WOLFGANG JESCHKE
ZWÖLF GESCHICHTEN
WILHELM HEYNE VERLAG
MÜNCHEN
Stellen Sie sich vor, Sie betreten als erster Mensch einen fremden Planeten – und müssen auf die harte Tour lernen, was alles unter dem Begriff »intelligentes Leben« fallen kann. Stellen Sie sich vor, Sie hätten die Gelegenheit, einen Blick in die Zukunft zu werfen – würden Sie es wagen? Stellen Sie sich vor, Sie könnten kommunizieren, ohne den Mund aufmachen zu müssen – was würden Sie sagen? Stellen Sie sich vor …
In zwölf kurzen Erzählungen, die in diesem Sammelband exklusiv im Heyne Verlag als E-Book erscheinen, nimmt Wolfgang Jeschke Sie auf ferne Planeten mit – und zeigt Ihnen zugleich Menschlichkeit aus einem anderen, einzigartigen Blickwinkel.
Wolfgang Jeschke (1936-2015) war der Großmeister der deutschen Science-Fiction. Lange Jahre als Herausgeber und Lektor für den Heyne Verlag tätig, hat er vor allem auch mit seinen eigenen Romanen und Erzählungen das Bild des Genres geprägt. Jeschke wurde mehrmals mit dem renommierten Kurd Lasswitz Preis ausgezeichnet.
»Der letzte Tag der Schöpfung – Midas – Das Cusanus-Spiel« (drei Romane in einem Band) und »Dschiheads«.
Eine Übersicht aller Werke von Wolfgang Jeschke finden Sie in der Bibliografie am Ende dieses E-Books.
Weitere Informationen zum Autor: www.diezukunft.de
www.diezukunft.de
Überarbeitete Neuausgabe
Copyright siehe jeweils am Ende der Geschichte
Copyright © 2015 der deutschsprachigen Ausgabe by
Wilhelm Heyne Verlag, München, in der Verlagsgruppe Random House GmbH
Covergestaltung: Stardust, München
Satz: Thomas Menne
ISBN 978-3-641-13618-5
Sirenen an Ufern
Zwölf Minuten und einiges mehr
Yeti
Wir kommen auf Sie zu, Mister Smith
The Mississippi Straightforward Society
Partner fürs Leben
Allah akbar And So Smart Our NLWs
Der Geheimsekretär
Lucia
post-OP oder Wo sind denn die Deutschen geblieben?
Die Sonne des Anaximandros
Ein Ruf aus der Dunkelheit
Fünf Gedichte
Seveso
I love Bombay 1980
Denkmodelle
Sterne
Aufbruch
Sie waren mit ihrem Vermessungsschiff weit draußen, wo der Raum dunkel ist und die Galaxis ein schmales Funkenband auf den Monitoren. Sie fanden ein System, einen Planeten, einen wolkenlosen Himmel und ein fruchtbares Tal in einem weiten Kontinent. Als sie landeten, stieg der Morgen über die fernen Berge, und das Land war grün, wasserreich und friedlich, wie geschaffen zur Ruhe, die sie suchten.
Das elektronische Gerät analysierte die Welt, witterte, sog prüfend die Luft ein und gab zögernd die Schleusen frei. Die Männer schwärmten aus, besahen das Land und fanden es gut, schlugen ihr Lager auf und nahmen Messungen vor. Sie fanden auch ein Tier, das schön war, doch seltsam. Es schien die dominierende Lebensform zu sein, in Gestalt einem Murmeltier nicht unähnlich, doch weit größer, mit schwarzem Fell, krallenbewehrt und mit scharfem Gebiss, also offenbar ein Fleischfresser, doch erstaunlich träge und ohne nennenswerte Intelligenz. Sie fingen es leicht, denn es war ohne Scheu und wehrte sich nicht, aber die Männer benahmen sich seltsam dabei, ohne es zu bemerken. Sie untersuchten das Tier, maßen seinen Körper, den flachen Schädel, die Temperatur, die Nervenströme und die Reaktionen. Schließlich töteten sie es, und einer weinte und wusste nicht warum. Der flache Kopf barg ein winziges Gehirn von kaum vierzig Gramm, das aufgefächert wie eine Parabolantenne das Innere des Schädelknochens überzog. Die Biologen machten ihre Aufzeichnungen und speisten sie in den Computer, dann vergaßen sie es und wandten sich anderen Dingen zu.
Als der Abend sich in das Tal hineinsenkte, zündeten sie ein Feuer an, und nach zahllosen Nächten stromloser Leuchtstoffbänder in den Mannschaftsräumen sehnten sie sich nach der Dunkelheit einer atmenden Welt. Sie aßen und tranken im Freien, denn es war warm und sie freuten sich, diese schöne Welt ganz für sich entdeckt zu haben. Über ihnen ruhte das Schiff mit brandgeschwärztem Düsenmaul. Der Geruch des fruchtbaren Bodens, des Waldes und des Feuers ließ sie an die Erde denken, und der Abend legte sich über sie wie ein Netz, in dem sie gemeinsam ruhten, Menschen, weit weg von zu Hause.
Das Schiff schien entstiegen in die wachsende Dunkelheit und ein kleiner Mond hing fern wie ein blasses vergessenes Licht in den Zweigen.
Mit den Erinnerungen kam das Heimweh, kamen jene Lieder, die jeder Raumfahrer kennt und die sich mit ihnen schneller über die Galaxis verbreiten als das Licht. Einer von ihnen hatte eine winzige Flöte, ein anderer eine Trommel, und er schlug sie leise und die Männer sangen. Sie sangen das Lied von Canah Shn, der hundert Tage in eine Sonne fiel und seine Messungen noch ins Sendegeschirr diktierte, als seine Antennen abschmolzen und die Protuberanzen nach ihm leckten, das Lied von Old Giron, dem Baum auf Simon's Planet, der allein eine ganze Welt bewuchs und mit seinen Wurzeln umkrallte und der mehr von der Erde erzählen konnte als jeder Mensch, weil er alt war wie das Universum und allwissend, weil er die Botschaften des Lichtes verstand und in Milliarden Tonnen Chlorophyll speicherte, mit unzähligen Blättern ins All lauschend. Dann waren es die Lieder von der Heimat und von der Ferne und von den einsamen Männern dazwischen in den Weiten des Alls, von Schiffen und ihren Mannschaften, die galaktische Stürme in fremde Systeme verschlugen, in lichtjahreweite Staubwolken, aus denen es kein Entrinnen gibt, von Kapitänen, die aus der Zukunft kamen und aus der Vergangenheit und Kunde brachten von fernen Ufern und seltsamen Rassen, von Untiefen der Zeit, von Räumen, die ins Nirgendwo führten, unvermessen und geheimnisvoll.
Einer stand auf. Die Nachtluft tat wohl und erfüllte das Land, atmete Frieden und Geborgenheit, Schoß der Nacht.
Er dachte an seine Frau, fern, daheim. Er trat aus dem Lichtkreis des Feuers, der Mond wurde heller und goss weiches Silber auf Blätter und Gras. Das Singen der Männer schwebte und die Flöte wob sanfte Gestalten in den Nachtwind, der kühl von den Bergen herabstrich.
Ein Rascheln, ein Knistern in den Zweigen – ein Tier?
Er taumelte wie trunken und suchte tastend Halt, ein Baum, Old Giron, Rinde, rissig und trocken, zum Greifen geschaffen, seine Finger glitten darüber, fühlten Haar.
Haar?
Sie lehnte neben ihm, ganz in Weiß, silbriger Glanz auf ihren Augen, Mondlicht auf verschwiegenen Teichen.
»Ich liebe dich.« Ein Flüstern, ein Rascheln in den Zweigen.
Er starrte sie an.
»Wie kommst du …?«
»Frag nicht, Liebster.«
Ein Atem, ein Lufthauch, lebendige Nähe, ihre Augen. Ihn schwindelte.
»Wer bist du?«
Leises Lachen, eine scheue Berührung ihrer Hand, er spürte ihre Wärme. Ein Flüstern, kein Nachtwind, ihre Stimme.
»Frag nicht. Komm!«
»Aber …?«
»Komm!«
»Ich …«
»Du bist viel zu lange fort gewesen.«
Sie fasste seine Hand und lief voraus. Er folgte bezaubert. Wie? – Die Pferde ruckten an, sie legten die warmen Decken um die Schultern und er hielt die Zügel. Mondlicht übergoss den Schnee und das Schnauben der Tiere verwandelte sich in silbernen Rauch. Sie glitten dahin, dumpfer Wirbel der Hufe, Glöckchen am Geschirr.
»Wie? Ist das der Weg?«
»Ja. Komm!«
Ihre kleine Hand schlüpfte tiefer in die seine, zutraulich wie ein weicher, winziger Vogel. Sie zog ihn mit sich. Nickende Farnwedel, tiefes Laub schluckte den Tritt. Eilend, leichter Fuß, schwerer Fuß, silbernes Lachen.
»Du!?«
»Ja, fühl mich, ich bin dir nahe.«
Übermütig breitete sie die Arme aus. Tollpatschig versuchte er sie zu umfassen, doch sie entwand sich ihm, entkam, wirbelte davon, lachend, weiter ging die Jagd, er stolperte, hielt inne, schweratmend.
»Wohin …?«
»Pass auf! Ich werde dich führen.«
Sie war ihm jetzt ganz nah und er roch ihren Duft, den ihm vertrauten Duft. Jetzt wusste er, es war nicht mehr weit, die Lichtung, das Blockhaus. Sie hatten es gemietet. Es war nicht billig, aber es stand im schönsten Tal von Montana, einsam, weitab von allen Highways in den Bergen. Ein Freund hatte es ihnen vermittelt. Er kannte die Gegend, kam oft zur Jagd hierher.
Es war kalt, aber es war genug Holz da für den Kamin. Sie betraten die Lichtung. Er umfing sie zärtlich und hob sie hoch, um sie über die hohe Schwelle zu tragen. Sie wand sich wie eine Katze und ihr Fell war seidenweich. Sie riss sich los und zog ihn mit sich. Das Feuer im Kamin brannte und warf zuckendes rotes Licht über den Boden, der dick mit Fellen ausgelegt war. Erschöpft und außer Atem ließ er sich fallen, er fühlte sich müde von der kalten Luft und von dem Marsch durch den verschneiten Wald. Es war behaglich warm in der Hütte. Der Raum war erfüllt vom harzigen Duft des brennenden Holzes und von gedämpftem Licht, und während der Vollmond auf dem Schnee durch die Fenster bläuliche Reflexe an die Decke warf, sagte er zu ihr: »Ann, ich bin glücklich.«
Sie gab keine Antwort, aber er spürte, dass auch sie glücklich war.
»Trink«, sagte sie und reichte ihm einen Becher voll heißem Tee mit Rum.
»Trink«, sagte sie und er trank sein Glas bis zur Neige, obwohl der Whisky warm war und scheußlich schmeckte, aber es war angeblich kein Eis mehr da. Er war etwas benommen und wischte sich den Schweiß von der Stirn. Er zog sich aus und warf sich auf das Bett. In der Ferne rauschte die Brandung. Die Sonne lag heiß auf dem Strand und warf durch die geschlossenen Jalousien blendende Reflexe an die Decke des Hotelzimmers. Was Ann wohl so lange in der Küche machte?
Er hörte, wie einer der Gäste auf der Terrasse einen Drink mit Eis bestellte, und wunderte sich, warum Ann gesagt hatte, dass in diesem verdammten Hotel kein Eis aufzutreiben sei, aber es machte ihm zu viel Mühe, darüber nachzudenken.
Die Kinder waren zwei winzige Bälge aus anthrazitfarbenem Fell. Er streichelte sie und lächelte. Sie krochen träge auf ihn zu, bissen ihm in die Beine, kletterten ihm auf die Brust und schlugen ihm mit ihren winzigen Händchen ins Gesicht.
»Lasst ihn! So wartet doch! Lasst ihn!«, schimpfte sie und hob sie herunter. Sie begannen zu weinen.
»Du solltest dich mehr um die Kinder kümmern«, sagte sie. »Sie folgen mir nicht mehr. Man merkt es, dass du zu lange fort warst.«
»Aber ich …«
Er öffnete die Tür zum Kinderzimmer. Ein fremder Junge und eine schmuddelige Halbwüchsige aus der Nachbarschaft saßen regungslos auf dem Boden zwischen den Spielsachen seiner Kinder, waren halb entkleidet und starrten ihn hasserfüllt an. Rasch schloss er die Tür und stützte sich schweratmend an die Wand.
Was ist das?, dachte er verstört und versuchte dem Schwindelgefühl Herr zu werden, das ihn zu übermannen drohte.
Das ist der miserable Whisky, den mir Ann jeden Tag mitbringt aus dem Drugstore an der Strandpromenade. Jeden Tag, seit wir in diesem dreckigen Nest im Urlaub sind und fünfzehn Dollar für dieses schäbige Zimmer bezahlen, dachte er, und sie glaubt, mir eine Freude damit zumachen. Dabei habe ich das Zeug bloß nötig, um den Dreck nicht zu sehen, der hier überall ist.
Er öffnete die Tür zum Kinderzimmer und Andrew und Liza ließen ihre Spielsachen fallen, eilten auf ihn zu, und er umarmte sie glücklich, froh, wieder zu Hause zu sein. Dann lag er auf dem Teppich, die Kinder kletterten auf ihm herum, er streichelte sie, kraulte ihr schönes, weiches Fell und spürte ihre Muskeln über den winzigen Rippen. Sie waren hart wie Stahl.
Der Gast auf der Terrasse bestellte sich noch einen Drink mit Eis, und er wunderte sich, warum Ann in diesem verdammten Hotel kein Eis auftreiben konnte.
Er drehte sich auf dem Bett um und wollte sie rufen, aber sie stand neben ihm und zog sich aus.
»Ann«, sagte er, »denk an die Kinder.«
»Die Kinder?«, fragte sie verwundert und zündete sich eine Zigarette an. »Aber Liebling, die haben wir doch zu Pat gebracht, bevor wir in den Urlaub gefahren sind. Ist dir nicht wohl? Du siehst so blass aus. Wir waren zu lange in der Sonne. Es ist heiß heute.«
»Oh ja, doch«, sagte er und sah sie an. Noch nie hatte sie so reizvoll ausgesehen. Er betrachtete ihren Rücken und ihr schönes Haar, während sie auf dem Rand des Bettes saß und rauchte.
»Komm!«, sagte er und zog sie an sich. Sie wandte sich zu ihm hin und lächelte. Beugte sich über ihn und küsste ihn.
»Ich bin froh, dass du wieder da bist. Es war eine lange Zeit.«
Ihr Haar war wie ein Sturz Gold, der sein Gesicht und seine Schultern einhüllte, er spürte ihre Brüste und ihren schlanken Körper auf sich, die Hitze der Sonne in ihrer Haut und schmeckte das Salz des Meeres an ihrem Hals und ihren Schultern.
»Mir kommt alles wie ein Traum vor«, sagte er. »Alles ist mir so unwirklich, als wäre ich noch nicht zurück, wäre noch weit draußen und träumte von dir.«
»Aber Liebling«, lachte sie leise und drängte sich an ihn. »Spürst du nicht, dass ich bei dir bin?«
»Doch«, sagte er und durch sein Blut tanzte Entzücken.
Sie waren rasch über den Strand zum Hotel gelaufen, denn der Sand war heiß und die Luft darüber flimmerte in der Mittagshitze.
Ich träume am Rande des Feuers, sagte er sich, doch er spürte ihren Atem und ihre Küsse.
»Das ist kein Traum«, flüsterte ihre Stimme dicht an seinem Ohr, und er spürte ihre Lippen und ihre Zähne an seinem Hals. Er fühlte sich leicht werden, davongetragen von einer süßen Benommenheit, einem Überschwang von Glück und Zärtlichkeit. Er spürte sanfte Krallen in seiner Haut, die sich tiefer und tiefer wühlten, aber der Schmerz war süß und weit weg. Er versuchte danach zu greifen, aber er war schwach. Er fühlte nur ihr seidiges Fell zwischen seinen kraftlosen Fingern. Der Schmerz wuchs quälend heran. Ungeschickt versuchte er sich zu entziehen, aber ihre weiche Stimme war dicht an seinem Ohr und besänftigte ihn.
»Lass die Kinder. Sie haben dich gern.«
Er konnte sie fühlen, ihre geschmeidigen Bewegungen, ihre scharfen Zähne im Handgelenk. Warme Nässe umgab ihn, und eine Schwärze, die kalt aus seinem Innern emporquoll, dehnte sich aus wie wachsendes Eis, während die Welt am Rande seines Blickfeldes in einem schmerzhaft prickelnden Licht verbrannte. Er fühlte die Glätte ihrer Haut, die vertrauten Konturen ihres Körpers, der sich ihm auftat, während er schweratmend mit jener eisigen Dunkelheit kämpfte, die ihn zu überschwemmen drohte. Der Schmerz wuchs, drängte herauf, formte sich zum Schrei, und im Augenblick des höchsten Glücks peinigte ihn seine Qual bis an den Rand der Nüchternheit. Er riss die schweren Lider auf und sah über sich im ungewissen Licht ein schattenhaftes, fremdes Gesicht, flach und fellbedeckt, mit sichelförmigen Zähnen, die in seinen Hals herabtauchten, während scharfe Krallen in rasender Gier seinen Leib zerwühlten. Entsetzen würgte ihn und er wehrte sich, aber seine Hände waren kraftlos. Er bäumte sich auf, um seine Peiniger abzuschütteln, bekam ein Stück Fell zu fassen und drückte zu, aber er fühlte die Mattigkeit, die ihn überkam, das Wüten der Krallen in seiner Brust, den Hass dieses Tieres über ihm, das kämpfte und ihm knurrend seinen stinkenden Atem ins Gesicht stieß.
Mehr und mehr warme Nässe umgab ihn, seine Finger erlahmten und das Licht erlosch in der Kälte.
Sie hatten ihn schon in der Nacht gesucht, aber der Wald schwieg und war dunkel, hatte den Schrei erstickt.
Dann, als es dämmerte, machten sie sich von neuem auf die Suche, schwärmten aus, bewaffnet und kampfbereit durchkämmten sie das Tal. War der Wald am vorigen Tag friedlich und vertraut erschienen, so zeigte er sich jetzt tückisch und voll unbekannter Schrecken.
Es war eine niedrige Höhle, etwa 150 Meter vom Camp entfernt, feucht, der Boden mit Laub, Kot und Blut bedeckt. Er war nackt, und was sie von ihm übrig gelassen hatten, war schrecklich.
Ein kleiner Balg aus Fell mit flachem Schädel lag steif in den fauligen Blättern, die Schnauze blutverkrustet und voll sichelförmiger Zähne, die Augen gebrochen.
Den Spuren nach zu schließen waren es drei Tiere gewesen, zwei davon offenbar junge. Es war ein Rätsel, wie sie ihn bis hierher geschleppt hatten, aber er hatte bis zum Schluss gekämpft, denn eines der Tiere hatte er erwürgt. Doch warum hatte er seine Kleider abgelegt?
Keiner von ihnen ahnte, dass der kleine flache Schädel des Tiers eine der tödlichsten Waffen des Universums barg. Das antennenhaft aufgefächerte Gehirn war imstande, unbewusste Gedankenimpulse aufzufangen und verstärkt zurückzusenden. Es arbeitete völlig instinktiv und umgarnte das Opfer mit den Fäden der eigenen Erinnerung. Wenn sich die Resonanzbrücke voll aufgebaut hatte, verlor das Bewusstsein des Opfers den Bezug zur Realität und verstrickte sich immer tiefer in Fragmenten seiner Vergangenheit. Einer von ihnen hatte den tückischen Spiegelsaal seiner Erinnerungen betreten und war darin umgekommen. Und keiner wusste, wie das hatte geschehen können.
Sie nahmen das tote, seltsame Lebewesen mit zum Schiff, und ihn hoben sie auf, gruben ein tiefes Loch auf der Lichtung und legten ihn hinein in einem schwarzen Plastiksack mit der Nummer des Schiffes. Das Grab schmückten sie mit Blumen und Zweigen. Der Kapitän las etwas aus einem Buch, und die Sonne stand hoch und es versprach ein schöner Tag zu werden, doch die Männer fröstelten, blickten wachsam in die Runde und hielten ihre Waffen entsichert. Der Wald umstand sie geduckt und gefährlich.
Schließlich kehrten sie zum Schiff zurück, bauten das Camp ab und gingen an Bord.
Dann spie das geschwärzte Maul des Triebwerks rostfarbenen Rauch, erbrach fauchend einen orangefarbenen Feuerstrahl, der das Gras fraß und die Erde verbrannte und emporwarf.
Das Schiff hob ab, kreischte hinein in das Blau des Mittags, dass die Berge erzitterten, und zeichnete ein senkrechtes Mal in den Himmel, um das die Winde feilschten, bis es zerriss.
Copyright © 2006 by Wolfgang Jeschke
Erstmals veröffentlicht in: Mario Kwiat (Hrsg.): Amateur Science Fiction Stories, Selbstverlag, 1964
Erbarmungslos brütete die Sonne über dem Flugfeld.
Kiara.
Alte Erde, ausgedörrt, geschichtsträchtig.
Hitze.
Der Staub flimmerte und machte die wenigen Bäume grau.
Am Rande hockte der Zeiter und gähnte mit seinen hohen Fenstern in den Nachmittag.
Der Wind schlief.