Mund und gläsernen graublauen Augen da. Starr. In seinen letzten Minuten hatte er mit den Armen wohl wild um sich gefuchtelt. Die dünnkrustige Schneeschicht zeigte blutige Streichspuren in Form von Viertelkreisen zum Kopf hin. Er war vor Stress elendiglich verreckt. Mir kam das Bild eines Kartoffelkäfers hoch, den ein Windstoss auf den Rücken geblasen hatte. Kein appetitlicher Anblick am Morgen früh.
Die farbigen LED-Lichter des Jacuzzis blinkten, als ob sie dem schwammig aufgedunsenen Hefekloss einen Ritualtanz abhalten würden. Das auf 40° erhitzte Wasser sprudelte immer noch und stieg als Dampf in den Himmel des anbrechenden Tages. Ich musste nachdenken. Meine Stirn runzelte sich von selbst, was sie immer tat in solchen Momenten. Mein Blick wanderte im Zickzack über die Terrassenfläche, so als ob meine Sensoren den Boden Millimeter um Millimeter abtasten und den Tathergang Schritt für Schritt nachbilden würden.
„Der Bankier hat wohl etwas ausgiebig geplanscht.“ Es war wieder Lanz.
„Arroganter Vollpfosten“, murmelte ich genervt und schritt zum Jacuzzi, um die Flackerlämpchen auszuknipsen. Der acht-Sitzer Sprudel-Töff schwieg.
Ein junger Fotograf stelzte eilig auf den 152m² Balkon und fing mit seiner Spiegelreflex wie wild an herumzublitzen.
„Was macht der Partyfotograf hier“, schnauzte ich und stiefelte reflexartig in die Wohnung, um das Schlachtfeld den Minderbemittelten zu über-lassen. Mir fielen die vielen halb leergetrunkenen Wein-, Schnaps- und Champagnergläser auf der Kochinsel auf. An einigen klebte Lippenstift.
„Es sieht ganz nach einem feucht-fröhlichen Rendezvous aus, was, Cortesi?“
Es war schon wieder der nervige Lanz.
Schluckspechte, dachte ich. Und dem Möchtegern-Specht hau ich gleich eins an den Schnabel. Ich konnte nicht glauben, dass mich die Nase schon wieder von der Seite anquatscht. Nun tippte mir Lanz noch auf die Schulter. Ich erstarrte. Mein Blick vereiste. Als hätte sich eine Sprungfeder gelöst, zischte mein Kopf blitzartig nach rechts – in Schräglage. Angespannt, schnellte mein Zeigefinger senkrecht vor meine Lippen. So verharrte ich fünf Sekunden. Lanz, wie ein verdutzter Pudel, wich zurück und blickte mich ungläubig an. Er verschwand aus meinem Blickfeld, denn ich musste wohl begonnen haben zu schielen. So gut hatte ich meine „Zu-Eis-erstarr“-Technik drauf. Meine nonverbale Sprache war unmissverständlich gewesen.
„Was ist denn mit dem los?“, hörte ich Lanz verblüfft in den Raum hauchen.
„So, so. Der Bankier stand auf Kunst ...“, sinnierte ich und beäugte die chinesische Hängerolle. Das Bambusmotiv, aus wenigen, aber gekonnt gesetzten Tuschestrichen gezaubert, war fantastisch. Die die Tuschmalerei umgebende Seide im Elfenbeinton brachte monochrome Bambusblüten hervor – süsse dezente Stickereien, überall verteilt.
Die Jugendstildrucke über dem Klavier zeigten Vogelmotive. Vier Körper schmiegten sich aneinander und bildeten mit den Blumenranken ein harmonisches Ganzes. Schnäbel und Krallen, in Gold gedruckt, waren ein Indiz für die hohe Qualität der hundertjährigen Lithographien. Der Bankier hatte zweifelsohne Geschmack!
Ich drehte mich um und blieb wie angewurzelt stehen. Mir stockte der Atem, als ich unmittelbar in die kalten Augen eines bärtigen Mannes starrte. Der alte hing regungslos da – signiert und gerahmt:
„Der Kunstmaler Giovanni Segantini, nach einer Fotografie. Antonio De Grada 1927.“ Zwangsläufig war es von einer Fotografie abgemalt, dachte ich mir. Segantini war nämlich 28 Jahre vor der Entstehung des Gemäldes mit knapp 40 Jahren im Engadin verstorben. Ebenfalls bei eisiger Kälte und mausbeinallein – wie unser Banker on the Rocks. Nur, dass Segantini nicht auf einer Terrasse mit Goldkette abgenippelt ist, sondern auf dem Schafberg mit Blinddarm. Ich musste lachen. Einmal abgehackt. Das war wohl etwas fehl am Platz und ich lenkte meinen Gedankengang wieder auf das Bild. Ich sinnierte, wer der signierende Künstler wohl war? Antonio De Grada war mir zuvor noch nie begegnet –