Stylist in Gefahr
Kosmos
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© 2013 Franckh-Kosmos Verlags-GmbH & Co. KG, Stuttgart
Alle Rechte vorbehalten
ISBN: 978-3-440-13828-1
Satz: DOPPELPUNKT, Stuttgart
eBook-Konvertierung: le-tex publishing services GmbH, Leipzig
Danke, liebe Claudia, für die inspirierende Rolltreppengeschichte!
Trauer zur Happy Hour
»Ich hasse sie!« Marie starrte auf die Glasplatte mit den quietschbunten Cake-Pops, die die Bedienung vom Café Lomo an ihren Tisch in der Sofaecke gebracht hatte. Sie pflückte einen der kugelrunden Minikuchen vom Holzstiel und biss hinein. »Lecker«, nuschelte sie. Sie kaute nachdenklich und schluckte. »Ich hasse sie einfach«, wiederholte Marie und legte das angebissene Stück auf ihren Teller.
»Ja, was denn nun?«, fragte Kim. »Magst du das Zeug nun oder nicht?« Sie wählte zielsicher eine mit rosa Glasur überzogene Kugel aus. »Also, ich liebe es!« Genüsslich ließ Kim das süße Gebäck im Mund kreisen.
»Wenn du pünktlich gekommen wärst, hätten wir zusammen bestellen können.« Franzi warf ihrer Freundin einen vorwurfsvollen Blick zu. »Wir konnten ja nicht ahnen, dass dir Cake-Pops nicht schmecken!« Sie ließ ihre Hand über einem mintgrünen Creme-Ball und einem Mini-Gugelhupf hin- und herwandern. »Aber wir bekommen sie zum Happy-Hour-Preis, weil Freitagnachmittag ist. Und ich finde sie sehr lecker!«
Marie schüttelte heftig den Kopf. »Nein … ich meine ja! Die schmecken wirklich großartig«, beeilte sie sich zu sagen. »Ich meinte Lina.« Maries Augen schienen vor Wut Funken zu sprühen. Sie strich sich eine blonde Haarsträhne aus dem Gesicht und nahm einen kräftigen Schluck von ihrem Kakao Spezial. Die warme Schokolade mit Vanillearoma und viel Milchschaum rann Maries Kehle hinab und wirkte wohltuend beruhigend. Nicht umsonst war sie das absolute Lieblingsgetränk der drei !!! hier in ihrem Lieblingscafé.
Als Marie die Tasse schwungvoll auf dem Tisch abstellte, klirrte es gefährlich. »Ich hasse Lina einfach!«, knurrte sie.
»Oh. Deine Stiefschwester.« Franzi schubste das grüne Kuchenstück auf ihren Teller. Sie sah Marie an. »Was ist denn jetzt wieder passiert? Hat sie heimlich deinen Lieblingspullover genommen? Badeöl? Zeitschriften, CDs oder dein Glätteisen?«
»Das hat sie doch schon vor zwei Wochen kaputt gemacht«, murmelte Marie. Sie ließ die Schultern hängen. Plötzlich musste sie an ihre Mutter denken. Alles wäre anders, wenn sie noch leben würde. Doch Anne Grevenbroich war gestorben, als Marie noch ganz klein war. So viele Jahre waren seit ihrem Tod vergangen – und immer noch vermisste Marie sie schrecklich. Ihre Augen brannten. Zwar erfüllte Maries Vater ihr jeden Wunsch und verwöhnte sie sehr, aber als erfolgreicher und viel beschäftigter Fernsehschauspieler war er leider oft nicht zu Hause. Zudem hatte Helmut Grevenbroich vor einiger Zeit eine neue Frau kennengelernt: Tessa Beckmann. Mit ihr und ihrer 12-jährigen Tochter Lina lebten sie jetzt zusammen in einer Villa im Ostviertel. So gut Marie mit Tessa zurechtkam, so schlecht war das Verhältnis zu deren Tochter. Marie drehte den Opalring an ihrem rechten Ringfinger. Wenn ihre Mutter doch noch leben würde!
Kim und Franzi rückten näher an Marie heran. Kim legte den Arm um sie. »Erzähl!«
»Es ist total nett, dass ihr euch immer wieder den Mist anhört, den ich mit Lina erlebe.« Marie putzte sich die Nase mit der Serviette. »Die macht mich echt fertig.«
Franzi zwinkerte Marie aufmunternd zu. »Vergiss nicht: Wir sind die erfolgreichen drei !!!. Wir haben gemeinsam weit über dreißig Kriminalfälle gelöst. Wir haben gefährliche Erpresser, dreiste Diebe, fiese Bankräuber und Verbrecher aller Arten dingfest gemacht. Da wirst du doch mit einer kleinen 12-jährigen Nervtussi fertigwerden!« Franzi ließ den Creme-Ball in ihrem Mund verschwinden.
Jetzt lächelte Marie wieder. »Ihr seid die Besten. Ich weiß nicht, was ich ohne euch machen würde.«
»Wacheinlich in Deprechionen fafalln«, nuschelte Franzi mit vollen Backen.
Marie zwinkerte ihr zu. »Da könntest du recht haben.«
Franzi schluckte und leckte sich einen mintgrünen Klecks von der Lippe. »Aber jetzt im Ernst. Erzähl, was ist passiert?«
»Sie hat sich an den Masken vergriffen!«
Kim und Franzi brauchten einen kurzen Moment, um zu verstehen. Dann fragte Franzi: »Du meinst die drei Karnevalsmasken, die du in dem kleinen Laden bei der netten Dame gekauft hast?«
»Während unseres Falls in Venedig«, ergänzte Kim.
»Genau. Vorhin, als ich aus der Schule kam, hatte sie die Teile einfach aus meinem Schrank genommen und für eine Schattentheater-Probe mit Carla verwendet.«
»Sie hat was damit gemacht?«, wollte Franzi irritiert wissen.
»Linas Theater-AG an der Schule führt Edgar Allan Poes Die Maske des Roten Todes auf. Und zwar als Schattentheater«, erklärte Marie. »Da wird ein weißes Tuch als Leinwand zwischen Bühne und Zuschauer gespannt. Hinter dem Tuch befinden sich die Schauspieler und eine Lampe. Sie strahlt so auf die Personen, dass ihre Schatten auf die Leinwand geworfen werden. Von vorne sehen die Zuschauer dann nur die schwarzen Silhouetten.«
Franzi schüttelte den Kopf. »Was für ein Aufwand. Wer kommt denn auf so eine Idee?«
Marie lächelte. »Es ist gar nicht so aufwendig, wie es klingt. Und die Licht- und Schatten-Effekte sind toll. Lina hat die Vogelmaske so geschickt vor die Lampe gehalten, dass der Schatten ganz unheimlich verzerrt war. Alles hängt vom Einfallswinkel des Lichts ab. Die Augenhöhlen waren riesig und der Schnabel so lang wie ein Samurai-Schwert. Es war eine supergruselige Darstellung der Figur des Roten Todes. Dazu muss gar nicht viel gesprochen werden. Das ist wie eine eigene Sprache …« Marie hielt plötzlich inne und schüttelte entsetzt den Kopf. »Jetzt erzähle ich auch noch, wie toll Lina das alles gemacht hat. Ich fasse es nicht!«
Kim klopfte ihr auf die Schulter. »Du spielst schließlich selbst Theater. Ich finde es ganz normal, dass du dich für solche Inszenierungen interessierst.«
»Das denke ich auch«, stimmte Franzi zu. »Und es bedeutet ja nicht gleich, dass du deswegen alles toll findest, was Lina macht.«
Marie nickte heftig. »Allerdings! Im Übrigen kann sie machen, was sie will. Sie soll sich nur keine Sachen mehr von mir nehmen! Und wenn, dann soll sie gefälligst vorher fragen.«
»Klar«, sagte Kim. »Ich fürchte nur, dass du dich vielleicht etwas umgewöhnen musst.«
»Wie meinst du das?«, fragte Marie.
Kim zog den Mini-Gugelhupf vom Stiel. Sie hielt ihn unschlüssig in der Hand. »Es gibt eben immer wieder Streitigkeiten, wenn man Geschwister hat. Du bist das nur noch nicht gewohnt, weil du 14 Jahre lang Einzelkind warst.« Kim legte den Kuchen auf dem Teller vor sich ab.
»Was ich auch liebend gern geblieben wäre«, brummelte Marie.
Kim seufzte. »Du musst dir einfach gewisse Reflexe antrainieren.« Beiläufig drängte sie Franzis Hand beiseite, die nach ihrem Kuchenstück angelte. »Du musst immer auf der Hut sein.« Mit einer einzigen geschmeidigen Bewegung klopfte Kim Franzi nochmals auf die Finger der Hand, mit der sie den Teller jetzt zu sich hergezogen hatte, schnappte sich den Kuchen und ließ ihn blitzschnell in ihrem Mund verschwinden. Sie kaute und schluckte zufrieden. »Du musst sofort reagieren, wenn dir jemand etwas wegnehmen will«, murmelte sie. »Ihn davon abhalten und – ganz wichtig – dich deutlich wehren.«
»Autsch!« Franzi krümmte sich, weil sich zeitgleich Kims Daumen in ihre Rippen bohrten.
Kim lächelte lieb. »Nicht wahr, Franzi?«
»Korrekt«, keuchte Franzi und hielt sich die Seiten. Sie strahlte Kim an. »Respekt! Man merkt, dass du zwei kleine und scheinbar extrem schnelle Zwillingsbrüder als Trainingspartner hast.«
Kim seufzte. »Leider richtig.«
Marie sah ihre Freundinnen ungläubig an. »Läuft das bei euch zu Hause immer so ab?«
»Nicht immer«, antwortete Kim. »Aber immer öfter. Die beiden sind echt eine Plage!«
Marie nickte mitfühlend. Dann sah sie Franzi an. »Ist es mit älteren Geschwistern denn besser?«
»Ich weiß nicht. Es ist eben anders. Ich musste mich, als ich klein war, ganz schön gegen Stefan und Chrissie behaupten. Sie waren immer schneller, stärker und schlauer als ich. Das war gar nicht lustig, sage ich euch.« Franzi zupfte an einem ihrer kurzen roten Zöpfe. »Aber zum Glück gibt sich das mit der Zeit. Mit Stefan verstehe ich mich mittlerweile super. Nur mit Chrissie ist es manchmal schwierig. Sie ist eine ganz schöne Zicke. Sie hält sich immer noch für schneller, stärker und schlauer. Aber das ist sie nicht mehr! Neulich wollte sie ihrem Freund zeigen, wie gut sie mit Pferden umgehen kann – obwohl sie seit fünf Jahren keines auch nur aus der Nähe gesehen hat. Sie hat Tinka im Hof angebunden und wollte sie striegeln. Mein schlaues Pony hat den schlampigen Knoten vom Führstrick innerhalb von zwei Sekunden aufgezogen und sich aus dem Staub gemacht. Da war was los, sage ich euch.«
Kim sah erschrocken drein. »Ist etwas passiert?«
»Nein, nein.« Franzi lachte. »Tinka ist direkt hinter das Haus gelaufen und hat ihren Kopf durch das Fenster zu meinem Zimmer reingestreckt. Sie hat darauf gewartet, dass ich sie holen komme und sie wieder in ihren Stall bringe.«
Marie lächelte. »Bestimmt hat Chrissie beinahe einen Herzinfarkt gekriegt.«
»Allerdings!« Franzi nickte zufrieden. »Sie hat gedacht, dass Tinka auf die Straße läuft. Dann hat sie einen Heulkrampf bekommen. Ihr Freund fand die Aktion auch nicht besonders cool. Tja.«
Ein schadenfrohes Lächeln stahl sich auf Kims Lippen. »Manchmal strafen sich meine lieben kleinen Brüder auch selbst.« Sie nahm sich den vorletzten Cake-Pop von der Platte. »Ihre fast nagelneuen Rennräder liegen jedenfalls seit gestern auf dem Grund des Goldfischteichs im Schillerpark!«
»Wie ist das denn passiert?«, wollte Franzi wissen.
»Ein ›kleiner Unfall beim Schanzenspringen über natürliche Hindernisse‹, wie Lukas es nannte.« Kim zog die Kuchenkugel vom Stick und nahm einen Bissen. Sie schluckte. »Oder, wie Ben sagt: Sie haben einen ›kleinen Kunstfehler‹ beim Todessprung gemacht, den sie vom Steg aus übers Wasser ans andere Ufer vollführen wollten.«
Franzi schüttelte den Kopf. »Aber da reicht der Anlauf doch niemals aus!«
»Richtig«, sagte Kim. »Das wissen sie jetzt auch.«
Marie und Franzi prusteten los.
Kim zuckte mit den Schultern. »Ich bin froh, dass den beiden nichts Ernsthaftes passiert ist. Zum Glück können sie schwimmen – im Gegensatz zu ihren beiden Fahrrädern. Dass sie die nun los sind, finde ich richtig gut.«
»Ach, Mädels. Jungs sind so doof!« Marie warf ihr Haar nach hinten und zwinkerte. »Zumindest alle, die jünger als ungefähr sechzehn sind.«
Franzi grinste. »Da hat Holger ja Glück gehabt.« Sie spielte auf Maries sechzehnjährigen Ex-Freund an, den sie vor langer Zeit bei einem ihrer Fälle kennengelernt hatte. Die Beziehung war zwar in die Brüche gegangen, weil Marie damals gefunden hatte, dass sie einfach zu weit auseinander wohnten und sich deshalb nicht oft genug sehen konnten. In letzter Zeit jedoch war es wieder zu einer Annäherung gekommen: Die beiden gingen ab und zu ins Kino, machten Mountainbike-Touren oder sahen sich Musicals an. Marie genoss das Beisammensein mit dem witzigen und gut aussehenden Jungen sehr – und dass sie sich nicht so oft sehen konnten, machte ihr jetzt gar nichts mehr aus. Im Gegenteil. So blieb immer genügend Zeit für harmlose (aber spannende) Flirts mit anderen Jungen. Marie wollte schließlich nicht aus der Übung kommen …
Franzis Stimme holte sie aus ihren Gedanken: »Seid ihr denn wieder zusammen?«
Marie schüttelte den Kopf. »Nein! Holger und ich sind einfach Freunde. Richtig gute Freunde. Verstehst du?«
Franzi grinste. »Echt? Ist da wirklich nicht mehr?«
»Wenn ich es dir doch sage!« Marie schnipste einen Krümel von ihrer Jeans.
»Ich kann das sehr gut verstehen«, sagte Kim. »Bei Michi und mir ist auch alles bestens, seit wir unseren Freundschaftspakt geschlossen haben.«
»Siehst du!« Marie sah Franzi triumphierend an.
Kim hatte lange gebraucht, um über die Trennung von Michi, ihrer großen Liebe, hinwegzukommen. Lange Zeit waren die beiden ein Traumpaar gewesen. Dann hatten sich ihre Interessen zu weit auseinanderentwickelt und Kim hatte sich getrennt. Marie erinnerte sich an die harten Monate, in denen sie ihre Freundin immer wieder hatte trösten müssen. Das war zum Glück jetzt vorbei.
Daran schien Franzi auch gerade zu denken. Sie sah zwischen Kim und Marie hin und her. »Ich bin wirklich froh, dass ihr beiden jetzt zufrieden seid, so wie es ist.«
Kim lächelte. Sie strubbelte sich durch die kurzen dunkelbraunen Haare. »Und ich finde es toll, dass du dich wieder mit Felipe versöhnt hast.«
Franzis Augen begannen zu leuchten. »Oh ja!« Sie strich verträumt über ein schmales geflochtenes Lederband mit einem ovalen Anhänger aus Rosenquarz an ihrem linken Handgelenk.
»Schön, dass du es wieder trägst«, sagte Marie.
Erst vor Kurzem hatte Franzi das Freundschaftsband nach einem Streit mit Felipe abgelegt. Der süße Halbmexikaner war ein ausgesprochen gefühlvoller Junge – das zeigte sich allerdings auch in vielen Eifersuchtsattacken, mit denen er sich und Franzi das Leben schwer machte. Dabei hatte Franzi doch nur Augen für ihren Freund! Vor einigen Wochen war Felipe total ausgeflippt, weil sie sich mit einem netten Jungen unterhalten hatte. Sascha war Stallbursche bei einer Company, die Pferdeshows aufführte, und hatte den drei !!! bei einem Fall geholfen. Er war genau so pferdeverliebt wie Franzi. Da war es doch ganz klar, dass die beiden sich gut verstanden hatten, fand Marie. Felipes Gefühlsausbruch dagegen erschien ihr mehr als merkwürdig. Franzi hatte das wohl auch so empfunden. Sie war dieses Mal so wütend auf Felipe gewesen, dass sie ihm das Armband zurückgegeben hatte und es nie wieder anlegen wollte. Nach einer herzzerreißenden Versöhnung trug sie es jetzt aber doch wieder.
»Ich sehe ein großes Leuchten!«, rief Franzi plötzlich.
Marie sah ihre Freundin fasziniert an. Sie hatte die Augen geschlossen und strich sanft über den Rosenquarz. »Alles ist ganz hell und bunt und strahlt. Und mittendrin steht Felipe.« Ein seliges Lächeln umspielte Franzis Lippen.
Kim verdrehte die Augen und lachte. »Du glaubst doch nicht wirklich an diesen Zauber?«
Franzi hatte erzählt, dass Felipes Großmutter die beiden Armbänder magisch besprochen hatte. Wenn Felipe und sie gleichzeitig aneinander dachten, die Edelsteine berührten und die Augen schlossen, würden sie sich gegenseitig sehen können. Kim war natürlich skeptisch, Marie jedoch fand die Vorstellung mehr als romantisch. Eben einfach: magisch!
»Es funktioniert, glaub mir«, murmelte Franzi. »Ich sehe Felipe ganz genau. Er hat die Augen geschlossen und …«
»Hoffentlich kommt das bunte Leuchten dann nicht von einem seiner Feuerwerke«, unterbrach Kim sie. »Da sollte er besser die Augen offen halten. Unfälle hat es ja schon oft genug gegeben.«
Marie musste grinsen. Felipe experimentierte in seiner Freizeit mit Feuerwerk, um die Zaubershow seines Onkels Miguel mit Lichteffekten zu untermalen. Kims Ex-Freund Michi hatte ihn darauf gebracht und unterstützte ihn, sooft es seine Zeit zuließ. Allerdings gab es immer wieder Pannen mit explodierenden bengalischen Lichtern oder außer Kontrolle geratenen Sonnenrädern. Beide Jungen hatten inzwischen einige kleinere Brandnarben aufzuweisen.
Franzi öffnete die Augen und sah Kim empört an. »Du bist gemein. Jetzt ist er natürlich weg. Du hast die magische Stimmung zerstört!«
Kim schüttelte den Kopf. »Früher hast du diesen übersinnlichen Quatsch nicht geglaubt.«
»Liebeszauber ist eine Ausnahme!« Franzi machte ein trotziges Gesicht.
»Vielleicht sollte ich auch mal wieder einen ausprobieren«, sagte Marie. Sie wickelte eine Haarsträhne um ihren Finger. »Kleiner Scherz«, beeilte sie sich zu sagen, als sie die verwunderten Blicke ihrer Freundinnen bemerkte. »Ich bin vollauf zufrieden, so wie es jetzt ist. Ich will mich nicht festlegen. Das Flirten macht gerade viel zu großen Spaß. Mit Holger und …«
Die Melodie der Vorstadtwache ertönte. Franzi nahm ihr Handy vom Tisch. »Das ist Felipe«, sagte sie und nahm das Gespräch an. Kim und Marie lehnten sich in die weichen Sofakissen zurück. »Ja, ich bin im Café Lomo.« Franzi warf ihren Freundinnen einen bedeutungsvollen Blick zu. »Ich habe auch an dich gedacht! Was sagst du? Du bist gerade im Proberaum bei Mago und bereitest das Feuerwerk für die nächste Show vor?«
Kim zog eine Augenbraue hoch.
»Felipe, ich habe dich auch gesehen! Da war ein buntes Leuchten um dich herum!« Franzi nickte eifrig. »Genau, wahrscheinlich die Feuerfontänen. Wahnsinn, es funktioniert.« Sie wandte sich kurz zu ihren Freundinnen und flüsterte: »Seht ihr!« Dann sprach sie wieder in ihr Handy. »Bis Sonntag dann. Ja, ich dich auch. Un besito!« Franzi legte das Handy auf den Tisch zurück. »Da habt ihr den Beweis: Felipe hat mich gerade hier im Lomo gesehen, als er mit geschlossenen Augen den Rosenquarz berührt hat!«
Marie nickte mit offen stehendem Mund.
Kim schüttelte bedächtig den Kopf. »Das funktioniert doch ganz ohne Zauber. Ihr seid verliebt, ihr denkt immer wieder aneinander. Felipe weiß doch genau, dass wir uns freitags nach der Schule meistens hier im Lomo treffen. Und du weißt, dass er jede freie Minute mit seinem Feuerwerk verbringt. Es ist doch logisch, dass ihr euch in eurer Fantasie genau vorstellen könnt, wo der andere gerade ist.«
»Nein.« Franzi schüttelte den Kopf. »So einfach ist das nicht. Freitags muss Felipe normalerweise seiner Mutter im Restaurant helfen. Aber ich habe ihn im Proberaum gesehen – da, wo er heute wirklich war.«
»OHA!« Maries spitzer Ausruf unterbrach Franzis Erklärung. »Schon zehn vor vier! Entschuldigt bitte, aber ich muss los.« Marie sprang auf und raffte ihre Jacke, ihr Halstuch und die Schultertasche zusammen. »Giovanni wartet!« Hektisch zerrte sie am Tuch, dessen Fransen sich am Taschenverschluss verheddert hatten. Franzi und Kim sahen sich erstaunt an.
»Ähm«, machte Kim. »Klar. Giovanni.«
Franzi legte den Kopf schief und sah zu Marie hoch. »Ein neuer Verehrer?«
Marie bekam das Fransentuch frei und warf es sich um den Hals. »Kein Kommentar!«, stellte sie grinsend fest. Sie blickte über Kim und Franzi hinweg in den Spiegel, der über dem Sofa an der Wand hing: Ihr kornblumenblaues Strickshirt über der Röhrenjeans saß wie angegossen, die Farbe betonte ihre großen blauen Augen, und das weiße Fransentuch lag dekorativ über ihren Schultern. Zarte eingewobene silberne Fäden reflektierten das Licht der Wandlampen. Marie lächelte zufrieden ihr Spiegelbild an. Dann sah sie ihre Freundinnen an. »Könnt ihr euch wirklich nicht erinnern? Es ist kaum zu glauben, dass ihr Detektivinnen seid. Ich habe den Namen Giovanni doch schon oft erwähnt!«
Kim schlug sich die Hand vor die Stirn. »Jetzt fällt es mir ein.«
Franzi sah immer noch verständnislos drein.
»Dein Friseur!«, rief Kim.
Marie hob eine Hand mit gestrecktem Daumen. »Genau! Mein Hairstylist Giovanni di Specchio!«
Franzi deutete ein Gähnen an. »Och, wie langweilig. Und ich dachte schon …«
Marie winkte ungeduldig ab. »Ich muss jetzt wirklich los. Ich habe gleich einen Termin bei Giovanni-Schätzchen. Mein Pony muss dringend geschnitten werden und neue Strähnchen brauche ich auch.«
»Na dann, viel Spaß.« Es war Franzi deutlich anzumerken, dass sie das Thema nicht besonders interessierte.
»Lasst uns am Wochenende telefonieren«, sagte Marie. »Wir müssen noch ausmachen, wann wir endlich unser Detektivbüro aufräumen.«
Die drei !!! hatten sich im Schuppen neben dem Haus von Franzis Familie ein professionelles Büro eingerichtet. Ihre umfangreiche Ausrüstung mit Spurensicherungs-Set, Peilsender, Richtmikrofon und vielen anderen Dingen, die sie sich im Lauf der Zeit angeschafft hatten, befand sich dort. Außerdem gab es eine gemütliche Sitzecke und eine alte Kutsche, in der sie bei heruntergezogenem Verdeck geheime Besprechungen abhalten konnten.
Franzi nickte. »Ja, das machen wir.«
»Gut. Tausend Dank noch mal fürs Zuhören vorhin!« Marie umarmte erst Kim, dann Franzi und eilte aus dem Café.