Buddha, d. h. »der Erwachte«, ist der Ehrentitel eines Weisen, den bis heute Millionen Menschen im südlichen und östlichen Asien als den Begründer einer Heilslehre verehren: Diese Lehre soll aus der Ruhelosigkeit des sich immer erneuernden Weltdaseins zur endgültigen Erlösung, zum Nirvâna führen. Der vorliegende Band vereinigt seine wichtigsten überlieferten Reden in vorzüglicher Übersetzung.
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Buddha, d. h. »der Erwachte«, ist der Ehrentitel eines Weisen, den Millionen Menschen im südlichen und östlichen Asien als den Begründer einer Heilslehre verehren, die aus der Ruhelosigkeit des sich immer erneuernden Weltdaseins zur endgültigen Erlösung, zum Nirvâna (Pâli: Nibbâna) führen soll. Er wurde als Sohn des Königs Suddhodana aus dem Adelsgeschlecht der Sâkyas um 560 v. Chr. in Kapilavatthu in den Vorbergen des nepalesischen Himalaya geboren; mit seinem persönlichen Namen hieß er Siddhattha; da seine Familie sich den Namen des vedischen Sehers Gotama beigelegt hatte, wird er in den Texten häufig auch als Gotama bezeichnet. Der Überlieferung zufolge wuchs er in großem Luxus auf; außer seiner Gattin, die ihm einen Sohn Râhula geboren, hatte er, dem Brauch der Zeit entsprechend, noch zahlreiche Nebenfrauen. Als er 29 Jahre alt geworden war, gab er das weltliche Leben auf und zog, wie viele Inder vor und nach ihm, »aus der Heimat in die Heimatlosigkeit«. In der Erkenntnis, dass alle Genüsse des Lebens vergänglich und leidvoll sind, suchte er als wandernder Asket nach einem Unvergänglichen, das jenseits des Kreislaufs sich immer erneuernder Daseinsformen liegt. Weder das Studium bei den brahmanischen Meistern Alâra Kalâma und Uddaka Râmaputta noch die Übung strenger Selbstkasteiung brachten ihn seinem Ziel näher. Erst nach sechsjährigem vergeblichem Bemühen ging ihm unter einem Feigenbaum in Uruvelâ (bei dem heutigen Gayâ) die erlösende Erkenntnis auf; er wurde damit aus einem nach dem Heil strebenden Bodhisattva (Anwärter der Erleuchtung) zu einem voll Erwachten, einem Buddha. Seine Anhänger nannten ihn fortan auch Bhagavat (der Erhabene) oder Tathâgata (der Vollendete).
Im Tierpark bei Benares predigte er zum ersten Male seine Lehre fünf Asketen, die sich ihm in Uruvelâ zur Zeit seiner Selbstkasteiung angeschlossen, ihn aber wieder verlassen hatten, weil sie nicht mehr an einen Erfolg seiner Bemühungen glaubten. Diese fünf wurden die ersten Mönche (Bhikkhu) des von ihm gegründeten Ordens (Sangha), dessen Aufgabe es war, seine Lehre zu verbreiten. Über 45 Jahre lang zog Buddha, von den »Bhikkhus« begleitet, durch die weiten Bereiche des nordöstlichen Indien (das heutige Bihar und seine Nachbarländer), bis er um 480 v. Chr. achtzigjährig in Kusinârâ das Ende seines Lebens erreichte und in das Nibbâna einging.
Der Hüter von Buddhas geistigem Erbe war der von ihm gestiftete Orden. Diesem gehörten in erster Linie Mitglieder des Kriegeradels an, wie seine Vettern Ânanda und Devadatta, dazu Angehörige des Kaufmannstandes. Buddha gewann auch einige Angehörige der von ihm wegen ihres Standesdünkels, ihres Glaubens an den Veda als übernatürliche Offenbarung, ihres Ritualismus und ihrer blutigen Opfer bekämpften Brahmanenkaste für sich, so Sâriputta und Moggalâna. Durch seine Diskussionen bekehrte er auch manche Nigganthas und Âjîvikas, Vertreter von Sekten, die mit seinen Bestrebungen in Wettbewerb traten. Da der Mönch nach buddhistischer Vorstellung über alle kastenmäßigen Schranken erhaben ist, stand der Eintritt in den Orden allen offen, die die nötige geistige Qualifikation besaßen; wir finden deshalb unter Buddhas Anhängern auch Angehörige niederer Stände wie Fischer, Hirten, Kehrer. In späteren Jahren stiftete Buddha einer an ihn gerichteten Bitte entsprechend auch einen Nonnenorden.
Um diesen Kern von asketisch gesinnten Menschen, die einzig und allein ihren religiösen Zielen lebten, gruppierte sich die große Masse von Laienanhängern und Laienanhängerinnen. Diese sorgten für den Lebensunterhalt der Ordensbrüder; in unseren Texten werden der reiche Kaufmann Anâthapindika, die fromme »Mutter des Migâra« und die Hetäre Ambapâlî genannt. Diese »Upâsakas« bemühten sich, im Rahmen des weltlichen Lebens den moralischen Anweisungen des Buddha zu folgen. Sie übernahmen die Verpflichtung, die fünf »sîlas« einzuhalten, d. h. nicht zu töten, nicht zu stehlen, nicht die Ehe zu brechen, nicht zu lügen und keine berauschenden Getränke zu genießen. Die Mönche und Nonnen hatten diese Gebote in verschärfter Form zu befolgen: sie waren zu völliger Keuschheit verpflichtet, durften außer ihren Gewändern, der Almosenschale und anderen derartigen Gegenständen des täglichen Gebrauchs kein Eigentum besitzen und waren an eine Reihe von besonderen Geboten gebunden. Zweimal im Monat, am Voll- und Neumondstage, fand eine »Uposatha«-Feier statt, bei welcher das Pâtimokkha, ein formelhaftes Verzeichnis von Verstößen gegen die Ordensvorschriften, vorgetragen wurde. Jeder der Anwesenden war verpflichtet, dann die von ihm begangenen Sünden zu bekennen. Die Mönche übten eine seelsorgerische Tätigkeit aus, vor allem predigten sie den Laien. Als Lohn für ihre Frömmigkeit winkte den Laien nach dem Tode eine günstige Wiedergeburt in einer hohen menschlichen Lebensstellung oder in einer Himmelswelt, während der Mönch hoffen durfte, in diesem Leben oder in einer seiner nächsten Existenzen ein Arhat (Heiliger) zu werden und im Nibbâna zu verlöschen.
Buddha hat seine Lehren nicht selbst schriftlich niedergelegt, sie wurden vielmehr von seinen Anhängern mündlich weiter überliefert und erst Jahrhunderte nach seinem Tode aufgeschrieben. Da es um die Zeitwende bereits eine Anzahl von buddhistischen Schulen gab, die in manchen Punkten voneinander abwichen, weisen die kanonischen Texte derselben sowohl ihrer sprachlichen Form wie ihrem Inhalt nach mancherlei Unterschiede auf. Während das heilige Schrifttum der andern Schulen nur in Bruchstücken und z. T. in chinesischen und tibetischen Übersetzungen erhalten ist, ist der Kanon der in Ceylon blühenden und heute auch in Hinterindien verbreiteten Schule der Theravâdins (Anhänger der Lehre der alten Mönche) vollständig auf uns gekommen. Er ist in dem mittelindischen Dialekt des »Pâli« abgefasst. Man nennt ihn das »Tipitaka« (Dreikorb), weil er in drei Abteilungen die Disziplinarregeln (Vinaya), die Lehrreden (Sutta) und (wohl erst in späterer Zeit hinzugekommene) dogmatische Abhandlungen (Abhidhamma) enthält. Von diesen Pâliwerken ist für diese Arbeit fast ausschließlich das Sutta-pitaka benutzt worden. Es zerfällt in die Sammlungen (nikâya) der »Langen Lehrreden« (Dîgha-n.), der »Mittellangen Lehrreden« (Majjhima-n.), der »zu Gruppen zusammengefassten Lehrreden« (Samyutta-n.), der »nach aufsteigender Zahlenfolge angeordneten Lehrreden« (Anguttara-n.) und der kurzen Stücke (Khuddaka-n.), zu welchen Texte wie das Dhammapada (Wahrheitswort), das »Itivuttaka« (Also sprach Buddha), das Udâna (begeisterte Aussprüche des Buddha) und der Suttanipâta (kleine Sammlung von Lehrvorträgen) gehören. Dieser Kanon soll im 1. Jahrhundert v. Chr. zur Zeit des Königs Vattagâmani von Ceylon aufgezeichnet worden sein.
Die Lehre des Buddha, die in diesem umfangreichen Schrifttum zur Darstellung kommt und im folgenden in charakteristischen Proben mitgeteilt werden soll, stimmt mit den zeitgenössischen Anschauungen der Brahmanen darin überein, dass sie einen anfang- und endelosen Weltprozess und eine dem Kosmos immanente natürliche und sittliche Ordnung annimmt. Alles Geschehen reguliert die unerbittliche Vergeltungskausalität der Taten (kamma), die automatisch jeder guten Handlung ihren Lohn, jeder schlechten Handlung ihre Strafe in einer späteren Existenz zuteil werden lässt. Im Gegensatz zu der Lehre vieler Brahmanen erkennt der Buddha aber keinen ewigen Weltschöpfer und Weltenlenker an. Alle Götter, die er aus dem indischen Pantheon übernahm, auch die höchsten wie Brahmâ und Indra, sind vielmehr nur erhabene, aber vergängliche Wesen, die dem Karma unterworfen sind, ihren hohen Rang guten Werken in einer früheren Existenz verdanken und nach Erschöpfung der Kraft ihrer Verdienste wieder zu irdischem Dasein herabsinken, um als Mensch, Tier, Dämon oder Höllenwesen wiedergeboren zu werden. Der Buddhismus unterscheidet sich von der Lehre der Brahmanen auch darin, dass er nicht wie diese an ewige, im Strudel der Wiedergeburten beharrende Einzelseelen oder an eine ewige, in wechselnde Formen sich wandelnde Materie glaubt. Der Buddha erkennt vielmehr nur eine Vielheit von Dhammas an, von »Daseinsfaktoren«, d. h. unpersönlichen, in funktioneller Abhängigkeit voneinander entstehenden vergänglichen Kräften, die durch ihr gesetzmäßiges Zusammenspiel die Individuen und die von diesen erlebte Welt zustande bringen. Nach dem Buddha hat also eine empirische Persönlichkeit keinen unzerstörbaren ewigen Kern, sondern stellt nur ein Bündel von vergänglichen Daseinskräften dar. Das Individuum löst sich für diese Betrachtung in zahlreiche Einzelfaktoren auf, die sich nach fünf Gruppen ordnen: 1. Rûpa, »das Körperliche«, 2. Vedanâ, »Empfindungen«, 3. Sannâ, »das Vermögen, Gegenstände voneinander unterscheiden zu können, und die daraus resultierenden Wahrnehmungen und Vorstellungen«, 4. Sankhâra, »Triebkräfte und Willensregungen« und 5. Vinnâna, »Bewusstsein«.
Wenn ein Wesen stirbt, zerfällt zwar die momentane Verbindung zwischen den Dhammas, die seine scheinbare Persönlichkeit bildeten. Da aber seine moralischen Willensregungen nicht spurlos verschwinden können, werden diese zur Grundlage einer neuen Existenz. Das neue Individuum, das dadurch entsteht, ist zwar von dem verstorbenen verschieden, ist aber andererseits doch wieder mit ihm identisch, weil es gesetzmäßig aus ihm hervorwächst. Das Entstehen einer neuen Persönlichkeit aus einer früheren soll die Lehre vom Paticca-samuppâda, vom »Entstehen in Abhängigkeit«, dartun. Die Formel vom sogenannten »Kausalnexus« hat in ihrer klassischen Ausprägung folgende Gestalt:
Das Verständnis dieses Lehrsatzes ist für uns so schwierig, weil er nicht, wie wir es gewohnt sind, von Substanzen (z. B. Seele, Stoff) und deren Eigenschaften (Nichtwissen, Bewusstsein bzw. Sinnesorgane) und von Vorgängen, die sich an ihnen abspielen (Geburt usw.), handelt, sondern nur von dinglichen, unpersönlichen Kräften redet, die ein zwar von anderen abhängiges, aber doch in gewissem Umfange eigenständiges Dasein haben. Der Sinn der Formel erschließt sich uns am klarsten, wenn wir bei dem 12. Gliede derselben beginnen und jedesmal fragen: Was muss vorhanden sein, damit etwas entstehen kann? Also: Was muss vorhanden sein, damit Alter und Sterben da ist: Geburt. Was muss vorhanden sein, damit eine Geburt (in einer neuen Existenz) möglich ist? Ein Werden, das aus einem früheren Dasein übergreift. Was ist die Voraussetzung für dieses Werden? Der intensive Lebenshang. Woraus entsteht dieser? Aus dem »Durst« der Begierde. Wodurch wird dieser geweckt? Durch eine angenehme Empfindung, die man erstrebt, oder eine unangenehme, die man flieht. Was ist die Voraussetzung für das Zustandekommen einer Empfindung? Die Berührung mit der Außenwelt. Was ist die Vorbedingung für eine solche? Die Tätigkeit der fünf Sinne und des Denkens. Wann können die Sinne und das Denkvermögen in Funktion treten? Wenn ein aus geistigen und leiblichen Bestandteilen zusammengesetztes Einzelwesen existiert. Was ist die Ursache für das Entstehen eines Individuums? Dass (in einem Mutterleib) ein Bewusstsein als Kern eines neugeborenen Kindes erwächst. Was ist der Entstehungsgrund für ein neu aufkeimendes Bewusstsein? Die kammagestaltenden Triebkräfte eines früheren Daseins. Warum entstehen diese Triebkräfte? Weil die richtige Einsicht fehlt, dass alles Dasein vergänglich, substanzlos und leidvoll ist.
Nach den alten Erklärern soll der Kausalnexus also drei aufeinanderfolgende Existenzen umfassen, jedoch nur in sinnbildlicher Form, insofern als nicht alle überhaupt wirksamen Dhammas (Daseinskräfte) aufgeführt, sondern nur einige besonders charakteristische herausgegriffen werden. Zu beachten ist auch, dass bei der vergangenen Existenz nur die Vorbedingungen der gegenwärtigen, bei der zukünftigen Existenz nur die kamma-bedingten Folgen der gegenwärtigen ins Auge gefasst werden.