Neues vom Franz

1. Wie der Franz lesen lernte

Der Franz ist sechs Jahre und sechs Monate alt. Er ist ziemlich klein für sein Alter. Er hat Kornblumen-Augen und einen Kir-
schenmund. Er hat rosarote Plusterbacken und keine Haare auf dem Kopf. Aber eine echte Glatze hat er nicht. Zweimal die Woche lässt sich der Franz von seinem Papa den Kopf rasieren.

Früher, wie der Kopf noch nicht rasiert war, haben viele Leute den Franz für ein Mädchen gehalten. Für ein Mädchen mit blonden Ringellocken. Das hat den Franz sehr gestört.

Das heißt aber nicht, dass der Franz Mädchen nicht leiden kann. Die Gabi, die neben ihm wohnt, hat er sogar sehr gern. Die mag er viel lieber als alle Buben, die er kennt.

Der Mama vom Franz tut es um die Ringellocken vom Franz leid. Sie sagt oft: „Mit den Locken warst du ein viel schönerer Franz!“

Aber der Franz ist lieber weniger schön und mehr wie ein Bub.

Die Gabi versteht das nicht. „Kann dir doch wurscht sein“, sagt sie, „wenn dich der Gemüse-Mann für meine Schwester hält!“

„Nein, das regt mich auf! Das macht mich wild!“, sagt der Franz.

„Ich würd mich freuen, wenn mich der Gemüse-Mann für deinen Bruder halten würde“, sagt die Gabi. „Das wäre doch lustig!“

„Das wäre etwas anderes“, sagt der Franz.

„Wieso denn?“, fragt die Gabi.

Da gibt ihr der Franz dann keine Antwort. Der Franz findet nämlich, dass es besser ist, ein Bub zu sein. Und dass sich ein Mädchen freuen kann, wenn man es für einen Buben hält. Und dass sich ein Bub kränken muss, wenn man ihn für ein Mädchen hält.

Doch damit wäre die Gabi nicht einverstanden.

Sie würde sich an die Stirn tippen und „Du Depp, du spinnst ja“ sagen. Und dann müsste der Franz „Selber Depp, du“ zurückschimpfen. Und dann würde ihn die Gabi in den Bauch zwicken. Und dann müsste der Franz ihr einen Tritt geben. Und das wäre dann ein echter Streit. Und der wäre nicht gut.

Der Franz und die Gabi streiten sowieso jede Woche zweimal. Zwei Streite pro Woche hält auch die beste Freundschaft nicht aus, denkt sich der Franz. Man muss so sparsam wie möglich sein beim Streiten, denkt sich der Franz.

Einmal, im Sommer, gingen die Gabi und der Franz in den Park. In den kleinen Park gleich gegenüber vom Haus. Zum Kinder-Spielplatz gingen sie. Sie wollten auf den Wipp-Schaukeln schaukeln und auf dem Kletterturm klettern.

Aber den Wipp-Schaukeln fehlten die Schaukelbretter, und der Kletterturm war überhaupt weg. Am Gitter vom Ballspiel-Platz hing ein weißes Schild mit schwarzen Buchstaben.

„Da sind drei a drauf“, sagte der Franz.

„Und neun e“, sagte die Gabi.

„Und der erste Buchstabe ist ein W“, sagte der Franz.

„Und der letzte ist ein t“, sagte die Gabi. Und dann sagte sie noch: „Wenn jetzt schon Weihnachten wäre, dann könnten wir das lesen!“ Sie zählte an den Fingern ab: „September, Oktober, November, Dezember!“ Sie nickte. „In vier Monaten Schule lernt man das sicher.“