Meine schönsten Gutenachtgeschichten
Dreizehn wunderbar fantasievolle Geschichten von Sternenfeen und Weltraummäusen, von einem Pinguin, der nicht mehr frieren will, von Ponys, Nixen und Gespenstern, vom Indianer Kleiner Wolf oder von Lillys wundersamer Reise ins Traumland geleiten Mädchen und Jungen ab 4 Jahren in eine ruhige Nacht voller süßer Träume.
Mit stimmungsvollen und farbenprächtigen Illustrationen von Friederike Großekettler
© Schwager & Steinlein Verlag GmbH
Emil-Hoffmann-Straße 1, 50996 Köln
Geschichten von Annette Huber, Doris Jäckle, Sabine Streufert
Illustrationen von Friederike Großekettler
Gesamtherstellung: Schwager & Steinlein Verlag GmbH
www.schwager-steinlein-verlag.de
Alle Rechte vorbehalten
ISBN 978-3-8155-8846-8
Adélie will nicht mehr frieren
Annette Huber
Mutprobe für Kleiner Wolf
Sabine Streufert
Das Gespenst und die Nixe
Doris Jäckle
Die alte Maria und die klugen Krähen
Annette Huber
Das Monster in der Küche
Sabine Streufert
Der eifersüchtige Hexenbesen
Doris Jäckle
Herr Grau und Papa Geigei
Annette Huber
Flocki schnuppert Zirkusluft
Sabine Streufert
Die traurige Prinzessin
Doris Jäckle
Kiki Keck will ihre Ruhe
Annette Huber
Von Sternenfeen und Weltraummäusen
Sabine Streufert
Lilly im Traumland
Doris Jäckle
Die geheimnisvolle Königin
Annette Huber
Autorinnen
Illustratorin
Am Rand der Antarktis, wo das feste Land langsam in ein Meer voller Eisschollen übergeht, lag eine Pinguinkolonie. Ein paar tausend Vögel lebten dort. In diesem südlichsten Teil der Welt ist es so kalt, dass der Schnee nie schmilzt, sondern zu Eis wird und sich zu hohen Bergen auftürmt. So kalt, dass es keine Erde gibt und keine Bäume, sondern nur Felsen und Eis, Eis, Eis. Und fast immer fegt der wilde Polarwind über die endlosen Flächen.
Im Oktober, als der Frühling endlich auch zum Südpol kam, legte die Pinguinmutter ein Ei. Sie und der Pinguinvater brüteten es geduldig in dem dicken, warmen Federkleid ihrer Bäuche aus. Im Sommer schlüpfte endlich das Küken. Es war ein kleines, flaumiges Pinguinmädchen.
„Hallo! Da bist du ja endlich!“, riefen die Pinguineltern erfreut. Und sie nannten ihr Junges Adélie. Die Eltern fütterten Adélie mehrmals am Tag mit kleinen Fischen und Krebsen. „Iss, Kind, damit du groß und stark bist, wenn der Winter kommt!“, sagte die Mutter.
„Was ist der Winter?“, fragte Adélie und kuschelte sich an den warmen Bauch ihrer Mutter.
„Der Winter, das ist die lange, dunkle Zeit, wo die Sonne nicht scheint und es wenig zu fressen gibt. Wenn der Wind ganz fürchterlich heult und viel Schnee vom Himmel fällt.“
„Das klingt ja scheußlich“, meinte Adélie. „Mir ist jetzt schon ganz kalt!“
„Ein Pinguin friert nicht“, sagte der Pinguinvater bestimmt. „Komm, Adélie. Es ist Zeit, dass du schwimmen lernst! Das wird dir gefallen, denn das Wasser ist wärmer als die Luft!“
Und tatsächlich war es im Wasser ganz angenehm. Adélie lernte tauchen und fing ihre ersten Fische. Doch sobald sie wieder an Land kam, begann sie entsetzlich zu frieren.
Dann, im März, wurden die Tage kürzer. Bald war die Sonne nur noch ein paar Stunden am Tag zu sehen, und ihre Strahlen wärmten nicht mehr. Schnee fiel in dichten Flocken. Der Wind heulte.
Arme Adélie! Sie bibberte und klapperte mit dem Schnabel und hüpfte von einem Schwimmfuß auf den anderen.
„Was ist nur mit dem Kind los?“, fragten sich die Pinguineltern. Und auch die anderen Pinguine in der Kolonie fingen an zu tuscheln.
„Das Mädchen friert ja! So eine Schande!“
Traurig stand Adélie eines Tages allein auf einer Klippe und schaute über das Meer. Nanu, was war das? Etwas Großes, Weißes kam auf sie zu. Und es leuchtete, als ob es mit lauter kleinen Sonnen bedeckt wäre.
Ki-wiii! Eine Sturmmöwe landete neben Adélie.
„Was ist das?“, fragte Adélie die Möwe.
„Das ist ein Schiff“, sagte die Möwe. „Mit Menschen darauf. Sie haben eine Kolonie auf der anderen Seite des Berges, die sie Forschungsstation nennen. Und zweimal im Jahr kommt dieses Schiff und bringt Kisten und Menschen und nimmt die alten wieder mit.“
„Wohin fahren sie?“
„In ihre Heimatländer weit im Norden.“
„Wie ist es da, im Norden?“
„Scheußlich, wenn du mich fragst! Es gibt dort kein Eis und es ist furchtbar warm und die Fische schmecken komisch.“
Die Sturmmöwe flog aufs Meer hinaus und ließ Adélie allein.
Länder im Norden, wo es immer warm war? Kein Schnee, kein Eis, kein Polarwind? Es musste herrlich sein, dort zu leben.
Lange stand Adélie auf der Klippe und dachte nach. Dann traf sie eine Entscheidung, die ihr nicht leicht fiel. Sie ging zu ihren Eltern und sagte mit fester Stimme: „Es tut mir Leid, aber es ist mir hier einfach zu kalt. Ich möchte zu dem Menschenschiff gehen und nach Norden fahren, wo es warm ist. Seid mir bitte nicht böse!“
Adélies Eltern waren sehr traurig, als sie das hörten. Sie versuchten, Adélie zum Bleiben zu überreden. Aber ihr Entschluss stand fest, und so blieb ihren Eltern nichts anderes übrig, als ihre Tochter schweren Herzens gehen zu lassen. Sie begleiteten sie ein Stück den Berg hinauf und winkten mit ihren Stummelflügeln, bis sie Adélie nicht mehr sehen konnten.
Adélie lief die ganze Nacht. Gegen Mittag sah sie die Forschungsstation und nahebei das weiße Schiff. Die Station bestand aus ein paar Hütten mit großen Antennen auf dem Dach. Männer in dicken Anoraks liefen zwischen der Station und dem Schiff hin und her und zogen Schlitten mit großen Kisten und Fässern über das Eis.
Adélie schaute sich alles genau an. Dann lief sie, so schnell sie konnte, zu einer Kiste, hob den Deckel geschickt mit ihrem Schnabel hoch und plumpste kopfüber hinein. Uff!
Nach einer Weile hörte sie Stimmen. Die Kiste wurde bewegt. Dann war alles still. Erschöpft schlief Adélie ein.
Als sie aufwachte, schaute sie vorsichtig durch den Spalt im Deckel. Sie war auf dem Schiff! Und das Schiff fuhr nach Norden! Sie hatte es geschafft! Beruhigt schlief sie sofort wieder ein.
Viele Tage und Nächte war Adélie nun unterwegs. Zum Glück hatte sie sich eine dicke Speckschicht angefressen, sodass sie nicht verhungerte.
Eines Morgens wachte sie auf und spürte, dass das Schiff langsamer fuhr. Sie hob den Deckel hoch. Wie warm die Luft war! Vor sich sah sie eine Küste ohne Schnee und eine große Stadt mit weißen Häusern und vielen grünen Bäumen. Noch nie hatte Adélie so etwas Schönes gesehen. Sie musste ihre Augen zusammenkneifen, weil sie die Farbenpracht blendete. Die Sonne schien heiß auf sie herab. Zufrieden streckte sie ihre Glieder, die nach der langen Zeit in der Kiste ganz steif waren. Zum ersten Mal in ihrem Leben fror sie nicht. Sie war am Ziel ihrer Reise.
Adélie zögerte keine Sekunde. Sie kletterte aus der Kiste, watschelte zur Reling und ließ sich über Bord fallen. Platsch!
Sie tauchte auf und blickte direkt in das Gesicht eines Pinguinmännchens, das sie schelmisch anlächelte.
„Hoppla! Wo kommst du denn auf einmal her?“, fragte er das kleine Pinguinmädchen belustigt.
„Von dem Schiff da“, sagte Adélie und deutete mit ihrem Stummelflügel auf das Meer hinaus. „Na ja, eigentlich vom Südpol!“
„Vom Südpol? Brrr! Da ist es doch schrecklich kalt. Sicher friert man dort ständig, oder? Na, herzlich willkommen in Kapstadt! Soll ich dir zeigen, wo es hier die besten Fische gibt?“
„Ja“, sagte Adélie. „Das wäre sehr nett von dir!“
Und dann tauchten sie gemeinsam unter.
Kleiner Wolf saß hoch oben auf den Felsen und blickte auf den breiten Fluss hinunter, der träge unter ihm dahinfloss. Die Jäger seines Stammes waren mit ihren Kanus unterwegs, um zu fischen. Kleiner Wolf konnte sehen, wie sie mit ihren Speeren immer wieder geschickt ins Wasser stießen. Das Licht der untergehenden Sonne spiegelte sich auf den zappelnden Fischen, die sie in ihre Kanus luden.