N. Bernhardt
Buch IV: Ein talentierter Schüler
Der Hexer von Hymal
N. Bernhardt
Buch IV: Ein talentierter Schüler
Der Hexer von Hymal
Veröffentlicht im Null Papier Verlag, 2019
3. Auflage, ISBN 978-3-954182-79-4
www.null-papier.de/hymal
null-papier.de/katalog
Inhaltsverzeichnis
Erstes Kapitel: Die erste Lektion
Zweites Kapitel: Die Audienz
Drittes Kapitel: Die zweite Lektion
Viertes Kapitel: Der Marsch des Herzogs
Fünftes Kapitel: Die dritte Lektion
Sechstes Kapitel: Adept Nikko
Siebtes Kapitel: Der Bruch mit dem Orden
Ausblick
Nikkos Ausbildung geht sehr gut voran. Bald schon steht sogar die Prüfung zum Adepten an. Auch erzählt sein neuer Meister viel und gerne, so dass der Junge so einiges erfährt. Doch immer mehr kristallisiert sich der Arkane Orden als Bedrohung heraus. Dann auch noch eine plötzliche Vorladung! Was kann das bloß bedeuten?
Für Fydal und Danuwil entwickelt sich hingegen alles prächtig. Vom König mit neuen Ämtern beschenkt, zieht es die beiden jedoch schon bald in die Ferne. Nikko muss hingegen in Zundaj bleiben. Wird er sie je wiedersehen?
Weitere Informationen zur Reihe und zum Autor finden Sie unter:
hymal.info
Nikko hatte es sich in seinem neuen Heim schon gemütlich gemacht, als ein Bediensteter des Erzmagiers ihn wissen ließ, dass dieser ihn zu sprechen wünsche. Nach ihrem ersten Zusammentreffen einige Stunden zuvor hatte der Alte den angehenden Zauberer zunächst vertröstet und ihm sein Quartier zuweisen lassen. Nikko hatte zwar darauf gebrannt, den Großmeister mit seinen vielen Fragen zu löchern. Aber dennoch war er froh gewesen, zunächst etwas Abstand zu haben. Die nervenaufreibenden Begebenheiten der letzten beiden Tage wollten schließlich erst einmal verarbeitet werden.
Hätte Peryndor nicht bis morgen warten können? Es war schließlich schon spät und Nikko ziemlich müde. Das drohende Gespräch würde sicherlich vielen Stunden dauern, fürchtete der Junge. Aber was konnte er schon machen? Außerdem war er ja auch gespannt, was der Meister mit ihm bereden wollte.
»Setz dich, Novize«, meinte Peryndor, in einem bequemen Polstersessel sitzend, und zeigte auf ein baugleiches Möbel auf der anderen Seite des lodernden Kamins, der die Bibliothek in ein warmes Licht tauchte.
»Wir haben viel zu diskutieren«, bemerkte er, jetzt in eine dunkelblaue Robe gekleidet, und zog kräftig an einer Pfeife. »Wie war noch einmal dein Name?«
»Nikko«, antwortete der Junge kleinlaut.
»Ein schöner Name… für einen Hund«, giftete der Alte. »Wir werden später einen besseren suchen.«
Das konnte ja heiter werden, dachte Nikko bei sich, der seinen Namen eigentlich mochte. Die Aussicht, sich umbenennen zu lassen, behagte ihm gar nicht. Außerdem gab es bestimmt wichtigere Dinge zu erörtern.
»Nun gut, mein Lehrling«, wechselte der Großmeister dann das Thema. »Ich will die ganze Geschichte hören. Vom Anfang bis zum Ende. Und denke ja nicht daran, mich anzulügen!«
Das hatte Nikko auch nicht vor und begann, dem Erzmagier alles zu erzählen. Von seinem Leben in Vyldoro, wo er dem alten Thorodos behilflich war, und vom verschlüsselten Brief, den der dicke Fodaj dieses Frühjahr in das Tal mitgebracht hatte.
»Was?«, empörte sich Peryndor. »Das Schreiben wurde erst in diesem Jahr zugestellt? Wieso?«
»Ich weiß es nicht«, antwortete Nikko. »Fodaj meinte nur, es hätte seit dem Herbst in Hocatin gelegen. Sicherlich war der Händler der Erste, der seitdem wieder so weit hinein ins Tal reiste.«
»Wieso Hocatin?«, wunderte sich der alte Zauberer. »Ich hatte doch… nun, vergessen wir das. Erzähl weiter.«
Dann erzählte Nikko, wie erregt Thorodos wegen des Briefes gewesen war und wie sie schon am nächsten Morgen aufbrachen. Wie sie zu seiner Überraschung statt nach Skingár über den Pass nach Hymal reisten und dann von den Mördern überrascht wurden. Und wie Thorodos ums Leben kam.
»Dann ist es also wahr«, seufzte Peryndor. »Es waren mir schon Gerüchte zu Ohren gekommen, dass sie Thorodos erwischt hatten. Doch hatte ich stets noch die Hoffnung, dass dies nur eine falsche Nachricht war.«
»Alter Narr!«, schüttelte er dann den Kopf. »Von einem Armbrustbolzen erwischt, wo er sich wohl gegen alle Zauber dieser Welt geschützt hatte.«
»Was für eine Verschwendung, was für ein Verlust«, sinnierte der Alte. »Wie konnte ein so großer Mann nur so klein enden? Eine Schande!«
»Was ist nur aus meinem Orden geworden?«, zeterte der Großmeister und stand dann auf, um sich wild gestikulierend in Rage zu reden. »Eine Schande! Eine wahrliche Schande, einen Großmeister so zu behandeln! Thorodos, einer der ersten Männer des Ordens, einst einer der Höchsten im Rat. Erst verstoßen, nun gar ermordet!«
»Beschreibe mir den Magier, der dafür verantwortlich war!«, befahl er und schien sich dann etwas zu beruhigen, als er wieder in seinen Sessel glitt.
»Ich bin ihm gestern begegnet«, erklärte Nikko. »Ein Meister… zweiten Grades, glaube ich. Sein Name war Xanthinal oder so ähnlich.«
»Xanthúal?«, zischte der Alte. »Ich hätte es wissen können. Genug davon für jetzt. Erzähl weiter!«
Nikko erzählte, wie Xanthúal und seine Schergen dann plötzlich verschwunden waren und dass sie Thorodos’ Leiche mitgenommen hatten. Nur Thorodos’ Rucksack war übrig gewesen, den der Junge ja hatte tragen müssen. Als Nikko vom Blitzstab und vom Buch erzählte, war der Erzmagier plötzlich wieder sehr interessiert.
»Das Buch, das Buch! Wo ist es?«, schien Peryndor ganz erregt.
»Ich habe es im Anwesen der von Bregánts gelassen.«
»Wer? Wo?«
»Auf Danuwil von Bregánt komme ich später noch zu sprechen«, erläuterte der Junge. »Sein Haus ist in der dritten Ebene.«
»Das Buch ist in der Stadt?«, freute sich der Alte. »Hast du dem Orden davon erzählt?«
»Nein«, antwortete Nikko. »Darauf ist das Gespräch zum Glück nicht gekommen.«
»Ausgezeichnet«, lobte der Erzmagier mit einem Kopfnicken. »Ich werde es morgen holen lassen.«
»Es geht aber sowieso nicht auf«, warnte Nikko.
»Das werden wir ja sehen«, lachte der Alte. »Erzähl mir mehr von diesem Stab.«
Nikko beschrieb den guten Blitzstab in allen Einzelheiten und was er damit machen konnte. Wie er ihn damals an Steinen und Büschen ausprobierte und griff schon auf die Orks in Hymal vor.
»Junge, du hattest wirklich keine Ahnung, was du da in deinen Händen hieltest«, lachte der Erzmagier, um dann wieder ernst zu werden: »Ist der Stab auch in der Stadt?«
»Nein«, gab der Junge zu. »Meister Sinúl hat ihn mir abgenommen.«
»Sinúl?«, wunderte sich der Alte. »Du warst in Terys? Aber warte! Erzähl mir deine Geschichte lieber in der richtigen Reihenfolge.«
Nikko erzählte dann von seinem kläglichen Abstecher nach Hymal und von der beschwerlichen Rückreise über den Pass. Wie er krank darniederlag und vom Brief an den Fürsten. Wie er diesen in Hocatin ablieferte und dann mit Danuwil zurück nach Hymal reiste und dort den Fürstensohn rettete.
Der Erzmagier unterbrach den Jungen bei seinen Ausführungen jetzt nicht ein einziges Mal, schien aber noch genau zuzuhören. So erzählte Nikko seine Geschichte weiter, bis er dann endlich auf Terys zu sprechen kam. Er berichtete, wie ihm der Meister den Stab abnahm und dann zum Novizen ernannte.
»Sinúl wollte gar nicht wissen, wo du den Stab her hattest?«, wunderte sich der Erzmagier.
»Nein«, bestätigte Nikko. »Ich war so froh, dass ich diese Frage nicht beantworten musste. Sonst hätte ich ihm ja von Thorodos erzählen müssen!«
»Es wäre besser gewesen, wenn du es getan hättest«, überraschte Peryndor. »Aber vielleicht ja auch nicht. Sinúl steht zwar auf der richtigen Seite. Aber er ist doch ein ziemlicher Feigling.«
»Was denn für Seiten?«, traute sich Nikko zu fragen.
»Das wirst du erfahren, wenn ich es für richtig halte«, mauerte der Alte. »Erzähl weiter!«
Nikko erzählte dann von der Weiterreise nach Zundaj und wie sich durch den Raub in der Steppe alles verzögert hatte. Er berichtete von seinem Zusammentreffen mit den Zauberern des Ordens und wie sie ihm Xanthúal als Lehrmeister aufdrängen wollten.
»Ich hätte Euch gleich aufsuchen sollen«, schloss Nikko seinen Bericht.
»Unsinn«, korrigierte der Erzmagier. »Das wäre ja noch verdächtiger gewesen.«
»Es war sehr mutig von dir, Xanthúal als Lehrmeister abzulehnen, und vielleicht sogar klug«, grinste der Alte dann. »Aber ist dir eigentlich bewusst, was du dir damit für mächtige Feinde gemacht hast?«
Nikko musste gewaltig schlucken, als er den Kopf schüttelte. Natürlich hatte er an so etwas nicht gedacht.
»Mach dir keine Sorgen«, beruhigte Peryndor ihn. »Du bist jetzt mein Lehrling und stehst unter meinem Schutz.«
»Es ist schon spät«, meinte der alte Zauberer dann. »Geh jetzt schlafen!«
Es war wohl schon fast Mittag, als Nikko am nächsten Tag erwachte. Zwar hatte das gestrige Gespräch mit Peryndor bis in die späte Nacht hinein gedauert. Aber dennoch hatte der Junge noch lange wach im Bett gelegen, bevor ihn der Schlaf letztlich übermannt hatte. Zuviel hatte es gegeben, worüber es nachzudenken galt. Viel war schließlich passiert in den letzten beiden Tagen. Auch wenn Peryndor selbst eher Fragen gestellt hatte, als sie zu beantworten, hatte Nikko schon einiges erfahren.
Jetzt aber galt es erst einmal, den knurrenden Magen zu füllen. Gestern Abend hatte er vor Aufregung schlicht und einfach vergessen, nach einem Mahl zu fragen. So ließ er sich von einem Bediensteten den Weg zur Küche weisen, denn das Anwesen des Erzmagiers schien doch größer zu sein, als es zunächst angemutet hatte. In der Küche angekommen, servierte ihm ein Koch das späte Frühstück, das aus süßem Gebäck und Tee bestand.
Nachdem für sein leibliches Wohl gesorgt war, wusste Nikko gar nicht so recht, was jetzt eigentlich zu tun war. Schließlich hatte sein neuer Meister ihm keine weiteren Anweisungen gegeben. So blieb ihm nichts anderes übrig, als ziellos durch das Anwesen des Erzmagiers zu schlendern und zu hoffen, Peryndor zufällig über den Weg zu laufen. Es war jedoch nicht der alte Zauberer, mit dem er dann fast zusammenprallte.
»Danuwil?«, war Nikko erstaunt. »Was macht Ihr denn hier?«
»Nikko?«, schien auch der Adlige nicht minder überrascht und lachte: »Das könnte ich Euch ebenso fragen!«
»Nun gut«, gab er dann nach. »Ich fange an. Der Erzmagier hat nach dem Prinzen und meiner Wenigkeit schicken lassen. Ich weiß jedoch nicht warum. Derzeit ist er mit dem Prinzen im Gespräch. Danach bin ich wohl an der Reihe.«
»Fydal ist auch hier?«, freute sich der Junge. »Aber um Eure Frage zu beantworten, der Großmeister hat mich als Lehrling akzeptiert. Ich wohne jetzt sogar hier.«
»Ihr schafft es immer wieder, mich zu erstaunen, junger Zauberer«, war der Edelmann sichtlich beeindruckt. »Einen so hohen Würdenträger als Lehrmeister und wohl auch als Förderer gewonnen zu haben, dürfte Eurer Karriere im Orden sicherlich guttun.«
Nikko war sich da gar nicht so sicher, wollte aber nicht mit dem Adligen darüber reden. So lächelte er das Kompliment einfach weg.
»Ich habe dem Großmeister gestern meine ganze Geschichte erzählt«, berichtete der angehende Zauberer dann. »Darin kamt Ihr und Fydal natürlich vor. Sicherlich hat der Meister noch Fragen an euch beide.«
»Gut möglich«, nickte Danuwil. »Wie dem auch sei, es wird mir eine große Ehre sein, dem Erzmagier der Stadt persönlich gegenüber zu stehen.«
»Übrigens«, bemerkte er dann, »ich habe dieses dicke Buch dabei, das Ihr stets bei Euch getragen hattet. Seltsamerweise hatte er auch danach geschickt.«
»Wenn ich es mir recht überlege«, rollte er dann die Augen, »hätte ich daher eigentlich wissen können, dass Ihr hinter der Einladung steckt.«
Nikko fand es schon etwas seltsam, dass der Adlige einfach so das Buch mitgebracht hatte, ohne zu wissen, dass er ihn hier treffen würde. Er unterließ es jedoch, Danuwil daraufhin anzusprechen. Lieber freute er sich darauf, dass der Erzmagier es vielleicht öffnen könnte. Fraß doch schon seit Monaten die Neugier an ihm, was denn in dem dicken Wälzer geschrieben stand.
»Nikko!«, freute sich Fydal, als er plötzlich zu den beiden stieß. »Ich hatte mir schon fast gedacht, dass ich Euch diese Einladung verdanke. Ich war mir jedoch nicht sicher, Euch hier und heute zu treffen.«
»Was hat denn der Großmeister von Euch wissen wollen?«, fragte der junge Zauberer aufgeregt.
»Eine ganze Menge Einzelheiten zur Lage in Hymal und Hocatin«, antwortete der Fürstensohn. »Übrigens, von Bregánt, der Erzmagier will Euch jetzt sprechen.«
»Dann sollte ich ihn nicht warten lassen«, lächelte der Edelmann. »Wir sehen uns vielleicht später noch.«
»Sagt, Nikko«, schien der Prinz nun ganz aufgeregt. »Habt Ihr mit dem Botschafter sprechen können?«
»Nein«, musste der Junge ihn enttäuschen. »Ich war zwar in der Residenz, aber Seine Erlaucht ist dort nie angekommen. Ich hatte den Sekretär gebeten, Euch Nachricht davon zu geben. Wahrscheinlich hat er Euch heute Morgen gerade so verpasst.«
»Verflucht«, bellte Fydal. »Das ist ja eine Katastrophe!«
»In der Tat«, pflichtete Nikko bei. »Der Sekretär meinte, er könne Euch selbst kaum behilflich sein. Die Botschaft steht natürlich trotzdem zu Eurer Verfügung.«
»Verdammt«, keifte der Prinz weiter. »Wenn der Botschafter es nicht hierher geschafft hat, dann wohl auch nicht der Etat!«
»Der Etat?«
»Die jährliche Visite in Hocatin dient nicht nur dazu, den Fürsten über den Stand der Dinge im Reich zu informieren«, erklärte Fydal. »Der Botschafter erhält dann auch den jährlichen Etat der Botschaft. Eine ganze Kiste voller Münzen!«
»Ich verstehe«, meinte Nikko. »Hat Danuwil Euch denn das Lösegeld zurückgezahlt oder seid Ihr etwa völlig ohne Mittel?«
»Er hat nur einen kleinen Teil gezahlt«, antwortete der Fürstensohn. »Ich kann auch kaum auf mehr drängen, solange er mir hier in Zundaj Kost und Logis stellt. Aber nein, ich bin nicht völlig mittellos.«
»Aber wie soll es nun bloß weitergehen?«, jammerte er. »Wie soll ich je eine Audienz bei Seiner Majestät bekommen, wo doch keiner für mich spricht?«
»Noch nicht einmal für meine Identität kann jemand bürgen«, schüttelte er resignierend das Haupt.
»Vielleicht kann der Großmeister Euch helfen«, versuchte Nikko den Prinzen zu trösten. »Wenn ich ihn erst besser kenne, werde ich ihn danach fragen.«
»Vielleicht«, versuchte Fydal tapfer zu wirken. »Seid aber vorsichtig, mein Freund. Die Politik ist ein Spiel, das Ihr noch lange nicht beherrscht.«
»Das werde ich«, versprach Nikko. »Was aber habt Ihr jetzt vor?«
»Ich werde die Botschaft aufsuchen und sehen, was ich dort finden kann«, machte sich Fydal Mut. »Vielleicht findet sich dort wenigstens standesgemäße Kleidung, wenn ich schon nicht auf eine Rüstung hoffen kann. Aber irgendetwas mit meinem Wappen darauf würde für den Anfang schon reichen.«
»Werdet Ihr in der Botschaft bleiben?«
»Mit Sicherheit«, lachte Fydal. »Ich würde es derzeit nicht wagen, diese Ebene hier zu verlassen. Wer weiß schon, ob mich die Wachen je wieder so weit nach oben ließen.«
Nikko war noch eine ganze Weile mit dem Prinzen auf dem Anwesen des Erzmagiers spazieren gewesen, bevor der Großmeister auch Danuwil entlassen hatte. Die beiden hatten sich dann auf den Weg zur Botschaft gemacht, während Nikko zu Peryndor gebeten worden war.
»Ich weiß jetzt, was ich wissen wollte«, murmelte dieser in einem der vielen Arbeitszimmer. »Wir sehen schweren Zeiten entgegen, Novize. Aber dazu später mehr.«
»Nun will ich dir kurz Gelegenheit geben, selbst einige Fragen zu stellen«, überraschte der alte Zauberer seinen Schüler, der schon befürchtet hatte, sein neuer Meister wäre ebenso verschlossen wie einst der alte Thorodos.
»Warum bin ich der erste Novize nach so langer Zeit?«, war die erste Frage, die Nikko in den Sinn kam.
»Warum«, seufzte Peryndor. »Das weiß wohl niemand so genau. Tatsache ist nur, dass die Zahl der mit der Gabe gesegneten Menschen seit langer Zeit schon schwindet. Fast scheint es so, als seien wir Zauberer eine aussterbende Spezies.«
»Gut nur, dass die wahren Meister auch Herren über den Tod sind«, bekundete er dann kopfnickend. »Vor allem über ihren eigenen.«
»Um auf deine Frage zurückzukommen«, fuhr der Meister dann fort, »niemand weiß, warum die Menschheit mehr und mehr in Schlaf verfällt.«
»Aber hüte bloß deine Zunge, Lehrling«, mahnte er dann. »Solche Informationen sind nicht für Außenstehende bestimmt. Du bist jetzt ein Novize des Ordens und zur Verschwiegenheit verpflichtet!«
Nikko nickte gehorsam und ließ das Gesagte kurz auf sich wirken. Was meinte der Meister nur damit, dass die Meister Herren über ihren Tod seien?
»Du verdankst dieser Situation übrigens dein Leben, Novize«, ließ der Erzmagier ihm leider keine Zeit zu fragen. »Hätten wir genügend Schüler, so hätte Xanthúal dich sicherlich beseitigen lassen. Doch der Orden braucht frisches Blut. Nicht alle Zauberer vermögen es, den eigenen Tod zu beherrschen. Daher haben sich unsere Reihen in den letzten Jahren und Jahrzehnten bedenklich stark gelichtet.«
»Was meint Ihr mit dem Beherrschen des Todes?«, nutzte der neugierige Lehrling die erste Pause in Peryndors Redeschwall.
»Davon reden wir später, viel später«, enttäuschte ihn der Meister, um dann doch noch grinsend hinzuzufügen: »So viel sei dir jedoch verraten. Ich selbst bin fast achthundert Jahre alt und seit Thorodos’ Tod wohl der älteste noch lebende Zauberer. Wenigstens hier im Norden.«
Achthundert Jahre, und Thorodos war gar noch älter gewesen? Nikko konnte da nur noch staunen. Mit offenem Mund und aufgerissenen Augen.
»Der Orden hat alles unternommen, um neue Novizen zu finden«, kam der Alte dann wieder auf sein Thema zurück. »Hängt doch sein Fortbestehen davon ab, wenn er nicht über die Jahre zu einer kleinen Runde runzliger Greise schrumpfen will, die nur noch damit beschäftigt sind, ihr längst gelebtes Leben um Jahr und Jahr zu strecken.«
»Was haben sie denn unternommen?«
»Gesucht«, erklärte Peryndor. »Bis in alle Ecken des Reichs sind Zauberer ausgeschwärmt. Du musst wissen, dass auch der ungeübte Lehrling mit der Kraft in Wechselwirkung steht. Ein Magier erkennt dies. So hat auch Thorodos einst erkannt, dass du die Gabe in dir trägst.«
»Viel frisches Fleisch hatten sie jedoch nicht gefunden«, fuhr der Meister dann fort. »Der Rat war so verzweifelt, dass er mit äußerst knapper Mehrheit eine seiner dümmsten Entscheidungen traf.«
»Kannst du dir das vorstellen?«, wurde Peryndor nun laut. »Sie hatten den Orden tatsächlich für Weiber geöffnet. Was für eine Schande!«
Nikko war noch gar nicht aufgefallen, dass es im Orden nur Männer gab. Aber tatsächlich, eine Frau war ihm dort nicht begegnet. Gab es denn überhaupt Zauberinnen?
»Haben Frauen denn nicht diese… Gabe?«
»Einige vielleicht«, winkte der Meister ab und höhnte dann: »Zur Kräuterhexe mag es ja reichen. Aber ein wahrer Meister muss doch ein Mann sein. Ein ganzer Kerl mit Nerven aus Stahl!«
»Weißt du, was mit der ersten und einzigen Novizin geschehen ist?«, lachte der alte Zauberer genüsslich. »Sie starb schon am ersten Tag eines… unnatürlichen Todes. Die Sache wurde nie ganz aufgeklärt. Zu viele Verdächtige. Viel zu viele.«
»Kurz danach kam der Rat schnell wieder zur Besinnung«, nickte er mit größter Genugtuung.
Nikko war etwas erschrocken, mit welchem Genuss der Zauberer den Vorfall darstellte. Was wäre denn so schlimm daran gewesen, eine Novizin auszubilden? Dann aber glaubte er zu verstehen. Welcher König oder Edelmann würde schon nach der Pfeife einer Meisterin tanzen wollen?
»Warum hatte Thorodos mich eigentlich nicht ausgebildet?«, wechselte Nikko dann das Thema.
»Meister Thorodos, für dich!«, mahnte Peryndor.
Der Lehrling schluckte kurz und nickte dann brav, was der Meister mit einem Grinsen quittierte.
»Du bist noch etwas jung«, meinte er dann. »Die Zauberei ist ein gefährliches Handwerk, das schon so manchem übereifrigen Schüler das Leben gekostet hat.«
»Gewöhnlich waren… sind unsere Novizen nicht jün