Martin Z. Schröder

Wenn ein wirklich stattlicher Mann Studenten unterrichtet

SuKuLTuR
2013

Peter Schottenloër heiße ich, bin 47 Jahre alt und gehöre seit kurzem zu jenen, die in wissenden Kreisen als zumindest ökonomische Einfaltspinsel gelten, weil sie sich einen Lehrauftrag von einer öffentlichen Hochschule haben gefallen lassen, der so schlecht bezahlt wird, daß man ihn mit einem anderen Beruf subventionieren muß, möchte man seine Familie nicht mit Steckrüben ernähren oder anstelle dieser zeitgemäßen Delikatesse dem, was heute als schlechte Nahrung gilt. Soviel zu den Reden über Bildung und was der Steuerbürger dafür auszugeben bereit ist.

Ich bin, zum Glück!, vom eigentlichen Beruf Schweizerdegen. „Ein Schweizerdegen ist ein Mann, der setzen als auch drucken kann.“ Also Kunsthandwerker bin ich, setze bleierne Lettern aus dem Setzkasten und drucke damit auf alten Maschinen Visitenkarten, Briefpapier, Familienanzeigen, Einladungen, wovon ich mich ernähre und glücklicherweise keinem Anhang davon etwas abgeben muß. Doch immerhin über meine Person hinaus noch zwei Angestellte in die Lage versetze, ein materiell sorgarmes, wenn nicht, so sie bei Trost sind, Leben ohne alle finanzielle Sorgen zu führen, denn der meiste Erwerb besteht ohnehin nur aus Tand; aber ist mein Handwerk so alt und gilt hierzulande als fast ausgestorben, daß man es an Kunsthochschulen lehrt, um zur Geschichte der ihm innewohnenden Gesetze der Schönheit, die in den Nachfolgeberufen noch benötigt werden, eine Verbindung zu halten. Die Gründe typographischer Schönheit stecken nicht zuletzt in den Details. Ich werde das später erklären. Ich gebe allerdings zu, denn ich bin ein ehrlicher Mann, daß der Lehrauftrag meiner Eitelkeit schmeichelt. Das muß ich nicht begründen.

Ich erzähle hier ebenso offen, was ich als Lehrer, der spät in diese Rolle gewechselt ist, denke über meine Schüler: Studentinnen und Studenten einer Kunst-Universität. Es ist zwar dem Namen nach nur eine Fachhochschule, aber für mein Fach spielt der Name keine Rolle, es ist höchst sinnvolle und überaus ehrträchtige Bildung, die ich vermittle.

Kommt man nun spät in diese Rolle des Lehrers und stand auch vor dem Arbeitsleben nur auf der anderen Seite der Barrikade Pult, so ventiliert man andere Ideen als einer, der sein Lebtag mit Körper und Geist im Lehrbetrieb verharrt und die vor dem wahren Leben stehende Grenadierwand zum Seitenwechsel nur überwindet, statt sich ihrer vernünftigerweise erst einmal abseits zu stellen. Schüler – Student – Lehrer: Wie soll so einer wahrhaftiges Wissen vermitteln von einem Gelände, von dem er nur die Karte kennt?

Man wird hier also lesen von einem, der mit Lebens- statt Schulerfahrung durch den Personaleingang in den recht heruntergekommenen Palast der Unterweisung, fast möchte ich vor Ehrfurcht „Unterweysung“ schreiben, zurückgekehrt ist.

Als Prinzipal einer Druckerei habe ich wenig Zeit, die Jugend zu erforschen. So ist der Lehrauftrag die erste Gelegenheit seit zwei Jahrzehnten zur Kontaktaufnahme mit Mittzwanzigern.