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Nachdruck 2013
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ISBN Print 978-3-86881-414-9
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VORWORT
TEIL I. MOTIVATION
Motive – Beweggründe – Motivationsfakoren
Arbeitsmotivation
Von Motivation und Frustration
Motivation ist sehr persönlich
Theorien, Hypothesen, Denkmodelle der Arbeitsmotivation
„Wissenschaftliche Betriebsführung“
Technikgläubigkeit und Utilitarismus
Die „Entdeckung“ der Arbeitsmotivation
Die weiteren Entwicklungen
Motivationstheorien – ein Überblick
Maslow
McGregor
Argyris
Herzberg
McClelland
Vroom
Locke, Latham
Äquivalenz und Dissonanz
„Sixteen Basic Desires“
Acht Punkte zur Bestandsaufnahme
Schlussfolgerungen: wesentliche Motivationselemente
Führungsinstrumente
Beurteilung und Bezahlung
Management by Objectives, Zielvereinbarung
Offenheit und Transparenz
Information und Kommunikation
Aufgabengestaltung
Entwicklung und Ausbildung
Motivation und Anreiz
TEIL II. BEURTEILEN VON LEISTUNG UND POTENTIAL
1. LEISTUNGSBEURTEILUNG
Über Sinn und Zweck
Beurteilen im Unternehmen
Das funktionelle Beurteilen „von oben nach unten“
Das Beurteilen „von unten nach oben“
Die „360 Grad“-Beurteilung
Das Warum und Wozu der funktionellen Beurteilung
Struktur, Kultur und Stil
Die Wahrnehmung
Merkmale der Leistungsbeurteilung
Obskur – institutionalisiert
Offen – geheim
Persönlichkeitsbezogen
Funktionsbezogen
Zielsetzungsorientiert
Ergebnisorientiert
Ziele der Leistungsbeurteilung
Das Beurteilungsgespräch
Das Zusammenarbeitsverhältnis
Selektive Kommunikation und Wahrnehmung
Die Beurteilungsskala
Die Rolle der nächsthöheren Führungsebene
Vergleich zwischen Unternehmensbereichen
Bürokratie
Gerechtigkeit und Objektivität
Berufungsmöglichkeiten
Beurteilungsroutine
Mitbestimmung, Einsichtsrechte, Datenschutz
Systementwicklung und Systemanwendung
Statt einer Zusammenfassung: Sechs Schritte zur effektiven Beurteilung
Heiteres am Rande – Zitate aus Beurteilungen.
2. POTENTIALBEURTEILUNG
Leistung und Potential sind nicht dasselbe
Auswahlkriterien
Was ist Potential?
Die drei Säulen der Potentialentwicklung
Motivation und Verhalten
Kenntnisse und Fähigkeiten
Organisation und Disziplin
Potential und Ambition
Potential als Beitrag
Potentialkriterien
„Predictor Qualities“
Kompetenzen – „Competencies“
Helden, Propheten, Zauberer
Potential – wofür?
Leistung und Potential
3. BEURTEILUNGSPRAXIS
Eine lebensnahe Illustration
Optima-Beurteilungsgrundsätze
Optima – Jährliche Leistungsbeurteilung
Erläuterungen zu den Optima-Beurteilungsgrundsätzen
Erläuterungen zur jährlichen Leistungsbeurteilung von Optima
Hauptpunkte des Beurteilungsverfahrens bei Optima
TEIL III: VERGÜTUNGSSTRATEGIEN UND ANREIZSYSTEME
1. RAHMENBEDINGUNGEN DER VERGÜTUNG
Überblick
Vergütung zwischen Professionalität und Emotion
Vergütungselemente
Effizienz von Vergütungselementen
Das Entstehen globaler Vergütungsstrategien
Zukünftige Entwicklungen
Ein neues Vergütungsmodell
2. INCENTIVES
Bonus, Anreizsysteme, ergebnisabhängige und erfolgsorientierte Bezahlung
Variable Bezahlung
Incentive ist nicht gleich Motivation
Incentives – was sie nicht und was sie wohl können
Incentive in der Praxis
Incentive-Bonus-Systeme – vier Beispiele
Das Setzen von Zielen
3. FINANZIELLE BETEILIGUNG
Hintergrund
Verbreitung
Gewinnbeteiligung
Kapitalbeteiligung
Aktienoptionen
Executive Share Options
Und ohne Aktien?
SCHLUSSWORT
LITERATURVERZEICHNIS
Motivation, Leistungskapazität, Entwicklungspotential – dies sind die wichtigsten Beiträge des Menschen, wenn er Aufgaben übernimmt und erfüllt. Wo immer solche Aufgaben vollbracht werden, in Wirtschaftsunternehmen, gemeinnützigen oder karitativen Organisationen, Verbänden, Genossenschaften, politischen Parteien oder jeder anderen denkbaren Organisation, werden die Resultate letztlich von diesen drei Faktoren abhängen. Durch sie erst wird das Können, werden die Erfahrungen, die Talente, Begabungen und schöpferischen Kräfte aktiviert und jenen Zielen verbunden, die für die Organisation Erfolgsmaßstab und „raison d’etre“ sind.
Während vieler Jahre in führenden Positionen mit weltweiter personalpolitischer Verantwortung, aber auch im Zuge meiner Lehrtätigkeit wurde mir immer wieder bewusst, wie wichtig es ist, zu verstehen, was Menschen wie und wozu motiviert, wodurch jene Leistungen stimuliert werden, die manchen Unternehmen größeren Erfolg bescheren als anderen. Worauf ist es zurückzuführen, dass manche Menschen eine Berufslaufbahn durchschreiten, die sie in Funktionen mit hoher Verantwortung und großem Einfluss führt, in denen sie Unternehmen aufbauen, zum Erfolg führen, neu gestalten und aus sich heraus immer wieder die Ressourcen zu entwickeln scheinen, die dazu erforderlich sind? Denn andere scheinen das nicht zu können, nicht zu wollen – oder einfach nicht zu tun?
Wo immer wir hinsehen, stellen wir große Unterschiede fest in dem, was man landläufig Motivation nennt, im Leistungsniveau und im Entwicklungspotential. Das Verstehen der Essenz von Motivation, Leistung, Potential und Vergütung wird durch eine verwirrende Vielfalt von Techniken erschwert, die immer wieder angeboten und versucht werden, um diese Erfolgsfaktoren womöglich besser und schneller in den Griff zu bekommen als die Konkurrenz. Nicht alles ist aber durch Techniken und den Griff in die Trickkiste lösbar.
Durch vielfachen und unterschiedlichen Gebrauch werden Begriffe abgenutzt, vage und in ihrer Bedeutung verändert.
Eines der Opfer ist „Motivation“: Man glaubt häufig, durch Bezahlung motivieren zu können. Bezahlung, Vergütung, Anreiz spielen eine Rolle als Belohnung, als Ansporn und auch als Mittel der Differenzierung zwischen Aufgaben, Funktionen, Leistung, Erfolg und Ergebnis. Man kann damit alles Mögliche, auch sehr Positives erreichen, nachhaltig motivieren kann man dadurch aber nicht. Motivation und Anreiz („Incentive“) werden oft synonym gebraucht; dadurch werden beide Begriffe verkannt: Motivation wird trivialisiert und Incentives werden überfordert.
Die Leistung von heute, in einer bestimmten Funktion, wird oft mit dem Potential, der Leistungskapazität von morgen, in einer verantwortungsvolleren, anders gearteten Funktion verwechselt: oft mit fatalen Folgen für das Unternehmen und die Betroffenen. Fehlgeschlagene Karrieren sind seltener auf einen Mangel an Können und Talenten zurückzuführen, sondern auf die Fehleinschätzung des Zukunftspotentials.
Um diesen und vielen anderen Irrwegen und Verwirrungen auszuweichen, habe ich getrachtet, den Begriffen auf den Grund zu gehen, sie zu erklären und aufzuzeigen, welche Faktoren zum Vorteil der Menschen und der Organisation eingesetzt werden können. Ich weise auch auf Gefahren falscher Anwendung oder missverständlicher Interpretation hin.
Wo es sinnvoll ist, gewisse Techniken zu gebrauchen, werden diese erläutert und in möglichst praxisnaher Weise vorgestellt. Dabei ist vor allem Einfachheit ein wichtiges Gebot. Wenn ein bestimmtes System oder Verfahren mit drei Komponenten seinen Zweck in befriedigender Weise erfüllt, dann wird es rascher, leichter und effizienter eingesetzt werden, als wenn aus Gründen der Perfektion noch fünf andere hinzugefügt werden. Das Gesetz vom abnehmenden Ertrag macht keine Ausnahmen.
Systeme und Techniken sollen so einfach wie nur irgend möglich und nur so ausgefeilt wie absolut erforderlich sein.
Dagegen soll man beim Verstehen nicht sparsam sein. Es lohnt, möglichst viel von dem zu wissen, was es über Motivation zu erfahren gibt. Gäbe es ein Motivations- „System“, so würde ich dem Grundsatz folgen: so einfach wie möglich. Da es sich aber um eine Frage des Verstehens handelt, gilt: so umfassend wie möglich. In solchen Fällen bewährt es sich, zurückzublenden und die Ergebnisse des Denkens und der Forschungen anderer kennen zu lernen. Daher werde ich im Abschnitt über Motivation die wichtigsten Theorien und Denkansätze über Arbeitsmotivation Revue passieren lassen, was die Bildung einer eigenen Meinung und die Gestaltung eigener, maßgeschneiderter Konzepte erleichtert. Immerhin war es kein geringerer als Isaac Newton, der sagte, wenn er weiter sehen könne als andere, dann deshalb, weil er auf den Schultern von Riesen stünde. Man kann nicht davon ausgehen, dass alles, was neu ist, deshalb auch gut ist. Bei Erkenntnissen, die Jahre oder Jahrzehnte alt sind, wurde schon einige Spreu vom Weizen geschieden, und wenn sie heute noch bekannt sind, dann haben sie schon einige Erprobung bestanden. So kommt es, dass „alles was Sie schon immer über Motivation wissen wollten, aber nie zu fragen wagten“, ein viel längeres und vielleicht für viele sogar spannenderes Kapitel ist als „alles über Aktienoptionen“.
Als Herr Dr. Oskar Mennel, Geschäftsführer des Wirtschaftsverlags Ueberreuter, der 1989 mein Buch über „Leistungsbeurteilung von Managern“ und 1993 „Personalmanagement im Neuen Europa“ herausbrachte, anregte, ich sollte Beurteilung, Leistungsanreiz und was damit zusammenhängt neu behandeln, griff ich das bereitwillig auf. Diese Aufgabe bot mir die Gelegenheit, einen Überblick über Entwicklungen zu geben, eine Synthese aus Erfahrungen zu schaffen und eine Verbindung zwischen jenen Elementen zu legen, die den Unterschied ausmachen können zwischen Erfolg und Versagen, zwischen durchschnittlichen und hervorragenden Ergebnissen.
Der Inhalt der vorliegenden Arbeit ist in drei Hauptabschnitte gegliedert.
Das Inhaltsverzeichnis ist sehr detailliert, um das Auffinden eines bestimmten Themas zu erleichtern. Die einzelnen Kapitel hängen zwar thematisch zusammen, sind aber so strukturiert, dass auch jedes für sich gelesen werden kann, ohne Aussagekraft einzubüßen.
Ich danke Herrn Dr. Oskar Mennel für sein Interesse an dieser Arbeit, den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern des Wirtschaftsverlags Carl Ueberreuter in Wien und Frankfurt für die gute Betreuung und besonders meiner Frau für ihr konstruktives Verständnis für meine „Klausur“ während dieser Arbeit.
Herwig W. Kressler
Limbach im Waldviertel, Mai 2001
Nichts geschieht ohne Grund; für alles gibt es eine Ursache. Es gibt gute und schlechte Gründe ebenso wie es klare oder unklare Ursachen gibt. Erwartung, Hoffnung, Angst, Zwang, Belohnung, Ambition, Hilfsbereitschaft, Durchsetzungswille, Geltungsbedürfnis, Gewohnheit, Ritual, Not und unzählige andere Einflüsse, ob sie nun in der Realität oder in unserer Vorstellungswelt existieren, beeinflussen unser Verhalten, unsere Aktionen und Reaktionen, unser gesamtes Leben und Erleben und nicht zuletzt unsere Arbeitswelt.
Jeder Mensch hat Motive, ist also „motiviert“. Dabei ist der Begriff „motiviert“ durchaus wertfrei zu verstehen. Im gängigen Sprachgebrauch wird „motiviert sein“ vor allem als ein positiver Zustand bezeichnet, also etwas Erstrebenswertes, das durch Einflüsse verschiedenster Art, eben „Motivationsfaktoren“ hergestellt werden soll, um eine günstige Prädisposition zu hoher Leistung zu schaffen. So verstanden, ist „Motivation“ zwar ein nützliches Kürzel vor allem im Sprachgebrauch von Unternehmen, zum richtigen Verständnis wäre diese Interpretation jedoch zu eng.
Wenn wir behaupten, dass jeder Mensch Motive hat, daher „motiviert“ ist, und zwar ständig, dann meinen wir natürlich nicht, dass sich jeder von uns ununterbrochen zu hohen und höchsten Leistungen angestachelt fühlt. Man kann motiviert sein, etwas zu tun oder auch etwas nicht zu tun; etwas zu vermeiden, etwas anzustreben; jemanden für sich zu gewinnen, zu überzeugen, zu überreden; Erfolge zu erzielen, Misserfolge zu vermeiden; berühmt zu werden, nicht aufzufallen; zu führen, geleitet zu werden; anzugreifen, Schutz zu suchen; für die Zukunft vorzusorgen, in den Tag hinein zu leben … kurz, alles was wir tun oder lassen, geht auf ein Motiv zurück.
Der Wortbedeutung nach ist „Motiv“ Beweggrund, Antrieb, Leitgedanke. „Motiv“ bedeutet auch bedeutungsvermittelndes Element eines künstlerischen Werks, in dieser Bedeutung ist es allerdings für unsere Betrachtungen nicht maßgeblich. Der Begriff ist seit dem 16. Jahrhundert in Verwendung und leitet sich vom mittellateinischen Wort „motivum“ ab, so das „Duden Herkunftswörterbuch“, 1963.
Da nun jedes Verhalten, jede Tätigkeit – und auch jede Untätigkeit - auf Beweggründe, Antriebe, Motive zurückzuführen ist, verwundert es nicht, dass in unserem Leben die Herausbildung, Formung und Gestaltung dieser Antriebe eine große – man könnte ohne Übertreibung wohl auch sagen allumfassende – Rolle spielt. Schon im täglichen Zusammenleben der Menschen in Familien und anderen Gruppen entstehen immer wieder unterschiedliche Beweggründe, die zu den unterschiedlichsten Verhaltensweisen und Aktivitäten führen. Das Gleiche geschieht, wenn auch in sehr unterschiedlicher Intensität und mit stärkerem oder schwächerem Wirkungsgrad, in der Schule, in der Erziehung überhaupt, durch religiöse und philosophische Sehensweisen und Überzeugungen. Von allen kulturellen Äußerungen, Kunst, Literatur, Musik, gehen Anstöße, Motive und Leitgedanken aus. Die vielfältigen Medien mit ihren Botschaften werden vielleicht nicht immer als kulturelle Manifestationen gewertet, sie sind aber jedenfalls wesentlicher Bestandteil unserer Zivilisation und senden ständig Signale aus, die Meinungen und Verhalten beeinflussen. Produzenten und Verkäufer werben mit den vielfältigsten Mitteln um die Konsumenten und versuchen damit, ihre Konkurrenten im Kampf um Marktanteile auszustechen. Dabei sind sehr viele Menschen zugleich Werbende und Umworbene.
Letztlich sind all die Menschen, die in Unternehmen und anderen Organisationen arbeiten, dort auch Einflüssen ausgesetzt, die auf ihr Verhalten einwirken. Dabei braucht es sich gar nicht um gezielte „Motivationsmaßnahmen“ zu handeln. Es genügt schon der Umstand, eine bestimmte Aufgabe zu haben, für etwas verantwortlich zu sein, eine Rolle zu spielen, Ziele zu verfolgen, Leistungen zu erbringen und zu wissen, dass solche von einem erwartet werden, um Beweggründe zu schaffen, Anstöße zu geben und Motive zu aktivieren.
Die meisten Menschen in Unternehmen sind „Mitarbeiter“, wobei das hier nicht im formalen oder arbeitsrechtlichen Sinn gemeint ist. Die Bedeutung dieses Status im Zusammenhang mit Motivation manifestiert sich vor allem in der Gruppenmitgliedschaft, der Stellung als Angehöriger eines Teams, der Identifikation (oder auch des Mangels an Identifikation) mit Unternehmenszielen und der Auseinandersetzung mit der Qualität und den Werten des Unternehmens oder der Institution mit seinen oder ihren Erzeugnissen, Dienstleistungen, Beiträgen zur Qualität des Zusammenlebens und der Art, wie mit Konfliktsituationen umgegangen wird. Dabei kann es sich um die Philosophie der Konfliktlösung innerhalb des Unternehmens handeln – ob etwa Probleme offen diskutiert und Konflikte sachlich betont und emotionssparend ausgetragen werden oder ob internes Lobbying, Geheimdiplomatie, vielleicht auch Intrige angezeigt sind.
Auch die Art, wie ein Unternehmen mit Konfliktlösungen in seinen Außenbeziehungen umgeht, wird Beweggründe, Anstöße und Leitgedanken für seine Mitarbeiter schaffen, also Motive für bestimmte Verhaltensweisen und Handlungen schaffen. Beziehen wir dann noch in unsere Überlegungen mit ein, dass fast alle Menschen neben den bereits geschilderten sozialen und kulturellen Beziehungen und Zugehörigkeiten auch noch mehr oder weniger informellen Gruppen angehören, als da sind Freundeskreise, Klubs, Vereine aller Art, dann entfaltet sich ein weitmaschiges und vielschichtiges Bild von Einflüssen, Gesetzmäßigkeiten, Wertesystemen, Loyalitäten und Wechselwirkungen, die alle auf die Motive individuellen Handelns einwirken.
Seit erkannt wurde, dass die Mitarbeiter und ihre Leistung für den Erfolg des Unternehmens von entscheidender Bedeutung sind, wird immer wieder versucht, hinter die Beweggründe zu kommen, die dazu beitragen, Intensität, Qualität, Effizienz und Zielsicherheit dieser Leistung zu optimieren. Neben der Qualifikation wird also auch die Motivation der Mitarbeiter gefragt. Obwohl es menschliche Arbeit in irgendwelchen Formen schon so lange gibt, wie die Menschheit selbst besteht, werden Fragen nach der Arbeitsmotivation noch nicht sehr lange untersucht – eigentlich erst seit den 1920-er Jahren.
Davor war der Mensch, soweit er überhaupt in formal festgelegte, wie zum Beispiel industrielle Arbeitsorganisationen und Prozesse eingegliedert war, sosehr Teil dieser Abläufe, dass die Frage des Motivs leicht zu beantworten war: man war „eingespannt“, ein kleineres oder größeres Rad in der großen Maschinerie, die den – vorwiegend physisch zu leistenden – Arbeitsablauf bestimmte.
Zu dieser Zwangsläufigkeit der Arbeitsvorgänge kam auch die Lebensnotwendigkeit der Arbeit als Erwerbsquelle und – in Ermangelung sozialer Sicherheitsnetze – auch als Grundlage der Existenz; außerdem war sie zumindest im christlichen Abendland ein Glaubenssatz (Adam wurde schließlich dazu verurteilt, im Schweiße seines Angesichtes sein Brot zu essen) und Teil der ethischen und moralischen Grundsätze der Gesellschaftsordnung. Rein wirtschaftlich war der „Produktionsfaktor Arbeit“ ebenso einzuordnen wie die Faktoren Kapital und Grund und Boden. Politische Lehren und Ideologien folgten dem ebenso wie nationalökonomische und betriebswirtschaftliche Theorien und damit auch die Praxis der Unternehmensführung.
Der allergrößte Teil der Menschheitsgeschichte liegt in vorindustriellen Zeiten; selbst nach der industriellen Revolution war ein großer Teil der Bevölkerung noch lange Zeit hindurch in nicht-industriellen Strukturen beschäftigt, wie etwa in der Landwirtschaft und in den überall anzutreffenden kleinen Handwerksbetrieben. Auch dort war der Mensch derart in das Geschehen integriert, dass er nicht zwangsläufigen Abläufen untergeordnet war, sondern selbst diese Abläufe wesentlich bestimmte. Ohne den Bauern, die Bäuerin, ihre Kinder, die Mägde und Knechte ging nichts. Es ist nicht bekannt, ob sich da Fragen nach Arbeitsmotivation stellten. Es scheint aber der Beweggrund zur Arbeit einerseits aus einem Zwang bestanden zu haben, der am logischsten aus dem Mangel an Alternativen zu erklären wäre, anderseits aber auch aus einer selbstverständlichen Sinnhaftigkeit, die sich aus dem engen Zusammenhang zwischen Einsatz und Ergebnis, der direkten Zurechenbarkeit und klar ersichtlichen individuellen Verantwortung sowie der unentrinnbaren gegenseitigen Abhängigkeit der Arbeitsgruppenmitglieder ergab. Ob der Zwang zur Arbeit stärker war oder ob die natürliche Sinnhaftigkeit der Tätigkeit im Einklang mit der Natur und dem Markt, der teilweise in Selbstversorgung für den Eigenbedarf und teilweise im Verkaufen und Tauschen in mehr oder weniger unmittelbarer Nachbarschaft bestand, das wirkungsvollere Motiv lieferte, ist nicht nachzuvollziehen; es wird wohl eine Mischung aus beiden Komponenten gewesen sein – und ist es noch immer überall, wo die traditionellen bäuerlichen und handwerklichen Strukturen erhalten sind.
Die Frage, was Motivation eigentlich ist, kann nicht einfach damit beantwortet werden, dass sie sich aus den materiellen Lebensnotwendigkeiten und Bedürfnissen ergibt. Das wäre simplistisch und irreführend. Man müsste dann schließen, dass bei Erfüllung der Lebensbedürfnisse ein motivationsfreier oder -neutraler Zustand eintreten würde. Dass dem aber nicht so ist, ist eine allgemein nachvollziehbare Erfahrungstatsache und bedarf keiner tief schürfenden Beweisführung. Auch Menschen mit sehr hohem Einkommen, Menschen, deren Vermögen so groß ist, dass sie mit Sicherheit ihr ganzes Leben davon zehren könnten, ohne die Erfüllung ihrer Lebensnotwendigkeiten nur im Geringsten in Frage zu stellen, zeigen im Allgemeinen keinerlei Mangel an Antrieb. Im Gegenteil, sie sind meist zu unverminderter Aktivität motiviert. Es gibt natürlich auch Menschen, die eher zu Passivität neigen, was auch eine Form der Motivation ist, nämlich nichts oder so wenig wie möglich zu tun. Solche Menschen findet man aber in allen Einkommenskategorien. Wenn die einfache Vermutung, dass Motivation im Sinne von Antrieb zu aktivem Streben vom Grad der unbefriedigten Lebensbedürfnisse abhängt, richtig wäre, dann müsste in der Tat mit zunehmender Erfüllung dieser Bedürfnisse die Intensität der Aktivität abnehmen, und umgekehrt. Da dies offenkundig nicht der Fall ist, ließe sich auch postulieren, dass an die Stelle erfüllter Notwendigkeiten jeweils immer neue Bedürfnisse treten, sodass auf diese Art ständig neue Motivationsschübe ausgelöst werden. Das hat wohl etwas für sich, allerdings kann sich das auch nur innerhalb gewisser Grenzen bewegen. Wenn man unter Bedürfnissen nur materielle Notwendigkeiten versteht, sind diese Grenzen noch wesentlich enger gesteckt, als wenn auch immaterielle, geistige, seelische Ziele und Vorstellungen mit einbezogen werden. Die so erweiterte Bedürfnisskala ist dann allerdings auch vielschichtiger und schwerer zu definieren und noch schwieriger messbar als die ausschließlich materiell umschriebene.
Bedürfnisse als solche werden auch nicht eine konstante Antriebskraft ausüben. Diese Kraft korreliert nicht einfach mit der Stärke des Bedürfnisses, sondern sie wird mitbeeinflusst durch die Möglichkeit oder die Wahrscheinlichkeit, das betreffende Bedürfnis auch tatsächlich durch die zu unternehmende Anstrengung befriedigen zu können. Wenn etwas aussichtslos ist oder für aussichtslos gehalten wird, dann wird aus der Antriebskraft eine Bremswirkung, ja, es kommt zu einer Schubumkehr: die Motivation, etwas zur Erfüllung dieses Bedürfnisses zu tun, weicht einer umgekehrten Motivation, nämlich jeglichen Einsatz zu beenden, sich um diese Sache nicht mehr zu bemühen, sie als aussichts- und hoffnungslos aufzugeben, abzuschreiben.
Wir sehen hier sozusagen den Gegenpol zur Motivation, nämlich die „Frustration“. „Frustra“ ist das lateinische Wort für „vergebens“. Man bemüht sich also um etwas nicht oder nicht mehr, weil es „vergebens“ ist, weil die Anstrengung zu nichts führen würde, weil kein oder kein angemessenes Ergebnis erzielt werden kann.
Genau genommen ist Frustration nicht das Gegenteil von Motivation. Sie ist vielmehr an jenem Ende des Motivationsspektrums angesiedelt, an dem das Motiv negativ ist, wo also die Devise ausgegeben wird „lass die Finger davon, es hat keinen Sinn, bemüh dich nicht“ Frustration ist also auch eine Form der Motivation, wenn auch die, etwas nicht zu tun, zu verweigern oder abzulehnen.
Es ist keineswegs irgendeine theoretische Spitzfindigkeit, wenn wir Motivation und Frustration auf ein und demselben Kontinuum sehen. Vielmehr erleichtert es das Verständnis, wenn Klarheit darüber besteht, dass Motivation nicht ein nur mit einem bestimmten Wert besetzter Begriff ist, sondern dass sie viele verschiedene Facetten hat. Motivation ist nicht nur in dem Sinn facettenreich, dass sie von der Frustration an einem Ende des Spektrums bis zur extremen Form, wir möchten sie „Hypermotivation“ nennen, reicht. In dieser extremen Ausprägung sind die Antriebskräfte so stark, dass sie zu einer Art von Hyperaktivität führen. Es gibt ja nicht nur die „Motivierten“ und die „Frustrierten“. Abgesehen von den vielen Schattierungen dazwischen gibt es auch die Übertreibenden, die Tag und Nacht arbeiten, denen kein Resultat gut genug ist, die alle Ziele weit übertreffen wollen, denen auch kein Einsatz zu hoch ist, um noch etwas mehr oder noch größere Perfektion zu erreichen. Im Gegensatz zu den „Frustrierten“ lassen sie sich nicht nur durch größte Schwierigkeiten nicht bremsen, sie lassen sich auch dadurch nicht beeinflussen, dass das Ergebnis in keinem Verhältnis zum möglichen Ertrag stehen mag; sie kennen das Gesetz vom abnehmenden Ertrag nicht.
Motivation ist nicht nur etwas Relatives, sie ist auch stark individuell determiniert. Selbst wenn es für verschiedene Menschen völlig gleiche Bedingungen gäbe, wären die individuellen Positionen auf der Motivationsskala doch immer verschieden. Nun behaupten wir weder, dass es eine absolute „Motivationsskala“ gibt, noch halten wir dergleichen für wünschenswert.
Verschiedene Menschen reagieren sehr unterschiedlich auf „Motivationsfaktoren“ oder eben Umgebungseinflüsse. Manche neigen bereits zur Frustration, also zur Verweigerung, zur Ablehnung und zum Aufgeben, wo andere gerade eine besondere Herausforderung sehen und „hoch motiviert“ sind. Man spricht auch von einer „Frustrationsschwelle“, die individuell sehr verschieden hoch liegen kann.
Dies wird oft daran deutlich, wie verschiedene Menschen auf ein und dieselben Ziele reagieren. Das Ziel (Umsatz, Gewinn, Kosteneinsparung etc.) 100 wird von dem einen als zu hoch gesteckt abgelehnt, von dem anderen als zu wenig herausfordernd empfunden. Dabei ist es durchaus möglich, dass beide dieses Ziel erreichen können und das auch tun. Im ersteren Fall hat man es aber möglicherweise mit einem Menschen zu tun, für den erst das Überschreiten eines Zieles „motivierend“ wirkt – daher das Trachten nach einer Messlatte, die möglichst weit übersprungen werden kann. Im letzteren Fall dagegen will der oder die Betreffende schon an der Höhe des Zieles seinen oder ihren Wert gemessen sehen, weshalb eine höhere Zielsetzung bevorzugt wird, die dann aber auch nicht übererfüllt wird. Man sieht also, dass unterschiedliche Einstellungen zu Aufgabenstellungen durchaus aus verschieden gelagerten Motivationsvoraussetzungen resultieren können:
Wenn die Person A auf das Ziel 100 mit einer Argumentation antwortet, dass 90 ein wesentlich realistischerer Ansatz wäre und das auch mit allerlei rationalen Begründungen untermauert, dann ist das nicht unbedingt ein Hinweis auf mangelnden Einsatzwillen, fehlende Risikobereitschaft oder übertriebene Vorsicht. Es kann vielmehr Ausdruck eines, vielleicht sogar eher unterschwellig wirksamen, Motivs sein, durch Mehrleistung zu glänzen. Unsere Person A hat also in Wirklichkeit kein Problem mit der Erreichbarkeit des Zieles 100. Sie möchte lediglich sicherstellen, dass die Erreichung dieses Zieles mehr ist als bloße Erfüllung. Das Ergebnis 100 soll einer Vorgabe von 90 oder 95 gegenüberstehen, damit Person A ihre eigenen, in sich selbst gesetzten Erwartungen erfüllt sieht. Dies ist also das eigentliche Bedürfnis, aus dem sich der wirkliche Beweggrund des Handelns ableitet.
Wie viele zeitraubende, irritierende und im wahrsten Sinne „frustrierende“ Diskussionen über Zielvereinbarungen könnten vermieden oder zumindest abgekürzt und zu einem befriedigenden Ende gebracht werden, wenn zwischen den Kontrahenten – ausgesprochen oder unausgesprochen – Verständnis über die den oberflächlichen Auffassungsunterschieden zugrunde liegenden Motive bestünde!
Wenn Person A also für eine Reduzierung der Zielvorgabe argumentiert, sagt sie in Wirklichkeit nicht „Gib mir ein Ziel, das ich leichter erreichen kann“, sondern „Ich brauche ein Ziel, das ich überschreiten kann, um mit mir selbst zufrieden zu sein“. Am Ende der Reise möchte Person A ein Ergebnis erzielen, das sie als „strahlende Siegerin“ ausweist.
Dagegen ist Person B, die zu verstehen gibt, dass 100 nicht gerade ein Ziel ist, das hohe Ambition ausweist, nicht unbedingt unrealistisch. Sie möchte aber gefordert werden, will, dass man ihr sehr viel zutraut, möchte vielleicht auch andeuten, dass es mehr Möglichkeiten auszureizen gibt, als angenommen wird. B sagt also nicht „Ihr macht einen Fehler, ich weiß es besser“, sondern „Wenn es mir Spaß machen soll, will ich mich für etwas mehr einsetzen, als normalerweise erzielbar ist“. B ist dann auch nicht „frustriert“, wenn das höhere Ziel nicht erreicht wurde – er hatte ja in Wirklichkeit nicht mit Sicherheit damit gerechnet. Er will aber seinem Selbstbild des „heroischen Kämpfers“ entsprechen.
In der Praxis werden Zielsetzungen sehr häufig über einen Kamm geschoren, sodass dem Eingehen auf individuell unterschiedliche Motive wenig oder kein Raum geboten wird. Diese oft motivationsfeindliche Standardisierung wird oft zusätzlich durch starre Incentive- oder Bonussysteme unterstrichen.
Wenn 100 für A ein „schweres“ und für B ein „leichtes“ Ziel ist, dann ist es eigentlich für beide unpassend. Wenn dann für die Erreichung dieses normierten Zieles auch noch ein ebenso normierter Bonus von 10 in Aussicht gestellt wird, wird damit sowohl für A als auch für B die Perspektive der Leistungshonorierung schief liegen.
Da aber die Möglichkeit einer zusätzlichen, von der Zielerreichung abhängigen variablen Entlohnung eine zusätzliche, neue Dimension eröffnet, wird die ursprüngliche persönliche Motivkonstellation einer als „zu schwer“ oder „zu leicht“ empfundenen Zielsetzung durch einen sehr dominanten Anreiz überlagert: das Streben danach, den Bonus zu erhalten, beziehungsweise zu verhindern, ihn nicht verdienen zu können. Es werden daher unter solchen Gegebenheiten Zielsetzungen durch die potentiellen Bonusempfänger fast immer als unrealistisch hoch und kaum jemals als zu wenig anspruchsvoll kritisiert. Dies ist nicht immer nur auf vordergründigen Opportunismus und Geldgier zurückzuführen. Wenn in der Form eines Incentive- oder Bonussystems eine Leistung ganz spezifisch und sichtbar honoriert wird, dann ist die Zuerkennung dieser Honorierung der schlüssigste Beweis dafür, dass erfolgreich gearbeitet wurde. Man wird also diese leicht erkennbare Form der Anerkennung eher anstreben, als die wesentlich subtiler gelagerten individuellen Vorstellungen von Leistung und Erfolg zu strapazieren. Dies ist auch der Grund dafür, dass viele „erfolgsabhängige“ Bonussysteme längerfristig keineswegs zu einer Entlohnung führen, die als fair und angemessen empfunden wird -und auch nicht zu deutlich höherer Leistungsmotivation. Das heißt aber noch lange nicht, dass leistungs- und erfolgsorientierte Formen der Bezahlung ineffizient sein müssen!
Generell kann gesagt werden, dass Uniformierung an den individuellen Unterschieden der Motive vorbeigeht und damit auch das Ziel verfehlt. Individualisierung kann dagegen helfen, Potentiale zu wecken und Leistungsfähigkeit und Freude am Erfolg zu heben.
Motivation ist also ein weit gespanntes Gebiet und es ist nicht nur aus verhaltenswissenschaftlicher Sicht, sondern auch in der Unternehmensund Arbeitswelt ein hoch aktuelles Thema. Wir wollen daher nach den bisher angestellten Betrachtungen einen kleinen Streifzug wagen durch eine Reihe verschiedener Theorien und Hypothesen über Motivation, und zwar ganz spezifisch über Arbeitsmotivation. Als differenzierender Leistungsfaktor wurde Motivation erst relativ spät erkannt. Daher beginnt unser Überblick dort, wo zwar durchaus schon industrielle Prozesse angewandt wurden, Motivation aber noch ein Fremdwort war.
„Wissenschaftliche Betriebsführung“
Während der Anfangszeit der industriellen Massenproduktion war es das so genannte „Scientific Management“, also die „wissenschaftliche Betriebsführung“, deren Erkenntnisse in den immer umfangreicher werdenden Erzeugungs- und Verwaltungsabläufen der Unternehmen ordnend und effizienzerhöhend eingesetzt wurden. Es war das die Zeit der akribischen Zeit- und Bewegungsstudien, der Fließbänder, der Büros mit Hunderten von Schreibmaschinen, der Buchhaltungsabteilungen mit Hunderten von Kontokästen; integriert in diese nach genauen Zeitnormen und Bewegungsroutinen festgelegten Abläufe bewegte sich das Personal. Letzteres war ebenso Gegenstand der Optimierung wie alle anderen Betriebsmittel. Von Motivation war da nicht die Rede, im Gegenteil, Ein- und Unterordnung war gefragter als Individualität oder Kreativität, zumindest bei der großen Zahl der Arbeiter und der großen Mehrheit des Büropersonals.
Frederick Winslow Taylor, einer der führenden Köpfe dieser Schule der Betriebsführung, die nach ihm „Taylorismus“ genannt wurde, tat einen sehr bezeichnenden Ausspruch: „Now one of the first requirements for a man who is fit to handle pig iron is that he shall be so stupid and phlegmatic that he more nearly resembles the ox than any other type.“ (So ist also eine der ersten Anforderungen an einen Mann, der dazu geeignet sein soll, mit Roheisen zu arbeiten, dass er so stupide und phlegmatisch ist, dass er einem Ochsen ähnlicher ist als irgendeinem anderen Wesen.) Von Henry Ford wird berichtet, er habe gefordert, dass seine Arbeiter nicht nur ihren Mantel, sondern auch ihre Seele in der Garderobe deponieren sollen, wenn sie zur Arbeit kommen.
Diese beiden Aussprüche, die völlig ernst gemeint waren, illustrieren die Stellung und den Stellenwert des Menschen als Teil genormter, optimierter und vorbestimmter Abläufe, die diese Menschen nicht zu beeinflussen hatten, da dies nur zu einer Störung geführt hätte.
Technikgläubigkeit und Utilitarismus
Die völlige Absenz dessen, was man auch nur im Entferntesten als das Erkennen menschlicher Bedürfnisse, Respekt vor der Würde des Individuums und Mobilisierung von Talent und Potential bezeichnen könnte, liegt in einer Zeit und einem kulturellen Umfeld begründet, worin die Arbeitswelt unter zwei Hauptprämissen verstanden wurde:
Zum Ersten war da eine fast bedingungslose Technikgläubigkeit. Dies ist nicht verwunderlich, wenn man bedenkt, wie dramatisch der Anstieg der Produktivität war, den gerade der technische Fortschritt ermöglicht hatte. So ziemlich alles, was menschliche Arbeitskraft zuvor zu leisten vermochte, wurde nun durch die erstaunlichsten Maschinen um ein Vielfaches schneller und besser gemacht. In den neuen Fabriken war der Mensch das schwächste Glied in der Kette. Er war zwar unentbehrlich, er musste jedoch in die Abläufe eingegliedert und ihnen untergeordnet werden. Wenn das nicht gelang, war der Mensch ein gefährlicher Risikofaktor, der die aus den höchst kapitalintensiven technischen Anlagen zu lukrierenden Erträge gefährden konnte. Es galt also, die Technik und ihren ständigen Fortschritt optimal einzusetzen. Zugleich war der Mensch so weit wie möglich an diese dominierende Technik anzupassen. Dabei waren die Fabriken der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts nach heutigen Begriffen ungeheuer personalintensiv. Selbst dort, wo Fließbandfertigung bereits möglich war, waren in jener Zeit noch immer Hunderte oder Tausende Menschen nötig, um die Handlungen und Handgriffe zu verrichten, die notwendig waren, um den Fertigungsprozess möglichst rasch, effizient und fehlerfrei ablaufen zu lassen. Man war ja noch Lichtjahre entfernt von Robotern und elektronischen Steuerungen. Derlei Aufgabe hatte also der Mensch zu erfüllen – möglichst maschinenähnlich und möglichst menschenunähnlich.
Die zweite Prämisse war ein hohes Maß an Utilitarismus: dieser kam der Technikgläubigkeit nicht nur entgegen, sondern ergänzte sie sogar. Ein sehr nüchterner Nützlichkeitsglaube sah das Arbeitsverhältnis primär als einen Austausch von Leistung und Gegenleistung, in dem es jedem der Kontrahenten, also Arbeitgeber und Arbeitnehmer, zustand, die eigenen Interessen in den Mittelpunkt zu stellen. Emotionale Bindungen, gegenseitige Loyalität oder Abhängigkeit, patriarchalische Bindungen, paternalistische Herr-Knecht-Verhältnisse waren diesem funktionalen, eben an Notwendigkeit und Nützlichkeit, nicht an Annehmlichkeit und Emotion orientiertem Modell fremd.
Dieser Utilitarismus passte vor allem in den kulturellen, geschichtlichen, religiösen Hintergrund Nordamerikas und – wenn auch in etwas milderer Form – Nordwesteuropas. In den übrigen Teilen Europas und noch viel mehr in Südamerika, Afrika und Asien war nicht nur der Stand der Industrialisierung ein völlig anderer, es waren auch die sozialen und kulturellen Werte weniger materiell und mehr spirituell betont, sodass der westliche Utilitarismus, wenn überhaupt, dann nur in geringerem Ausmaß Verbreitung finden konnte. Welche Wechselwirkungen zwischen einem vorwiegend materiell oder stärker spirituell geprägten Weltbild und industrieller beziehungsweise wirtschaftlicher Entwicklung bestehen mögen, kann man sich ungefähr vorstellen, wenn man bedenkt, welche Art von Beweggründen, also Motiven, aus diesen so verschiedenen Grundhaltungen entstehen.