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N. Bernhardt

Buch IV: Ein talentierter Schüler

Der Hexer von Hymal

N. Bernhardt

Buch IV: Ein talentierter Schüler

Der Hexer von Hymal

Veröffentlicht im Null Papier Verlag, 2019
3. Auflage, ISBN 978-3-954182-79-4

www.null-papier.de/hymal

null-papier.de/katalog

Inhaltsverzeichnis

Ers­tes Ka­pi­tel: Die ers­te Lek­ti­on

Zwei­tes Ka­pi­tel: Die Au­di­enz

Drit­tes Ka­pi­tel: Die zwei­te Lek­ti­on

Vier­tes Ka­pi­tel: Der Marsch des Her­zogs

Fünf­tes Ka­pi­tel: Die drit­te Lek­ti­on

Sechs­tes Ka­pi­tel: Adept Nik­ko

Sieb­tes Ka­pi­tel: Der Bruch mit dem Or­den

Aus­blick

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Nik­kos Aus­bil­dung geht sehr gut vor­an. Bald schon steht so­gar die Prü­fung zum Adep­ten an. Auch er­zählt sein neu­er Meis­ter viel und ger­ne, so dass der Jun­ge so ei­ni­ges er­fährt. Doch im­mer mehr kris­tal­li­siert sich der Ar­ka­ne Or­den als Be­dro­hung her­aus. Dann auch noch eine plötz­li­che Vor­la­dung! Was kann das bloß be­deu­ten?

Für Fy­dal und Da­nu­wil ent­wi­ckelt sich hin­ge­gen al­les präch­tig. Vom Kö­nig mit neu­en Äm­tern be­schenkt, zieht es die bei­den je­doch schon bald in die Fer­ne. Nik­ko muss hin­ge­gen in Zun­daj blei­ben. Wird er sie je wie­der­se­hen?

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Website

Wei­te­re In­for­ma­tio­nen zur Rei­he und zum Au­tor fin­den Sie un­ter:

hy­mal.info

Erstes Kapitel: Die erste Lektion

Nik­ko hat­te es sich in sei­nem neu­en Heim schon ge­müt­lich ge­macht, als ein Be­diens­te­ter des Erz­ma­giers ihn wis­sen ließ, dass die­ser ihn zu spre­chen wün­sche. Nach ih­rem ers­ten Zu­sam­men­tref­fen ei­ni­ge Stun­den zu­vor hat­te der Alte den an­ge­hen­den Zau­be­rer zu­nächst ver­trös­tet und ihm sein Quar­tier zu­wei­sen las­sen. Nik­ko hat­te zwar dar­auf ge­brannt, den Groß­meis­ter mit sei­nen vie­len Fra­gen zu lö­chern. Aber den­noch war er froh ge­we­sen, zu­nächst et­was Ab­stand zu ha­ben. Die ner­ven­auf­rei­ben­den Be­ge­ben­hei­ten der letz­ten bei­den Tage woll­ten schließ­lich erst ein­mal ver­ar­bei­tet wer­den.

Hät­te Pe­ryn­dor nicht bis mor­gen war­ten kön­nen? Es war schließ­lich schon spät und Nik­ko ziem­lich müde. Das dro­hen­de Ge­spräch wür­de si­cher­lich vie­len Stun­den dau­ern, fürch­te­te der Jun­ge. Aber was konn­te er schon ma­chen? Au­ßer­dem war er ja auch ge­spannt, was der Meis­ter mit ihm be­re­den woll­te.

»Setz dich, No­vi­ze«, mein­te Pe­ryn­dor, in ei­nem be­que­men Pols­ter­ses­sel sit­zend, und zeig­te auf ein bau­glei­ches Mö­bel auf der an­de­ren Sei­te des lo­dern­den Ka­mins, der die Biblio­thek in ein war­mes Licht tauch­te.

»Wir ha­ben viel zu dis­ku­tie­ren«, be­merk­te er, jetzt in eine dun­kelblaue Robe ge­klei­det, und zog kräf­tig an ei­ner Pfei­fe. »Wie war noch ein­mal dein Name?«

»Nik­ko«, ant­wor­te­te der Jun­ge klein­laut.

»Ein schö­ner Na­me… für einen Hund«, gif­te­te der Alte. »Wir wer­den spä­ter einen bes­se­ren su­chen.«

Das konn­te ja hei­ter wer­den, dach­te Nik­ko bei sich, der sei­nen Na­men ei­gent­lich moch­te. Die Aus­sicht, sich um­be­nen­nen zu las­sen, be­hag­te ihm gar nicht. Au­ßer­dem gab es be­stimmt wich­ti­ge­re Din­ge zu er­ör­tern.

»Nun gut, mein Lehr­ling«, wech­sel­te der Groß­meis­ter dann das The­ma. »Ich will die gan­ze Ge­schich­te hö­ren. Vom An­fang bis zum Ende. Und den­ke ja nicht dar­an, mich an­zulü­gen!«

Das hat­te Nik­ko auch nicht vor und be­gann, dem Erz­ma­gier al­les zu er­zäh­len. Von sei­nem Le­ben in Vyl­do­ro, wo er dem al­ten Tho­ro­dos be­hilf­lich war, und vom ver­schlüs­sel­ten Brief, den der di­cke Fo­daj die­ses Früh­jahr in das Tal mit­ge­bracht hat­te.

»Was?«, em­pör­te sich Pe­ryn­dor. »Das Schrei­ben wur­de erst in die­sem Jahr zu­ge­stellt? Wie­so?«

»Ich weiß es nicht«, ant­wor­te­te Nik­ko. »Fo­daj mein­te nur, es hät­te seit dem Herbst in Ho­ca­tin ge­le­gen. Si­cher­lich war der Händ­ler der Ers­te, der seit­dem wie­der so weit hin­ein ins Tal reis­te.«

»Wie­so Ho­ca­tin?«, wun­der­te sich der alte Zau­be­rer. »Ich hat­te doch… nun, ver­ges­sen wir das. Er­zähl wei­ter.«

Dann er­zähl­te Nik­ko, wie er­regt Tho­ro­dos we­gen des Brie­fes ge­we­sen war und wie sie schon am nächs­ten Mor­gen auf­bra­chen. Wie sie zu sei­ner Über­ra­schung statt nach Skingár über den Pass nach Hy­mal reis­ten und dann von den Mör­dern über­rascht wur­den. Und wie Tho­ro­dos ums Le­ben kam.

»Dann ist es also wahr«, seufz­te Pe­ryn­dor. »Es wa­ren mir schon Gerüch­te zu Ohren ge­kom­men, dass sie Tho­ro­dos er­wi­scht hat­ten. Doch hat­te ich stets noch die Hoff­nung, dass dies nur eine falsche Nach­richt war.«

»Al­ter Narr!«, schüt­tel­te er dann den Kopf. »Von ei­nem Arm­brust­bol­zen er­wi­scht, wo er sich wohl ge­gen alle Zau­ber die­ser Welt ge­schützt hat­te.«

»Was für eine Ver­schwen­dung, was für ein Ver­lust«, sin­nier­te der Alte. »Wie konn­te ein so großer Mann nur so klein en­den? Eine Schan­de!«

»Was ist nur aus mei­nem Or­den ge­wor­den?«, ze­ter­te der Groß­meis­ter und stand dann auf, um sich wild ges­ti­ku­lie­rend in Rage zu re­den. »Eine Schan­de! Eine wahr­li­che Schan­de, einen Groß­meis­ter so zu be­han­deln! Tho­ro­dos, ei­ner der ers­ten Män­ner des Or­dens, einst ei­ner der Höchs­ten im Rat. Erst ver­sto­ßen, nun gar er­mor­det!«

»Be­schrei­be mir den Ma­gier, der da­für ver­ant­wort­lich war!«, be­fahl er und schi­en sich dann et­was zu be­ru­hi­gen, als er wie­der in sei­nen Ses­sel glitt.

»Ich bin ihm ges­tern be­geg­net«, er­klär­te Nik­ko. »Ein Meis­ter… zwei­ten Gra­des, glau­be ich. Sein Name war Xan­thinal oder so ähn­lich.«

»Xan­thúal?«, zisch­te der Alte. »Ich hät­te es wis­sen kön­nen. Ge­nug da­von für jetzt. Er­zähl wei­ter!«

Nik­ko er­zähl­te, wie Xan­thúal und sei­ne Scher­gen dann plötz­lich ver­schwun­den wa­ren und dass sie Tho­ro­dos’ Lei­che mit­ge­nom­men hat­ten. Nur Tho­ro­dos’ Ruck­sack war üb­rig ge­we­sen, den der Jun­ge ja hat­te tra­gen müs­sen. Als Nik­ko vom Blitz­stab und vom Buch er­zähl­te, war der Erz­ma­gier plötz­lich wie­der sehr in­ter­es­siert.

»Das Buch, das Buch! Wo ist es?«, schi­en Pe­ryn­dor ganz er­regt.

»Ich habe es im An­we­sen der von Bregánts ge­las­sen.«

»Wer? Wo?«

»Auf Da­nu­wil von Bregánt kom­me ich spä­ter noch zu spre­chen«, er­läu­ter­te der Jun­ge. »Sein Haus ist in der drit­ten Ebe­ne.«

»Das Buch ist in der Stadt?«, freu­te sich der Alte. »Hast du dem Or­den da­von er­zählt?«

»Nein«, ant­wor­te­te Nik­ko. »Da­rauf ist das Ge­spräch zum Glück nicht ge­kom­men.«

»Aus­ge­zeich­net«, lob­te der Erz­ma­gier mit ei­nem Kopf­ni­cken. »Ich wer­de es mor­gen ho­len las­sen.«

»Es geht aber so­wie­so nicht auf«, warn­te Nik­ko.

»Das wer­den wir ja se­hen«, lach­te der Alte. »Er­zähl mir mehr von die­sem Stab.«

Nik­ko be­schrieb den gu­ten Blitz­stab in al­len Ein­zel­hei­ten und was er da­mit ma­chen konn­te. Wie er ihn da­mals an Stei­nen und Bü­schen aus­pro­bier­te und griff schon auf die Orks in Hy­mal vor.

»Jun­ge, du hat­test wirk­lich kei­ne Ah­nung, was du da in dei­nen Hän­den hiel­test«, lach­te der Erz­ma­gier, um dann wie­der ernst zu wer­den: »Ist der Stab auch in der Stadt?«

»Nein«, gab der Jun­ge zu. »Meis­ter Sinúl hat ihn mir ab­ge­nom­men.«

»Sinúl?«, wun­der­te sich der Alte. »Du warst in Te­rys? Aber war­te! Er­zähl mir dei­ne Ge­schich­te lie­ber in der rich­ti­gen Rei­hen­fol­ge.«

Nik­ko er­zähl­te dann von sei­nem kläg­li­chen Ab­ste­cher nach Hy­mal und von der be­schwer­li­chen Rück­rei­se über den Pass. Wie er krank dar­nie­der­lag und vom Brief an den Fürs­ten. Wie er die­sen in Ho­ca­tin ab­lie­fer­te und dann mit Da­nu­wil zu­rück nach Hy­mal reis­te und dort den Fürs­ten­sohn ret­te­te.

Der Erz­ma­gier un­ter­brach den Jun­gen bei sei­nen Aus­füh­run­gen jetzt nicht ein ein­zi­ges Mal, schi­en aber noch ge­nau zu­zu­hö­ren. So er­zähl­te Nik­ko sei­ne Ge­schich­te wei­ter, bis er dann end­lich auf Te­rys zu spre­chen kam. Er be­rich­te­te, wie ihm der Meis­ter den Stab ab­nahm und dann zum No­vi­zen er­nann­te.

»Sinúl woll­te gar nicht wis­sen, wo du den Stab her hat­test?«, wun­der­te sich der Erz­ma­gier.

»Nein«, be­stä­tig­te Nik­ko. »Ich war so froh, dass ich die­se Fra­ge nicht be­ant­wor­ten muss­te. Sonst hät­te ich ihm ja von Tho­ro­dos er­zäh­len müs­sen!«

»Es wäre bes­ser ge­we­sen, wenn du es ge­tan hät­test«, über­rasch­te Pe­ryn­dor. »Aber viel­leicht ja auch nicht. Sinúl steht zwar auf der rich­ti­gen Sei­te. Aber er ist doch ein ziem­li­cher Feig­ling.«

»Was denn für Sei­ten?«, trau­te sich Nik­ko zu fra­gen.

»Das wirst du er­fah­ren, wenn ich es für rich­tig hal­te«, mau­er­te der Alte. »Er­zähl wei­ter!«

Nik­ko er­zähl­te dann von der Wei­ter­rei­se nach Zun­daj und wie sich durch den Raub in der Step­pe al­les ver­zö­gert hat­te. Er be­rich­te­te von sei­nem Zu­sam­men­tref­fen mit den Zau­be­rern des Or­dens und wie sie ihm Xan­thúal als Lehr­meis­ter auf­drän­gen woll­ten.

»Ich hät­te Euch gleich auf­su­chen sol­len«, schloss Nik­ko sei­nen Be­richt.

»Un­sinn«, kor­ri­gier­te der Erz­ma­gier. »Das wäre ja noch ver­däch­ti­ger ge­we­sen.«

»Es war sehr mu­tig von dir, Xan­thúal als Lehr­meis­ter ab­zu­leh­nen, und viel­leicht so­gar klug«, grins­te der Alte dann. »Aber ist dir ei­gent­lich be­wusst, was du dir da­mit für mäch­ti­ge Fein­de ge­macht hast?«

Nik­ko muss­te ge­wal­tig schlu­cken, als er den Kopf schüt­tel­te. Na­tür­lich hat­te er an so et­was nicht ge­dacht.

»Mach dir kei­ne Sor­gen«, be­ru­hig­te Pe­ryn­dor ihn. »Du bist jetzt mein Lehr­ling und stehst un­ter mei­nem Schutz.«

»Es ist schon spät«, mein­te der alte Zau­be­rer dann. »Geh jetzt schla­fen!«

Es war wohl schon fast Mit­tag, als Nik­ko am nächs­ten Tag er­wach­te. Zwar hat­te das gest­ri­ge Ge­spräch mit Pe­ryn­dor bis in die spä­te Nacht hin­ein ge­dau­ert. Aber den­noch hat­te der Jun­ge noch lan­ge wach im Bett ge­le­gen, be­vor ihn der Schlaf letzt­lich über­mannt hat­te. Zu­viel hat­te es ge­ge­ben, wor­über es nach­zu­den­ken galt. Viel war schließ­lich pas­siert in den letz­ten bei­den Ta­gen. Auch wenn Pe­ryn­dor selbst eher Fra­gen ge­stellt hat­te, als sie zu be­ant­wor­ten, hat­te Nik­ko schon ei­ni­ges er­fah­ren.

Jetzt aber galt es erst ein­mal, den knur­ren­den Ma­gen zu fül­len. Ges­tern Abend hat­te er vor Auf­re­gung schlicht und ein­fach ver­ges­sen, nach ei­nem Mahl zu fra­gen. So ließ er sich von ei­nem Be­diens­te­ten den Weg zur Kü­che wei­sen, denn das An­we­sen des Erz­ma­giers schi­en doch grö­ßer zu sein, als es zu­nächst an­ge­mu­tet hat­te. In der Kü­che an­ge­kom­men, ser­vier­te ihm ein Koch das spä­te Früh­stück, das aus süßem Ge­bäck und Tee be­stand.

Nach­dem für sein leib­li­ches Wohl ge­sorgt war, wuss­te Nik­ko gar nicht so recht, was jetzt ei­gent­lich zu tun war. Schließ­lich hat­te sein neu­er Meis­ter ihm kei­ne wei­te­ren An­wei­sun­gen ge­ge­ben. So blieb ihm nichts an­de­res üb­rig, als ziel­los durch das An­we­sen des Erz­ma­giers zu schlen­dern und zu hof­fen, Pe­ryn­dor zu­fäl­lig über den Weg zu lau­fen. Es war je­doch nicht der alte Zau­be­rer, mit dem er dann fast zu­sam­men­prall­te.

»Da­nu­wil?«, war Nik­ko er­staunt. »Was macht Ihr denn hier?«

»Nik­ko?«, schi­en auch der Ad­li­ge nicht min­der über­rascht und lach­te: »Das könn­te ich Euch eben­so fra­gen!«

»Nun gut«, gab er dann nach. »Ich fan­ge an. Der Erz­ma­gier hat nach dem Prin­zen und mei­ner We­nig­keit schi­cken las­sen. Ich weiß je­doch nicht warum. Der­zeit ist er mit dem Prin­zen im Ge­spräch. Da­nach bin ich wohl an der Rei­he.«

»Fy­dal ist auch hier?«, freu­te sich der Jun­ge. »Aber um Eure Fra­ge zu be­ant­wor­ten, der Groß­meis­ter hat mich als Lehr­ling ak­zep­tiert. Ich woh­ne jetzt so­gar hier.«

»Ihr schafft es im­mer wie­der, mich zu er­stau­nen, jun­ger Zau­be­rer«, war der Edel­mann sicht­lich be­ein­druckt. »Ei­nen so ho­hen Wür­den­trä­ger als Lehr­meis­ter und wohl auch als För­de­rer ge­won­nen zu ha­ben, dürf­te Eu­rer Kar­rie­re im Or­den si­cher­lich gut­tun.«

Nik­ko war sich da gar nicht so si­cher, woll­te aber nicht mit dem Ad­li­gen dar­über re­den. So lä­chel­te er das Kom­pli­ment ein­fach weg.

»Ich habe dem Groß­meis­ter ges­tern mei­ne gan­ze Ge­schich­te er­zählt«, be­rich­te­te der an­ge­hen­de Zau­be­rer dann. »Da­rin kamt Ihr und Fy­dal na­tür­lich vor. Si­cher­lich hat der Meis­ter noch Fra­gen an euch bei­de.«

»Gut mög­lich«, nick­te Da­nu­wil. »Wie dem auch sei, es wird mir eine große Ehre sein, dem Erz­ma­gier der Stadt per­sön­lich ge­gen­über zu ste­hen.«

»Üb­ri­gens«, be­merk­te er dann, »ich habe die­ses di­cke Buch da­bei, das Ihr stets bei Euch ge­tra­gen hat­tet. Selt­sa­mer­wei­se hat­te er auch da­nach ge­schickt.«

»Wenn ich es mir recht über­le­ge«, roll­te er dann die Au­gen, »hät­te ich da­her ei­gent­lich wis­sen kön­nen, dass Ihr hin­ter der Ein­la­dung steckt.«

Nik­ko fand es schon et­was selt­sam, dass der Ad­li­ge ein­fach so das Buch mit­ge­bracht hat­te, ohne zu wis­sen, dass er ihn hier tref­fen wür­de. Er un­ter­ließ es je­doch, Da­nu­wil dar­auf­hin an­zu­spre­chen. Lie­ber freu­te er sich dar­auf, dass der Erz­ma­gier es viel­leicht öff­nen könn­te. Fraß doch schon seit Mo­na­ten die Neu­gier an ihm, was denn in dem di­cken Wäl­zer ge­schrie­ben stand.

»Nik­ko!«, freu­te sich Fy­dal, als er plötz­lich zu den bei­den stieß. »Ich hat­te mir schon fast ge­dacht, dass ich Euch die­se Ein­la­dung ver­dan­ke. Ich war mir je­doch nicht si­cher, Euch hier und heu­te zu tref­fen.«

»Was hat denn der Groß­meis­ter von Euch wis­sen wol­len?«, frag­te der jun­ge Zau­be­rer auf­ge­regt.

»Eine gan­ze Men­ge Ein­zel­hei­ten zur Lage in Hy­mal und Ho­ca­tin«, ant­wor­te­te der Fürs­ten­sohn. »Üb­ri­gens, von Bregánt, der Erz­ma­gier will Euch jetzt spre­chen.«

»Dann soll­te ich ihn nicht war­ten las­sen«, lä­chel­te der Edel­mann. »Wir se­hen uns viel­leicht spä­ter noch.«

»Sagt, Nik­ko«, schi­en der Prinz nun ganz auf­ge­regt. »Habt Ihr mit dem Bot­schaf­ter spre­chen kön­nen?«

»Nein«, muss­te der Jun­ge ihn ent­täu­schen. »Ich war zwar in der Re­si­denz, aber Sei­ne Er­laucht ist dort nie an­ge­kom­men. Ich hat­te den Se­kre­tär ge­be­ten, Euch Nach­richt da­von zu ge­ben. Wahr­schein­lich hat er Euch heu­te Mor­gen ge­ra­de so ver­passt.«

»Ver­flucht«, bell­te Fy­dal. »Das ist ja eine Ka­ta­stro­phe!«

»In der Tat«, pflich­te­te Nik­ko bei. »Der Se­kre­tär mein­te, er kön­ne Euch selbst kaum be­hilf­lich sein. Die Bot­schaft steht na­tür­lich trotz­dem zu Eu­rer Ver­fü­gung.«

»Ver­dammt«, keif­te der Prinz wei­ter. »Wenn der Bot­schaf­ter es nicht hier­her ge­schafft hat, dann wohl auch nicht der Etat!«

»Der Etat?«

»Die jähr­li­che Vi­si­te in Ho­ca­tin dient nicht nur dazu, den Fürs­ten über den Stand der Din­ge im Reich zu in­for­mie­ren«, er­klär­te Fy­dal. »Der Bot­schaf­ter er­hält dann auch den jähr­li­chen Etat der Bot­schaft. Eine gan­ze Kis­te vol­ler Mün­zen!«

»Ich ver­ste­he«, mein­te Nik­ko. »Hat Da­nu­wil Euch denn das Lö­se­geld zu­rück­ge­zahlt oder seid Ihr etwa völ­lig ohne Mit­tel?«

»Er hat nur einen klei­nen Teil ge­zahlt«, ant­wor­te­te der Fürs­ten­sohn. »Ich kann auch kaum auf mehr drän­gen, so­lan­ge er mir hier in Zun­daj Kost und Lo­gis stellt. Aber nein, ich bin nicht völ­lig mit­tel­los.«

»Aber wie soll es nun bloß wei­ter­ge­hen?«, jam­mer­te er. »Wie soll ich je eine Au­di­enz bei Sei­ner Ma­je­stät be­kom­men, wo doch kei­ner für mich spricht?«

»Noch nicht ein­mal für mei­ne Iden­ti­tät kann je­mand bür­gen«, schüt­tel­te er re­si­gnie­rend das Haupt.

»Vi­el­leicht kann der Groß­meis­ter Euch hel­fen«, ver­such­te Nik­ko den Prin­zen zu trös­ten. »Wenn ich ihn erst bes­ser ken­ne, wer­de ich ihn da­nach fra­gen.«

»Vi­el­leicht«, ver­such­te Fy­dal tap­fer zu wir­ken. »Seid aber vor­sich­tig, mein Freund. Die Po­li­tik ist ein Spiel, das Ihr noch lan­ge nicht be­herrscht.«

»Das wer­de ich«, ver­sprach Nik­ko. »Was aber habt Ihr jetzt vor?«

»Ich wer­de die Bot­schaft auf­su­chen und se­hen, was ich dort fin­den kann«, mach­te sich Fy­dal Mut. »Vi­el­leicht fin­det sich dort we­nigs­tens stan­des­ge­mä­ße Klei­dung, wenn ich schon nicht auf eine Rüs­tung hof­fen kann. Aber ir­gen­det­was mit mei­nem Wap­pen dar­auf wür­de für den An­fang schon rei­chen.«

»Wer­det Ihr in der Bot­schaft blei­ben?«

»Mit Si­cher­heit«, lach­te Fy­dal. »Ich wür­de es der­zeit nicht wa­gen, die­se Ebe­ne hier zu ver­las­sen. Wer weiß schon, ob mich die Wa­chen je wie­der so weit nach oben lie­ßen.«

Nik­ko war noch eine gan­ze Wei­le mit dem Prin­zen auf dem An­we­sen des Erz­ma­giers spa­zie­ren ge­we­sen, be­vor der Groß­meis­ter auch Da­nu­wil ent­las­sen hat­te. Die bei­den hat­ten sich dann auf den Weg zur Bot­schaft ge­macht, wäh­rend Nik­ko zu Pe­ryn­dor ge­be­ten wor­den war.

»Ich weiß jetzt, was ich wis­sen woll­te«, mur­mel­te die­ser in ei­nem der vie­len Ar­beits­zim­mer. »Wir se­hen schwe­ren Zei­ten ent­ge­gen, No­vi­ze. Aber dazu spä­ter mehr.«

»Nun will ich dir kurz Ge­le­gen­heit ge­ben, selbst ei­ni­ge Fra­gen zu stel­len«, über­rasch­te der alte Zau­be­rer sei­nen Schü­ler, der schon be­fürch­tet hat­te, sein neu­er Meis­ter wäre eben­so ver­schlos­sen wie einst der alte Tho­ro­dos.

»Wa­rum bin ich der ers­te No­vi­ze nach so lan­ger Zeit?«, war die ers­te Fra­ge, die Nik­ko in den Sinn kam.

»Wa­rum«, seufz­te Pe­ryn­dor. »Das weiß wohl nie­mand so ge­nau. Tat­sa­che ist nur, dass die Zahl der mit der Gabe ge­seg­ne­ten Men­schen seit lan­ger Zeit schon schwin­det. Fast scheint es so, als sei­en wir Zau­be­rer eine aus­ster­ben­de Spe­zi­es.«

»Gut nur, dass die wah­ren Meis­ter auch Her­ren über den Tod sind«, be­kun­de­te er dann kopf­ni­ckend. »Vor al­lem über ih­ren ei­ge­nen.«

»Um auf dei­ne Fra­ge zu­rück­zu­kom­men«, fuhr der Meis­ter dann fort, »nie­mand weiß, warum die Mensch­heit mehr und mehr in Schlaf ver­fällt.«

»Aber hüte bloß dei­ne Zun­ge, Lehr­ling«, mahn­te er dann. »Sol­che In­for­ma­tio­nen sind nicht für Au­ßen­ste­hen­de be­stimmt. Du bist jetzt ein No­vi­ze des Or­dens und zur Ver­schwie­gen­heit ver­pflich­tet!«

Nik­ko nick­te ge­hor­sam und ließ das Ge­sag­te kurz auf sich wir­ken. Was mein­te der Meis­ter nur da­mit, dass die Meis­ter Her­ren über ih­ren Tod sei­en?

»Du ver­dankst die­ser Si­tua­ti­on üb­ri­gens dein Le­ben, No­vi­ze«, ließ der Erz­ma­gier ihm lei­der kei­ne Zeit zu fra­gen. »Hät­ten wir ge­nü­gend Schü­ler, so hät­te Xan­thúal dich si­cher­lich be­sei­ti­gen las­sen. Doch der Or­den braucht fri­sches Blut. Nicht alle Zau­be­rer ver­mö­gen es, den ei­ge­nen Tod zu be­herr­schen. Da­her ha­ben sich un­se­re Rei­hen in den letz­ten Jah­ren und Jahr­zehn­ten be­denk­lich stark ge­lich­tet.«

»Was meint Ihr mit dem Be­herr­schen des To­des?«, nutz­te der neu­gie­ri­ge Lehr­ling die ers­te Pau­se in Pe­ryn­dors Re­de­schwall.

»Da­von re­den wir spä­ter, viel spä­ter«, ent­täusch­te ihn der Meis­ter, um dann doch noch grin­send hin­zu­zu­fü­gen: »So viel sei dir je­doch ver­ra­ten. Ich selbst bin fast acht­hun­dert Jah­re alt und seit Tho­ro­dos’ Tod wohl der äl­tes­te noch le­ben­de Zau­be­rer. We­nigs­tens hier im Nor­den.«

Acht­hun­dert Jah­re, und Tho­ro­dos war gar noch äl­ter ge­we­sen? Nik­ko konn­te da nur noch stau­nen. Mit of­fe­nem Mund und auf­ge­ris­se­nen Au­gen.

»Der Or­den hat al­les un­ter­nom­men, um neue No­vi­zen zu fin­den«, kam der Alte dann wie­der auf sein The­ma zu­rück. »Hängt doch sein Fort­be­ste­hen da­von ab, wenn er nicht über die Jah­re zu ei­ner klei­nen Run­de runz­li­ger Grei­se schrump­fen will, die nur noch da­mit be­schäf­tigt sind, ihr längst ge­leb­tes Le­ben um Jahr und Jahr zu stre­cken.«

»Was ha­ben sie denn un­ter­nom­men?«

»Ge­sucht«, er­klär­te Pe­ryn­dor. »Bis in alle Ecken des Reichs sind Zau­be­rer aus­ge­schwärmt. Du musst wis­sen, dass auch der un­ge­üb­te Lehr­ling mit der Kraft in Wech­sel­wir­kung steht. Ein Ma­gier er­kennt dies. So hat auch Tho­ro­dos einst er­kannt, dass du die Gabe in dir trägst.«

»Viel fri­sches Fleisch hat­ten sie je­doch nicht ge­fun­den«, fuhr der Meis­ter dann fort. »Der Rat war so ver­zwei­felt, dass er mit äu­ßerst knap­per Mehr­heit eine sei­ner dümms­ten Ent­schei­dun­gen traf.«

»Kannst du dir das vor­stel­len?«, wur­de Pe­ryn­dor nun laut. »Sie hat­ten den Or­den tat­säch­lich für Wei­ber ge­öff­net. Was für eine Schan­de!«

Nik­ko war noch gar nicht auf­ge­fal­len, dass es im Or­den nur Män­ner gab. Aber tat­säch­lich, eine Frau war ihm dort nicht be­geg­net. Gab es denn über­haupt Zau­be­rin­nen?

»Ha­ben Frau­en denn nicht die­se… Gabe?«

»Ei­ni­ge viel­leicht«, wink­te der Meis­ter ab und höhn­te dann: »Zur Kräu­ter­he­xe mag es ja rei­chen. Aber ein wah­rer Meis­ter muss doch ein Mann sein. Ein gan­zer Kerl mit Ner­ven aus Stahl!«

»Weißt du, was mit der ers­ten und ein­zi­gen No­vi­zin ge­sche­hen ist?«, lach­te der alte Zau­be­rer genüss­lich. »Sie starb schon am ers­ten Tag ei­nes… un­na­tür­li­chen To­des. Die Sa­che wur­de nie ganz auf­ge­klärt. Zu vie­le Ver­däch­ti­ge. Viel zu vie­le.«

»Kurz da­nach kam der Rat schnell wie­der zur Be­sin­nung«, nick­te er mit größ­ter Ge­nug­tu­ung.

Nik­ko war et­was er­schro­cken, mit wel­chem Ge­nuss der Zau­be­rer den Vor­fall dar­stell­te. Was wäre denn so schlimm dar­an ge­we­sen, eine No­vi­zin aus­zu­bil­den? Dann aber glaub­te er zu ver­ste­hen. Wel­cher Kö­nig oder Edel­mann wür­de schon nach der Pfei­fe ei­ner Meis­te­rin tan­zen wol­len?

»Wa­rum hat­te Tho­ro­dos mich ei­gent­lich nicht aus­ge­bil­det?«, wech­sel­te Nik­ko dann das The­ma.

»Meis­ter Tho­ro­dos, für dich!«, mahn­te Pe­ryn­dor.

Der Lehr­ling schluck­te kurz und nick­te dann brav, was der Meis­ter mit ei­nem Grin­sen quit­tier­te.

»Du bist noch et­was jung«, mein­te er dann. »Die Zau­be­rei ist ein ge­fähr­li­ches Hand­werk, das schon so man­chem über­eif­ri­gen Schü­ler das Le­ben ge­kos­tet hat.«

»Ge­wöhn­lich wa­ren… sind un­se­re No­vi­zen nicht jün­­­­­­