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ISBN 978-3-417-22661-4 (E-Book)
ISBN 978-3-417-26438-8 (lieferbare Buchausgabe)
Datenkonvertierung E-Book:
CPI – Ebner & Spiegel, Ulm
© 2013 SCM R.Brockhaus im SCM-Verlag GmbH & Co. KG
Bodenborn 43 · 58452 Witten
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Die Bibeltexte sind folgender Ausgabe entnommen:
Elberfelder Bibel 2006, © 2006 by SCM R.Brockhaus
im SCM-Verlag GmbH & Co. KG, Witten.
Umschlaggestaltung: Johannes Schermuly, Wuppertal;
www.ideen-und-medien.de
Satz: typoscript GmbH Walddorfhäslach
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M oderatoren fühlen sich anfangs wie Nichtschwimmer im tiefen Bassin. Und richtig: Das öffentliche Sprechen vor vielen Menschen ist immer eine Herausforderung. Hinzu kommt der besondere Anlass: Gerade im Gottesdienst spüren wir die Verantwortung, die Sätze zu wägen und den richtigen Ton zu treffen. Denn hier stehen wir mit unserer ganzen Existenz ein.
Aber auch für solche, die schon über einige Übung verfügen, bleibt jeder neue Auftritt im Gottesdienst oft ein Sprung ins kalte Wasser. Und das ist auch ganz gut so. Denn eine allzu routinierte oder gar kaltschnäuzige Einstellung wäre auf Dauer für alle Beteiligten zum Nachteil. Wer sich nicht mehr von Gott abhängig weiß, wird sich möglicherweise bald so unabhängig fühlen, dass ihn Gottes Reden nicht mehr erreichen kann.
Dennoch: Abhängigkeit ist nicht mit Angst gleichzusetzen. Und: Moderieren lässt sich lernen. Schritt für Schritt. Es ist eine Fertigkeit, die den meisten Menschen offensteht. Für alle Zeiten gültige Regeln gibt es sicher nicht, wohl aber Erfahrungswerte, von denen man profitieren kann. Und wer hier Fortschritte macht, vermag mit der Zeit, Sicherheit und Selbstvertrauen zu gewinnen.
Dieses Buch öffnet verschiedene Fenster in die Praxis des Moderierens. Und es will vor allem eines: helfen, Ängste abzulegen, und zum Moderieren ermutigen.
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Vorschau: Dieses Kapitel ist ein Plädoyer für die Moderation von Gottesdiensten. Moderation ist als Element moderner Kommunikationstechniken ein echter Gewinn für Gottesdienste. Der Moderator ist ein „Lotse“, der hilft, die geplanten Ziele zu erreichen. Durch eine gelungene Moderation können Gottesdienste verständlicher, erwartungsvoller, freundlicher und teamorientierter werden.
Inhalte: Ein kultureller Code | Dem Zeitgeist auf der Spur | Moderation als Steuerung | Fremdartiges wird verständlich | Vermeintlich Langweiliges wird spannend | Direktives wird freundschaftlich | Aus Solos wird Beteiligung
W enn ich mit dem Auto unterwegs bin, entscheide ich mich meist für etwas, was auch viele andere Zeitgenossen tun: Ich höre Radio. Klar greife ich hin und wieder auch zu CDs und Hörbüchern, aber immer wieder komme ich auf den Rundfunk zurück. Auto und Radio – das gehört für die allermeisten Menschen einfach zusammen. Am liebsten höre ich eine angenehme Mischung aus Musik und inhaltlichen Beiträgen. „Der Mix macht’s“ – das stimmt, nicht erst seitdem Radio Hamburg diese Einsicht als Werbeslogan erkoren hat. Aber es ist nicht nur diese besondere Mischung aus Wörtern und Tönen, die mir gefällt. Genauso wichtig ist mir auch die Moderation zwischen diesen Elementen.
Rundfunkexperten unterscheiden bekanntlich die Anmoderation von der Abmoderation. Erstere leitet den Musiktitel oder den Beitrag ein. Manches wird erklärt, Hintergründe werden aufgezeigt, aber es geschieht niemals zu ausführlich. Schließlich soll das Interesse geweckt und die Spannung aufgebaut werden. Das Abmoderieren schließt wiederum das Gehörte ab. Bevor das Neue kommt, soll das vorangegangene Thema zum Ende kommen. Es ist wie ein höflicher Abschied, bevor man sich etwas anderem zuwendet.
Moderation ist also wichtig – keine Frage. Sie ist das Gleis, auf dem die Inhalte erst richtig in Schwung kommen. Ohne sie sind viele Medien heute einfach nicht vorstellbar.
Kürzlich musste ich spät in der Nacht eine Autofahrt unternehmen. Und wie gewohnt schaltete ich mein Radio ein. Irgendwann – es war weit nach Mitternacht – fiel mir plötzlich auf, dass sich einfach ein Musiktitel an den anderen anschloss. Stumm, ohne Worte und ohne Überleitung. Da gab es kein aufmunterndes Statement, keine freundliche Stimme, nichts. Nun, die Musik war nicht schlecht. Und doch kam es mir ehrlich gesagt ausgesprochen öde vor. Ohne die gewohnte Moderation war es nur noch ein großer Musikbrei. Ich stellte mir vor, wie irgendwo in einem Sendehaus ein großer Computer stand, der nun eine tags zuvor programmierte Sendestrecke in die schwarze Nacht schickte. Das empfand ich als ausgesprochen trostlos.
Wen wundert es, dass die Moderation mittlerweile ein fester Bestandteil unseres medialen Lebens ist? Sie ist eine wichtige Kommunikationstechnik. Stellen Sie sich eine Nachrichtensendung im Fernsehen vor, in der ohne Kommentare einfach eine Neuigkeit nach der anderen eingeblendet wird. Das erschiene ziemlich unprofessionell. Zumindest hätte man den Eindruck, als werde hier verzweifelt versucht, Kosten zu sparen. Oder denken Sie an die samstägliche Sportsendung: Kein Mensch würde einfach nur die Übertragungen von den einzelnen Spielorten der Bundesliga sehen wollen. Ganz richtig, es würde etwas fehlen – das informierende und verbindende Element. Klar, die Moderation ist nicht die Hauptsache. Aber sie hilft uns, das Wesentliche besser zu verstehen und einzuschätzen.
Diese Tendenz lässt sich auch jenseits der Medien verfolgen. Es macht einen Riesenunterschied, ob wir ein fremdes Museum auf eigene Faust besuchen oder ob jemand da ist, der mit uns die wichtigsten Exponate ansteuert und einige erläuternde Dinge dazu erzählt. Doch es sind nicht nur die Erklärungen und Verknüpfungen, die zählen. Ebenso wichtig ist die atmosphärische Brücke, die zwischen den Inhalten und den Zuschauern geschlagen wird. Ein guter Conférencier im Kabarett oder Theater ist Gold wert. Er hält die Programme nicht nur im Fluss, er begrüßt die Besucher und heißt sie willkommen. Er ist nicht nur Stimme, sondern sorgt sich auch um die Stimmung. Er versichert den Gästen indirekt, dass sie mit ihrer Wahl für diesen Abend eine wirklich gute Entscheidung getroffen haben. Das ist kein billiges Gerede, sondern ein Akt der Höflichkeit. Ähnliches finden wir auch im Privaten. Wenn wir etwa zu einer Party einladen, so begrüßen wir als Gastgeber natürlich die einzelnen Gäste und helfen ihnen, sich am Ort und unter den schon Anwesenden zurechtzufinden. Mit unserer Moderation helfen wir dem Neuankömmling nicht nur die Türschwelle, sondern auch persönliche Hemmschwellen zu überwinden.
Natürlich funktioniert das Leben auch ohne dieses moderierende Element. Aber es wäre dann ohne Zweifel ärmer. Moderation ist, so lässt sich fürs Erste festhalten, eine Art kultureller Code unseres Lebens geworden. Wer moderiert, der macht die Inhalte lebendig.
Wenn die Moderation in unserer Zeit und Kultur mittlerweile so fest verankert ist, sollte das auch für unsere Gottesdienste nicht ohne Folgen sein. Ja, dann sollte sie unbedingt eine wichtige Rolle erhalten. Nicht allein deshalb, weil sie modern ist, sondern weil sie als Kommunikationsform dem Evangelium Gehör verschafft. Pointiert formuliert: Wer auf die Moderation verzichtet, der vergibt eine große Chance. Oder etwa nicht?
Es werden – das sei an dieser Stelle ausdrücklich erwähnt – immer wieder Stimmen laut, die die Moderation für Gottesdienste infrage stellen, ja sogar resolut ablehnen. Gerne wird dann auf die alten kirchlichen Traditionen verwiesen, die den Moderator nicht kennen. Oder es wird vor einer allzu schnellen Angleichung an den Zeitgeist gewarnt. Was heute gefalle, so die Mahnung, könne schon bald wieder durchfallen.
Doch was heißt hier eigentlich Tradition? Tatsache ist, dass sich im Neuen Testament nicht die eine und einzige Ordnung für Gottesdienste aufspüren lässt. Ehrlicherweise muss man sogar einräumen, dass ziemlich wenig zu diesem Thema gesagt wird. Zu den ausführlichsten Texten zählen die Hinweise von Paulus an die Gemeinde in Korinth (vgl. 1. Korinther 11–14), doch spielen hier wiederum so viele lokale Fragestellungen wie etwa die nach der Rolle der Frau im Gottesdienst oder nach dem Gebrauch der Charismen hinein, dass sich nicht alle Aussagen unisono auf die Gegenwart übertragen lassen.
Welche Quellen gibt es sonst für den christlichen Gottesdienst? Hier lässt sich einmal der Jerusalemer Tempel anführen. Jesus hat ihn aufgesucht und auch seine Jünger gingen nach der Auferstehung dorthin (vgl. Apostelgeschichte 3,1). Ebenso wird erwähnt, dass einzelne Häuser der Treffpunkt für die jungen Gemeinden waren (vgl. Apostelgeschichte 2,46). Auch die Synagoge war ein Ort der Versammlung, den Jesus (vgl. Matthäus 4,23) und später Paulus (vgl. Apostelgeschichte 17,10) besuchte. Nicht zu vergessen sind die quasi öffentlichen Veranstaltungen, die Jesus mit seinen Jüngern gestaltete (vgl. Matthäus 5,1). Alle diese Orte werden die ersten Gottesdienste geprägt haben, eine regelrechte Ordnung lässt sich daraus aber nicht ableiten.
Ich habe den Eindruck, dass manchmal ein Schweigen auch ein klares Reden sein kann. Wenn hier im Neuen Testament etwas nicht weiter erörtert wird, obwohl es dazu sicher einigen Anlass gegeben hätte, so scheint mir eine große Freiheit in diesen Dingen vorausgesetzt zu werden. Sicher, es gibt essenzielle und nicht aufgebbare Elemente christlicher Gottesdienste. Dazu zählen die ursprünglichen Lebensmerkmale der ersten Gemeinde, wie sie etwa in der Apostelgeschichte beschrieben werden: Predigt, Gemeinschaft, Gebet und Abendmahl (vgl. Apostelgeschichte 2,42). Das waren und sind die Grundelemente von Gemeinden und Gottesdiensten auch heute. Wie diese Inhalte aber nun konkret Gestalt finden, das bleibt jeder Zeit und jeder Kirche selbst überlassen. Hier darf und muss Freiheit herrschen. Dabei gilt natürlich, dass man das Alte und Hergebrachte nicht verachten sollte. Gleichzeitig ist es aber normal und notwendig, Neues zu wagen und auszuprobieren. Die Inhalte sollen eben in die neue Zeit übertragen werden.
Doch wie können wir für den Gottesdienst die Moderation näher definieren? Manch einer fremdelt mit dem Begriff der Moderation, was ihn dann davon abhält, sich auf die Sache einzulassen. Es erinnere, so eine Ansicht, zu sehr an Rundfunk- und Fernsehprogramme.
Nun, man muss den moderierenden Mitarbeiter im Gottesdienst natürlich nicht „Moderator“ nennen, um die Chancen zu nutzen. Selbstverständlich kann er auch Leiter, Lektor oder Liturg heißen. Es geht nicht um Worte, sondern um den Vollzug. Wenn ich in diesem Buch trotzdem auf den Begriff der „Moderation“ zurückgreife, dann tue ich das in dem Wissen, dass er schon lange gebräuchlich war, ehe die Gesprächs- und Wettermoderatoren im Fernsehen auftraten. So war in der römischen Schifffahrt das „Moderamen“ ein Hilfsruder, mit dem sich die Richtung des Schiffes steuern ließ. Der Moderator wäre entsprechend eine Art Hilfslotse auf dem Schiff der Gemeinde und des Gottesdienstes. Wer moderiert, unterstützt die anderen Gottesdienstgestalter dabei, das gemeinsame Ziel zu erreichen, Klippen und Untiefen zu umfahren und den wehenden Wind des Geistes weise zu nutzen. Dies hat mindestens vier entscheidende Vorteile:
Mit einer gelungenen Moderation blüht ein Sonntagmorgen regelrecht auf. Ja, der Unterschied zwischen einem unmoderierten und einem moderierten Gottesdienst kann enorm sein. Sicher, es gibt natürlich auch verunglückte Moderationen. Davon wird später noch die Rede sein. Aber grundsätzlich gilt, dass die Moderation einen echten Qualitätsschub für jede kirchliche Veranstaltung bedeutet. Warum?
Nun, ein solcher Gottesdienst nimmt den religiösen Horizont der meisten Menschen ernst. Er kommt vielen Zeitgenossen entgegen. Und das ist ein – wie ich meine – entscheidendes Argument. Längst leben wir in einer säkularen Welt. Die Theologen sprechen mittlerweile vom „homo areligiosus“, das heißt vom „unreligiösen Menschen“. Natürlich schleppt jeder, auch der hartgesottene Atheist, seine Sinnfragen mit sich herum. Und irgendwie wird keine Generation auf Dauer Gott los. Aber die Prägekraft des biblischen Wissens und der kirchlichen Traditionen hat in unserer Zeit dramatisch nachgelassen. Daher erklärt sich ein christlicher Gottesdienst leider meist nicht mehr von selbst. Sicher gibt es hier regionale Unterschiede und manches wäre zu differenzieren. Aber alles in allem lässt sich wohl festhalten, dass ein Gottesdienst mit seinen Inhalten im deutschsprachigen Europa keine Selbstverständlichkeit mehr darstellt. Letztendlich geht es bei der begleitenden Moderation daher um das Prinzip der Verständlichkeit, wie es der Apostel Paulus mit Blick auf die Praxis der Zungenrede im Gottesdienst der Korinther formuliert:
Wenn ich nun die Bedeutung der Sprache nicht kenne, so werde ich dem Redenden ein Barbar sein und der Redende für mich ein Barbar (1. Korinther 14,11).
Gerade auf neue Gäste wirkt im Gottesdienst vieles fremd und bedarf näherer Informationen. Ohne diese bleibt der Sonntagvormittag für viele Besucher wie ein „unverständliches Buch“ oder gar ein „falscher Film“, den sie nicht recht verstehen. Zum Beispiel: Was ist ein Segen, was geschieht eigentlich beim Singen, was wird beim Abendmahl gegessen und getrunken und wofür ist überhaupt die Predigt da? Was ist eine Kollekte, warum soll man Geld geben und wozu wird es verwendet? Sicher sind das für Dauerbesucher alles Allgemeinplätze, aber solche Experten werden in unseren Gottesdiensten leider immer weniger.
Ich werde nicht vergessen, wie mir gegenüber ein Teenager einmal das Symbol des Kreuzes ganz naiv als „Pluszeichen“ deutete. Dass das Kreuz an die Sühne und Auferstehung von Jesus Christus erinnert, schien gar nicht mehr präsent. Viele Menschen unserer Zeit sind in christlichen Fragen zu Analphabeten worden. Sie haben die Vokabeln und die Grammatik unserer Gottesdienste nie gelernt. Ohne moderierende Einführungen sind sie daher oft heillos überfordert. Und wer nichts versteht – das ist wie in der Schule –, schaltet schnell ab.
Doch selbst bei langjährigen Teilnehmern gibt es oft Erklärungsbedarf. Der Inhalt alter Lieder erschließt sich nicht immer schon durch das bloße Singen. Dasselbe gilt übrigens auch für manches moderne Liedgut. Und bestimmte bevorstehende Feiertage oder vorgelesene Bibelstellen erfordern ebenfalls eine Einordnung in ihren Kontext. Eine gute Moderation kann hier neue Zugänge ermöglichen. Darum überrascht es nicht, wenn Gottesdienstbesucher auf interessante Hintergrundinformationen meist sehr positiv reagieren. Die Erklärung ist nicht ein Anhängsel, das vernachlässigt werden kann, sondern ein dringender Dienst. Umgekehrt gilt natürlich auch: Wer wenig Wert darauf legt, dass neue, christlich unerfahrene Menschen in die Gottesdienste kommen und möglichst auch wiederkommen, der kann auf Moderation getrost verzichten.
Der Moderator erklärt aber nicht nur die gottesdienstlichen Elemente, er verbindet sie auch miteinander und setzt sie somit in Beziehung. Wo moderiert wird, können sich die einzelnen Elemente auf natürliche Weise zusammenfügen und ein größeres Ganzes bilden. Leider ist das Gegenteil viel zu oft der Fall. Da wird kommentarlos ein Teil an das andere gereiht. Lied folgt auf Gebet, Ankündigung folgt wiederum auf Lied, und Predigt schließt an die Ankündigung an. Die Inhalte sind für sich genommen alle richtig und gut, aber ihnen fehlt eine nachvollziehbare Verknüpfung. Es mag Gottesdienste geben, wo all das nicht nötig ist, wo jeder Teilnehmer alles selbst zuzuordnen weiß. Aber dort, wo zweifelnde Menschen gehalten und neue Besucher gewonnen werden wollen, ist es ungemein wichtig. Ohne moderierende Akzente wirkt vieles schnell statisch und kommt dementsprechend bleiern daher. Ernsthafte Langeweile droht sich breitzumachen. Wer dagegen klug konstruiert, darf damit rechnen, dass auch für die Zuhörer etwas Konstruktives entsteht. Paulus selbst drückt diese Erwartung gegenüber dem Gottesdienst in Korinth aus:
Alles geschehe zur Erbauung (1. Korinther 14,26).
Ein geübter Moderator vermag hier kleine Wunder zu vollbringen. Im An- und Abmoderieren werden mit wenigen Worten die Bezüge der jeweiligen gottesdienstlichen Elemente zueinander hergestellt. Und nicht nur das: Der Besucher merkt, dass ein Spannungsbogen da ist. Wie die Statik von Gebäuden durch Neigungen und Spannungen lebt, so spürt auch der Gast einen inneren Aufbau des Gottesdienstes. Seine Aufmerksamkeit gilt nun plötzlich nicht mehr dem Auflauf zu Hause im Backofen, sondern der inneren Struktur dessen, was sich vor seinen Augen gerade abspielt. Erfahrene Moderatoren können daher mit der nötigen Planung und entsprechenden Verbindungen eine Erwartungshaltung schaffen, die jedes Frühaufstehen vergessen lässt. Das alles ist kein fauler Zauber, sondern vielmehr ein kluges Widerspiegeln der heiligen Dynamik von Gottesdiensten.
Wussten Sie es? Am 5. Oktober 1544 wurde im sächsischen Torgau die erste neu erbaute evangelische Kirche eingeweiht. Bei dieser Premiere war Martin Luther persönlich anwesend und begann – so wird berichtet – seine Predigt in der Schlosskirche mit folgenden Worten:
Meine lieben Freunde, wir wollen jetzt dieses neue Haus einsegnen und weihen unserem Herrn Jesus Christus, […] auf dass nichts anderes darin geschehe, als dass unser lieber Herr selbst mit uns rede durch sein heiliges Wort und wir wiederum mit ihm reden durch Gebet und Lobgesang …
(WA 49,588,12ff)
Diese Einleitung ist auch nach fast 500 Jahren ziemlich bemerkenswert. In einer Zeit, in der die Gesellschaft durch und durch hierarchisch gegliedert war, wo sich überall Könige und Knechte gegenüberstanden, spricht der Reformator die Zuhörer als seine Freunde an. Er stellt sich somit auf eine Ebene mit allen, die anwesend sind, und betont das gemeinsame Verhältnis. Ich denke, dass dieser Ausdruck von Freundlichkeit auch in unseren demokratischen Zeiten an Aktualität nichts verloren hat. Denn Gottesdienste strahlen – ob wir es wünschen oder nicht