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Nachdruck 2014
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ISBN Print 978-3-86881-537-5
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Für unsere Eltern, Geschwister, Lebenspartner und Kinder – mit denen wir schon viele Jahre das Verhandeln üben durften.
Dr. Agnes Kunkel, Jahrgang 1959, von 1986 bis 2005 Unternehmensberaterin bei McKinsey und anderen großen Beratungsgesellschaften. Seit 2005 geschäftsführende Gesellschafterin einer Unternehmensberatung in Wiesbaden. Ihr Arbeitsschwerpunkt ist neben Sanierung und Personalentwicklung die Beratung bei Unternehmenskäufen und -verkäufen. Dr. Agnes Kunkel bietet in Zusammenarbeit mit den anderen Autoren Seminare und Vorträge zum Thema Verhandlungsführung an.
Dr. Peter Bräutigam, Jahrgang 1964, Rechtsanwalt und Partner bei Nörr Stiefenhofer Lutz, einer internationalen Kanzlei mit über 330 Anwälten/Steuerberatern/Wirtschaftprüfern, die 2003/2004 unter anderem als IT-Kanzlei des Jahres ausgezeichnet wurde. Er ist dort Leiter der Praxisgruppe IT-Recht und Verhandlungsführung. Tagtäglich an der Verhandlungsfront, insbesondere bei großen internationalen Verhandlungen.
Dr. Elmar Hatzelmann, Jahrgang 1956, Wirtschaftspsychologe und Pädagoge, 5 Jahre lang Dozent an der Universität, seit 1990 selbstständiger Trainer im Bereich Kommunikation (Führungskräfte, Einkäufer), Zeitmanagement und Teamentwicklung. Seine Kunden sind überwiegend Großkonzerne aus den Branchen Automobil und IT. Publikationen über Stress und Zeitkompetenz.
Einleitung
Die sieben Phasen einer Verhandlung
Hollywood zeigt, wie’s geht
Konzept Verhandeln nach Drehbuch
Zusammenfassung
Phase 1: Vorbereitung
Die Verhandlungsmacht
Nur die wahrgenommene Verhandlungsmacht ist relevant
Es geht immer um mehrere Güter
Strategisches Denken
Erfahrung
Die neun Grundbedürfnisse
Warum will ich verhandeln? Die eigenen Beweggründe
Nichts erzwingen wollen!
Die Verhandlungsleitlinien: das praktische Ergebnis der Vorbereitung
Der äußere Rahmen
Zentrale Fehler in der Vorbereitungsphase
Zusammenfassung: Vorbereitung
Phase 2: Begrüßung
Kontaktaufbau
Sich auf die andere Partei einstellen
Zentrale Fehler bei der Begrüßung
Zusammenfassung: Begrüßung
Phase 3: Informationsaustausch
Informationslücken schließen
Vorgefasste Meinungen der anderen Partei aufweichen
Wie Sie Ihre Interessen einflechten
Macht es Sinn, mit dieser Partei in die Konzessionsphase einzusteigen?
Zentrale Fehler in der Informationsphase
Zusammenfassung: Informationsaustausch
Phase 4: Konzessionsphase oder Verhandeln im engeren Sinne
Eröffnen
Nachgeben gehört dazu!
Zentrale Fehler in der Konzessionsphase
Streit und Eskalation
Zusammenfassung: Konzessionsphase
Phase 5: Einigung
Freiwilligkeit, Wechselseitigkeit, Vollständigkeit
Rituale als Schutz gegen den Wortbruch
Kongruenz mit den Grundbedürfnissen
Vollendete Tatsachen
Zentrale Fehler bei der Einigung
Zusammenfassung: Einigung
Phase 6: Abschied
Auflösung der Verhandlungsrunde
Abschied beim Abbruch der Verhandlungen
Zentrale Fehler beim Abschied
Zusammenfassung: Abschied
Phase 7: Nachbereitung
Emotionale Verarbeitung des Geschehens
Systematische Analyse
Nutzen Sie das Modell der sieben Verhandlungsphasen
Wie Sie Ihr Verhandlungsgeschick weiter verfeinern
Zentrale Fehler bei der Nachbereitung
Zusammenfassung: Nachbereitung
Meisterklasse: weitere Tipps für Verhandlungsprofis
Verhandeln im Team
Folgende Spiele kommen beim Verhandeln gerne zum Einsatz
Zusammenfassung: Die sieben Phasen einer Verhandlung
Inhalts- und Personenbeschreibung
Wall Street
Erin Brockovich
Der Pate
Pulp Fiction
Literaturverzeichnis
Verhandeln ist eine Kulturtechnik, die sich über viele Disziplinen erstreckt und zahlreiche ganz unterschiedliche Fähigkeiten erfordert. Bei der Behandlung dieses Themas ist uns klar geworden, dass es ein Ding der Unmöglichkeit ist, diesen komplexen interaktiven Prozess nur mit Worten leicht fasslich darzustellen. Das Buch beschreitet einen anderen Weg und veranschaulicht die Stationen der Verhandlungen sowie die notwendigen Techniken anhand von Szenen bekannter Kinofilme, die den meisten präsent sein dürften. Deshalb gilt unser Dank zunächst den Filmstudios, namentlich für die Genehmigung der Nutzung des Bildmaterials. Darüber hinaus gebührt Dank Herrn Prof. Dr. Thomas Peisl und unserer Freundin Irene Lang, die das Werk in den verschiedenen Phasen seiner Entstehung mit ihren kritischen und hilfreichen Kommentaren ganz entscheidend mitgeprägt haben. Unser Dank gilt auch allen anderen Freunden und Bekannten sowie den Kollegen bei Nörr Stiefenhofer Lutz und Sonntag Ltd., die das Buch kritisch und motivierend begleitet haben. Verhandlungen sind oft belastet mit Nervosität, Ärger und Aggression. Wenn dieses Buch dazu beiträgt, dass es in der einen oder anderen Verhandlung ein klein wenig entspannter, konstruktiver und vielleicht sogar heiterer zugeht, dann wäre der Zweck dieses Buches erfüllt. Auf dass dieser Titel viele Leser findet, Vergnügen bereitet und Einsichten bringt, die Sie sich von diesem Buch erhofft haben.
Wiesbaden, München, im Februar 2006
Verhandeln ist eine Kulturtechnik, die Sie gut beherrschen sollten. Ihre Verhandlungskunst wird Ihnen immer dann zugute kommen, wenn Sie sich in Konflikten oder Verteilungssituationen behaupten wollen. Naturgemäß sind Verhandlungen Situationen voller (An)-Spannung, Überraschung und Dynamik. Ein Zustand, der den meisten Menschen eher unbehaglich ist. Geschickte Verhandler hingegen nutzen Spannung, Überraschungseffekte und Dynamik, um Ihren Verhandlungszielen näher zu kommen. Um diese Vorgehensweisen erfolgreicher Verhandler anschaulich zu vermitteln, braucht es also ein Medium, das Spannung und Dynamik gut wiedergibt. Kinofilme sind da gerade richtig. Ja, die komprimierte Form, in der Verhandlungen in Filmen auftauchen, macht die Dreh- und Angelpunkte von Verhandlungen erst so richtig sichtbar und fasslich. Die vier folgenden Filme könnte man in diesem Sinne fast schon als Lehrfilme zum Verhandeln betrachten:
– Wall Street, der Finanzkrimi aus den späten 1980er Jahren, verarbeitet die Betrugsskandale an der New Yorker Börse, die damals die Finanzwelt erschütterten. Verhandlungen aller Art mit Investoren und Banken und ein böses Ende für die gewissenlosen Geschäftemacher sind garantiert.
– Erin Brockovich ist eine Tatsachenverfilmung aus dem Jahr 2000 über die unerschrockenen Verhandlungen der kleinen Anwaltsgehilfin Erin mit dem milliardenschweren Großkonzern PG&E. Sie sammelt Beweise, aus denen hervorgeht, dass PG&E wissentlich das Trinkwasser von Hinkley mit krebserregenden Chromverbindungen verseucht. Zusammen mit ihrem Chef Ed Masry handelt sie für die Bewohner des kleinen Ortes Hinkley über 300 Millionen Dollar als Entschädigung heraus, eine der höchsten Summen, die in einem derartigen Fall in Amerika je gezahlt wurden.
– Der Pate ist ein Film über Loyalität und Verrat in einem New Yorker Mafiaclan. Es wird über Auftragsmorde, Rauschgift, Filmrollen in Hollywood, Hotels in Las Vegas und einen trügerischen Friedensschluss unter verfeindeten Mafiafamilien verhandelt. Der Pate gilt als einer der besten Filme, die je gedreht wurden. Die Romanvorlage von Mario Puzo ist eines der international erfolgreichsten Bücher mit weltweit über 10 Millionen verkauften Exemplaren.
– Pulp Fiction, der Kultfilm mit dem oskargekrönten Drehbuch, steckt voller großer und kleiner Verhandlungen und ist gut für viele Tipps. Die Kommunikationstechniken von Winston Wolfe, dem cleveren Problemlöser im zweiten Teil des Films, gelten auch unter professionellen Verhandlern als vorbildlich.
Wer hätte nicht Lust, sich von den Erfolgen, die in diesen Filmen scheinbar immer wieder so mühelos erzielt werden, die eine oder andere Scheibe für die eigenen Verhandlungsfertigkeiten abzuschneiden?
Filmszenen kann man sich zum besseren Verständnis immer wieder ansehen, mit echten Verhandlungen geht das leider nicht. Und selbst den erfahrensten Leuten bleiben nur Erinnerungen und ein paar schriftliche Notizen. Wie es im Detail zu diesem Zugeständnis oder jenem Durchbruch gekommen ist, davon wird Ihnen vermutlich jeder der Beteiligten seine eigene Version erzählen. Filme mit Verhandlungsszenen sind deshalb ein fantastisches Anschauungsmaterial, um die eigene Verhandlungsmethodik zu überprüfen und gegebenenfalls das eigene Repertoire an Verhandlungstechniken zu erweitern.
Doch worauf müssen Sie achten, wenn Sie von Hollywood-Filmen lernen wollen? Geht es wirklich nur um die kleinen Tricks und Bluffs oder kommt es nicht vielmehr auf den großen Überblick und strategisches Vorgehen im Verlauf der gesamten Verhandlung an? Denn durch Fehleinschätzungen der eigenen oder fremden Verhandlungsmacht werden in Verhandlungen viele gute Gelegenheiten verpasst oder unnötige Nachteile für den heiß ersehnten Abschluss in Kauf genommen.
Die Verhandlung lotet das Kräfteverhältnis der verschiedenen Parteien aus. Der Verhandler ist daran interessiert, möglichst viel über die objektive Situation und die jeweilige subjektive Einschätzung herauszufinden. Dazu beginnt er einen Dialog mit der anderen Partei. Sein Ziel ist zwar, dass er seine eigenen Interessen so weit irgend möglich durchsetzt. Doch im großen Unterschied zum Kampf soll eine Lösung gefunden werden, die auch von der anderen Partei akzeptiert wird. Verhandeln ist also geprägt vom Dialog und dem Interesse an der Sichtweise der anderen Partei. Wer verhandeln will, muss in der Lage sein, vor allem geistige Flexibilität zu zeigen. Durch sensibles Ausloten der wechselseitigen Verhandlungsspielräume vermeidet man, sich unter Wert zu verkaufen oder sich zu überschätzen und interessante Angebote auszuschlagen. Wer die Möglichkeiten des Dialogs mit der anderen Partei ausschöpft, setzt sich nicht nur bei der Verteilung der strittigen Güter besser durch, sondern erhöht gleichzeitig auch die Anzahl der erfolgreichen Verhandlungsabschlüsse. Die große Kunst beim Verhandeln ist, den Zustand der Spannung nicht nur zu ertragen, sondern in diesem Zustand auch noch eine besondere Leistungsfähigkeit und Aufmerksamkeit zu erbringen. Durch Schulung und kontinuierliche Weiterbildung durchschauen Sie die entsprechenden Verhandlungsmuster immer besser und entwickeln sich Schritt für Schritt zum „filmreifen“ Verhandlungsprofi.
In den letzten Jahrzehnten untersuchten Wissenschaftler das Thema Verhandeln sehr gründlich. Es wurden viele Experimente zum Entscheidungsverhalten in Verhandlungssituationen durchgeführt und verschiedenste Verhandlungskonstellationen simuliert. Aus diesen Experimenten ergab sich, dass der Ablauf einer Verhandlung einem festen Muster folgt. Verhandeln nach Drehbuch erläutert Ihnen dieses Muster. Auf dieses Wissen können Sie künftig bei der Vorbereitung von Verhandlungen, aber auch in kniffligen Situationen während der Verhandlung zurückgreifen. Wie mit einer Landkarte können Sie Ihre aktuelle Position lokalisieren und entscheiden, was für Sie die beste Reaktion wäre. Wenn man diese innere Logik des Verhandelns einmal verstanden hat und künftig in Verhandlungen beherzigt, ist es einfach, den materiellen und emotionalen Verhandlungserfolg deutlich zu steigern.
Jede Verhandlung läuft in sieben Phasen ab:
1. Vorbereitung
2. Begrüßung
3. Informationsaustausch
4. Konzessionsphase oder Verhandeln im engeren Sinne
5. Einigung
6. Abschied
7. Nachbereitung
Jede dieser Phasen hat ihre eigenen Regeln und Gesetzmäßigkeiten. Es ist deshalb sinnvoll, über jede Phase separat zu sprechen. In der Begrüßungssituation ist zum Beispiel ein ganz anderes Verhalten gefordert als in der Informationsphase. In der Konzessionsphase werden sie mit ganz anderen Strategien Erfolg haben als in der Schlussphase der Verhandlung.
Die sieben Phasen einer Verhandlung
Wall Street: „Anacott Steel“
„’Wall Street‘ © 1987 Twentieth Century Fox. All rights reserved“
Eine Szene aus dem Film Wall Street eignet sich besonders gut, die sieben Phasen mit einem anschaulichen Beispiel zu unterlegen. In wenigen Filmminuten können Sie alle sieben Phasen gewissermaßen im Schnelldurchlauf erleben. Das Ganze ist zwar mit einer kräftigen Dosis Hollywood aufgepeppt, doch gerade die ironische Überspitzung des Stoffs bringt so manches Kommunikationsmuster erst richtig auf den Punkt. Zudem machen gerade das außergewöhnliche Setting und der komprimierte Ablauf den hohen Erinnerungs- und Wiedererkennungswert der Szene aus.
Wall Street: „Anacott Steel“
Werfen Sie einen Blick auf die Szene „Anacott Steel“ aus Wall Street, dem Drama um den jungen Bud Fox und den cleveren, jedoch gewissenlosen Finanzmagnaten Gordon Gekko. Eine kurze Beschreibung des Films finden Sie auf Seite 231.
Bud Fox ist ein Aufsteiger aus dem Arbeitermilieu. Er hat einen Job als Aktienbroker an der Wall Street ergattert und will ganz nach oben. Der Börsenhai Gordon Gekko nutzt das gnadenlos für seine Zwecke aus. Er verwickelt Bud Stück für Stück in immer riskantere Geschäfte.
Im Auftrag von Gordon hat Bud ausspioniert, dass Gordons Konkurrent Larry Wildman die marode Stahlfirma Anacott Steel aufkaufen will. Gordon kauft daher schnell ein größeres Aktienpaket und will es mit einem fetten Gewinn an Wildman weiterverkaufen.
Die Szene spielt in Gordons mondänem Haus. Im Erdgeschoss ist eine Party für Geschäftsfreunde im Gange. Plötzlich erhält Gordon einen Anruf: Larry Wildman möchte kurzfristig mit ihm sprechen.
In der kurzen Vorbereitungszeit bis zu Larrys Eintreffen unternimmt Gordon äußerlich nicht allzu viel. Er stellt sich jedoch, wie sich später zeigen wird, mental auf die Verhandlung ein. Gordon macht sich Gedanken über seine Chancen, aber auch über seine Risiken.
Larry Wildman kommt in Begleitung eines Beraters an. Die Begrüßung verläuft eher frostig. Gordon sorgt dafür, dass auch Bud an der Verhandlung teilnimmt. Für die Verhandlung zieht man sich in Gordons Arbeitszimmer zurück.
Larry braucht das Aktienpaket, um endlich mit der Sanierung von Anacott Steel beginnen zu können. Erst versucht er Gordon ins Gewissen zu reden, dass an der Sanierung viele Arbeitsplätze hängen, doch Gordon geht es nur um den Profit. Er hält Larrys Angebot für zu niedrig. Mit Hilfe von Bud und einer geschickten Drohung, die Verhandlung scheitern zu lassen, gelingt es ihm, Larry um 10 Prozent heraufzuhandeln. Larry schlägt zwar auf den Deal ein, ist jedoch sehr verärgert. Er fühlt sich von Gordon über den Tisch gezogen. Grußlos und hoch erhobenen Hauptes verlässt er den Raum. Gordon und Bud lassen in einer kurzen Nachbesprechung die Verhandlung nochmals Revue passieren.
Soweit die Szene aus dem Film Wall Street. In der Vorbereitung geht es grundsätzlich darum, den Einstieg in die Verhandlung zu finden. Welche Informationen liegen vor? Welche Alternativen gibt es grundsätzlich zu der bevorstehenden Verhandlung? Wie sieht wohl die andere Seite die Situation? Welche tieferen Motive könnten hinter deren Verhalten stecken? Wie sieht es mit der emotionalen Distanz der Beteiligten zur Verhandlung aus?
In der Filmszene erfährt Gordon durch den Anruf, dass ihn Larry Wildman sprechen möchte. Larry Wildman hat es eilig – er will etwas von ihm. Gordons Instinkt wittert die Verhandlungschance: So eine Möglichkeit lässt sich Gordon nicht entgehen. Zunächst sorgt Gordon dafür, dass er in der Verhandlung einen Partner hat, mit dem er sich die Bälle zuspielen kann. Deshalb bittet er Bud, bei der Besprechung dabei zu sein. Auf diese Weise hat er auch einen Zeugen für das Gespräch. Und ein Egomane wie Gordon hat natürlich auch gerne etwas Hofstaat um sich herum. Außerdem arbeiten erfahrene Verhandler meist im Team. Gordon stimmt sich zudem innerlich positiv auf die Verhandlung ein – man spürt an seinen Bewegungen und dem Blitzen in seinen Augen, dass er sich auf den Schlagabtausch freut.
Dennoch ist sich Gordon bewusst, dass er Larry, der über weitaus größere finanzielle Ressourcen verfügt, mit dem heimlichen Aufkauf eines Aktienpakets von Anacott Steel gereizt hat. Gordons objektive Verhandlungsmacht ist wegen seiner geringeren finanziellen Spielräume relativ begrenzt, doch er sieht die Sache nüchtern und gelassen. Außerdem verlässt er sich auf sein kommunikatives Geschick. Zu der Frage, ob es zwischen ihm und Larry außer den Interessengegensätzen auch noch Verbindendes gibt, macht er sich jedoch keine Gedanken.
Larry Wildman kommt mit einem seiner Berater in das Haus von Gordon. Die beiden treffen jetzt auch physisch aufeinander. War die Vorbereitung eher eine intellektuelle Aufgabe, so setzt jetzt ein interessanter, oft unbewusster Prozess ein. Es lässt sich immer wieder beobachten, dass die Parteien, so gegensätzlich ihre Interessen auch sein mögen, im Laufe der Verhandlung emotional doch zusammenwachsen. Dieser Vorgang läuft hauptsächlich nonverbal ab. Es geht um Fragen wie: Wer könnte die Führung in der neuen Gruppe übernehmen? Welche Spielregeln sollen gelten? Das alles hat mit dem sachlichen Auftrag wenig zu tun. Doch Menschen, die in einem Raum zusammen sind, fangen unwillkürlich an, sich mit diesen Themen zu beschäftigen. Solange sich eine übergreifende Gruppenordnung nicht wenigstens schemenhaft abzeichnet, sind letztendlich alle anderen Themen, vor allem die sachlichen, blockiert. Wenn diese Themen ungelöst auf die Seite geschoben werden, müssen Sie sich darauf einstellen, dass diese sich im unpassendsten Moment in einer späteren Verhandlungsphase wieder in den Vordergrund drängen und dann meist eine eher destruktive Dynamik entfalten. So werden Abschlüsse verhindert, die rational für alle Beteiligten sinnvoll wären.
Zur Begrüßung bietet Gordons Frau Larry einen Drink an und heißt ihn auf der Party willkommen. Doch Larry reagiert sehr zurückhaltend. Sein Mitarbeiter im Hintergrund bleibt ebenfalls recht steif. Dann kommt Gordon dazu und begrüßt Larry mit übertriebener Höflichkeit. Larry reagiert darauf ebenfalls sehr frostig. Kein üblicher Smalltalk, er will sofort zur Sache kommen. Larry erhebt unbewusst den Anspruch darauf, dass er in dem oben beschriebenen Prozess der Gruppenbildung die Führungsrolle übernimmt und die Spielregeln bestimmt. Gordon ist so clever, sich diesem Führungsanspruch erst einmal zu beugen und Larrys Spielregeln – z. B. kein Smalltalk – zu akzeptieren, obwohl es seinem eigenen Naturell nicht entspricht. Er führt Larry in sein vom Partybetrieb abgeschottetes Arbeitszimmer. Larrys neugieriger Blick auf den Waffenschrank im Büro gibt Gordon dann doch noch Gelegenheit, seinem Bedürfnis nach einigen unverbindlichen Worten zur Eröffnung zu frönen. Und Larry besitzt auch die Größe, Gordon zu seinen Prachtstücken zu gratulieren. Larry fühlt sich ein wenig zu sicher. Der geschmeidige Wechsel von Gordon vom Party-Geplaudere zum verbindlichen Geschäftston sollte ihn warnen, dass er es mit einem psychologisch geschickten und auch sehr aufmerksamen Verhandler zu tun hat. Gordon wird nicht so schnell klein beigeben.
Larry übernimmt wieder die Gesprächsführung. Er bringt das Thema Anacott Steel auf den Tisch. Gordon hat ein Aktienpaket dieses Unternehmens zusammengekauft. Larry braucht dieses dringend für eine Mehrheit im Gesellschaftergremium, denn nur dann kann er die notwendigen Sanierungsmaßnahmen beschließen. Jetzt muss der Preis ausgehandelt werden, zu dem Gordon seine Aktien an Larry verkauft. Es beginnt die Sondierung der Lage. Gordon macht seine Sichtweise klar: Durch Larrys kontinuierlichen Aufkauf von Firmenanteilen ist der Börsenkurs von Anacott Steel gestiegen und damit auch der Wert von Gordons Aktien. Da sein Paket für das Erlangen der Mehrheit notwendig ist, hat Gordon einen Hebel, um für seine Aktien sogar noch deutlich mehr als den Börsenkurs zu verlangen. Mit Geschäften dieser Art hat Gordon seinen Reichtum angehäuft. Larry verfolgt dagegen ein anderes Ziel: Er möchte die Firma sanieren, um möglichst viele Arbeitsplätze zu retten. Er kann es sich deshalb nicht leisten, allzu viel Geld für Gordons Aktienpaket auszugeben. An seiner emotionalen Ausdrucksweise, „es geht um Existenzen und Jobs – drei bis vier Generationen von Stahlarbeitern“, spürt man, dass Larry dieses Projekt tatsächlich sehr am Herzen liegt. Unter Verhandlungsaspekten schwächt ihn das jedoch eher, denn es fehlt ihm die notwendige innere Distanz zum Verhandlungsgegenstand. Vielleicht war es gar nicht so klug, dass Larry selbst die Verhandlung mit Gordon aufgenommen hat. Ein neutraler Berater mit klaren Vorgaben wäre wahrscheinlich die bessere Wahl an der Verhandlungsfront gewesen.
Gordon hat auf den emotionalen Appell nicht reagiert und die Chance, mit Larry auf einer tieferen emotionalen Ebene in Kontakt zu kommen, ungenutzt vorüberziehen lassen. In diesem Moment hätte er für ein „paar Dollar“ seine Beziehung zu Larry nachhaltig verbessern, ja vielleicht sogar auf eine freundschaftliche Basis stellen können. Denn auf einen emotionalen Appell einzugehen, muss nicht heißen, dass man wirtschaftlich unvernünftig handelt. Ganz im Gegenteil, wer sich in seiner Emotionalität angenommen weiß, kann an anderer Stelle manchmal ganz unverhoffte Großzügigkeit zeigen. Mit Gordons Reaktion verpassen die Verhandlungsparteien Gordon – Larry übrigens die Abzweigung zu einer echten Win-Win-Lösung. Das zeigt sich auch gleich in der harten Reaktion von Larry, die jetzt folgt: Als Gordon auf den emotionalen, konstruktiven Impuls nicht reagiert, schaltet Larry blitzartig um auf Härte. Er fährt jetzt schwere Geschütze auf, mit denen er Gordon in die Zange nehmen kann. Larry könnte das Projekt zum Beispiel ganz einfach abbrechen, dann würde Gordon auf seinen mit Krediten finanzierten Aktien sitzen bleiben und möglicherweise mit großen Verlusten verkaufen müssen. Bei den riskanten Finanzkonstruktionen, die hinter den Geschäften stehen, wie sie Larry und Gordon betreiben, kann so etwas schnell zum völligen wirtschaftlichen Aus führen.
Die Phase 3 des Informationsaustauschs stellt ein Abtasten dar; sie wird im realen Verhandlungsprozess oft übersehen und unterschätzt. Wer sich dagegen reichlich Zeit für das Ausloten der Situation nimmt, geht mit soliden Voraussetzungen in die Phase der Konzessionen und Angebote.
Jetzt wird es ernst. Angebote und Forderungen werden ausgetauscht. Für die meisten Menschen ist es sehr wichtig, dass diese Phase ausführlich zelebriert wird. Sie sind enttäuscht und desorientiert, wenn dafür nicht genug Zeit und Spielraum zur Verfügung steht. Oft wird sogar bewusst emotionaler Druck aufgebaut, um bei der anderen Seite die letzten Verhandlungsreserven herauszukitzeln. Die Konzessionsphase ist die große Zeit der klassischen „Verhandlungsspiele“, wie z. B. „Hoch eröffnen, langsam nachgeben“, „guter Polizist – böser Polizist“, und für Abbruchsdrohungen, wie z. B. dem „Walkout“, Fristen und Ultimaten. Diese Manöver werden im im Kapitel „Meisterklasse“ ausführlich vorgestellt.
Viele meinen, wenn sie von Verhandeln sprechen, nur diese eine Phase, die man deshalb auch als das Verhandeln im engeren Sinne bezeichnen kann. Doch Verhandlungen sind vielschichtiger. Wie soll zum Beispiel eine vernünftige Strategie für das Fordern und Nachgeben festgelegt werden, wenn Sie sich nicht vor Beginn der Verhandlung sorgfältig mit Ihren eigenen Argumenten und der Lagebeurteilung durch die andere Partei auseinander gesetzt haben? Mindestens genauso gefährlich ist es, wenn im Unterbewusstsein persönliche Rivalitäten schlummern, die nur auf einen äußeren Anlass warten, um die Verhandlung aus der Bahn zu werfen. Dieses Entgleisen nennt man landläufig den toten Punkt. Bei einer sorgfältigen Durchführung der früheren Phasen kommt es aber gar nicht so weit.
Nachdem die Fronten geklärt sind, macht Larry sein „offizielles Eröffnungsangebot“: 65 Dollar pro Aktie – mehr will er Gordon nicht bieten. Während Larry sofort mit seinem Angebot herausplatzt, geht Gordon raffinierter vor: Er spielt den Ball zu Bud, dem Aktienanalysten, um durch diesen einen Gegenvorschlag einzuführen. Er fragt: „Buddy, was wäre ein fairer Preis für die Aktie?“ Geschickt nutzt Gordon hier Buds Expertenimage und -neutralität. Der Analyst Bud spielt seine Rolle sehr geschickt, denn er gibt nur eine vage Größenordnung von ungefähr 80 Dollar pro Aktie als Richtpreis an, sodass Gordon frei entscheiden kann, wie er das Spiel weiterspielen möchte. Gordon macht daraus sein offizielles Eröffnungsangebot von 72 Dollar pro Aktie, also etwa 10 Prozent mehr, als Larry ursprünglich geboten hatte. Gordon hat seinen Experten selbst heruntergehandelt. Interessant: Gilt doch beim Verhandeln die Regel, dass nie zwei Angebote unmittelbar in Folge abgegeben werden sollen. Warum macht Gordon das? Er weiß, dass das erste Angebot von Bud viel zu hoch gegriffen war. Er kommt Larry mit einer ersten, eher scheinbaren Konzession entgegen. Larry ist das immer noch viel zu hoch. Statt mit einer Konzession von seiner Seite auf den Pfad der wechselseitigen Annäherung einzuschwenken, geht er zum Angriff über. Für ihn benimmt sich Gordon wie ein kleiner Straßenräuber und Erpresser. Er zweifelt nicht daran, dass dieser sogar seine Mutter verkaufen und auch noch per Nachnahme verschicken würde. Hier könnte man sich leicht in eine wechselseitige Angriffs-Verteidigungsspirale hineinsteigern und auf einen toten Punkt zusteuern. Doch Gordon hat sich dafür viel zu sehr im Griff. Er nutzt die Emotionalisierung der Situation für das klassische Manöver des Walkouts (angedeutetes Verlassen der Verhandlung). Dieses Manöver segelt zwar unter der Flagge der Emotion, in Wirklichkeit ist es jedoch eiskalte Berechnung. Er spielt den Entrüsteten und mimt den Abbruch der Verhandlung. Wohlgemerkt, er spricht nicht einmal konkret aus, dass er abbrechen will, sondern verkündet nur, dass er eine Pause braucht, um sich zu beruhigen. Er fängt an, langsam aus dem Raum zu gehen. Die Wirkung auf Larry in seiner emotionalen Verstrickung mit dem Verhandlungsgegenstand ist verheerend: Die dringend gewünschte Einigung verschwindet vor seinen Augen aus dem Raum. Gordons Spiel mit der Androhung des Walkouts hat voll ins Schwarze getroffen. Larry knickt ein. Dass Gordon seine Entrüstung nur gespielt hat, erkennt der Zuschauer vor allem daran, dass er sich nach Larrys Zugeständnis sofort wieder reibungs- und emotionslos in das Verhandlungsgeschehen einklinkt. Festzuhalten bleibt, dass letztendlich beide mit dem Kern der Konzessionsphase, dem geschickten Nachgeben, so ihre Schwierigkeiten haben.
Larry kapituliert und macht ein Angebot von 71 Dollar, also nur knapp unter den 72 Dollar, die Gordon in seiner Eröffnungsposition gefordert hat. Gordon führt uns gleich noch ein weiteres sehr beliebtes Verhandlungsspiel vor: das „Knabbern“. Er lässt Larry nicht den Triumph, sein Angebot von 71 Dollar einfach anzunehmen. Er setzt eine Schlussforderung drauf: „71,50!“, die Larry akzeptiert, um dem Spiel ein Ende zu machen. In diesem letzten Moment hat Gordon die innere Distanz zum Geschehen verloren. An dieser Stelle noch eine Forderung zu stellen, ist ein Fehler. Das letzte Zugeständnis sollte nie von der anderen Seite kommen; das gibt nur böses Blut. Der, der als Letzter nachgibt, fühlt sich normalerweise emotional als der Verlierer. Wer das letzte Zugeständnis bekommt, und sei es auch noch so klein, fühlt sich emotional als Sieger. Larry akzeptiert, doch er fühlt sich als Verlierer. Er, der über eine Firma herrscht, die sechsmal so groß ist wie die von Gordon, hat sich persönlich auf den Weg in Gordons Haus gemacht, um das Thema Anacott Steel aus der Welt zu schaffen. Da hat er sich wohl ganz andere Hoffungen über den Verlauf der Begegnung gemacht. Gordon persönlich aufzusuchen ist in seinen Augen sicher eine große Ehre für diesen. Dafür hatte Larry Anerkennung und Respekt erwartet. Ja, vielleicht war dieses „Entgegenkommen“ sogar eine versteckte Einladung an Gordon gewesen, alte Zwistigkeiten zu begraben und künftig zum wechselseitigen Vorteil mehr zu kooperieren. Wenn das tatsächlich der Fall gewesen sein sollte, was wir allerdings im Film nicht explizit erfahren, ist es nur verständlich, dass Larrys Enttäuschung über Gordons Verhalten umso größer ist.
Für die Einigung ist es wichtig, dass beide Seiten freiwillig zustimmen. Allen anderen Varianten haftet ein Makel an. Ohne Freiwilligkeit ist die Verhandlung nämlich nicht einvernehmlich abgeschlossen. Dies zeigt sich bei Problemen, die später während der Umsetzung der Vereinbarung entstehen: vom eher harmlosen Nachverhandeln bis hin zu fatalen Racheakten, wie man sie gegen Schluss des Films Wall Street erlebt. In diesem Fall haben wir dann das Terrain des Dialogs verlassen und sind auf dem Weg zum Kampf. Kommt es dagegen zu einer wechselseitig freiwilligen Einigung, so erreicht das Zusammenwachsen der Parteien seinen Höhepunkt. Dieses beglückende emotionale Erlebnis ist es übrigens, das die enorme Faszination des Win-Win-Gedankens ausmacht.
Durch seinen beleidigten Abzug verhindert es Larry ganz bewusst, dass höfliche Abschiedsrituale seiner Begegnung mit Gordon im letzten Moment doch noch eine versöhnliche Note geben. Denn es zählt immer der letzte emotionale Eindruck, den man von einer Begegnung mitnimmt. Unter normalen Umständen hätte Gordon also noch eine kleine Chance gehabt, Larry durch eine Abschiedsgabe, und sei es nur ein versöhnliches Kompliment, doch noch ein gutes Gefühl zu geben. Doch Larry ist so tief verärgert, dass er jegliche Möglichkeit für genau diesen Ausgleich verhindert, indem er das Gespräch abrupt abbricht und davonrauscht. Er konserviert gewissermaßen aktiv seine Wut und seine negativen Gefühle gegenüber Gordon. Solch ein Verhalten sollte Gordon stutzig machen. Er und Larry werden sich auf dem Parkett der Investorenszene vermutlich noch oft begegnen. Da sollte man es sich genau überlegen, ob man sich solche emotional gefärbten und damit unkalkulierbaren Feindschaften leistet. Wenn da jemand ist, der noch eine derartige Rechnung offen hat wie Larry mit Gordon, kann das schnell gefährlich werden. Landläufig spricht man in solchen Situationen manchmal vom „Rabattmarken kleben“: Rabattmarken, die dann später bei einer passenden Gelegenheit „eingelöst“ werden.
Nach dem überstürzten Aufbruch von Larry nimmt sich Gordon – bezogen auf die Dauer der ganzen Szene – relativ viel Zeit für seine Nachbesprechung und Nachbereitung mit Bud. Die beiden rekapitulieren, was sich gerade abgespielt hat. Zunächst erklärt Gordon, warum er aus seiner Sicht so schnell nachgegeben hat: Liquidität. Larrys Firma ist sechsmal so groß wie seine; Larry hätte ihn tatsächlich in den Ruin treiben können. Gordon bezieht sich auf das objektive Machtverhältnis, das in diesem speziellen Fall allen bekannt war und von den beiden Kontrahenten auch ähnlich eingeschätzt wurde. Die beiden sind sich jedoch auch bewusst, dass es noch andere Komponenten für den Verhandlungserfolg gibt. Der Einsatz der richtigen Strategie und Taktik ist wesentlich für den Verhandlungserfolg. Eine wertvolle Quelle für derartige Strategien findet sich in dem zweieinhalbtausend Jahre alten chinesischen Strategieklassiker von Sun Tsu: Die Kunst des Krieges, den Bud zitiert: „… wenn dir der Feind überlegen ist, gehe ihm aus dem Weg, ist er zornig, reize ihn; und wenn er ebenbürtig ist, kämpfe …“. Gerade daran haben sich Gordon und Bud gehalten: Larry war mit dem Projekt emotional so verknüpft, dass er nicht mehr aussteigen konnte. Er gab damit ein dankbares Opfer für die Strategie ab, ihn zu reizen und weiter in die emotionale Verstrickung zu treiben.
Für Gordon und Bud ist Verhandeln eher eine elegante und ressourcenschonende Form der Kriegsführung, ein Kämpfen im weiteren Sinne. Zum eigentlichen Potenzial des Verhandelns, dem Dialog mit der anderen Partei, dringen sie nicht vor. Die Zeitbombe der tiefen Verärgerung Larrys, die sie durch ihr überzogenes Taktieren auf der Sachebene gelegt haben, fällt ihnen bei dieser Art der Betrachtung gar nicht auf. Dennoch ist es bemerkenswert, dass Gordon sich die Zeit nimmt und den jungen Bud in die wichtigsten Elemente seiner Verhandlungsführung einweiht. Dadurch kann Bud seine eigenen Verhandlungsfähigkeiten verbessern. Gordon ist über das Interesse und das Engagement von Bud begeistert: „Heyhey, er lernt dazu, Buddy lernt dazu …“. Viele Verhandler sind bei der Weitergabe ihres Wissens nicht so großzügig.
Gordon hat clever verhandelt. Er hat sich im Griff, hat eine hohe innere Distanz zum Verhandlungsgegenstand und beherrscht die klassischen Manöver der Verhandlungskunst, wie die angedeutete Abbruchsdrohung, auch in der praktischen Umsetzung sehr gut. Doch bei einer differenzierteren Betrachtung macht auch er Fehler und achtet vor allem nicht auf mögliche langfristige Schäden, die durch seinen punktuellen Verhandlungserfolg entstehen könnten. Larrys Verhandlungspotenzial kommt durch seine emotionale Beteiligung jedoch nicht so richtig zum Tragen. Er weiß zwar, dass seine objektive Verhandlungsmacht viel größer ist als die von Gordon, doch es fehlt ihm an innerer Distanz, um die Verhandlung mit dem gewieften Taktiker Gordon professionell durchzuziehen.
Die Analyse der Filmszene ermöglicht es – selbst bei einem komprimierten Ablauf, wie er sich zwischen Gordon und Larry abspielt (das Ganze dauert im Film keine fünf Minuten) – die Stärken und Schwächen der Akteure genau herauszuarbeiten. Viele Verbesserungsvorschläge können daraus entwickelt werden. Genau diese Hinweise sind es, die zur nachhaltigen Verbesserung der Verhandlungsfähigkeiten beitragen.
In diesem einleitenden Kapitel haben Sie Larry und Gordon im Schnelldurchlauf bei der Verhandlung um das Aktienpaket der Stahlfirma Anacott Steel begleitet und an diesem Beispiel die sieben Phasen einer Verhandlung in den Grundzügen kennen gelernt. In den folgenden Kapiteln wird nun jede dieser Phasen im Detail durchleuchtet. Welche Muster sind für sie typisch und welche Techniken werden von ausgebufften Verhandlern gerne angewendet?
Sie finden auch weiterhin passende Filmszenen, die Sie als Erinnerungsanker für die Chancen und Risiken der verschiedenen Phasen verwenden können. Sie werden auf Glanzlichter der Verhandlungsführung genauso hingewiesen wie auf typische Fehler. Allein schon durch dieses Wissen lässt sich so manches Problem künftig vermeiden. Aus den Filmszenen können Sie sich dann Ihren persönlichen „Verhandlungsfilm“ zusammenstellen. Sie können sich so umfassend vorbereiten wie Erin Brockovich und unter den schwierigsten Umständen einen verbindlichen und verlässlichen Kontakt aufbauen. Sie können sich eine Blamage ersparen, wie sie den teuren Nobelanwälten passiert, die gegen Ende des Prozesses Erin Brockovich in Spezialfragen des Umweltrechts unterstützen. Sie können Informationen beschaffen wie Mr. Wolfe aus dem Kultfilm Pulp Fiction. Und wenn es um Angebote und Konzessionen geht, können Sie viel erfolgreicher Ihre Ziele verfolgen als der junge Mr. Foil aus der Rechtsabteilung von PG&E.
Den Sack zumachen, das können die Figuren aus dem Film Wall Street. In Pulp Fiction weiß Mr. Wolfe, was eine gute Verabschiedung ist. Nach Wall-Street-Deals wird fast schulmäßig Bilanz gezogen. Sie werden erfahren, was außer Schulterklopfen noch dazugehört, damit Sie in der nächsten Verhandlung Ihre Ziele noch besser erreichen. Außerdem wird an einigen Stellen auf einen fiktiven Banküberfall zurückgegriffen, um weitere Aspekte des Verhandelns zu veranschaulichen. Anhand der Beispiele erfahren Sie, welche grundlegenden Methoden und Verhaltensweisen notwendig sind, um „nach Drehbuch“ zu verhandeln!
Zusammenfassung
– Machen Sie sich mit dem Phasenkonzept vertraut, es ist der Schlüssel zur „Mechanik“ jeder Verhandlung.
– Achten Sie darauf, in welcher Phase der Verhandlung Sie sich befinden.
– Stimmen Sie Ihr Verhalten auf diese Phase ab.
– Verlassen Sie eine Phase erst, wenn Sie das Ziel der Phase erreicht haben.
Die Vorbereitung ist die erste der sieben Phasen. Hier steigen Sie in das Geschehen ein und legen die Fundamente für Ihre Verhandlungsführung. Mit einem Blick in die Zukunft simulieren Sie, was auf Sie zukommen könnte. Noch haben Sie die Chance, ohne direkte Konfrontation mit der anderen Partei Ihre ganze Energie auf die Analyse und Verbesserung Ihrer Ausgangslage zu verwenden. Wie ist die Verhandlungsmacht in dieser Verhandlung verteilt? Welche Ansatzpunkte gibt es für ihre Verbesserung? Welche Strategien könnten Ihnen dabei helfen? Welche tieferliegenden Interessen verfolgen Sie mit dieser Verhandlung?
Doch auch die emotionale Situation spielt eine große Rolle. Nur wer emotional eine gewisse Distanz zur Verhandlung wahrt, kann später in den Diskussionen mit der anderen Partei souverän und flexibel reagieren. Hinsichtlich der emotionalen Distanz hat jeder seine ganz spezifischen Stärken und Schwächen. Setzen Sie sich also schon im Vorfeld mit den potenziellen Auslösern auseinander, die Sie in die emotionale Überreaktion treiben könnten.
Verhandlungen können auch scheitern. Auch für diese Variante sollten Sie sich schon in der Vorbereitungsphase einen Maßnahmenplan zurechtlegen, damit Sie im fortgeschrittenen Verhandlungsstadium nicht mangels Alternativen erpressbar oder von einer eskalierenden Situation überrollt werden.
Als Abschluss der Vorbereitungsphase sollten Sie Ihre Überlegungen, zumindest stichpunktartig, in einem schriftlichen Dokument, den Verhandlungsleitlinien, zusammenfassen. Wichtigster Bestandteil dieser Leitlinien ist eine Frageliste mit den Themen, die in der Informationsphase unbedingt zu klären sind. Neben der inhaltlichen und emotionalen Vorbereitung sollten Sie auch dem äußeren Rahmen der Verhandlung Aufmerksamkeit schenken: Sind zeitliche Beschränkungen durch An- und Abreise zu berücksichtigen?, Stehen angemessene Räume zur Verfügung?, Wie ist es um technische Hilfsmittel bestellt?, Ist die Versorgung mit Speisen und Getränken geregelt?
Doch denken Sie daran: In der Vorbereitung kann es nur um Vorüberlegungen gehen, die detaillierte Festlegung von Verhandlungszielen oder Eröffnungspositionen erfolgt erst nach Abschluss der Informationsphase.
Die Vorbereitung, dieser Blick in die Zukunft, hat auch etwas Verführerisches. Man ist schnell geneigt, die eigenen Fantasien über den weiteren Fortgang des Geschehens für besonders wahrscheinlich zu halten. Eine derartige Haltung führt leicht zur Überschätzung der eigenen Verhandlungsposition. Diese Selbstüberschätzung (im englischen Fachterminus „overconfidence“) ist mit der häufigste Fehler, der im Rahmen von Verhandlungen gemacht wird. Man kalkuliert nicht ein, dass alles auch ganz anders kommen kann und man auch für diese Möglichkeiten strategisch und emotional gewappnet sein muss. Der andere große Fehler ist, dass viele Verhandlungsteams schlecht abgestimmt in die Verhandlung einsteigen und es versäumen, ihre verschiedenen internen Standpunkte zu diskutieren und festzulegen, welche Linie nach außen vertreten werden soll und wer welche Funktion im Verhandlungsteam übernimmt.
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