Cover

Christian Jacq

Ramses.
Band 1: Der Sohn des Lichts

Aus dem Französischen von Annette Lallemand

Rowohlt Digitalbuch

Inhaltsübersicht

Über Christian Jacq

Christian Jacq, geboren 1947 in Paris, promovierte in Ägyptologie an der Sorbonne. Er veröffentlichte zahlreiche wissenschaftliche Aufsätze und wurde von der Académie française ausgezeichnet. Im Zuge seiner Forschungen gründete er das Institut Ramsès, das sich insbesondere der Erhaltung gefährdeter Baudenkmäler der Antike widmet. Neben Beiträgen zur Fachliteratur schrieb er mehrere erfolgreiche Romane. Mit «Ramses» gelang ihm auf Anhieb der Sprung auf die Bestsellerliste.

Über dieses Buch

Der legendäre Pharao Ramses II. gilt als einer der größten Herrscher der Weltgeschichte. In den 66 Jahren seiner Regentschaft von 1279 bis 1213 v.Chr. führte er das altägyptische Reich zu einem beispiellosen Höhepunkt politischer und kultureller Macht. Der grandiose Romanzyklus des berühmten Ägyptologen Christian Jacq ist ein internationaler Bestseller. Im ersten Band erzählt er die Jugend des Thronfolgers.

 

«Hofintrigen, Magie, Verrat, Verschwörung. Christian Jacq versteht es, historische Tatsachen zu einer spannenden Geschichte zu verweben, und liefert einen überwältigend detailreichen und authentischen Eindruck vom altägyptischen Alltagsleben.» (Welt am Sonntag)

Impressum

Die Originalausgabe erschien 1995 unter dem Titel «Ramsès. Le fils de la lumière» bei Éditions Robert Laffont, S.A., Paris.

Redaktion Heiner Höfener

 

Rowohlt Digitalbuch, veröffentlicht im Rowohlt Verlag, Reinbek bei Hamburg, April 2013

Copyright © 1997 by Rowohlt Verlag GmbH, Reinbek bei Hamburg

«Ramsès. Le fils de la lumière» Copyright © 1995 by Éditions Robert Laffont, S.A., Paris

Dieses Werk ist urheberrechtlich geschützt, jede Verwertung bedarf der Genehmigung des Verlages

Umschlaggestaltung C. Günther/W. Hellmann

Schrift DejaVu Copyright © 2003 by Bitstream, Inc. All Rights Reserved. Bitstream Vera is a trademark of Bitstream, Inc.

ISBN Buchausgabe 978-3-499-22471-3 (15. Auflage 2011)

ISBN Digitalbuch 978-3-644-20981-7

www.rowohlt-digitalbuch.de

ISBN 978-3-644-20981-7

Eins

Reglos starrte der wilde Stier den jungen Ramses an.

Ein gewaltiges Tier: die Beine stämmig wie Pfeiler, lange Hängeohren, ein zottiger Bart, braun und schwarz das Fell. Es hatte den jungen Mann gewittert.

Gebannt blickte Ramses auf die Hörner des Stiers, die am Ansatz eng beieinanderstanden, sich dann nach hinten bogen und steil in die Höhe stiegen. Sie endeten in so scharfen Spitzen, dass jeder Gegner Gefahr lief, aufgeschlitzt zu werden.

Noch nie hatte der junge Mann einen so riesigen Stier gesehen.

Dieser hier gehörte zu einer gefürchteten Rasse, der selbst die besten Jäger lieber auswichen; das männliche Tier, das friedlich inmitten seiner Herde lebte, verletzten oder kranken Artgenossen Hilfe leistete, zur Aufzucht der Jungtiere beitrug, wurde, sobald man seine Ruhe störte, zum entsetzenerregenden Krieger. Schon die kleinste Herausforderung machte es rasend, und dann stürmte es los, mit atemberaubender Schnelligkeit, und sein Zorn flaute erst ab, wenn der Gegner zur Strecke gebracht war.

Ramses wich zurück.

Der Schwanz des wilden Stiers peitschte durch die Luft; ein unerbittlicher Blick traf den Eindringling, der sich vorgewagt hatte in sein Reich, die Weideflächen bei dem Sumpf, wo hohes Schilfgras wuchs. Unweit kalbte eine Kuh im schützenden Kreis der Herde. Hier, in den einsamen Gefilden am Ufer des Nils, herrschte das große männliche Tier über seine Herde und duldete keinen Fremden.

Der junge Mann hatte gehofft, die Pflanzen würden ihn tarnen. Doch die tief in den Höhlen liegenden braunen Augen des Stiers ließen nicht ab von ihm. Er würde ihm nicht entkommen, das war Ramses klar.

Vorsichtig wandte er den Kopf seinem Vater zu, kreidebleich.

Sethos, Pharao von Ägypten, den man den «siegreichen Stier» nannte, hielt sich etwa zehn Schritte hinter seinem Sohn. Es hieß, allein seine Anwesenheit lähme seine Gegner. Sein Verstand, scharf wie der Schnabel des Falken, wirke allerorten, und es gebe nichts, was er nicht wisse. Sethos, von schlankem Wuchs, mit strengen Gesichtszügen, hoher Stirn, Habichtsnase und vorspringenden Wangenknochen, war die Verkörperung der Macht. Er war der verehrte und gefürchtete Alleinherrscher, der Ägyptens Ruhm von ehedem zurückerobert hatte.

Der vierzehnjährige Ramses, vom Körperbau her bereits einem Erwachsenen ähnlich, war zum ersten Mal mit seinem Vater zusammen.

Im Palast war ihm ein Erzieher zur Seite gestellt, dem es oblag, ihn so zu unterweisen, dass er als Ehrenmann und Sohn des Königs eines Tages in einem hohen Amt ein sorgloses Leben führen könne. Doch heute hatte Sethos ihn völlig unverhofft aus dem Hieroglyphenunterricht geholt und ihn, ohne ein Wort zu sprechen, hierher aufs Land mitgenommen, fernab jeglicher Siedlung.

Als das Schilf zu dicht geworden war, hatten der König und sein Sohn den von zwei Pferden gezogenen Wagen verlassen und waren durch das grüne Dickicht gestapft. Und da diese Hürde nun hinter ihnen lag, befanden sie sich im Reich des Stiers.

Wer von beiden war furchteinflößender, der wilde Stier oder der Pharao? Beide strahlten eine Kraft aus, der Ramses sich nicht gewachsen fühlte. Wurde nicht in allen Erzählungen beteuert, der Stier sei ein himmlisches Wesen, beseelt vom Feuer der anderen Welt, und der Pharao stehe im Bunde mit den Göttern? Obwohl er groß und kräftig war und jede Angst von sich wies, fühlte der Jüngling, dass hier zwei in gewisser Weise übereinstimmende Kräfte auf ihn einwirkten.

«Er hat mich entdeckt», bekannte er mit betont fester Stimme.

«Umso besser.»

Diese paar Worte, die ersten, die sein Vater sprach, klangen wie eine Verurteilung.

«Er ist gewaltig, er …»

«Und du, wer bist du?»

Die Frage überraschte Ramses. Wütend scharrte der Stier mit dem linken Vorderhuf; Silber- und Graureiher flogen auf, als flüchteten sie vom Schlachtfeld.

«Bist du ein Feigling oder ein Königssohn?»

Sethos’ Blick durchbohrte die Seele.

«Ich kämpfe gern, aber …»

«Ein echter Mann geht bis an die Grenze seiner Kräfte, ein König darüber hinaus; wenn du dazu nicht fähig bist, wirst du nicht regieren, und wir werden uns niemals wiedersehen. Nichts darf dich erschüttern. Kehr um, wenn du es wünschst; andernfalls fang ihn ein.»

Ramses nahm seinen ganzen Mut zusammen, hob den Blick und bot seinem Vater die Stirn.

«Du schickst mich in den Tod.»

«‹Sei ein mächtiger Stier, von ewiger Jugend, mit starkem Herzen und spitzen Hörnern, den kein Feind je besiegen kann›, sagte mein Vater zu mir; du, Ramses, bist wie ein echter Stier aus dem Leib deiner Mutter gekommen, und du sollst eine funkelnde Sonne werden, die ihre Strahlen aussendet zum Wohl ihres Volkes. Du verbargst dich in meiner Hand wie ein Stern, heute öffne ich die Finger. Glänze oder geh unter.»

Der Stier ließ ein Brüllen hören; das Zwiegespräch der Eindringlinge reizte ihn. Ringsum erstarb jedes Geräusch; jedes Lebewesen, von der Maus bis zum Vogel, verspürte die Bedrohlichkeit dieser Kampfansage.

Ramses nahm sie an.

Im Ringkampf hatte er schon Gegner bezwungen, die schwerer und stärker waren als er. Sein Erzieher hatte ihm die Griffe beigebracht. Aber welches Vorgehen eignete sich bei einem Ungeheuer solchen Ausmaßes?

Sethos übergab seinem Sohn ein langes Seil mit einer Schlinge am Ende.

«Seine Kraft ist in seinem Kopf geballt; pack ihn bei den Hörnern, dann bist du Sieger.»

Der junge Mann schöpfte neue Hoffnung; im Seilwerfen war er geübt, denn auf dem See im Palastgarten trieben die Zöglinge allerlei vergnügliche Spiele.

«Sobald er das Zischen deines Fangseils vernimmt, wird er sich auf dich stürzen», erklärte der Pharao; «verfehle ihn nicht, denn einen zweiten Versuch gestattet er dir nicht.»

Ramses sprach sich innerlich Mut zu, während er seine Wurfbewegung nochmals überdachte. Trotz seines jugendlichen Alters maß er bereits mehr als drei Ellen, und seinen athletischen Körper hatte er in mehreren Sportarten geübt; daher ärgerte ihn diese Kindheitslocke, die in Höhe des Ohrs von einem Band gehalten wurde und Ritualschmuck war, um sein herrliches blondes Haar zu zeigen. Wenn er erst einmal ein Amt bei Hofe innehätte, dann dürfte er endlich eine andere Haartracht tragen.

Aber würde das Schicksal ihm diese Zeit lassen? Gewiss, schon mehrmals und nicht ohne Prahlerei hatte der hitzköpfige junge Mann nach Mutproben verlangt, die seiner würdig wären; doch dass der Pharao persönlich und so unnachsichtig seinen Wünschen entsprechen würde, das hatte er nicht geahnt.

Seit der Stier den Mann gewittert hatte, war er gereizt; lange würde er nicht mehr warten. Ramses straffte das Seil; falls es gelänge, das Tier einzufangen, müsste er kolossale Kräfte aufbieten, um es bewegungsunfähig zu machen. Da er über diese aber noch nicht verfügte, müsste er über sich selbst hinauswachsen, auch wenn ihm das Herz dabei zersprang.

Nein, er würde den Pharao nicht enttäuschen!

Ramses ließ das Seil kreisen; der Stier stürmte los, mit gesenkten Hörnern.

Von der Geschwindigkeit des Tieres überrascht, wich der junge Mann zwei Schritte seitwärts, reckte seinen rechten Arm und schleuderte das Seil, das sich wie eine Schlange ringelte und auf den Rücken des Ungeheuers klatschte. Bei diesem Schwung rutschte Ramses auf dem feuchten Untergrund aus und fiel zu Boden. Schon drohten die Hörner ihn aufzuspießen. Sie streiften seine Brust, doch er hatte die Augen nicht geschlossen.

Er hatte seinem Tod ins Antlitz blicken wollen.

Gereizt stürmte der Stier weiter bis zum Schilf, doch dort drehte er ab, mit einem einzigen Satz; Ramses war aufgestanden und heftete nun seinen Blick auf die Augen des Tieres. Er würde ihm Trotz bieten, bis zum letzten Atemzug, und Sethos beweisen, dass ein Königssohn würdig zu sterben wusste.

Doch blitzartig war der Schwung des Ungeheuers gebrochen: Das Seil in des Pharaos festen Händen umschlang seine Hörner. Wutschnaubend schüttelte das Tier den Kopf, bereit, sich das Genick zu brechen, nur um sich zu befreien. Doch vergebens: Sethos nutzte die nun nicht mehr zielgerichtete Kraft des Stiers, um sie gegen ihn zu verwenden.

«Pack den Schwanz!», befahl er seinem Sohn.

Ramses lief und ergriff den kahlen Schwanz mit dem Haarbüschel am äußersten Ende. Einen solchen Schwanz trug der Pharao am Gürtel seines Schurzes, er wies ihn aus als Herrn über die Macht des Stiers.

Das besiegte Tier beruhigte sich allmählich, es schnaubte und grollte jetzt nur noch. Nachdem der König Ramses mit einem Handzeichen bedeutet hatte, sich hinter ihn zu stellen, ließ er es frei.

«Diese Rasse ist nicht zu zähmen; ein männliches Tier wie dieses scheut weder Feuer noch Wasser, es verbirgt sich sogar hinter einem Baum, um den Feind zu überrumpeln.»

Das Tier drehte den Kopf zur Seite und warf einen flüchtigen Blick auf seinen Gegner. Dann trottete es davon, zurück in sein Reich, als wüsste es, dass es machtlos war gegenüber dem Pharao.

«Du bist stärker als er!»

«Wir sind keine Gegner mehr, weil wir einen Pakt geschlossen haben.»

Sethos nahm einen Dolch aus seiner Lederhülle und schnitt Ramses mit leichter und sicherer Hand die Kindheitslocke ab.

«Vater …»

«Deine Kindheit ist vorbei. Morgen, Ramses, beginnt das Leben.»

«Aber ich habe den Stier doch nicht besiegt.»

«Du hast die Angst besiegt, den ersten der Feinde auf dem Wege zur Weisheit.»

«Gibt es da noch viele?»

«Bestimmt mehr als Sandkörner in der Wüste.»

Die Frage brannte dem jungen Mann auf den Lippen.

«Darf ich das so verstehen … dass du mich zum Nachfolger erwählt hast?»

«Glaubst du, Mut allein genüge, um Menschen zu leiten?»

Zwei

Sary, Ramses’ Erzieher, suchte im ganzen Palast nach seinem Zögling. Es war nicht das erste Mal, dass der junge Mann, anstatt rechnen zu lernen, sich davonstahl, um nach den Pferden zu schauen oder mit einer Horde vergnügungssüchtiger und widerspenstiger Freunde ein Wettschwimmen zu veranstalten.

Der beleibte, leutselige, jedem Sport abholde Sary hatte ständig etwas auszusetzen an seinem Zögling. Doch in helle Aufregung geriet er bei Torheiten dieser Art, denn er verdankte den beneideten Posten eines Prinzenerziehers eigentlich nur seiner Heirat mit einer sehr viel jüngeren Frau, und die war die ältere Schwester von Ramses.

Beneidet … Die hatten ja alle keine Ahnung, wie störrisch und unbeugsam dieser jüngere Sohn des Pharaos sich gebärdete! Wäre er – Sary – nicht von Natur aus so geduldig und so erpicht darauf, einem oft unverschämten und überaus selbstsicheren Knaben die Welt des Geistes zu eröffnen, hätte er sein Amt längst niedergelegt. Wie es die Tradition gebot, kümmerte der Pharao sich nicht um die Erziehung seiner Kinder, solange sie noch klein waren. Er wartete den Augenblick ab, da im Jüngling der Erwachsene zum Vorschein kam. Dann erst fanden die erste Begegnung und die erste Prüfung statt, die erweisen sollten, ob er würdig wäre, eines Tages zu regieren. In diesem Fall war die Entscheidung längst gefallen: Chenar, der Ältere, würde den Thron besteigen. Dennoch oblag ihm, Sary, die schwierige Aufgabe, das Ungestüm des jungen Ramses in die richtigen Bahnen zu leiten, um einen guten Heerführer oder zumindest einen zufriedenen Höfling aus ihm zu machen.

Sary, in der Blüte seiner dreißig Jahre, hätte es sich eigentlich ganz gern wohl sein lassen am Weiher seines herrschaftlichen Anwesens, in Gesellschaft seiner zwanzigjährigen Gemahlin. Aber wäre es nicht auch langweilig? Dank Ramses glich kein Tag dem anderen. Der Tatendrang dieses Knaben war nicht zu löschen, ständig fiel ihm etwas Neues ein, etliche Erzieher hatte er aufgerieben, bevor er sich mit Sary abfand. Trotz häufiger Zusammenstöße war es Sary gelungen, den Geist des jungen Mannes zu wecken und ihm alle Wissenschaften nahezubringen, die ein Schreiber kennen und beherrschen musste. Wenn er es sich auch nicht eingestehen wollte, so bereitete es ihm doch Vergnügen, den wachen Verstand des jungen Ramses mit den oft verblüffenden Einfällen zu schärfen.

In der letzten Zeit waren ihm Veränderungen aufgefallen. Der junge Mann, der keinen Augenblick tatenlos verharren konnte, vertiefte sich plötzlich in die Lehren des alten Weisen Ptah-hotep; Sary hatte ihn sogar dabei überrascht, wie er traumverloren den Tanz der Lerchen im Morgenlicht betrachtete. Er wurde langsam reifer, bald wäre sein Werk vollendet. In vielen Fällen gelang das nicht. Aus welchem Holz würde der Mann Ramses wohl gemacht sein, fragte sich sein Erzieher so manches Mal. Würde das Feuer der Jugend sich wandeln in ein anderes, nicht so ungestümes, aber ebenso kraftvolles Feuer?

Wie sollte er sich keine Sorgen machen angesichts einer so breitgefächerten Begabung? Am Hofe wie auch in jeder anderen Gesellschaftsschicht waren die Mittelmäßigen, deren Nachfolge gesichert war, abweisend, wenn nicht gar hasserfüllt gegenüber jenen, deren Persönlichkeit sie noch bedeutungsloser erscheinen ließ. Obwohl Sethos’ Nachfolge niemanden überraschte und Ramses sich nicht zu scheren hatte um die unausbleiblichen Ränke, die mit Macht ausgestattete Männer immer schmiedeten, konnte seine Zukunft dennoch weniger rosig aussehen als geplant. Einige überlegten bereits, wie sie ihn von hohen Staatsämtern ausschließen könnten, der eigene Bruder als Erster. Was würde aus ihm werden, abgeschoben in eine ferne Provinz, könnte er sich an das Landleben und den ewig gleichen Lauf der Jahreszeiten gewöhnen?

Sary hatte nicht gewagt, derartig quälende Gedanken der Schwester seines Zöglings anzuvertrauen. Sie war zu schwatzhaft. Und mit Sethos offen darüber zu sprechen war undenkbar. Der Pharao war ein Arbeitstier und vollauf damit beschäftigt, das aufblühende Land zu verwalten. Wie sollte er da Kümmernissen eines Erziehers Aufmerksamkeit schenken? Es war gut, dass Vater und Sohn keinerlei Kontakt hatten. Angesichts einer so mächtigen Person wie Sethos hätte Ramses keine andere Wahl, als sich aufzulehnen oder zu kuschen. Die Tradition hatte schon etwas Gutes: Väter sind nicht die geeignetsten Erzieher ihrer Kinder.

Tuja, die große königliche Gemahlin und Ramses’ Mutter, nahm eine völlig andere Haltung ein. Sary gehörte zu den wenigen, dem ihre deutliche Vorliebe für den jüngeren Sohn aufgefallen war. Gebildet und lebensklug, wie sie war, kannte sie die guten wie die schlechten Eigenschaften eines jeden Höflings. Sie war die unbestrittene Herrscherin über den königlichen Hausstand, wachte über die strenge Einhaltung der Anstandsregeln und stand beim Adel wie auch beim Volk in hohem Ansehen. Sary hingegen fürchtete Tuja. Belästigte er sie mit lächerlichen Befürchtungen, würde er in ihrer Achtung sinken. Geschwätz schätzte die Königin nicht; eine unbegründete Anschuldigung war in ihren Augen ebenso verwerflich wie eine Lüge. Es war ratsamer, zu schweigen, anstatt den Unheilkünder zu spielen.

Sary bezwang seinen Widerwillen und ging zu den Stallungen. Er hatte Angst vor Pferden, die keilten immer aus, und die Pferdepfleger und besonders die lächerlich hochmütigen Reiter, die konnte er schon gar nicht leiden. Er überhörte die Spötteleien, während er durch die Stallungen hastete, wo er seinen Zögling jedoch vergeblich suchte. Seit zwei Tagen hatte keiner ihn gesehen, worüber man verwundert war.

Stunde um Stunde mühte sich Sary, Ramses wiederzufinden. Er vergaß dabei sogar das Mittagessen. Bei Einbruch der Nacht kehrte er entmutigt, von oben bis unten staubbedeckt, in den Palast zurück. Schon bald müsste er das Verschwinden seines Zöglings melden und beweisen, dass er völlig unschuldig war an diesem Verhängnis. Wie sollte er der Schwester des Prinzen gegenübertreten?

Er war so missmutig, dass er sogar vergaß, seine Amtsbrüder zu grüßen, die aus dem Unterrichtssaal kamen. Gleich morgen früh würde er, wenn er sich auch wenig Hoffnung machte, Ramses’ beste Freunde befragen. Erhielt er keinerlei Hinweis, musste er sich in die grauenvolle Wirklichkeit fügen.

Was hatte er den Göttern nur angetan, dass ein böser Geist ihn so quälen durfte? Ein solcher Bruch in seiner Laufbahn wäre doch die schreiendste Ungerechtigkeit. Der Hof würde ihn verjagen, seine Gemahlin ihn verstoßen, und den Rest seiner Tage könnte er als Wäscher zubringen! Schaudernd beim Gedanken an einen derartigen Abstieg, setzte sich Sary in Schreiberpose an seinen angestammten Platz.

Für gewöhnlich saß Ramses ihm gegenüber, mal aufmerksam, mal verträumt, aber stets zu einer unerwarteten Antwort bereit. Im Alter von acht Jahren schon hatte er mit sicherer Hand Hieroglyphen zu zeichnen vermocht, weil diese Übung ihm gefiel.

Der Erzieher schloss die Lider, um die glücklichsten Augenblicke seines gesellschaftlichen Aufstiegs in sein Gedächtnis zu rufen.

«Bist du krank, Sary?»

Diese Stimme … Wie ernst und autoritär sie schon klang!

«Du bist’s? Bist du es wirklich?»

«Wenn du schläfst, schlaf weiter; wenn nicht, schau her.»

Sary öffnete die Augen.

Es war wirklich Ramses, auch er war staubbedeckt, aber sein Blick funkelte.

«Wir müssen uns beide wohl erst einmal waschen; wo hast du dich denn herumgetrieben, Erzieher?»

«An schmutzigen Orten wie den Stallungen.»

«Solltest du mich gesucht haben?»

Verdutzt stand Sary auf und ging um Ramses herum.

«Was hast du mit der Kindheitslocke gemacht?»

«Mein Vater hat sie mir eigenhändig abgeschnitten.»

«Unmöglich! Das Ritual verlangt, dass …»

«Ziehst du meine Worte etwa in Zweifel?»

«Verzeih mir.»

«Setz dich, Erzieher, und hör mir zu.»

Sary gehorchte, der Ton des Prinzen, der kein Kind mehr war, beeindruckte ihn.

«Mein Vater hat mir die Mutprobe mit dem wilden Stier auferlegt.»

«Das … das kann doch nicht sein!»

«Besiegt habe ich ihn nicht, aber ich habe dem Ungeheuer die Stirn geboten, und ich glaube, dass mein Vater mich als zukünftigen Regenten ausersehen hat!»

«Nein, mein Prinz; dein älterer Bruder wurde bereits benannt.»

«Hat er die Stierprobe bestanden?»

«Sethos wollte dich nur mit der Gefahr konfrontieren, die du ja so liebst.»

«Hätte er wegen solch einer Belanglosigkeit seine Zeit vergeudet? Er hat mich berufen, da bin ich mir ganz sicher!»

«Berausche dich nicht, entsage diesem Wahn.»

«Wahn?»

«Es gibt genügend einflussreiche Persönlichkeiten bei Hofe, die dich ganz und gar nicht schätzen.»

«Was wirft man mir vor?»

«Du selbst zu sein.»

«Willst du mir etwa nahelegen, ins Glied zurückzutreten?»

«Die Vernunft erfordert es.»

«Sie besitzt nicht die Kraft eines Stiers.»

«Die Machtspiele sind grausamer, als du dir vorstellst. Unerschrockenheit genügt nicht, um als Sieger daraus hervorzugehen.»

«Dann wirst du mir eben helfen.»

«Wie soll ich das verstehen?»

«Du kennst die Gepflogenheiten bei Hofe; benenne mir meine Freunde und meine Feinde, und dann berate mich.»

«Verlang nicht zu viel von mir … Ich bin nur dein Erzieher.»

«Solltest du vergessen haben, dass meine Kindheit vorüber ist? Entweder wirst du mein Lehrmeister, oder wir werden uns trennen.»

«Du zwingst mich, unüberlegt Wagnisse einzugehen, und besitzt doch selbst nicht das Zeug für die höchste Macht. Dein älterer Bruder bereitet sich seit langem darauf vor. Reiz ihn nicht, sonst wird er dich vernichten.»

Drei

Endlich war er da, der große Abend.

Der neue Mond wurde geboren, die Nacht war so schwarz, wie man sich’s nur wünschen konnte. All seinen Mitschülern, die wie er «Zöglinge des Königs» waren, hatte Ramses eine Aufgabe gestellt, die für ihn entscheidend war. Wären sie Manns genug, von den Wächtern unbemerkt bis zur Stadtmitte zu gelangen, um das Wesentliche, diese Frage, die allen auf der Zunge lag, die aber niemand zu stellen wagte, zu erörtern?

Ramses sprang aus dem Fenster seines im ersten Geschoss gelegenen Schlafgemachs, die lockere Erde der Blumenbeete fing den Aufprall ab. Dann lief er am Gebäude entlang. Die Wächter behelligten ihn nicht, die einen schliefen, die anderen saßen beim Würfelspiel. Sollte er das Pech haben, einem zu begegnen, der tatsächlich seinen Dienst versah, würde er ihn schon in ein Gespräch verwickeln oder niederschlagen.

Einen Aufseher hatte er in seiner Hochstimmung vergessen, und der lag nicht auf der faulen Haut: Es war ein goldgelber Hund von mittlerer Größe, stämmig und muskulös, mit hängenden Ohren und Ringelschwanz. Er hatte mitten auf dem Weg Posten bezogen, bellte nicht, verwehrte aber den Durchgang.

Instinktiv suchte Ramses seinen Blick. Der Hund setzte sich auf sein Hinterteil, und der Schwanz begann rhythmisch zu schlagen. Der junge Mann trat näher und streichelte ihn. Sie waren vom ersten Augenblick an Freunde. Auf dem roten Lederhalsband stand sein Name: «Wächter».

«Hast du nicht Lust mitzukommen?»

Die kurze Schnauze mit der schwarzen Nase nickte zustimmend. Wächter geleitete seinen neuen Herrn zum Ausgang des Palastbereichs, in dem die künftigen Honoratioren Ägyptens erzogen wurden.

 

Trotz der späten Stunde schlenderte noch allerlei Volk durch die Straßen von Memphis. Das Ansehen der ältesten Hauptstadt des Landes war ungebrochen, trotz des Reichtums des südlichen Theben. Die großen Lehranstalten befanden sich in Memphis, und dort genossen die Kinder des Königshauses und die für die höchsten Ämter Ausersehenen eine strenge und umfassende Erziehung und Ausbildung. Wer ins «Kap», dieses «Gehege, wo Schutz und Nahrung geboten wurden», aufgenommen war, wurde von vielen beneidet, aber wer wie Ramses dort seit frühester Kindheit lebte, hatte nur den einen Wunsch, von dort auszubrechen!

Er hatte ein schlichtes, kurzärmeliges Hemd übergezogen, um unter den Vorübergehenden nicht aufzufallen, und gelangte unbehelligt zum berühmten Brauhaus im Medizinerviertel, wo die künftigen Ärzte es sich nach langen Studiertagen wohlergehen ließen. Da Wächter ihm nicht von den Fersen wich, unternahm der Prinz auch nichts und betrat mit ihm die den «Kindern vom Kap» untersagte Schänke.

Aber Ramses war ja auch kein Kind mehr, und es war ihm gelungen, aus seinem vergoldeten Käfig auszubrechen.

Im großen Saal des Brauhauses mit den gekalkten Wänden harrten Matten und Schemel der munteren Kunden, die starkes Bier, Wein und Palmlikör zu schätzen wussten. Bereitwillig zeigte der Wirt seine Amphoren, die aus dem Delta, den Oasen oder aus Griechenland stammten, aber ebenso gern rühmte er seine eigenen Erzeugnisse. Ramses suchte sich ein ruhiges Eckchen, von wo aus er die Eingangstür überwachte.

«Was möchtest du?», fragte der Wirt.

«Im Augenblick noch nichts.»

«Unbekannte zahlen im Voraus.»

Der Prinz hielt ihm ein Karneolarmband hin.

«Wird dir das genügen?»

Der Wirt beäugte das Stück.

«Das wird reichen. Wein oder Bier?»

«Dein bestes Bier.»

«Wie viel Schalen?»

«Das weiß ich noch nicht.»

«Ich bring schon mal den Krug … Sobald du’s weißt, bekommst du die Schalen.»

Ramses stellte fest, dass er gar nicht wusste, was die Dinge kosteten; der Kerl betrog ihn bestimmt. Es war höchste Zeit, dass er rauskam aus seiner Palastschule, wo man viel zu abgeschirmt war von der Außenwelt.

Der Prinz starrte auf die Tür, Wächter lag zu seinen Füßen. Wer von den Mitschülern würde das Abenteuer wagen? Er wettete, sortierte die Schwächlinge und die Karrieresüchtigen aus und beschränkte sich auf drei Namen. Die drei würden vor der Gefahr nicht zurückscheuen.

Er lächelte, als Setaou über die Schwelle trat.

Setaou war der Sohn eines Seemanns und einer Nubierin, untersetzt, männlich, ein Muskelprotz mit dunkler Haut, schwarzem Haar und eckigem Schädel. Seine ungewöhnliche Ausdauer, aber auch seine Begabung für Chemie und Pflanzenkunde hatten die Aufmerksamkeit seines Lehrers geweckt. Und auch im Kap bedauerte man es nicht, ihm die Pforten zu höherer Bildung geöffnet zu haben.

Der wenig redselige Setaou setzte sich neben Ramses.

Noch bevor die beiden Jungen miteinander reden konnten, kam auch schon Ameni, klein, mager und schmächtig. Sein Teint war blass und sein Haar trotz seines jugendlichen Alters bereits schütter; bei den sportlichen Übungen erwies er sich als unbeholfen, doch in der Kunst des Hieroglyphenschreibens übertraf er alle seines Jahrgangs. Er war unermüdlich und fleißig, schlief nachts nur drei oder vier Stunden und kannte die Schriften der Alten besser als sein Lehrmeister. Sein Vater war Gipsarbeiter, daher galt er als Held in der Familie.

«Ich hab es geschafft», verkündete er stolz, «ich habe einem der Wächter mein Abendessen überlassen.»

Ihn hatte Ramses auch erwartet; er wusste, dass Setaou notfalls seine Kraft und Ameni eine List anwenden würden.

Der dritte Ankömmling überraschte den Prinzen. Niemals hätte er geglaubt, dass der reiche Acha solche Risiken eingehen würde. Er war der einzige Sohn einer wohlhabenden adeligen Familie, und der Aufenthalt im Kap war für ihn eine Selbstverständlichkeit und eine Verpflichtung, eine Art Übergang zu einer hohen Beamtenlaufbahn. Er war elegant, wusste sich zu bewegen, hatte ein längliches Gesicht mit einem kleinen gepflegten Schnurrbart, und wenn er andere anblickte, wirkte das häufig herablassend. Seine salbungsvolle Stimme und seine vor Intelligenz funkelnden Augen schlugen seine Gesprächspartner in den Bann.

Er setzte sich den dreien gegenüber.

«Erstaunt, Ramses?»

«Ja, das gebe ich zu.»

«Mit euch einen Abend lang mal über die Stränge zu schlagen missfällt mir nicht. Das Leben erschien mir ohnehin schon arg eintönig.»

«Wir riskieren Strafen.»

«Das macht das Verbotene nur noch pikanter; sind wir vollzählig?»

«Noch nicht.»

«Sollte dein bester Freund dich verraten haben?»

«Er wird kommen.»

Mit ironischem Blick ließ Acha das Bier einschenken … Ramses rührte es nicht an. Unruhe und Enttäuschung schnürten ihm die Kehle zu. Sollte er sich so gewaltig getäuscht haben?

«Da ist er ja!», rief Ameni.

Moses, groß, breitschultrig, mit üppigem Haar und einem Bartkranz ums Kinn, wirkte viel älter als fünfzehn. Er war der Sohn hebräischer Arbeiter, die seit mehreren Generationen in Ägypten ansässig waren, und seit frühester Jugend genoss er aufgrund seiner erstaunlichen geistigen Fähigkeiten die Erziehung im Kap. Da er körperlich ebenso stark war wie Ramses, hatten die beiden Jungen bei allen Gelegenheiten ihre Kräfte gemessen, dann aber einen Pakt geschlossen und vereint ihren Lehrern die Stirn geboten.

«Ein alter Wächter wollte mich hindern, das Gelände zu verlassen. Da ich ihn nicht zusammenschlagen wollte, musste ich ihn erst vom Sinn und Zweck meines Vorhabens überzeugen.»

Man beglückwünschte sich gegenseitig, leerte eine Schale Bier und weidete sich am unvergleichlichen Geschmack des Verbotenen.

«Beantworten wir die einzig wichtige Frage», sagte Ramses, «wie erlangt man wirkliche Macht?»

«Durch den Umgang mit den Hieroglyphen», antwortete Ameni, ohne zu zögern. «Unsere Sprache ist die der Götter, die Weisen nutzten sie, um uns deren Gebote zu übermitteln. ‹Ahme deine Ahnen nach›, steht geschrieben, ‹denn sie kannten das Leben vor dir. Macht wird durch Wissen verliehen, nur die Schrift macht unsterblich.›»

«Gelehrtengefasel», warf Setaou ein.

Ameni ereiferte sich.

«Willst du etwa leugnen, dass der Schreiber die wahre Macht innehat? Anstand, Höflichkeit, Lebensart, Geradlinigkeit, Einhaltung von Versprechungen, Ablehnung von Unehrlichkeit und Neid, Selbstbeherrschung, Schweigsamkeit zugunsten des geschriebenen Wortes, all das sind Tugenden, die ich entwickeln will.»

«Das genügt nicht», befand Acha, «höchste Macht verleiht die Diplomatie. Daher werde ich bald in fremde Länder reisen und die Sprachen unserer Verbündeten wie auch die unserer Gegner erlernen, um zu begreifen, wie die Handelsbeziehungen geknüpft sind und welche Absichten die anderen Herrscher in Wirklichkeit verfolgen. Wenn ich das alles weiß, habe ich sie in der Hand.»

«Aus dir spricht der Ehrgeiz eines Städters, der jeden Kontakt zur Natur verloren hat», beklagte Setaou. «Die Stadt ist die eigentliche Bedrohung!»

«Du sagst uns nicht, wie du Macht zu erlangen gedenkst», warf Acha spitz ein.

«Es gibt nur einen Weg, wo Leben und Tod, Schönheit und Abscheu, Arznei und Gift ständig ineinander verschlungen sind: auf dem Pfad der Schlangen.»

«Du machst wohl Witze?»

«Wo leben denn die Schlangen? In der Wüste, auf den Feldern, in den Sümpfen, an den Ufern des Nils und der Kanäle, auf den Dreschplätzen, in den Unterständen der Hirten, in den Viehpferchen, ja sogar in den dunklen und kühlen Schlupfwinkeln der Häuser! Die Schlangen sind überall, sie wissen um das Geheimnis der Schöpfung. Ihnen das zu entlocken wird Ziel meines Lebens sein.»

Niemand wagte etwas einzuwenden, denn Setaou schien seine Entscheidung wohl durchdacht zu haben.

«Und du, Moses?», fragte Ramses.

Der junge Hüne zögerte.

«Ich beneide euch, meine Freunde, denn ich vermag keine Antwort zu geben. Seltsame Gedanken treiben mich um, mein Geist ist ruhelos, aber mein Schicksal bleibt im Dunkeln. Man wird mir wohl einen wichtigen Posten in einem großen Harim anvertrauen, ich bin auch bereit, ihn anzunehmen, allerdings in Erwartung einer beglückenderen Aufgabe.»

Die Blicke der vier jungen Männer richteten sich auf Ramses.

«Es gibt nur eine wahre Macht», erklärte er, «die des Pharaos.»

Vier

«Du erstaunst uns in keiner Weise», klagte Acha.

«Mein Vater hat mich dem wilden Stier gegenübergestellt», verriet Ramses. «Warum wohl, wenn nicht, um mich vorzubereiten, eines Tages Pharao zu werden?»

Diese Antwort machte die vier Mitschüler des Prinzen sprachlos; Acha war der Erste, der seine Sprache wiederfand.

«Hat Sethos nicht deinen älteren Bruder als Nachfolger benannt?»

«Wenn das so wäre, warum hat er ihn dann nicht gezwungen, dem Ungeheuer die Stirn zu bieten?»

Ameni strahlte.

«Das ist ja wunderbar, Ramses! Freund des künftigen Pharaos zu sein, wie wundervoll!»

«Berausch dich nicht», riet Moses, «Sethos hat seine Wahl vielleicht noch nicht getroffen.»

«Werdet ihr für oder gegen mich sein?», fragte Ramses.

«An deiner Seite bis in den Tod», antwortete Ameni.

Moses nickte zustimmend.

«Die Frage muss überdacht werden», meinte Acha. «Sobald ich erkenne, dass deine Chancen steigen, werde ich von meinem Glauben an deinen älteren Bruder allmählich ablassen. Wenn dem nicht so ist, werde ich doch keinen Unterlegenen unterstützen.»

Ameni ballte die Fäuste. «Man sollte dich …»

«Vielleicht bin ich nur der Ehrlichste von uns allen», fiel ihm der künftige Gesandte ins Wort.

«Das würde mich wundern», erwiderte Setaou, «die einzig realistische Einstellung ist die meine.»

«Würdest du sie uns verraten?»

«Schöne Worte sagen mir nichts. Taten allein zählen. Ein zukünftiger König muss fähig sein, den Schlangen die Stirn zu bieten. In der nächsten Vollmondnacht, wenn sie alle aus ihren Schlupfwinkeln hervorkommen, werde ich Ramses mitnehmen. Dann werden wir sehen, ob er seinen Ansprüchen gewachsen ist.»

«Weigere dich», flehte Ameni.

«Einverstanden», sagte Ramses.

 

Der Skandal erschütterte das Kap, diese hochangesehene Anstalt. Seit ihrer Gründung hatten selbst die Jahrgangsbesten sich nicht erfrecht, die Hausordnung derartig zu schmähen. Obwohl sich alles in ihm dagegen sträubte, war Sary von den anderen Lehrern beauftragt worden, die fünf Schuldigen vorzuladen und schwere Strafen über sie zu verhängen. Die Sommerferien standen kurz bevor, und diese Aufgabe schien ihm umso sinnloser, als allen fünf jungen Männern in Anerkennung ihrer Bemühungen und Fähigkeiten bereits Ämter übertragen worden waren und ihnen alle Wege offenstanden.

Ramses spielte mit seinem Hund, der sich schnell daran gewöhnt hatte, sein Futter vom Tisch seines Herrn zu bekommen. Wie ein Verrückter rannte er hinter dem Stoffball her, den der Prinz für ihn warf. Würde dieses Spiel denn nie zu Ende sein, fragte sich der Erzieher, denn sein königlicher Zögling duldete es nicht, dass man die Freuden seines Tieres unterbrach, da der Vorbesitzer es ohnehin schon sträflich vernachlässigt hatte.

Erschöpft hechelnd, schlappte Wächter jetzt endlich ein wenig Wasser aus einer irdenen Schale.

«Dein Verhalten, Ramses, verdient einen Tadel.»

«Aus welchem Grunde?»

«Dieser üble Ausbruch …»

«Übertreib nicht, Sary. Wir waren nicht einmal trunken.»

«Dieser Ausbruch war umso dümmer, als deine Mitschüler ihr Studienziel bereits erreicht hatten.»

Ramses packte den Erzieher bei den Schultern.

«Du bringst also gute Nachricht! Schnell, erzähl!»

«Die Strafen …»

«Darüber später! Was ist mit Moses?»

«Beigeordneter Verwalter des großen Harim Mer-Our in Fayum. Eine recht schwere Verantwortung für so junge Schultern.»

«Er wird die in ihren Vorrechten eingezwängten Beamten ein wenig anspornen. Und Ameni?»

«Zieht ein ins Gebäude der Palastschreiber.»

«Großartig! Setaou?»

«Er wird seine Bestallung als Heilkundiger und Schlangenbändiger erhalten und Gift zur Herstellung von Arzneien sammeln. Sofern nicht Bestrafungen …»

«Und Acha?»

«Sobald er seine Kenntnisse des Libyschen, des Syrischen und Hethitischen vervollkommnet haben wird, soll er nach Byblos gehen und dort seinen ersten Posten als Dolmetscher erhalten. Aber all diese Ernennungen sind zurückgestellt worden!»

«Von wem?»

«Vom Vorsteher, den Lehrern und mir. Euer Benehmen kann nicht geduldet werden.»

Ramses überlegte.

Würde die Angelegenheit hochgespielt werden, käme sie dem Wesir und schließlich Sethos zu Ohren. In der Tat ein schönes Mittel, den königlichen Zorn heraufzubeschwören!

«Muss man nicht in allen Dingen Gerechtigkeit walten lassen, Sary?»

«Gewiss.»

«Dann strafen wir den einzig Schuldigen: mich.»

«Aber …»

«Ich habe dieses Treffen herbeigeführt, den Ort bestimmt und meine Kameraden gezwungen, mir zu gehorchen. Hätte ich einen anderen Namen getragen, hätten sie sich geweigert.»

«Möglich, aber …»

«Verkünde ihnen die gute Nachricht, und häufe auf mein Haupt die vorgesehenen Strafen. Und da diese Angelegenheit nun geregelt ist, lass mich jetzt diesem armen Hund ein wenig Freude bereiten.»

 

Sary dankte den Göttern. Dank Ramses konnte er diese heikle Situation bestens bereinigen. Der Prinz, dem aus den Reihen der Lehrmeister wenig Sympathie entgegenschlug, wurde im Kap unter Hausarrest gestellt. Er durfte nicht am Fest der großen Überschwemmung teilnehmen, musste sich stattdessen in die Rechenkunst und in die Literatur vertiefen und hatte sich auch jedes Besuchs der Stallungen zu enthalten. Beim Neujahrsfest im Juli würde somit der ältere Bruder neben Sethos stehen, wenn der Pharao die Wiedergeburt des Wassers zelebrierte. Wie unbedeutend Ramses war, das würde sein Fehlen nur noch unterstreichen.

Bevor er seine Strafe antrat, die nur der goldgelbe Hund etwas auflockern würde, durfte Ramses seinen Mitschülern noch Lebewohl sagen.

Ameni war herzlich und zuversichtlich. Da er in Memphis, ganz in der Nähe seines Freundes, blieb, würde er jeden Tag an Ramses denken und sich schon etwas einfallen lassen, um ihm ein paar Leckereien zuzustecken. Und wenn er erst wieder frei wäre, konnte die Zukunft nur rosig aussehen.

Moses umarmte Ramses nur ganz fest. Dass man ihn ins ferne Mer-Our schickte, erschien ihm wie eine Prüfung, der er sich, so gut er es vermochte, unterziehen wollte. Träume suchten ihn zwar immer noch heim, doch davon wollte er erst sprechen, wenn sein Freund wieder aus seinem Käfig freikäme.

Acha war kühl und abweisend. Er dankte dem Prinzen für sein Verhalten und versprach, es ihm zu vergelten, wenn sich die Gelegenheit bieten sollte. Dies allerdings bezweifelte er, denn ihre Geschicke dürften sich schwerlich nochmals kreuzen.

Setaou erinnerte Ramses an die Einladung, zu den Schlangen zu gehen, versprochen sei versprochen. Diesen misslichen Aufschub wolle er nutzen, um einen geeigneten Ort ausfindig zu machen. Er verhehlte nicht, wie glücklich er war, sein Talent fern der Städte zu erproben und sich tagtäglich mit der wahren Macht auseinanderzusetzen.

Zum Erstaunen seines Erziehers akzeptierte Ramses diesen Rückzug in die Einsamkeit, ohne mit der Wimper zu zucken. Während die jungen Männer seines Alters die Vergnügungen der großen Überschwemmung genossen, widmete der Prinz sich der Rechenkunst und den Schriften der Alten. Nur von Zeit zu Zeit gestattete er sich einen Spaziergang durch die Gärten, in Begleitung seines Hundes. Die Gespräche mit Sary drehten sich immer nur um die nüchternsten Sachgebiete, Ramses bewies eine erstaunliche Konzentrationsfähigkeit und schien ein außerordentliches Gedächtnis zu haben. In wenigen Wochen war aus dem Jungen ein Mann geworden. Bald würde der Erzieher überflüssig werden, ihm kaum mehr etwas beizubringen haben.

Mit dem gleichen Ungestüm, mit dem er sich in einen Ringkampf zu stürzen pflegte, hatte Ramses sich auf diese erzwungene innere Einkehr eingelassen. Hier galt es, sich selbst zu bezwingen. Seit der Begegnung mit dem Stier wusste er, dass es noch ein anderes Ungeheuer zu zähmen galt: den zu selbstsicheren, ungeduldigen und fahrigen Jüngling, der in ihm steckte. Ein Kampf, der vielleicht nicht minder gefährlich war.

Seine Gedanken kreisten ständig um seinen Vater.

Vielleicht würde er ihm niemals mehr begegnen, vielleicht müsste er sich zufriedengeben mit dieser Erinnerung und dem Bild eines Pharaos, dem niemand gleichkommen konnte. Nachdem er dem Stier die Freiheit geschenkt hatte, hatte er Ramses gestattet, ein Weilchen die Zügel des Gespanns zu halten, sie ihm dann aber wortlos wieder abgenommen. Ramses hatte nicht gewagt, nach dem Grund zu fragen. Dass er, wenn auch nur wenige Stunden, bei ihm sein durfte, war schon eine Auszeichnung gewesen.

Pharao werden? Diese Frage hatte eigentlich keinen Sinn mehr. Er hatte sich erneut von seiner Begeisterung hinreißen, seine Phantasie zügellos schießen lassen.

Aber eine Prüfung war es doch gewesen, diese Begegnung mit dem Stier. Ein altes, nur in Vergessenheit geratenes Ritual. Und Sethos handelte doch nicht leichtfertig.

Anstatt sich Fragen zu stellen, die ins Leere liefen, hatte Ramses beschlossen, seine Wissenslücken zu schließen und sich hochzuarbeiten auf den Kenntnisstand seines Freundes Ameni. Wie auch immer sein späteres Amt aussehen mochte, Mut und Begeisterung genügten nicht, um es auszuüben. Selbst Sethos war, wie alle anderen Pharaonen, den Weg des Schreibers gegangen.

Schon wieder diese wahnwitzige Vorstellung! Wie eine Welle kehrte sie immer wieder, obwohl er doch alles daransetzte, sie zu verjagen. Sary hatte ihm auch gesagt, dass sein Name bei Hofe fast in Vergessenheit geraten war. Widersacher hatte er dort keine mehr. Schließlich wusste man, dass er in ein vergoldetes Exil, in eine Provinzhauptstadt abgeschoben werden würde.

Ramses erwiderte nichts, lenkte das Gespräch auf das heilige Dreieck zur Errichtung einer Tempelmauer oder die Berechnung der Größenverhältnisse in der Baukunst nach dem Gesetz der Maat, der zarten und wundervollen Göttin der Harmonie und Wahrhaftigkeit.

Unter Anleitung Sarys, der entzückt war, einen Gelehrten aus ihm zu machen, vergaß er seine Leidenschaft fürs Reiten, Schwimmen oder für den Ringkampf, vergaß er die Natur und die Außenwelt. Noch ein paar Jahre, und der frühere Hitzkopf wäre den Baumeistern früherer Zeiten ebenbürtig! Das Fehlverhalten und die verbüßte Strafe hatten den jungen Mann wieder in die richtigen Bahnen gelenkt.

Am Abend vor seiner Freilassung speiste der Prinz mit Sary auf dem Dach des Unterrichtsraums. Sie saßen auf Matten, tranken kühles Bier und labten sich an Dörrfisch und würzigen Puffbohnen.

«Ich beglückwünsche dich, du hast beachtliche Fortschritte gemacht.»

«Eine Frage ist noch offen: Welchen Posten hat man mir zugedacht?»

Der Lehrer wirkte befangen.

«Nun … erst solltest du dich einmal erholen von dieser übermäßigen Anstrengung.»

«Warum so ausweichend?»

«Es ist etwas heikel, jedoch … Ein Prinz kann seinen Rang geltend machen.»

«Welchen Posten werde ich bekommen, Sary?»

Der Lehrer wich dem Blick seines Schülers aus.

«Im Augenblick … keinen.»

«Wer hat diese Entscheidung getroffen?»

«Dein Vater, König Sethos.»

Fünf

«Versprochen ist versprochen», erklärte Setaou.

«Du bist’s, bist du’s wirklich?»

Setaou hatte sich verändert. Schlecht rasiert, ohne Perücke, bekleidet mit einem Umhang aus Antilopenhaut mit vielen Taschen, hatte er kaum mehr Ähnlichkeit mit dem Zögling einer der besten Lehranstalten des Landes. Hätte einer der Palastwächter ihn nicht erkannt, wäre er ohne viel Federlesens fortgeschickt worden.

«Was ist dir zugestoßen?»

«Ich tue meinen Dienst und halte mein Wort.»

«Wohin willst du mich entführen?»

«Das wirst du schon sehen … Es sei denn, aus Angst würdest du wortbrüchig.»

Ramses warf ihm einen flammenden Blick zu.

«Gehen wir.»

Auf Eseln ritten sie durch die Stadt, verließen sie gen Süden, dann ging es einen Kanal entlang und bei einer Gabelung in Richtung Wüste zu einer ehemaligen Nekropole. Zum ersten Mal verließ Ramses das Tal und betrat eine unheimliche Welt, wo das Gesetz der Menschen keine Geltung mehr besaß.

«Heute Nacht ist Vollmond!», sagte Setaou mit begierigem Blick. «Alle Schlangen werden sich einfinden.»

Die Esel folgten einer Spur, die Ramses niemals entdeckt hätte. Sicheren Schrittes und zügig drangen sie vor in das verlassene Gräberfeld.

In der Ferne das Blau des Nils und das Grün der Äcker, hier nichts als unfruchtbarer Sandboden, Stille und Wind. Ramses begriff und spürte, warum die Tempelhüter die Wüste «die rote Erde Seths» nannten. Seth, der Gott der Gewitter und des kosmischen Feuers, Seth hatte den Boden verbrannt in diesen einsamen Weiten, aber auch die Menschen befreit von Zeit und Verfall. Ihm war es zu danken, dass sie Stätten für die Ewigkeit errichten konnten, in denen die Toten nicht verwesten.

Ramses atmete die belebende Luft ein.

Der Pharao war Herr über diese rote Erde wie auch über die fruchtbare und schlammige schwarze Erde, die Ägypten Nahrung im Überfluss spendete. Er dürfte die Geheimnisse kennen, ihre Kraft nutzen und ihre Mächte im Zaum halten.

«Wenn du es wünschst, kannst du noch umkehren.»

«Möge es schnell Nacht werden.»

 

Eine Schlange mit rötlichem Rücken und gelbem Bauch zog an Ramses vorbei und verkroch sich zwischen zwei Steinen.

«Ungefährlich», sagte Setaou, «von solchen wimmelt es in der Nähe verlassener Bauwerke. Tagsüber verziehen sie sich für gewöhnlich ins Innere der Gebäude. Komm mit.»

Die beiden jungen Männer stiegen einen steilen Abhang hinab, der zu einer verfallenen Grabstätte führte. Ramses zögerte einzutreten.

«Da drin ist keine Mumie mehr. Der Raum ist kühl und trocken, du wirst sehen. Kein Dämon wird dich angreifen.»

Setaou entzündete eine Öllampe.

Ramses erblickte eine Art Grotte, deren Decke und Wände grob behauen waren. Vielleicht hatte hier nie jemand gelegen. Der Schlangenbeschwörer hatte mehrere niedrige Tischchen aufgestellt, auf denen ein Schleifstein, ein Bartschaber aus Bronze, ein hölzerner Kamm, ein Flaschenkürbis, hölzerne Täfelchen, eine Schreibpalette und eine Reihe Näpfe mit Salben und Balsam standen. In Tonkrügen bewahrte er die zur Arzneibereitung notwendigen Ingredienzen auf: Erdharz, Kupferfeilicht, Bleioxyd, roten Ocker, Alaun, Tonerde und zahlreiche Pflanzen, darunter Zaunrübe, Steinklee, Rizinus und Baldrianwurzel.

Der Tag neigte sich, die Sonne färbte sich orangerot, die Wüste, eine in Gold getauchte Ebene, wickelte hier und da Sandschärpen, wenn der Wind über die Dünen strich.

«Entkleide dich», befahl Setaou.

Als der Prinz nackt vor ihm stand, rieb der Freund ihn mit einer Mixtur aus Zwiebelsud ein.

«Die Schlangen scheuen diesen Geruch», erklärte er. «Welchen Posten hat man dir eigentlich übertragen?»

«Keinen.»

«Ein Prinz als Müßiggänger? Das hat dir wieder dein Erzieher eingebrockt!»

«Nein, Befehl meines Vaters.»

«Also hast du die Probe mit dem Stier wohl doch nicht bestanden.»

Ramses wollte es nicht wahrhaben, dabei erklärte es seine Abschiebung.

«Vergiss den Hof mit all den Intrigen und dunklen Machenschaften. Komm zu mir, arbeite mit mir. Die Schlangen sind gefährliche Feinde, aber sie lügen nicht.»

Ramses war verwirrt. Warum hatte sein Vater ihm nicht die Wahrheit gesagt? So hatte er ihn bloßgestellt, ohne ihm Gelegenheit zu geben, seine Tauglichkeit zu beweisen.

«Jetzt musst du wirklich eine Probe bestehen. Um unverletzlich zu werden, musst du dieses abscheuliche und gefährliche Gebräu aus Nesselgewächsen trinken. Es hemmt den Blutfluss und kann den Kreislauf sogar zum Stillstand bringen, doch das kommt selten vor … Wenn du erbrichst, bist du tot. Ameni würde ich ein solches Experiment nicht vorschlagen, aber deine robuste Natur dürfte damit fertigwerden. Danach bist du gegen den Biss etlicher Schlangen gefeit.»

«Nicht aller?»

«Gegen die größten muss man sich täglich eine kleine Dosis verdünnten Kobrabluts verabreichen. Solltest du dich für diesen Beruf entscheiden, wird diese besondere Behandlung natürlich auch dir zuteil. Trink jetzt.»

Es schmeckte grauenhaft.

Kälte schlich sich in die Blutbahnen, Ramses drehte sich der Magen um.

«Halte durch.»

Diesen quälenden Schmerz erbrechen, ausspucken und sich dann hinlegen und schlafen …

Setaou packte Ramses am Handgelenk.

«Halt durch, mach die Augen auf!»

Der Prinz fasste sich wieder. Im Ringkampf war er von Setaou nie besiegt worden. Sein Magen entkrampfte sich, das Kältegefühl wich.

«Du bist wirklich zäh, aber regieren wirst du nie.»

«Wieso nicht?»

«Weil du mir vertraut hast. Ich hätte dich doch vergiften können.»

«Du bist mein Freund.»

«Woher weißt du das?»

«Ich weiß es.»

«Ich vertraue nur den Schlangen. Sie gehorchen ihrer Natur und verstellen sich nicht. Bei den Menschen ist das anders. Sie verstellen sich ein Leben lang und wollen Gewinn schlagen aus ihren Gaunereien.»

«Du auch?»

«Ich habe die Stadt verlassen und lebe hier.»

«Wäre mein Leben in Gefahr gewesen, hättest du mich dann nicht gerettet?»

«Zieh das Hemd wieder über, wir wollen hinausgehen. Du bist nicht so dumm, wie du aussiehst.»